Читать книгу Gauner-Ehre - C. J. Cutcliffe Hyne - Страница 8
Sechstes Kapitel
Оглавление»Der lackierten Herrlichkeit Ihrer Comptoireinrichtung nach zu schließen, macht Ihre Firma rasende Geschäfte,« sprach Patrick Onslow, als er sich auf einen der großen Stühle in Shelfs Allerheiligstem niederließ.
Dieser setzte sich an sein Pult und begann, die dort liegenden Papiere zu ordnen. »Ja,« sagte er ausweichend, »der Umsatz ist gewaltig und unsre Geschäfte sind sehr ausgedehnt.«
»Ausgedehnt und eigenartig.«
»Allein ich bedaure, es aussprechen zu müssen, daß der Verdienst der Firma in den letzten achtzehn Monaten bedeutend zurückgegangen ist. Ich darf mir das Zeugnis ausstellen, daß dieser Rückgang von mir auf keine Weise hätte verhindert werden können. Die Ursache liegt in den Zeitverhältnissen und in den mit Faulheit gepaarten Ansprüchen der von gewissenlosen, bezahlten Hetzern verführten Arbeiter. Die Reihe von Arbeitseinstellungen, womit wir zu kämpfen gehabt haben, ist unerhört.«
»So? Na, ich weiß doch nicht! Arbeiterbewegungen hat es zu allen Zeiten gegeben seit Anbeginn der Geschichte, und wird es wohl immer geben. Ich könnte Sie darauf hinweisen, daß Sie in Hinsicht auf wirklichen Gewinnst noch gar nicht so übel dran sind, und es kann sein, daß eine gewisse Unternehmung im Golfe von Mexiko die Räder schmiert und die Maschine wieder in vollen Gang bringt. Brummen Sie nur, wenn's Ihnen Spaß macht, Mr. Shelf, aber als den vom Geschick am schwersten mißhandelten Mann brauchen Sie sich nicht gerade hinzustellen.«
»Ja, ja,« entgegnete Shelf, der dieser Art von Unterhaltung keinen rechten Geschmack abgewinnen konnte, »aber wenn's Ihnen recht ist, wollen wir zur Sache kommen.«
»Sehr verständig! Wir müssen mit der Ueberlegung, wie wir den Schwindel durchführen wollen, zu Ende kommen.«
»Mr. Onslow!« rief der andre leidenschaftlich aus, »können Sie sich gar nicht daran gewöhnen, Ihre Sprache zu mäßigen? Hinter dieser Thür sitzen hundert Angestellte, und manchmal haben selbst die Wände Ohren und verraten Geheimnisse. Außerdem muß ich auch gegen die von Ihnen gebrauchten Ausdrücke entschieden Verwahrung einlegen. Auf Schwindeleien lassen wir uns in der City nicht ein; wir befassen uns nur mit regelrechten kaufmännischen Unternehmungen.«
»Gut,« antwortete Onslow achselzuckend, »wir wollen uns darüber nicht zanken. Sie mögen Ihren Spaten nennen, wie Sie wollen, ich behalte mir das Recht vor, ihn für mich mit einem einfacheren Namen zu bezeichnen. Wir sind aus verschiedenem Stoffe gemacht, Mr. Shelf, und ich ziehe es vor, in meiner Unehrlichkeit ehrlich zu sein. Aber nun zur Sache! Sie sagen, der Mietvertrag für Ihren Dampfer, die ›Port Edes‹ sei abgelaufen und sie liege müßig. Sie sei zweitausend Tonnen groß, unter Lloyds Aufsicht gebaut und 100 A1 klassifiziert, habe gute Maschinen und komme eben aus dem Trockendock. Ihre Versicherung zum vollen Werte würde keine Schwierigkeiten machen, und nichts sei natürlicher, als eine so wertvolle Ladung in einem so seetüchtigen Schiffe zu versenden. Bliebe also nur noch übrig, eine passende Bemannung zu finden.«
»Ich habe einen Kapitän Namens Kettle hierher bestellt, der schon draußen wartet und den ich bis zu einem gewissen Grade unter dem Daumen habe. Er ist schon früher von unserer Firma beschäftigt worden, und ich habe Grund, ihn für zuverlässig zu halten.«
»Ist sein Vorname nicht etwa Owen?«
»Kapitän Owen Kettle, ja,« erwiderte Shelf, nachdem er ein vor ihm liegendes Schriftstück zu Rate gezogen hatte. Unter seinem Befehl ging der ›Doge of Venice‹ verloren, und seitdem hat er kein Schiff mehr gehabt.«
