Читать книгу Miss of the Match - Carina Isabel Menzel - Страница 13

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„Es war unglaublich!“ Kiki sitzt auf meinem Bett, tippt auf ihrem Handy herum und sieht nur ab und zu davon auf. „Echt, ich freu mich so dermaßen aufs nächste Spiel. Nur glaub ich, dass es gegen Ghana schwieriger wird als gegen Portugal. Vielleicht verlieren wir sogar. Ich mein, wir haben gute Spieler, aber selbst wenn wir verlieren, können wir trotzdem noch Gruppenerster werden, kommt halt drauf an, wie hoch wir verlieren und ...“

„Kiki!“, unterbreche ich sie entnervt. Es sind schon zwei Tage vergangen seit dem Eröffnungsspiel, aber seitdem kennt sie kein anderes Thema mehr. Sie hat mir von jeder Sekunde der Eröffnungsfeier haarklein berichtet und jede Spielminute so oft durchanalysiert, dass ich mich mit diesem Spiel inzwischen wahrscheinlich besser auskenne als die, die es gesehen haben. Aber langsam geht mir ihr Geschwärme etwas auf den Keks. Allerdings ist es immer noch erträglicher als das von Sophie, die mir strahlend die einzelnen Spieler beschreibt und die „offizielle Spielerfrisur der WM“, die sie so sexy findet, und wer nach dem Spiel alles sein Trikot ausgezogen hat und wie sie die ganzen Spielerfrauen beneidet. Sie sitzt neben Kiki und starrt auf den laufenden Fernseher an der Wand, in dem Interviews gezeigt werden. Alle paar Minuten macht sie uns darauf aufmerksam, welcher unglaubliche Typ jetzt gerade wieder ein paar schlaue Sprüche von sich gibt.

„Such dir einen Freund, Sophie“, bemerkt Kiki. „Dann hört dieses peinliche Teenager-Getue vielleicht mal auf. Echt, du bist keine sechzehn mehr!“

„Peinliches Teenager-Getue? Komm erst mal aus dem Kindergarten raus!“, fährt Sophie sie plötzlich an. „Wer lässt sich denn immer noch mit seinem Grundschulspitznamen anreden, Kristina?“

Kiki grinst spöttisch. „Musst es ja nicht tun. Es zwingt dich niemand dazu.“

Ich wende mich meinem Kleiderschrank zu. Tolle Freundinnen. Eigentlich sind sie hier, um mir zu helfen. Morgen fahren Sven, Marc und ich zu Emmas Hochzeit und mir ist beim Einräumen des Schranks ein Kleid in die Hände gefallen, das ich bestimmt schon seit fünf Jahren nicht mehr getragen habe, und jetzt kann ich mich nicht entscheiden, welches ich übermorgen anziehen soll. Ich nehme die beiden Kleider heraus und lege sie aufs Bett.

Die beiden hören sofort auf, sich anzugiften. „Oh, mein Gott, wie wunderschön!“ Sophie beugt sich über das marineblaue Cocktailkleid, das ich eigentlich anziehen wollte. „Zieh das an, bitte!“

„Nein.“ Kiki lässt entschieden ihr Handy sinken und nimmt das andere, ein weinrotes, bodenlanges Abendkleid, zur Hand. Es stammt von meiner Mutter und war ihr irgendwann zu klein. Daraufhin hat sie es mir geschenkt. Ich habe es auf meinem Abschlussball getragen und es passt mir immer noch. „Das hier ist viel eleganter.“

„Ich weiß nicht, vielleicht ...“ Sophie wiegt den Kopf hin und her. „Es wirkt fast schon zu elegant.“

Kiki schüttelt den Kopf. „Das ist eine Hochzeit, Sophie! Keine Party, wie du sie kennst!“

„Aber Cynthia hat gesagt, Emmas Mann ...“

„Zukünftiger Mann.“

„Mein ich ja, Emmas zukünftiger Mann ist Italiener. Und die Italiener feiern immer Partys, egal, aus welchem Anlass, glaub mir.“

