Читать книгу Omega - Die letzten Tage der Erde - Camille Flammarion - Страница 4

I.

Оглавление

Die prächtige Marmorbrücke, die die Rue de Rennes mit der Rue de Louvre verbindet und, gesäumt von den Statuen berühmter Wissenschaftler und Philosophen, die monumentale Allee zum neuen Portikus des Instituts betont, war absolut schwarz vor Menschen. Eine gewaltige Menge wogte die Kais entlang, strömte aus jeder Straße heraus und drängte sich in Richtung des Säulengangs, der schon lange vorher vom stürmischen Mob eingenommen worden war. Niemals, in keinem der barbarischen Zeitalter vor der Gründung der Europäischen Union, als Macht oft über das Recht siegte, als militärischer Despotismus die Welt beherrschte und die törichte Menschheit im unerbittlichen Griff vieler Kriege zitterte – nie zuvor in den stürmischen Zeiten großer Revolutionen oder in den fieberhaften Tagen, die einer Kriegserklärung folgten, hatten die Zufahrtswege zum Parlament, oder der Place de la Concorde selbst, ein solches Schauspiel erlebt. Es war nicht länger eine Bande von Fanatikern, die sich um eine Flagge versammelt hatten oder in irgendeinen Kampf marschierten, gefolgt von einer Schar von Neugierigen und Wartenden, die gespannt darauf waren, was passieren würde; es ging um die gesamte Bevölkerung, die ängstlich, erregt, verunsichert und in Panik war, ohne Unterschied aus jeder möglichen Gesellschaftsschicht bestand, an der Entscheidung eines Orakels hing und fieberhaft auf das Ergebnis der Berechnungen wartete, die ein berühmter Astronom noch am selben Montag um drei Uhr in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften ankündigen sollte. Im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft hatte das Institut überlebt und seine Vormachtstellung in Wissenschaft, Literatur und Kunst behalten – zumindest in Europa. Das Zentrum der Zivilisation lag jedoch schon viele Jahre im Westen, und der Schwerpunkt des Fortschritts zweifellos im Silicon Valley in den USA.

Der neue Palast des Instituts, mit seinen hohen Kuppeln und Terrassen, war auf den Ruinen errichtet worden, die nach der Explosion des altehrwürdigen Gebäudes geblieben waren, einem Überbleibsel der großen, sozialen Revolution der Anarchisten, die in den 50ern immer wieder Gebäude in der Metropole gesprengt und Krater hinterlassen hatten.

Am vorhergehenden Sonntagabend hätte man von der Gondel eines Ballons aus ganz Paris auf den Straßen, Boulevards und öffentlichen Plätzen gesehen, langsam und verzweifelt hin und her gehend, scheinbar ohne Ziel und Absicht. Aber die bunten Ballons schoben sich nicht mehr durch die Luft und auch die Flugzeuge blieben am Boden. Der Lauf des menschlichen Lebens schien stillzustehen und auf jedem Gesicht zeigte sich blanke Angst. Fremde sprachen sich ohne zu zögern an, und es war immer dieselbe Frage, die von den blassen und zitternden Lippen kam: "Ist es wirklich wahr?" Die tödlichste Seuche hätte weitaus weniger Schrecken unter der Bevölkerung verursacht als die astronomische Vorhersage, die auf jeder Zunge lag; sie hätte auch weniger Opfer gefordert, denn schon jetzt, aus einer noch unbekannten Ursache, stieg die Sterblichkeitsrate bereits an. In jedem Moment spürte man den Stromstoß einer unfassbaren und schrecklichen Angst.

Ein paar, die weniger bestürzt waren, wollten selbstbewusster wirken und ließen ab und zu eine Bemerkung des Zweifels, ja sogar der Hoffnung, verlauten, wie: "Es könnte auch ein Irrtum sein", oder, "er wird auf einer Seite vorbeifliegen", oder auch, "es wird nichts passieren; wir werden mit dem Schrecken davonkommen", und andere, ähnliche Beteuerungen.

