Читать книгу Jan und die Juwelendiebe - Carlo Andersen - Страница 3

Erstes kapitel Herr Walther Smith

Оглавление

Jan und Erling liefen mit einem Dutzend Knaben, so schnell sie konnten, über den Schulhof zu ihren Fahrrädern.

«Auf Wiedersehen!» rief Erling.

«Schöne Herbstferien!» schrie Jan.

Die Jungen riefen einander Abschiedsworte zu, und kurz darauf befanden sich Jan und Erling auf dem Heimweg.

«Viel ist es ja nicht, aber zu verachten sind solche Kartoffelferien doch nicht», sagte Erling. «Eigentlich sollte man einführen, daß es das ganze Jahr hindurch jeden Monat eine Woche Ferien gibt. Das würde sich auf das Schuljahr sehr erquickend auswirken, meinst du nicht auch?»

«Ich begreife nicht, warum du mit deinen phantastisch guten Einfällen nicht zum Direktor gehst», lachte Jan. «Ich glaube, die Idee würde bei der Lehrerkonferenz Jubel erwecken.»

«O nein, ich will nicht, daß der Direktor meine Ideen zerpflückt und sie dann als seine eigenen ausgibt. Aber um von etwas Angenehmerem zu reden: was ist nun mit den Ferien?»

«Ja, wir fahren also nach Storebäk», antwortete Jan.

«Um das Ferienhaus zu beaugenscheinigen, das Herr Jan Helmer mit einer flotten Handbewegung seiner Familie geschenkt hat, nachdem er im Sommer den berüchtigten Bankräuber entlarvte und zur Belohnung fünftausend dänische Kronen erhielt. Jawohl, du bist ein großer Herr!»a)

«Halt den Mund. Wir sind selig, daß wir das Sommerhaus bekommen konnten, und ich freue mich mächtig, dorthin zu reisen. Weißt du übrigens, daß einige Jungen vom Junioren-Klub in den Ferien nach Gilleleje segeln? Das wurde gestern abend abgemacht. Sie segeln dorthin und übernachten in den Booten.»

Sowohl Jan als auch Erling trieben mit großer Begeisterung Segelsport und gehörten dem Junioren-Klub von Hellerup an. Vor allem Jan war ein tüchtiger Segler, aber auch Erling hatte an dem frischen Sport Gefallen gefunden, nachdem Jan ihn dazu gebracht hatte, beim Hafenmeister Unterricht zu nehmen.

«Soso», sagte Erling, «die Jungen wollen also nach Gilleleje. Wenn ich nur mitkönnte! Dann wirst du sie ja sehen, wenn du in Storebäk bist.»

«Warum gehst du denn nicht mit?» fragte Jan.

«Ich glaube, ich muß mich diesmal meiner werten Familie widmen. Wir beide waren ja während der ganzen Sommerferien zusammen, und meine geliebten Eltern erhaschten nur selten einen Blick auf mich.»

«Wie traurig für deine Eltern. Da ist ihnen viel entgangen.»

«Nur nicht so übermütig! Das wollte ich übrigens selber sagen, aber dein Spott gilt nicht für meine Mutter. Sie ist nämlich der Auffassung – im Gegensatz zu dir, mein Lieber –, daß meine Anwesenheit im Hause Krag Sonne und Freude verbreitet. Sie sieht in mir ihren kleinen Sonnenstrahl, ihr Herzenssöhnchen, ihren Stolz und ihre Freude, weshalb sie sich in liebenswürdigen, aber sehr bestimmten Wendungen meine werte Anwesenheit während der Herbstferien ausgebeten hat. Kurz und gut, sie sagte gestern zu mir: ‚Diesmal lassen wir dich nicht herumstrolchen und Verbrecher fangen.’ Deutlicher hätte man es kaum ausdrücken können!»

Die beiden Knaben waren bei Jans Haus angekommen und gingen die Treppe hinauf. Sowie Jan an der Wohnungstür läutete, erklang drinnen ein lautes Bellen, und als Jans Mutter, Frau Helmer, die Tür öffnete, flog ihnen der prachtvolle Polizeihund Boy entgegen und gab mit hohen Sprüngen und kurzen entzückten Lauten seine Begeisterung zu erkennen.

«Na, Boy, alter Bursche, ist es so schön, daß wir wieder daheim sind? Soso, sei schön brav ...»

Jan streichelte den Hund, und Boy sprang an ihm in die Höhe und bereitete ihm einen stürmischen Willkomm. Wenige Minuten später waren die beiden Freunde in Jans Zimmer. Boy lag in einem Winkel in seinem Korb, Jan saß auf seinem Stuhle, und Erling rekelte sich auf der Ottomane. Sie hielten eine Beratung ab.

«Wir müssen es auf irgendeine Weise deichseln, daß du zur Nordküste kommst», sagte Jan. «Könntest du nicht deine Eltern dazu bringen, ein paar Tage Ferien zu machen? Ihr habt doch in Storebäk ein Haus, in das ihr nur überzusiedeln brauchtet. Das Wetter ist so schön wie seit langem nicht mehr.»

«Der Gedanke scheint recht gut, Herr Detektiv», antwortete Erling, «aber in Wirklichkeit taugt er nichts. Wie soll ich meinen Vater dorthin lotsen? Willst du mir das vielleicht verraten? Er hat dieses Jahr schon Ferien gemacht, und nun gibt er sich wieder mit seinen elenden Geschäften ab und wühlt in der Freizeit in seinen Bildern. Er ist vollkommen glücklich und wird sich nicht verschleppen lassen.»

Jan dachte nach.

