Читать книгу Red Power - Carl-Ludwig Reichert - Страница 6

Оглавление

Polemischer Abriss der Indianerpolitik bis 1890 zum besseren Verständnis des Folgenden

Es wäre besser, wenn die Felsen von Plymouth auf den Pilgern und nicht die Pilger auf den Felsen gelandet wären.

Leeman Brightman

Ich weiß, am liebsten würden sie uns erschießen.

Eine Sioux-Frau in Wounded Knee 1973

Die historische Kontinuität der Beziehungen zwischen den Ureinwohnern Amerikas und den Vertretern weißer Zivilisationen stellt sich hauptsächlich her durch die permanenten Versuche der letzteren, erstere aus dem Weg zu räumen. Hatten ganz zu Anfang noch klobige Wotansjünger, ihrem dumpfen Selbstverständnis folgend, eher aus Befremdung als aus halbchristlichem Sendungs-Bewusstsein das heidnische Gewürm - in diesem Fall vermutlich die Mic-Mac Indianer Neufundlands - gemetzelt, waren etliche Waliser vielleicht nie angekommen, waren Portugiesen und Spanier vorwiegend hinter Sklaven, Gold, eher prophylaktisch hinter Seelen her, interessierten sich die Holländer und Engländer schon intensiv für das Land der Ureinwohner und ergriffen unverzüglich Maßnahmen.

Die Holländer ließen, nachdem die ersten Käufe getätigt waren, alles - Mann, Frau und Kind - skalpieren und zahlten für Kopfhäute mehr, als ihnen Manhattan wert gewesen war. Den britischen General Amherst dünkte dieses Verfahren schon zu unrationell, worauf er den auf alsbaldige Endlösung abzielenden Vorschlag machte, mit Pocken infizierte Wolldecken an die Indianer zu verschenken.

Unter solchen Verhältnissen mutet das primär merkantile Interesse der Franzosen am Pelzgeschäft zunächst wie Humanitätsduselei an. Der Eindruck ist allerdings leicht korrigierbar durch die Betrachtung der infamen Politik der Kolonialkriegsführung zwischen Frankreich und England, die auf dem Rücken der Eingeborenen ausgetragen wurde.

Als die Pilgerväter sich entschlossen, Landesväter zu werden, waren die Stämme schon reich an einschlägigen Erfahrungen und nicht nur mit Feuerwasser gebrannt. Dem Appell der »revolutionären« Siedler, die ihnen die Verfassung bereits entwendet hatten, nach friedlicher Unterwerfung standen sie unter düsteren Vorahnungen in der Mehrheit ablehnend gegenüber.

Irokesen und Cherokee entschieden sich für den Status quo als das mutmaßlich kleinere Übel und unterstützten die Engländer. Der Ausgang ist bekannt, die Engländer widmeten sich dem Commonwealth, die Sieger entschädigten sich an den Verbündeten.

Am dringendsten brauchten sie Land.

Den Vorgang des Landerwerbs regelte zufriedenstellend, auch auf ideologischer Ebene, die Doktrin des Entdeckertums, die sich in Gestalten wie der des tapferen Columbus eindrucksvoll verwirklichte.

Die Logik der Beweisführung vermag auch heute noch zu bestehen, da jene, die schon vorher da waren, mangels Eigentums-Bewusstseins und juristischer Ausbildung nicht zufriedenstellend beweisen konnten, dass sie rechtens da waren, bedeutete es aus der Sicht des Entdeckers ein Höchstmaß an Entgegenkommen, ihnen zuzugestehen, sich ihrer Lebensgrundlage in Einzelfällen sogar durch finanzielle Transaktionen zu entledigen. Brief und Siegel, Kreuz und Fahne, Blut und Tränen und die Aussicht auf ein besseres Leben nach dem Tode waren im Kaufpreis inbegriffen.

Zeigten sich Geschäftspartner trotz kulanter Bedingungen uneinsichtig oder verstockt, musste mit unverzüglicher Eroberung gerechnet werden.

Für die Verteilung der entdeckten Gebiete sorgten die Entdecker untereinander, nicht ohne Hader, aber in der Sache einig.

Für die um Geldes und ihrer unternehmerischen Freiheit willen Vereinigten Staaten bestand kein triftiger Grund, die vernünftige und gottgewollte Regelung im Umgang mit den Wilden außer Betracht zu lassen. Als nützliche Ergänzung erwies sich vielmehr die subtile Verfahrensweise der treuen Hand.

Waren doch, trotz immer wieder behaupteter nationaler Souveränität und merkwürdig eindrucksvoller sozialer Organisation unter dem Wust irrationalen Brauchtums die weitschweifenden und weitschweifigen Wilden eher aufmüpfigen Kindern ähnlich, denen die starke Hand der mächtigen Über-Väter not tat.

Galt es doch, den Verirrten den Weg zu weisen in den Schmelztiegel, der nach Maßgabe eines vagen - wer weiß wie viele - Hundertjahresplans auf synthetische Weise den ganz großen Weißmacher produzieren sollte.

Unter diesen Gegebenheiten lieber rot als tot bleiben zu wollen, war begreiflicherweise mit Schwierigkeiten verbunden.

Man kann den Indianern nicht vorwerfen, sie hätten weder das eine noch das andere versucht. Sie versuchten sogar noch mehr.