Aber Erwartungen und Unsicherheit sind oft schrecklicher als die Katastrophe selbst. Ein brutaler Schlag wirft uns ein für alle Mal nieder und macht uns komplett handlungsunfähig. Dann kommen wir zur Besinnung, machen das Beste daraus, erholen uns und nehmen das gewohnte Leben wieder auf. Aber das hier –das war das Unbekannte, die Erwartung von etwas Unabwendbarem, aber Geheimnisvollem, Schrecklichem, das von jenseits aller Erfahrungen kam. Man würde sterben, ganz ohne Zweifel, aber wie? Durch den plötzlichen Schock der Kollision, zu Tode erdrückt? Durch Feuer, den Brand einer ganzen Welt? Durch Ersticken, die Vergiftung der Atmosphäre? Welche Folter erwartete die Menschheit? Die Besorgnis war vielleicht schrecklicher als die Realität selbst. Der Verstand kann nicht über eine bestimmte Grenze hinaus leiden. Leid Stück für Stück zu erleben, jeden Abend zu fragen, was der Morgen bringen wird, bedeutet, tausend Tote zu erleiden. Der Schrecken, jener Schrecken, der das Blut in den Adern verdichtet, der jeden Mut erdrückt, verfolgte die schaudernde Seele wie ein unsichtbares Gespenst.

Mehr als einen Monat lang waren die Geschäfte der Welt ausgesetzt worden; zwei Wochen bevor der Verwaltungsausschuss (ehemals Kammer und Senat) sich vertagt hatte, war jede andere Frage bedeutungslos geworden. Eine Woche lang hatten die Börsen von Paris, London, New York und Peking ihre Türen geschlossen. Was nutzte es, sich mit geschäftlichen Angelegenheiten zu befassen, mit Fragen der Innen- oder Außenpolitik, von Erträgen oder Reformen, wenn das Ende der Welt bevorstand? Politik, in der Tat! Erinnerte sich überhaupt jemand daran, dass er sich jemals dafür interessiert hat? Die Gerichte hatten keine Fälle zu verhandeln; man mordet nicht, wenn man das Ende der Welt erwartet. Die Menschheit legte keinen Wert mehr auf irgendetwas; ihr Herz schlug heftig, als ob es für immer stehen bleiben würde. Jedes Gesicht war ausgemergelt, jede Miene aufgeregt und alle waren von Schlaflosigkeit geplagt. Nur die weibliche Koketterie war nach wie vor zu spüren, wenn auch auf eine oberflächliche, zögerliche, heimliche Weise, ohne an Morgen zu denken.

Die Situation war in der Tat ernst, fast verzweifelt, selbst in den Augen der Stoiker. Niemals, im Laufe der Geschichte, hatte die Rasse Adams mit einer solchen Gefahr zu kämpfen. Die Vorzeichen am Himmel konfrontierten sie unaufhörlich mit der Frage von Leben und Tod.

Aber lassen Sie uns zum Anfang zurückkehren.

Drei Monate vor dem Tag, von dem wir gerade sprachen, hatte der Direktor der Sternwarte am Gauri Sankar die folgende Email an die wichtigsten Sternwarten der Welt und insbesondere an die von Paris geschickt:[1].

"Heute Nacht Komet entdeckt bei 290° 15' Rektaszension und 21° 54' südlicher Deklination. Geringe tägliche Bewegung. Ist von grünlicher Farbe."

