Читать книгу Gauner-Ehre - C. J. Cutcliffe Hyne - Страница 7
Fünftes Kapitel
ОглавлениеEs war schon spät am Abend, als sich Patrick Onslow wieder allein mit Mr. Shelf befand. An der Mahlzeit hatten einige Gäste teilgenommen, aber diese waren gegangen, und Mrs. Shelf und Amy Rivers waren auf Lady Latchfords Ball gefahren.
»Sie würden mich sehr verpflichten, Mr. Onslow, wenn Sie den Rest des Abends mir widmen wollten,« hatte Shelf in seiner gespreizten Art gesagt. »Ich habe Angelegenheiten von der größten Wichtigkeit mit Ihnen zu besprechen.«
Onslow hatte eingewilligt, und nun waren sie allein.
»Ich weiß kaum, wie ich beginnen soll,« gestand Shelf verlegen.
»Dann will ich einen Vorschlag machen,« entgegnete Onslow lachend. »Kommen Sie ohne Umschweife zur Sache. Sie haben mir bereits gesagt, daß Sie einen guten Plan zur Umsetzung meiner Entdeckung in klingende Münze haben, und zwar, wie Sie andeuteten, einen etwas unsauberen Plan. Die einzige Frage ist, wie unsauber. Dank dem Drange der Umstände bin ich nicht allzu heikel, indessen bin ich doch in gewissen Punkten etwas wählerisch. Wenn ich mich nicht sehr irre, läuft der Plan auf eine offene Spitzbüberei hinaus, und das ist etwas, dem ein verständiger Mensch möglichst aus dem Wege geht. Ich hatte in meiner Unerfahrenheit gehofft, meine Entdeckung würde sich ausbeuten lassen, ohne daß ich so tief hinabsteigen müßte.«
»O!« rief Shelf eifrig, »Sie hatten also selbst einen Plan, ehe Sie zu mir kamen?«
»Nur in ganz flüchtigen Umrissen. Das Innere der Everglades ist von den Waffen der Weißen noch vollkommen unberührt, und es ist noch ganz unerforscht. Im mittleren Teile der Halbinsel Florida ist, wenn ich mich ausnehme, thatsächlich noch kein Weißer weiter als fünf bis acht Meilen von der Küste ins Innere eingedrungen. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, war ich so glücklich, auf eine für Schiffe mit großem Tiefgang brauchbare Wasserstraße zu stoßen, die bis zur Mittellinie der Halbinsel und wer weiß noch wie weit darüber hinaus führt. Das Land ist fruchtbar, das Klima gesund und der reichste Wildstand der Erde findet sich dort. Für die ersten, die hinkommen, das reine Jägerparadies. Mein Plan ist zwiefach. Zunächst könnte man die noch unberührte Jagd verkaufen, und es gibt Leute, denen keine Summe für ein solches Jagdrevier zu hoch wäre. Bei einer solchen Aussicht dürfte es uns nicht schwer fallen, fünfundzwanzig Teilnehmer zu fünfhundert Guineen jeden zu finden. Das wäre die erste Ernte. Zweitens könnten wir einen ungeheuren Landstrich ankaufen, der jetzt dort für ein Butterbrot zu haben ist, sagen wir zehn bis fünfzehn Cent für den Acker, ordentlich die Reklametrommel rühren und das Land in kleinen Stücken verkaufen. Unsre lieben Landsleute werden sich einbilden, sie könnten Orangen ziehen, und, wer weiß, am Ende gelingt's ihnen auch, aber das ist nicht unsre Sache. Vielleicht ist das ein bißchen hart gegen sie, aber da sie doch immer nach Leuten Umschau halten, von denen sie sich rupfen lassen, sehe ich gar nicht ein, weshalb ihnen eine ›Everglades Aktiengesellschaft‹ nicht das Fell ebenso gut über die Ohren ziehen kann als sonst jemand. Außerdem, wenn das Schlimmste zum Schlimmsten käme, und es mit der Orangenzucht in Florida nicht recht vom Fleck wollte, so brauchten die Pflanzer noch lange nicht zu verhungern, oder, was ihnen wahrscheinlich noch verhaßter wäre, zu arbeiten. Süßkartoffeln, Fische und Tabak sind genug vorhanden, und ein Mensch, dem diese Nahrungsmittel auf die Dauer nicht zuwider werden, kann sie ohne besondere Mühe leicht haben. Sehen Sie, das ist so das Wesentlichste meines Planes. Was halten Sie davon?«