Kiki ist immer noch nicht überzeugt. „Aber der Ausschnitt ist zu tief.“

„Was soll das heißen? Es wird Cynthia ja wohl niemand aufs Dekolleté glotzen, wenn Sven danebensteht.“

„Hast du ’ne Ahnung! Mein Ex schaut mir immer absichtlich ins T-Shirt, wenn mein Freund danebensteht. Nur um ihn eifersüchtig zu machen.“

Ich muss lachen. „Das nächste Mal bitte ich nur eine von euch, mir zu helfen.“ Ich setze mich zu meinen Freundinnen aufs Bett. „Ich dachte mir, bodenlange Kleider sind vielleicht nicht mehr so in Mode.“

„Na und?“ Kiki richtet sich auf. „Dann bringst du sie wieder in Mode! Die Tochter meines ehemaligen Kunstlehrers ...“

„Ja, Kiki, ist gut“, unterbricht sie Sophie. Dann wendet sie sich an mich. „Cynthia, zieh einfach an, worin du dich am wohlsten fühlst.“

„Das hast du schön gesagt“, meint Kiki mit einem spöttischen Unterton.

„Ja ...“ Ich schaue unschlüssig von einem Kleid zum anderen. „Mal sehen, ich nehme einfach beide mit. Kann mich ja kurzfristig entscheiden.“

„Ich würde so gerne mitkommen.“ Sophies Blick wird verträumt. „Ich will auch mal wieder auf eine Hochzeit.“

„Dann such dir einen Mann und heirate. Hab ich dir schon hundertmal gesagt. Wenn du nicht bald mit deinen Fußballern aufhörst, findest du nie einen“, meint Kiki ernst.

Sophie lächelt triumphierend. „Ich sag dir, ich werde die Vierundzwanzig heiraten.“

„Ach ja?“ Kiki lacht trocken. „Wie willst du denn bitte an den drankommen?“

Sophie sieht uns verschwörerisch an. „Ich habe Connections.“

Kiki muss sichtlich eine spöttische Grimasse unterdrücken. „Und woher bitte?“

Sophies Lächeln verschwindet. „Bist du jetzt eifersüchtig oder was?“

„Ich mein ja nur. Denk doch mal realistisch, glaubst du, der gibt sich mit einer Archäologie-Studentin zufrieden, wenn er jede haben kann? Irgendwann angelt der sich ein Unterwäschemodel wie jeder andere auch.“ Kiki schüttelt den Kopf.

„Wer sagt das denn bitte?“ Sophie richtet sich auf, in ihrem Gesicht bilden sich hektische rote Flecken. „Nur weil so gut wie jeder Spieler mit einem Model zusammen ist? Ich denke realistisch, Kiki, ich kenne ihn. Persönlich!“ Sie gerät in Rage. „Vielleicht nicht ich, aber meine Tante ist mit seiner Mutter eng befreundet. Und das seit Jahren! Wir saßen, glaub ich, sogar mal zusammen im Sandkasten. Und du meinst, der sucht sich seine Freundin nach dem Beruf aus? Man kann doch nicht steuern, in wen man sich verliebt. Was, wenn er sich in eine Putzfrau verguckt? Oder in eine Arbeitslose? Dann liebt er sie trotzdem. Man verliebt sich in einen Menschen, nicht in den Beruf!“ Zornig steht sie auf, nimmt ihre Tasche und stürmt mit einem „Nur weil du mit einem langweiligen Datentechniker zusammen bist“ aus dem Zimmer. Ich höre ihre Absätze auf dem Parkett klappern und kurz darauf die Haustür schlagen.