Es verging kein Monat ohne die Entdeckung von Kometen und deren Bekanntgabe an die verschiedenen Observatorien, insbesondere seit der Errichtung modernster Einrichtungen dieser Art in Asien auf den hohen Gipfeln des Gauri Sankar, K2 und Kangchendzönga; in Südamerika auf dem Aconcagua, Illampu und Chimborazo, aber auch in Afrika auf dem Kilimanjaro und in Europa auf dem Elburs und dem Montblanc. Diese Meldung hatte daher Astronomen auch nicht zu mehr Kommentaren verleitet als jede andere der ständig eintreffenden Sichtungen. Eine große Anzahl von Beobachtern hatte den Kometen in der angegebenen Position gesucht und seine Bewegung sorgfältig verfolgt. Ihre Beobachtungen waren in den "Neuen Astronomischen Nachrichten" veröffentlicht worden, und ein deutscher Mathematiker hatte eine vorläufige Umlaufbahn und Ephemeride berechnet.

[1]

Schon seit etwa dreihundert Jahren war die Pariser Sternwarte keine Beobachtungsstation mehr, sondern nur noch das zentrale Verwaltungsbüro der französischen Astronomie. Astronomische Beobachtungen wurden sowieso unter weitaus besseren Bedingungen in freier Atmosphäre auf Berggipfeln durchgeführt, wo es keine störenden Einflüsse gab. Die Stationen standen über das Internet in direkter und ständiger Verbindung mit der Zentrale, deren Instrumente nur dazu dienten, bestimmte Entdeckungen zu überprüfen oder die Neugierde der in Paris sesshaften Gelehrten zu befriedigen.


Kaum waren diese beiden Daten veröffentlicht worden, machte ein japanischer Wissenschaftler eine sehr bemerkenswerte Entdeckung. Nach seinen Berechnungen näherte sich der Komet der Sonne aus dem unendlichen Raum auf einer Bahnebene, die leicht geneigt war zur Ekliptik, was ein äußerst seltenes Ereignis am Himmel ist. Außerdem würde er die Umlaufbahn des Saturns durchqueren. "Es wäre äußerst interessant", bemerkte er, "mehr Beobachtungen anzustellen und die Berechnung der Umlaufbahn zu überarbeiten, um festzustellen, ob der Komet mit den Ringen des Saturn kollidieren wird; denn dieser Planet wird am Tag der Ankunft des Kometen exakt dort stehen, wo er seine Umlaufbahn schneidet."

Eine junge, bereits mit Preisen ausgezeichnete Mitarbeiterin des Instituts, gleichzeitig Kandidatin für die Leitung der Sternwarte, reagierte sofort auf diese Vermutung und richtete sich in der Kommunikationszentrale ein, um ja keine Nachricht zu verpassen. In weniger als zehn Tagen hatte sie mehr als hundert Mails abgefangen und, ohne einen Augenblick zu verlieren, drei Nächte und Tage später eine neue Umlaufbahn berechnet, die auf dieser ganzen Reihe von Beobachtungen basierte. Das Ergebnis bewies, dass dem deutschen Wissenschaftler ein Fehler bei der Bestimmung der Perihelentfernung unterlaufen war und dass die Schlussfolgerung des japanischen Astronomen insofern ungenau war, als der Durchflug des Kometen durch die Ebene der Ekliptik fünf oder sechs Tage später stattfand als ursprünglich errechnet; aber das Interesse an dem Problem wuchs dadurch, denn die Mindestabstände des Kometen von der Erde schienen nun geringer zu sein, als der japanische Kollege es für möglich gehalten hatte. Abgesehen von der Frage einer Kollision hoffte man, dass die enorme atmosphärische Störung, die sich aus der Anziehungskraft von Erde und Mond ergeben würde, eine neue Methode aufzeigen könnte, um die Masse dieser beiden Körper mit genauester Präzision zu bestimmen und vielleicht sogar ein wichtiges Indiz auf die Dichte des Erdinneren zu werfen. Man stellte tatsächlich fest, dass sich der himmlische Besucher auf einer Ebene bewegte, die fast mit der der Ekliptik übereinstimmte; in der Nähe des Saturn würde dessen Anziehungskraft vermutlich die einfache, parabolische Umlaufbahn so verändern, dass der Komet näher an unserem Planeten vorbeiflog. Aber nachdem er die Umlaufbahnen des Jupiters und des Mars durchquert hatte, würde er genau den Kurs verfolgen, den die Erde jährlich um die Sonne beschreibt. Das Interesse der Astronomen war deswegen allerdings nicht minder groß, und die junge Datensammlerin bestand mehr denn je nachdrücklich auf der Wichtigkeit zahlreicher und genauer Beobachtungen.