»Ja, ja, ich weiß, der arme Teufel. Die Geschichte mit dem ›Doge of Venice‹ war eine große Niederträchtigkeit. Die Reeder haben den Beamten des Seeamts voll Champagner gepumpt, sonst wäre das Schiff nie auf See gelassen worden. Der Kasten war so faul, als Rost und gesprungene Nieten ihn nur machen konnten, und wurde als Sargschiff in die See geschickt, in der Absicht, Lloyds um die Versicherungssumme zu betrügen. Kettle war seit einiger Zeit ohne Anstellung. Er war der Verzweiflung nahe, denn er hatte eine Familie zu versorgen, und er nahm die Kapitänstelle mit voller Kenntnis dessen, was von ihm erwartet wurde, an. Und er führte es aus wie ein Mann. Er ließ den ›Doge of Venice‹ in einem Sturm in der Nordsee untergehen, brachte es aber wie durch ein Wunder fertig, seine gesamte Mannschaft zu retten. Bei der Untersuchung vor dem Seeamt wurde er natürlich zum Sündenbock gemacht und ihm das Patent als Schiffer auf ein Jahr entzogen. Nun wandte er sich an die Reeder und bat auf Grund geleisteter Dienste um Unterhalt während dieses Jahres. Die Reeder, natürlich ehrenwerte und verständige Kaufleute, bestritten jede Mitwissenschaft und lehnten jede Verpflichtung ab. Sie erklärten, er sei ein ungeschickter Seemann, der versuche, Geld zu erpressen, und drohten mit einer Verleumdungsklage. Kettle, der nicht den geringsten Beweis hatte, that das Einzige, was ihm übrig blieb: er kroch zu Kreuze. Allein dieser Vorfall und das darauf folgende Nagen am Hungertuche haben nicht gerade dazu beigetragen, seine Laune zu verbessern. In der letzten Zeit ist er als Steuermann auf einem Dampfer im Stillen Ocean gefahren, und er war geradezu der Schrecken seiner Leute. Nur dadurch war er seines Lebens sicher, daß er die Hand beständig am Kolben seines Revolvers hatte.«
»Sie scheinen ja sehr gut über diesen Mann unterrichtet zu sein.«
»Wenn's in meinen Kram paßt,« entgegnete Onslow, »weiß ich's meist so einzurichten, daß ich über jeden, mit dem ich zu thun habe, etwas in Erfahrung bringe. Uebrigens brauchen wir nicht mehr über den armen Teufel zu sprechen. Wie wär's, wenn wir ihn hereinkommen ließen?«
Shelf drückte auf einen der elektrischen Knöpfe, die am Rande seines Schreibtisches angebracht waren, worauf ein Commis eintrat, der nach erhaltenem Auftrage wieder verschwand, aber sogleich zurückkehrte. Ihm folgte ein vertrockneter kleiner Mann von etwa vierzig Jahren mit rotem Kopfe und spitzem rotem Barte. Er verbeugte sich steif und linkisch vor Shelf und sah dann mit ungeheucheltem Erstaunen Onslow an.
»Na, Kettle, haben Sie noch viele Pilger auf Ihrem eisernen Verdeck von Port Said nach Marokko gefahren?« fragte Onslow, indem er ihm lachend zunickte.
»Habe ich nie gethan,« erwiderte Kettle bissig.
»Merkwürdig, ein wie schwaches Gedächtnis manche Leute haben. Wahrscheinlich haben Sie auch die Wassernot vergessen, als der Kondensator versagte, und die kleine Mißhelligkeit, wo Handspeichen und ähnliche hübsche Spielzeuge in Thätigkeit traten, und den kleinen Ausbruch der Cholera und die neun toten Hadjis, die in aller Stille über Bord befördert wurden? Vielleicht ist Ihnen auch der kleine Scherz mit dem gefälschten Gesundheitszeugnis und die Geschichte von den Trinkgeldern, die Sie an gewisse Beamte Seiner Scheriffischen Majestät bezahlt haben, entfallen?«
»Ich weiß nichts von alledem,« antwortete Kapitän Kettle mürrisch.
»Ich werde es auch vergessen, wenn Sie sich wie ein verständiger Mann betragen und Mr. Shelf und mir keine Schwierigkeiten machen, und dann soll meinem Gedächtnis auch der kleine Betrag von achthundert Dollars entfallen, den Sie von einem Güterstauer in New Orleans erpreßt haben, ehe Sie ihm gestatteten, Ihr Schiff zu betreten.«
»Mit den Geschichten kommen Sie mir nur nicht; das sind gewöhnliche Geschäftsgepflogenheiten,« versetzte Kettle.