Kiki schnaubt. „Jetzt hat sie sich selbst widersprochen.“

Ich seufze. „Das musste ja jetzt sein.“

Meine Freundin starrt mich an. „Die macht sich ernsthaft Hoffnungen bei dem! Ich würde ja sagen, das ist lächerlich, aber das ist keine bloße Schwärmerei mehr. Sie ist total besessen von dem Gedanken, an ihn ranzukommen, irgendwann fängt sie an, ihn zu stalken.“

„Wenn sie sagt, sie kennt ihn ...“

„Du hast doch gehört, was sie gesagt hat! Ihre Tante kennt seine Mutter. Das ist einfach naiv.“ Kiki ist immer noch sauer.

„Wer ist denn die Vierundzwanzig überhaupt?“, frage ich vorsichtig.

Kiki überhört meine Frage. „Welches Kleid ziehst du denn jetzt an?“

Sven liegt neben mir und atmet gleichmäßig, während ich an die Decke starre. Morgen früh werden wir um sieben Uhr im Zug nach Rottweil sitzen und zu Emmas Hochzeit fahren. Was heißt morgen - heute. Denn es ist schon weit nach Mitternacht und ich kann immer noch nicht einschlafen. Es ist schwül im Zimmer und ich schwitze, obwohl ich bis auf die Unterwäsche nichts trage und meine Bettdecke irgendwo auf dem Boden herumliegt. Das Mondlicht lässt bizarre Silhouetten über die Decke tanzen. Ich drücke mein Gesicht in die kühle Seide des Kissens und warte darauf, dass der Schlaf kommt. Meinetwegen kann es auch ein Albtraum von Fußball sein, aber im Moment scheint sich mein Ruhemodus nicht einschalten zu wollen.

Ich denke an Sophie. Man könnte meinen, sie kann jeden haben. Blonde Haare, hübsches Gesicht, eine Oberweite, um die sie genug Kommilitoninnen beneiden. Sie folgt jedem Trend, trotzdem hatte sie schon zwei Freunde, die sie nach einer Woche sitzen ließen, weil sie gemerkt haben, dass Sophie ein Mensch ist und keine Barbie, mit der sie machen können, was sie wollen. Jedes Mal hat Sophie sich bei mir ausgeheult, jedes Mal musste ich sie trösten. Ich habe ihr immer gesagt, sie solle sich nicht willkürlich Typen herauspicken, sondern auf den richtigen warten. Nur was, wenn der nicht kommt? Ich habe gut reden, denn ich habe Sven. Kiki hat Jonas, ihren langweiligen Datentechniker. So langweilig ist der gar nicht, bevor Kiki mit ihm zusammen war, und sogar noch am Anfang ihrer Beziehung, habe ich heimlich auf ihn gestanden.

Sophie meint immer zu mir, sie könne es sich leisten, wählerisch zu sein. Aber ein Fußballspieler der Nationalelf? Mag sein, dass die alle gut aussehen, und vielleicht kennt Sophie den einen wirklich, aber es erscheint mir ungefähr so realistisch, eine Beziehung mit einem Fußballer zu führen wie mit einem Popstar. Und Sophie kennt ihn noch nicht mal persönlich - sie hängt ihm irgendeinen Charakter an, der zu ihm passt, aber sie wird enttäuscht sein, wenn er vor ihr steht und ganz anders tickt.

Ich würde mich für Sophie freuen, aber sie hätte doch kein Privatleben mehr. Sie steht zwar gerne im Mittelpunkt, aber ob der Status Spielerfrau das Richtige für sie wäre? Würde sie nicht abheben? Was würde aus ihrer Freundschaft zu Kiki und mir werden? Oder wäre sie frustriert, dass sie immer nur im Schatten ihres Freundes stehen, immer nur als Anhängsel angesehen werden würde? Wie würde sich das auf die Beziehung auswirken?

Mir dröhnt der Kopf und stöhnend setze ich mich auf. Ich nehme mein Handy vom Nachttisch. Vor zwei Wochen war Emmas Junggesellinnenabschied, und weil ich am Tag danach eine Prüfung gehabt hatte, konnte ich ihre Einladung leider nicht annehmen. Vielleicht hat sie ja Lust, mir Bericht zu erstatten.

Miss of the Match

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