Um den Nachweis der von der Entdeckerdoktrin negierten Rechtsfähigkeit anzutreten, entschlossen sich die Cherokee unvermittelt, den Weg des weißen Mannes zu gehen. Sie entwickelten ein Alphabet, gaben sich eine Verfassung, gründeten eine Universität, begannen erfolgreich zu farmen und wurden in kürzester Zeit so unerträglich wohlhabend, dass das geknickte. Selbstbewusstsein der neiderfüllten Siedler sich Luft verschaffen musste.

Ökonomisch überrumpelt, hatten sie dennoch das Recht des Eroberers auf ihrer Seite. Der Richter, dem Recht verpflichtet, konnte nicht aus seiner Haut und die Cherokee wurden vertrieben. Tausende kamen um auf dem Marsch nach Oklahoma.

Das Volk bewies seine trotzdem ungebrochene Tücke, indem es sich nach dieser Lehre ausgerechnet auf ausgedehnten Öllagern niederließ.

Die kriegerischen Präriestämme, die offen Widerstand leisteten, eigneten sich demgegenüber vorzüglich zur Einübung militärischer und psychologischer Taktiken. Es fiel leicht, Neuankömmlingen im Wilden Westen ein greulich rotes Feindbild zu injizieren, dem die positiven Erfahrungen einzelner verwegener Waldläufer, die durch Feindkontakt selber halb verwildert waren und häufig unprotestantischen Gelüsten mit einer oder mehreren Eingeborenen frönten, auf die Dauer nichts entgegenzusetzen hatten. Schließlich hatten auch die Indianer im Lauf der Zeit das Skalpieren gelernt und betätigten sich unter dem Vorwand des Volkskriegs allenthalben als blutdürstige Mordbrenner, wie schon immer untereinander.

Dass der Karriere-Militarist Custer bekam, was er verdiente, bedeutete für die Indianer nicht, dass sie behalten konnten, was ihnen gehörte.

Schlacht hier, Massaker da - die Durchsetzung der jeweiligen Sprachregelung oblag nicht den Betroffenen, sondern gehörte zum internen Spiel zwischen Falken und Tauben. Im Zweifelsfall hielt es die schweigende Mehrheit im Wolfspelz mit den Experten a la Sheridan »nureintoterindianeristeinguterindianer« und Chivington »tötetundskalpiertsiealleauseiernwerdenläuse«.

Die »Nachspiele« der Untersuchungsausschüsse gehörten wie die Ermächtigungsgesetze zur Verfahrensweise und waren dazu gedacht, das öffentliche Gewissen durch die folgenlose Bestätigung seines Vorhandenseins im Oberbau zu halten. Es ging außerdem nicht nur um die Indianer, sondern um die Konsolidierung einer Nation. Permanente Nestbeschmutzung war da am wenigsten angebracht.

Wohlüberlegtes Schweigen führte eher zum Gold in den schwarzen Bergen. Und nur den Indianern kam es absurd vor, dass ihr Heiligtum verwüstet wurde, um das gelbe Metall anschließend wieder in die unterirdischen Kammern von Fort Knox zu versenken. Eine andere Absurdität wurde erst im weiteren Verlauf offenkundig: die langwierige Prozedur der feierlichen Vertragsschlüsse, die zu brechen man zwar keine übertriebenen Skrupel hatte - es geschah immerhin bei stolzen 371 von 389, die aber zur Regelung interner Angelegenheiten ebenso überflüssig waren, wie zum Beispiel eine Kriegserklärung, die, wenn schon, zur Klärung der endgültigen Landesvaterfrage benötigt wurde. Krieg oder nicht, mit Kosten war es allemal verbunden und die Steuerzahler forderten Rechenschaft der Militärs in Form von Erfolgsnachweisen.

Die waren aufgrund des niederträchtigen Geschicks nicht immer einfach zu erbringen. Das Jahr 1865 zum Beispiel zeigte ein unerfreuliches Missverhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis. 8.000 Soldaten und 30 Millionen Dollar Investitionen stand eine Ausrottungsquote von kaum 20 Kriegern gegenüber.

Kein Wunder, dass man bei Gelegenheit die Bilanz durch Frauen, Greise und Kinder günstiger zu gestalten suchte. So Baker 1870 bei den Blackfeet.

Wer Hemmungen hatte, den grausamen Wilden in die mörderischen Rücken zu fallen, konnte wenigstens Büffel schießen und auf vergnügliche oder profitable Weise die Endlösung der Indianerfrage vorantreiben. Als es schon fast vorbei war und die Bürokraten im Schatten der siegreichen Militärs begannen, die Übriggebliebenen der Segnungen moderner Verwaltung teilhaftig werden zu lassen - unterstützt von Rudeln eifernder Missionare und gieriger Händler, nur wenig beeinträchtigt von sporadischen Philantrophen und eigenbrödlerischen Völkerkundlern - beeilten sich die letzten Männer von Schrot und Korn, ihren unabänderlichen Abgang so spektakulär wie möglich zu inszenieren.

Doch hatte Kit Carson auf der Jagd nach den Navaho durch die Taktik der »Verbrannten Erde« noch eine zukunftsträchtige Variante des Kriegswesens ins Spiel gebracht, fand man allgemein, dass das Massaker von Wounded Knee eher eine vergessenswerte Peinlichkeit darstellte, und neigte in Anbetracht der Tatsache, dass es mit Ausnahme einiger als Reservationen geeigneter Ödlandstriche, für die es erst im Atomzeitalter Verwendung gegeben hätte, nichts mehr zu holen gab, dazu, einen vorläufigen Schlusspunkt zu setzen.

Red Power

Подняться наверх