Das Observatorium auf dem Gauri Sankar widmete sich vor allem der Untersuchung der Zusammensetzung des Kometen. Auf dieser, einer der höchsten Erhebungen der Erde, in einer Höhe von über 8000 Metern, zwischen ewigem Schnee, der durch elektrochemische Prozesse mehrere Kilometer von der Station entfernt gehalten wurde, und die fast immer viele hundert Meter über den höchsten Wolken in eine pure und extrem dünne Atmosphäre ragte, wurde die Sehkraft des Auges als auch des Teleskops um das Hundertfache gesteigert. Die Mondkrater, die Satelliten des Jupiters und die Phasen der Venus waren mit bloßem Auge gut zu erkennen. Seit neun oder zehn Generationen lebten mehrere Familien von Astronomen auf diesem asiatischen Gipfel und hatten sich allmählich an seine seltene Atmosphäre gewöhnt. Die Ersten waren noch gescheitert; aber Wissenschaft und Industrie hatten es geschafft, die extremen Temperaturen durch die Speicherung von Solarwärme zu mildern, und so konnte langsam eine Akklimatisierung erfolgen; so, wie es schon früher, im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert gewesen war, als in Quito und Bogota eine zufriedene Bevölkerung im Überfluss lebte und junge Frauen die ganze Nacht unermüdlich tanzten, während auf dem gleich hohen Montblanc in Europa nur wenige Schritte getan werden konnten – und selbst das nur mit Schmerzen in den Atemorganen. Nach und nach war eine kleine Kolonie an den Hängen des Himalaya gewachsen, und durch ihre Forschungen und Entdeckungen hatte sich die Sternwarte den Ruf erworben, die beste der Welt zu sein. Sein Hauptinstrument war die überall hochgelobte parallaktische Montierung von hundert Metern Brennweite, mit deren Hilfe bereits viele kosmische Rätsel entschlüsselt wurden.

Während die europäischen Astronomen noch über die Umlaufbahn des neuen Kometen diskutierten und die Genauigkeit der Berechnungen überprüften, die seine Konvergenz zur Erde und die Kollision der beiden Körper im Weltraum voraussagten, erreichte sie eine neue Nachricht von der Sternwarte im Himalaya:

"Der Komet wird bald mit bloßem Auge sichtbar sein. Immer noch von grünlichem Farbton. Kurs: erdwärts."

Die vollständige Übereinstimmung der astronomischen Daten, ob aus europäischen, amerikanischen oder asiatischen Quellen, ließ keine weiteren Zweifel an deren Genauigkeit zu. Die Tageszeitungen vermarkteten diese alarmierende Nachricht sofort und schmückten sie mit unheimlichen Kommentaren und unzähligen Interviews aus, in denen Wissenschaftlern die erstaunlichsten Aussagen zugeschrieben wurden. Ihr einziges Bemühen bestand darin, die bewiesenen Fakten auszuschmücken und ihre Bedeutung durch mehr oder weniger fantasievolle Ergänzungen aufzubauschen. Was das betrifft, sind die Zeitschriften und Zeitungen der Welt natürlich längst zu reinen Wirtschaftsunternehmen geworden. Jedes einzelne Medium wollte nur jeden Tag eine möglichst große Anzahl von Exemplaren verkaufen. Man erfand falsche Nachrichten, travestierte die Wahrheit, entehrte Männer und Frauen, verbreitete Skandale, log ohne jedes Schamgefühl, veröffentlichte die Formeln von erst kürzlich erfundenen Sprengstoffen, gefährdete seine eigenen Leser und verriet jede Klasse der Gesellschaft, nur um die Neugierde der Öffentlichkeit an den Anschlag zu treiben und rekordverdächtige Verkaufszahlen zu erreichen.