»Hm, dazu gehört ein großes Kapital.«
»Natürlich etwas,« entgegnete Onslow achselzuckend, »sonst wäre ich nicht zu Ihnen gekommen, sondern hätte den Verdienst allein in die Tasche gesteckt, darauf können Sie Ihren Kopf verwetten.«
»Und der Gewinn würde lange auf sich warten lassen.«
»Das ist nicht gerade gesagt. Lassen Sie die Aktiengesellschaft vom Stapel und verkaufen Sie sie nachher gegen bar Geld an eine andre Gesellschaft.«
»Und wenn die Leute, von denen Sie sprachen, finden, daß sich die Orangenpflanzungen nicht gleich bezahlt machen, schreiben sie nach Hause, und ihre Verwandten werden mich als Schwindler bloßstellen.«
»Nein, Sie nicht, sondern die andre Gesellschaft, an die Sie verkauft haben, aber dann würden sich Verteidiger finden, die der Welt bewiesen, daß die Schafsköpfe – Sie brauchen sich nicht an diesem Wort zu stoßen – dumm und faul waren und den landesüblichen Maiswhisky allzusehr geliebt haben. Dann würde sich die andre Gesellschaft ins Fäustchen lachen und die gekränkte Miene eines verkannten Wohlthäters aufsetzen. Begriffen?«
»Ja, ja, Sie werden wohl so viel und so oft über alle Einzelheiten nachgedacht haben, daß der ganze Plan Ihnen ausführbar erscheint. Betrachtet man ihn aber vom Standpunkte eines Geschäftsmannes, so muß ich gestehen, daß er mir den Eindruck einer Unternehmung macht, worauf ich mich nicht einlassen möchte; sie liegt so ganz außerhalb meiner gewöhnlichen Geschäftsthätigkeit, sehen Sie, daß ich – hm – Bedenken trage.«
»Ja,« fiel Onslow ein, »Sie tragen Bedenken, weil Sie etwas zehnmal Vorteilhafteres im Sinne haben. Sie können offen sein,« fuhr er fort, als Shelf überrascht aufsah und sich etwas verfärbte, »und mir sagen, worauf Sie hinauswollen. Paßt mir Ihr Plan, werde ich mit meiner Meinung nicht hinterm Berge halten, wenn nicht, werde ich Ihnen das mit überraschender Schnelligkeit klar machen. Gelangen wir nicht zu einer Verständigung, so können Sie sich auf meine Verschwiegenheit verlassen, denn, sehen Sie, ich sitze selbst in einer Art von Glashaus und werfe deshalb nicht gern mit Steinen.«
Eine kurze Pause trat ein, während deren Shelf unruhig auf seinem Stuhle hin und her rückte.
»Sie wissen, daß ich ein sehr ausgedehntes Reedereigeschäft besitze,« sagte er endlich, indem er die Worte abgebrochen hervorstieß.
Onslow nickte.
»Schiffe gehen dann und wann auf See verloren,« fuhr Shelf fort, »auch Dampfern, sogar Dampfern, die eben neu aus den Händen der Schiffbauer hervorgegangen und in allen Einzelheiten vorzüglich befunden worden sind, stößt das manchmal zu.«
»Ja, von solchen Fällen habe ich wohl schon in den Zeitungen gelesen.«
»Und jeder Schiffbesitzer versichert seine Schiffe zum vollen Werte.«
»Ausgenommen, wenn er eine Ahnung hat, daß sie auf einer Reise zu Grunde gehen werden. Dann, so behauptet das Gerücht, ist er gewöhnlich so umsichtig, über dem Werte zu versichern.«
Shelf fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn und brachte dann das Gespräch anscheinend auf einen andern Gegenstand.