»Gebühren des Kapitäns, die die Reeder zu bezahlen haben? Ja, ich weiß, manche Kapitäne halten diese Kleinigkeiten für ihr gesetzliches Recht, aber ein Gerichtshof könnte vielleicht so einfältig sein, anders darüber zu denken.«
»Ich möchte wohl wissen, woher Sie diese Geschichte haben,« fragte Kettle. »Ebenso möchte ich wissen, wie Sie hierherkommen. Ich habe mir eingebildet, Sie wären tot.«
»Es gibt noch mehr Menschen, die mich betrauert haben, aber ich habe die unbequeme Angewohnheit, am Leben zu bleiben, wenn man's am wenigsten vermutet. Darin gleichen wir uns, Kapitän Kettle, und diese Gewohnheit kann im Laufe der nächsten Monate sehr nützlich für uns werden, falls Sie nicht so 'n Esel sind, fünfhundert Pfund auszuschlagen.«
»Oho! Bläst der Wind aus der Ecke? Welchen alten Jammerkasten soll ich denn diesmal für Sie untergehen lassen?«
»Herrrr!« donnerte Shelf, sich zum erstenmal ins Gespräch mischend. »Solche Reden verbitte ich mir, und ich ersuche Sie, nicht zu vergessen, daß Sie noch vor kurzem in meinen Diensten gestanden haben.«
»Davon habe ich auch was Rechtes gehabt,« erwiderte der Seemann höhnisch, »aber,« fügte er besänftigend hinzu, da ihm einfiel, daß es niemals verständig von einem Schiffskapitän ist, einen Reeder zu reizen, »aber ich habe Sie nicht gemeint, Herr. Ich dachte, es wäre Mr. Onslow hier, der ein Geschäft mit mir machen wolle.«
»Dann hat Sie Ihre lebhafte Einbildungskraft in die Irre geführt, Kapitän,« antwortete Shelf. »Mr. Onslow hat es für passend erachtet, einige von Ihren – nun, ich will mal sagen, Scherzen zu erzählen, hm, damit wir uns vollkommen verstehen.«
»Um mir zu zeigen, daß mir das Messer an der Kehle sitzt, Mr. Shelf,« versetzte Kettle, »und daß er zustoßen kann, wann er will.«
»Was für 'ne Kratzbürste er ist,« sagte Onslow lachend. »Menschenkind, bilden Sie sich ein, daß ich Sie mehr als nötig wider den Strich bürsten werde, wenn wir einen ausgeschlagenen Monat Schiffskumpane sein sollen? Falls Sie sich meiner überhaupt noch erinnern, müssen Sie wissen, daß ich verflucht vorsichtig bin, wenn sich's um meine eigene Haut handelt. Sie können sich fest darauf verlassen, daß ich nicht aus willkürlicher Grausamkeit so zu Ihnen gesprochen habe; aber Mr. Shelf und ich haben Ihnen ein Garn vorzuspinnen, das etwas grob und drahtig ist. Wir wollen, daß Sie die Geschichte gleich richtig verstehen, und wenn wir uns als Sünder vor Ihnen entpuppen, brauchen Sie kein Klagelied anzustimmen, daß Sie sich zum erstenmal in Ihrem Leben in schlechter Gesellschaft befänden.«
Shelf war schon seit einiger Zeit unruhig hin und her getrippelt, denn die Art, wie Onslow sprach, fiel ihm so sehr auf die Nerven, daß er kaum noch an sich halten konnte. Deshalb nahm er das Gespräch von jetzt an in die Hand. Man hat von ihm behauptet, daß er im Unterhause stets in einer Weise spreche, als ob er eine Gemeinde von der Kanzel seines eigenen Tempels herab anrede, und nun entwickelte er seinen räuberischen, gewaltthätigen Plan mit aller darin liegenden sittlichen Verwerflichkeit in demselben salbungsvollen Predigttone. Onslow machte kein Hehl daraus, daß ihn das höchlichst belustigte, und brach dann und wann in ein spöttisches Lachen aus. Die Verachtung, die er für Shelf empfand, zu verbergen, gab er sich nicht die geringste Mühe, und das war mehr ehrlich als klug gehandelt.