Alles drehte sich nur noch ums Geschäft, denn die Presse interessierte sich nicht für Wissenschaft, Kunst, Literatur, Philosophie, Lehre oder Forschung. Ein Fußballer, ein Tennisspieler oder ein Jockey, ein neuer Sportwagen oder der letzte Schrei am Modehimmel, alles erlangte an einem Tag mehr Berühmtheit als der bedeutendste Wissenschaftler oder der genialste Erfinder – denn diese beiden brachten weder Aktionären der jeweiligen Firmen Ertrag, noch hatten sie irgendwelche Fans. Alles war geschickt mit der Rhetorik des Patriotismus durchtränkt, einem Gefühl, das noch immer in den Köpfen einiger Menschen einen festen Platz hatte. Kurz gesagt, egal wie man es betrachtete, dominierten die finanziellen Interessen einer Veröffentlichung alle Überlegungen bezüglich öffentlichen Interesses und des allgemeinen Wohlergehens. Die Öffentlichkeit war schon lange vorher der Spielball der Medien geworden; aber zu dem Zeitpunkt, von dem wir jetzt sprechen, hatte sie sich dieser Situation ergeben, so dass es keine eigentlichen Zeitungen mehr gab, sondern nur noch Ansammlungen von Notizen und kommerzieller Anzeigen. Weder die erste Ankündigung der Presse, dass sich ein Komet mit hoher Geschwindigkeit näherte und zu einem bereits festgelegten Zeitpunkt mit der Erde kollidieren würde, noch die zweite, dass der wandernde Stern eine gigantische Katastrophe herbeiführen könnte, indem er die Atmosphäre des Planeten vernichtete, hatte den geringsten Eindruck hinterlassen. Diese doppelte Prophezeiung, falls sie vom achtlosen Leser überhaupt bemerkt wurde, war mit tiefer Ungläubigkeit aufgenommen worden und erregte nicht mehr Aufmerksamkeit als die gleichzeitige Ankündigung der Entdeckung des Brunnens der ewigen Jugend in den Kellern des Palais des Fées auf Montmartre direkt neben der Kathedrale von Sacré-Cœur.

Darüber hinaus hatten auch die Astronomen selbst zunächst keine Angst vor einer Kollision geäußert, zumindest nicht, soweit sie das Schicksal der Menschheit betraf, und die astronomischen Zeitschriften (die als einzige noch den Anschein von Autorität wahrten) hatten das Thema bisher nur als eine noch zu verifizierende Berechnung dargestellt. Wissenschaftler sahen das Problem als rein mathematisch an und betrachteten es mehr oder weniger nur als einen interessanten Fall von Himmelsmechanik. In den Interviews, die sie geben mussten, hatten sie sich damit begnügt, zu sagen, dass eine Kollision möglich, ja sogar wahrscheinlich, aber für die Allgemeinheit nicht von Belang sei.

Unterdessen wurde eine neue Nachricht empfangen, diesmal per Telefon vom Mount Hamilton in Kalifornien, die bei den Chemikern und Physiologen für Aufsehen sorgte:

"Spektroskopische Beobachtungen belegen, dass der Komet ein Körper von beträchtlicher Dichte ist und aus mehreren Gasen besteht, hauptsächlich Kohlenmonoxid."