»In den Vereinigten Staaten besteht augenblicklich eine Silberkrisis, und wie ich aus den heutigen Morgenzeitungen ersehen habe, ist der Dollar auf sechzig gefallen. Amerikanisches Gold ist gar nicht zu haben, während englisches stets seinen Nennwert behält. Gäbe es wohl eine natürlichere Finanzoperation, als Sovereigns zu verschiffen und aus dem Kursunterschied Nutzen zu ziehen?«
»Aha,« entgegnete Onslow; »der neue und wertvolle Dampfer, der, obgleich über dem Werte versichert, wahrscheinlich als verloren gemeldet wird, soll offenbar eine Ladung geprägten Goldes an Bord haben. Sie sprachen ja wohl heute morgen von fünfmalhunderttausend Pfund Sterling. Na, wenn man einmal auf Raub ausgeht, dann nur ja nicht für eine Lappalie. Nur den kleinen Spitzbuben mißlingt's meist und dann werden sie gehenkt. Aber weiter und etwas deutlicher, wenn ich bitten darf.«
»Könnte der Dampfer nicht irgendwo im Golfe von Mexiko verloren gehen, während sich ein mit dem Golde beladenes Boot durch die von Ihnen entdeckte Einfahrt ins Innere von Florida rettet?«
»Was verstehen Sie unter ›verloren gehen‹?«
Wieder wischte sich Shelf den Schweiß von der Stirn.
»Stoßen Dampfern nicht zuweilen traurige Unglücksfälle zu,« fragte er, »wobei sie in die – in die Luft fliegen?«
»Hm, ja, von solchen Unglücksfällen habe ich wohl schon gehört, aber es ist doch etwas hart für die Mannschaft. Meinen Sie nicht?«
»Ja, ja, die armen Kerle! Aber das Leben eines Seemanns ist stets von Gefahren umgeben.«
»O, Sie Prachtexemplar!« rief Onslow.
»Ich muß Sie bitten,« sagte Shelf mit einem plötzlichen Ausbruche des Verdrusses, »sich solcher Bemerkungen zu enthalten. Sagen Sie mir lieber, ehe ich in meinem Vertrauen weiter gehe, ob ich auf Ihren Beistand zählen kann.«
»Das kommt darauf an. Zunächst muß der Plan in einigen Punkten abgeändert werden, ehe ich meine Finger in die Pastete stecke. Ich bin nicht allzu bedenklich, wenn es sich um Menschenleben, mein eignes oder das andrer Leute, handelt; ich habe auch schon gelegentlich einmal meinen Mann auf den Rücken gelegt, wenn er zweimal auf mich geschossen hatte. Indessen, Seeraub, verschlimmert durch das, was man im gewöhnlichen Leben Mord nennt, ist eine Kunst, die ich bis jetzt noch nicht getrieben habe, und, sonderbar zu berichten, ich habe auch nicht die Absicht, damit zu beginnen. Aber wollen Sie nicht lieber etwas zu sich nehmen? Sie sehen aus, als ob Sie nächstens ohnmächtig werden wollten. – Hm, der Schluck hätte einem zweiten Steuermann Ehre gemacht, vier Finger breit; Sie scheinen ein ziemlich Ausgepichter zu sein. Nun sagen Sie einmal, was würden Sie mir denn zahlen, wenn ich die Leitung dieses Schurkenstreichs für Sie übernähme?«
»Fünfhundert Pfund.«
»Sieh mal an, wie großmütig! Nicht einmal Guineen?«
»Na, dann wollen wir sagen: Tausend Pfund, Mr. Onslow. Zufrieden?«
»Hören Sie, Mr. Theodor Shelf, wenn die Katze dem Affen die Kastanien aus dem Feuer holen soll, muß der Affe zunächst stärker sein als die Katze, und in dieser beneidenswerten Lage befinden Sie sich keineswegs; im Gegenteil, ich führe die Peitsche. Nun will ich Ihnen einen Vorschlag machen: die Hälfte der ganzen Beute und vollkommen selbstständige Leitung des ganzen Unternehmens.«
»Gerechter Himmel! Wollen Sie mich denn zu Grunde richten?«
»Daran läge mir auch nichts, wenn's dazu käme. Meine Dienste haben einen bestimmten Preis, und Sie können sich ihrer bedienen, oder es bleiben lassen. Das ist mein letztes Wort.«
Shelf brach in eine Flut von Vorstellungen aus, wobei er sich mehr und mehr aufregte, bis er zuletzt mit geballten Fäusten und geschwollenen Adern an Stirn und Hals vor dem andern stand und vor Wut kaum noch verständlich sprechen konnte.