Kettles Gesicht dagegen trug den verblüfften Ausdruck eines Mannes, der nicht versteht, was um ihn her vorgeht. Diese Mischung von salbungsvoller Frömmelei und Niederträchtigkeit war ihm ja freilich nicht neu, denn Leute seines Berufs sind nicht selten im stande, sich auf See wie eingefleischte Teufel zu benehmen und dann während ihres Aufenthaltes am Lande mit geräuschvoller Heuchelei in irgend einem Betsaale zu winseln und auf den Knieen herumzurutschen. Es ist ein eigentümlicher Zug, aber viele seefahrende Spitzbuben glauben, sie könnten durch ein solches Benehmen sozusagen ein Guthaben ansammeln, das gegen ihre spätere Schlechtigkeit gewissermaßen verrechnet würde, so daß sie sich derentwegen keine unbehaglichen Gedanken zu machen brauchten. Reeder waren aber nach Kettles Auffassung eine ganz andre Menschenklasse, und es kam ihm nie in den Sinn, daß auch sie von diesem Abrechnungsverfahren Gebrauch machen könnten.
Das war Kettles Anschauung, während er die Predigt anhörte, die zu seinem Nutz und Frommen abgehaspelt wurde, und er gewann fast den Eindruck, daß die Unternehmung, woran teilzunehmen er überredet wurde, in dunklem Zusammenhang mit einer Missionssendung stehe, die allein zur größeren Verherrlichung und zum Ruhme von Mr. Shelfs engherziger kleiner Sekte unternommen werde.
Wenn Kettle mit den höheren Feinheiten der Kunst der Heuchelei nicht vertraut war, so war er dafür ein Mann, dem es an einem gewissen nüchternen Verstande nicht fehlte, und dank diesem dämmerte allmählich die Ahnung in ihm auf, daß Shelfs Plan, wenn man ihn eines religiösen Mäntelchens entkleidete, ganz etwas andres sei, als was man ihm anfangs zu verstehen gegeben hatte.
Als diese Vorstellung immer klarer in ihm wurde, verloren seine Mundwinkel nach und nach den andächtigen Zug nach unten, und seine Lippen wurden zu einer harten, geraden Linie. Allein er unterbrach den Sprecher nicht, sondern verschluckte Wort für Wort, bis Shelf mit seiner ganzen Rede fertig war.
»Also Sie unternehmen dieses reizende Geschäftchen gemeinsam, meine Herren? Und weil Sie wissen, daß ich ein armer, heruntergekommener Schlucker bin, der für Weib und Kind sorgen muß, glauben Sie, mich so ohne weiteres für Ihre saubere Arbeit kaufen zu können. Na, möglich ist's ja, aber man kann das auf zweierlei Weise anfangen, und von den beiden gefällt mir die Mr. Onslows am besten. Wenn jemand einem Manne sagen will, man halte ihn für einen Schuft, wird die Pille nicht dadurch verzuckert, daß man die Sache so hinstellt, als ob er ein kleiner Heiliger, wenn auch nur von Blech, wäre. Mir ist es ganz Wurst, wem ich das sage.«
»Mein lieber Mann,« knurrte Shelf, »soll das eine Drohung sein?«
»Keineswegs; ich habe Ihnen nur meine Meinung als Mann zum Manne gesagt, weil ich noch Selbstachtung habe, aber ich habe nicht die Absicht, in Ihren Betsaal zu gehen und es den Leuten, die dort sitzen und Ihnen andächtig zuhören, in die Ohren zu brüllen. Sie würden mir doch nicht glauben, wenigstens jetzt noch nicht. Außerdem könnte es mir gar nichts nutzen, und ich kann es mir nicht leisten. Ich bin in bedrängten Umständen, wie Sie wahrscheinlich vermutet haben, Mr. Shelf, und deshalb nehme ich Ihr Anerbieten an. Aber nur keine Fisematenten zwischen uns. Wozu ich mich durch meine Unterschrift verpflichten werde, wenn Sie mir die Papiere vorlegen, gehört unter das Kapitel Seeraub, nicht mehr und nicht weniger; und ehe ich die Maschinenraumklingel auf Ihrem Dampfer auch nur mit einem Finger anrühre, muß mein Geld bei Heller und Pfennig vor mir auf dem Tische liegen. Das ist nicht zuviel verlangt. Meine Familie muß leben können, wenn ich abgefaßt werde, denn wird man bei einer solchen Geschichte erwischt, geht's um Kopf und Kragen, und dann möge sich der Himmel Ihrer elenden Seele erbarmen! Darauf läuft diese kleine Spritzfahrt hinaus: für Ihre schmierigen fünfhundert Pfund kaufen Sie einen lebendigen Menschen.«