Die Faktenlage wurden immer ernster. Dass es zu einer Kollision mit der Erde kommen würde, war sicher. Die Astronomen, die seit Jahrhunderten gewohnt waren, solche himmlischen Vorkommnisse als harmlos zu betrachten, beschäftigten sich nicht wesentlich mit dieser Tatsache; selbst die berühmtesten Vertreter dieser Gattung zeigten den vielen bartlosen Reportern, die sie rund um die Uhr bedrängten, die Tür und erklärten, dass diese Vorhersage für die Menschen im Allgemeinen nicht von Bedeutung war, sondern eine rein astronomische Frage, die sie überhaupt nicht beunruhigte; andererseits hatten Ärzte damit begonnen, das Thema kontrovers zu diskutieren und berieten unter ihresgleichen ernsthaft über die Möglichkeiten einer Erstickung oder Vergiftung. Sie waren der öffentlichen Meinung gegenüber weniger gleichgültig und begrüßten die Journalisten freundlich, so dass das Thema binnen weniger Tage plötzlich in eine neue Phase eintrat. Es wechselte einfach das Fachgebiet von der Astronomie zur Philosophie, und bald erschien der Name jedes bekannten oder berühmten Arztes in Großbuchstaben auf den Titelseiten der Tageszeitungen; ihre Porträts wurden in Illustrierten abgedruckt, und die Schlagzeile "Interviews über den Kometen" war überall zu sehen. Schon jetzt hatte die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der gegensätzlichen Meinungen feindliche Lager geschaffen, die sich gegenseitig die groteskesten Vorwürfe machten und behaupteten, dass alle Ärzte "Scharlatane sind, die nach Bekanntheit streben".

In der Zwischenzeit war der Direktor der Pariser Sternwarte, der einfach nur die Interessen der Wissenschaft im Sinn hatte, zutiefst beunruhigt über die Wahrscheinlichkeit, dass astronomische Fakten, wie es bereits früher mehrfach der Fall gewesen war, verdreht und falsch dargestellt wurden. Er war ein ehrwürdiger, alter Mann, der während der Erforschung der großen Probleme der Zusammensetzung des Universums grau geworden war. Seine Äußerungen wurden von allen respektiert, und er hatte beschlossen, eine Presseerklärung abzugeben, in der er bekräftigte, dass alle Vermutungen, die vor der vom Institut geleiteten technischen Diskussion geführt wurden, verfrüht waren.

Ich habe bereits angemerkt, dass die Pariser Sternwarte, die aufgrund der Arbeit ihrer Mitglieder und insbesondere der verbesserten Beobachtungsmethoden immer im Mittelpunkt jeder wissenschaftlichen Bewegung stand, einerseits zum Heiligtum der theoretischen Forschung und andererseits zum zentralen Anlaufpunkt für Stationen geworden war, die weit jenseits der Städte lagen und von einer völlig transparenten Atmosphäre begünstigt wurden.

Es war ein Zufluchtsort des Friedens, wo vollkommene Eintracht herrschte, wo selbstlose Astronomen ihr ganzes Leben dem Fortschritt der Wissenschaft geweiht und sich gegenseitig ermutigt haben, ohne dabei den stechenden Neid zu erleben, wobei jeder seine eigenen Verdienste hinter die seiner Kollegen stellte. Der Direktor ging mit gutem Beispiel voran, und als er sprach, geschah es im Namen aller.

Er trat damit eine Diskussion technischer Art los, und man hörte ihm zu – einen Moment lang. Denn die Problematik schien nicht mehr eine Frage der Astronomie zu sein. Niemand leugnete oder bestritt die Kollision des Kometen mit der Erde. Das war eine Tatsache, die die Mathematik hundertprozentig geklärt hatte. Die spannende Frage war nun die chemische Zusammensetzung des Kometen. Wenn die Erde bei seinem Durchflug den Sauerstoff ihrer Atmosphäre verlieren sollte, war der Tod durch Erstickung unvermeidlich; sollte sich der Stickstoff sich mit den Gasen des Kometen verbinden, war das Ergebnis dasselbe – aber dem Tod würde ein zügelloser Rauschzustand vorausgehen, eine Art weltweite Vergiftung, ein wildes Delirium der Sinne, welches das zwangsläufige Ergebnis der Entnahme von Stickstoff aus der Atemluft und der proportionalen Zunahme des Sauerstoffs war.