Onslow hörte ihm mit einem verächtlichen Lächeln zu. »Bei einem Geschäft, wo es sich um Leben und Tod handelt,« sagte er gefühllos und kalt, als Shelf sich endlich ausgetobt hatte, »ist der Maklerlohn naturgemäß hoch. Sie haben mein Anerbieten gehört. Gefällt es Ihnen nicht, so sagen Sie das ohne weitere Umschweife, und ich werde Sie mit Ihrem Gewissen, falls Sie noch einen Fetzen dieser Einrichtung besitzen, allein lassen.«
»Behalten Sie nur Platz,« erwiderte Shelf verdrossen.
»Schön und gut; das heißt mit andern Worten, daß Sie meine Bedingungen annehmen, und ich werde Sie später darauf festnageln, aber zunächst gestatten Sie mir eine andre Bemerkung, damit jedes Mißverständnis zwischen uns ausgeschlossen ist. Ich habe die ganze Welt durchstreift und Halunken jeder Art in jedem Sündenpfuhl von Callao bis Port Said angetroffen. Aber man sagt, daß die Blüte von allen in London zu finden sei, und ich glaube wahrhaftig, das ist wahr, denn, beim Satan, Sie sind der durchtriebenste, gemeinste Schuft der ganzen Sammlung!«
»Herr!« donnerte Shelf, »glauben Sie, ich würde mir solche Beleidigungen in meinem eigenen Hause ruhig gefallen lassen?«
»O, ich kenne die Verpflichtungen der Gastfreundschaft sehr wohl, aber Sie stehen außerhalb ihres Schutzes. Sie sind ein giftiges Gewürm, das zertreten werden sollte, aber Sie können mir noch nützlich sein, und deshalb lasse ich mich von Ihnen in Dienst nehmen. Ich habe Ihnen diese Thatsachen unter die Nase gehalten, um Ihnen klar zu machen, daß ich nicht einen Pfifferling auf Ihre heiligsten Versprechungen gebe. Wir sind bei Ausführung dieses kostbaren Plänchens durch den gemeinsamen Vorteil miteinander verbunden, und wenn Sie mich hinters Licht führen können, so mögen Sie's thun. Bedenken Sie aber die Folgen, ehe Sie's versuchen. Ich habe noch niemals eine Rechnung unbezahlt gelassen. Wir sind Arcades ambo, beide Schurken, nur verschiedener Art. Und nun wollen wir, wenn's Ihnen gefällig ist, den Einzelheiten dieses Spitzbubenstreichs etwas näher treten und uns klar machen, wie wir diese halbe Million in klingendem Golde stehlen und diesen wertvollen Dampfer auf den Grund des Meeres spedieren können, ohne mehr Mordthaten zu begehen, als zur Sicherung des Erfolges unerläßlich sind.«