Das Spektroskop zeigte insbesondere das Vorhandensein von Kohlenmonoxid in der chemischen Zusammensetzung des Kometen an. Die Hauptfrage aller wissenschaftlicher Gutachten war, ob die Mischung dieses schädlichen Gases mit unserer Atmosphäre die gesamte Weltbevölkerung, Mensch und Tier, vergiften würde, was der Präsident der Medizinischen Akademie ausdrücklich bejahte.

Kohlenmonoxid! Man sprach nur noch über Kohlenmonoxid. Das Spektroskop konnte nicht fehlgehen. Die dahinter stehende Methodik war zu sicher, die Prozesse zu präzise. Jeder wusste, dass die kleinste Vermischung dieses Gases mit der Luft, die wir atmen, einen schnellen Tod bedeutete. Eine spätere Email aus dem Observatorium auf dem Gauri Sankar hatte die Nachricht vom Mount Hamilton mehr als bestätigt. Diese Meldung lautete:

"Die Erde wird vollständig in den Kern des Kometen eintauchen, dessen Durchmesser bereits dreißigmal so groß ist wie der unseres Planeten und der täglich zunimmt."

Dreißigmal so groß wie der Durchmesser der Erde! Selbst wenn der Komet zwischen Erde und Mond hindurchfliegen sollte, würde er beide Himmelskörper berühren, denn die Entfernung zwischen ihnen ist kleiner als dreißig Erddurchmesser.

Innerhalb der drei Monate, deren Verlauf wir gerade zusammengefasst haben, war der Komet aus Tiefen des Alls aufgetaucht, die nur für das Teleskop zugänglich waren, und schließlich mit bloßem Auge sichtbar geworden. Von der Erde deutlich sichtbar schwebte er wie eine himmlische Bedrohung unter der Armee der Sterne durchs All. Der Schrecken, der langsam, aber unaufhaltsam voranschritt, hing wie ein mächtiges Schwert über jedem einzelnen Kopf. Eine letzte Anstrengung wurde unternommen; allerdings nicht wirklich, um den Kometen von seinem Kurs abzubringen – eine Idee, die von dieser Art von Visionären ersonnen wurde, die vor nichts zurückschreckten und die sich sogar vorstellen konnten, dass sinnvoll über die Erde verteilte riesige Batterien einen elektrischen Sturm von enormer Größe erzeugen und die Erde auf eine neue Umlaufbahn schicken würden. –, sondern um das gigantische Problem nochmals aus allen Aspekten zu untersuchen und so vielleicht den öffentlichen Geist zu beruhigen und die Hoffnung durch die Entdeckung eines Fehlers in den gezogenen Schlussfolgerungen, oder einer vergessenen Tatsache in den Beobachtungen oder Berechnungen wiederzubeleben. Die Kollision würde vielleicht doch nicht so fatal sein, wie es die Pessimisten vorhergesagt hatten. Eine allgemeine Darstellung des Falles von jedem möglichen Standpunkt aus war für genau diesen Montag im Institut angekündigt worden, nur vier Tage vor dem vorhergesagten Tag der Kollision, die am Freitag, den 13. Juli, stattfinden würde. Der berühmteste Astronom Frankreichs, damals Direktor der Pariser Sternwarte, der Präsident der Akademie der Medizin, seines Zeichens ein bedeutender Physiologe und Chemiker, der Präsident der astronomischen Gesellschaft, ein talentierter Mathematiker, und andere Redner, darunter eine Frau, die für ihre Entdeckungen in der Physik bekannt war, gehörten zu den angekündigten Sprechern. Das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Betreten wir die ehrwürdige Kuppel und hören uns die Diskussion an, aber nicht, bevor wir uns nochmals intensiv um diesen berüchtigten Kometen kümmern, um den sich alle Gedanken drehten.

Omega - Die letzten Tage der Erde

Подняться наверх