Nach einer Weile sagte er: «So geht es also nicht. Mein Vater fährt auch nicht mit uns, aber vielleicht kommt er später nach. Augenblicklich hat er mit ein paar großen Juwelendiebstählen alle Hände voll zu tun.»

«Ja, wir haben wahrhaftig kostbare Väter. Dein Vater ist in seiner Eigenschaft als Kriminalkommissar dauernd mit Verbrechen beschäftigt, während mein Vater in seiner Eigenschaft als Großkaufmann und Gemäldesammler dauernd mit Geschäften und Bildern beschäftigt ist, und wir beide ...»

Jan fuhr plötzlich auf: «Ich hab’s! Bilder!»

Erling sah ihn verständnislos an. «Was meinst du damit?»

«Bilder! Nun weiß ich, wie wir deinen Vater nach Storebäk lotsen können.»

«Wie denn?»

Jan setzte sich wieder und rieb sich zufrieden die Hände. Dann erklärte er: «Du weißt vielleicht nicht, daß der seit kurzem so berühmte Herr Walther Smith in Storebäk im Badehotel abgestiegen ist, wo wir auch wohnen werden, bis wir das Sommerhaus in Ordnung gebracht haben ...»

«Ja, aber ...»

«Nur ruhig ... ich werde dir alles auseinandersetzen. Der Name Walther Smith ist dir aus den Zeitungen bekannt, nicht wahr? Mir erscheint er als ein recht geheimnisvoller Mann. Von Beruf soll er Kunsthändler sein. Vor einem Monat ist er mit seiner Sekretärin nach Dänemark gekommen und hat einen Haufen Gepäck mitgebracht, darunter ein Bild, das, wie sich herausstellte, von keinem Geringeren als Rembrandt persönlich stammt.»

«Ach ja», fiel Erling ein, «jetzt erinnere ich mich. Die Zollbehörde hatte vor seiner Ankunft einen anonymen Brief erhalten, in dem stand, daß sich unter den Bildern, die Smith mitbringen würde, ein echter Rembrandt befände.»

«Stimmt, und als man die Bilder untersuchte, stellte sich heraus, daß unter einer Übermalung tatsächlich ein echter Rembrandt steckte. In der einen Ecke war das Bild von Rembrandt signiert, und obwohl Smith fürchterlich fluchte ...»

«Was sehr häßlich ist!»

«Ja. Also, obwohl er fürchterlich fluchte und schwor, das übermalte Bild sei eine schlechte Rembrandtkopie, und er habe das Bild der Übermalung wegen in guten Treuen als modernes Gemälde gekauft, mußte er den vollen Zoll für einen echten Rembrandt und obendrein eine Buße bezahlen, alles in allem zwanzigtausend Kronen.»

«Daran erinnere ich mich ebenfalls. Aber hat er auch bezahlt?»

«Gewiß. Er mußte ganz einfach. Was blieb ihm anderes übrig? Die Zeitungen machten viel von der Sache her, und sie schrieben auch, daß Smith inzwischen eine Menge Angebote für den Rembrandt erhalten hat. Ich glaube, erst vorgestern schrieben sie von einem Mann hier in der Stadt, einem Direktor Holst, der zweihunderttausend Kronen dafür geboten haben soll. Aber Smith will für das Bild eine Viertelmillion haben. Das ist ein ganz hübsches Sümmchen, was?»

«Nicht wenig, ja. Direktor Holst ist übrigens ein Freund meines Vaters. Aber bist du sicher, daß Smith jetzt in Storebäk ist?»

«Ganz sicher. Er wohnt dort zusammen mit seiner Sekretärin im Badehotel. Erst neulich waren beide in einer Zeitung abgebildet. Man schreibt ja immer noch über den Rembrandt, wohl weil es sonst wenig zu berichten gibt.»

«Das Ganze ist im Grunde eine recht merkwürdige Geschichte», sagte Erling. «Wo kommt er denn her, dieser Herr Smith?»

«Er ist Däne, soll aber viele Jahre im Ausland gelebt haben.»

«Hm! Komisch, daß er in dem einen Augenblick sagt, das Bild sei nicht echt, und daß er im nächsten Augenblick dem Zoll zwanzigtausend Kronen in den Rachen wirft, und daß er im dritten Augenblick – so viele Augenblicke! – das Bild nicht unter zweihundertfünfzigtausend Kronen verkaufen will.»

Jan seufzte tief. «Mein untertänigstes Kompliment! Du bist auf dem besten Wege, ein richtiger Detektiv zu werden.»

Erling machte eine huldvolle Handbewegung. «Ja, bald bin ich der reinste Jan Helmer! Aber sei gütig, o großer Medizinmann, der alles weiß, und sage mir, wie dieser Herr Smith den dicken Großhändler Krag – den Herrn, dessen Sohn mich zu nennen ich die Ehre habe – bewegen sollte, nach Storebäk zu reisen?»

«Das ist doch klar wie Tinte. Nur mußt du die Sache selber in die Hand nehmen. Meinst du nicht, daß du deinen Vater für Smiths Bilder interessieren könntest? Vielleicht würde er sich den Rembrandt gern einmal ansehen.»

«Au ja, daran ist etwas! Das muß versucht werden! Auch mir würde es nicht schlecht gefallen, den Rembrandt ein bißchen zu beäugen.»

«Ja, du hast ja das Interesse deines Vaters für Bilder geerbt, und ich begreife gar nicht, daß du nicht Schokoladebildchen sammelst. Doch gleichwohl, wenn du deinen Vater dazu bringst, für ein paar Tage nach Storebäk zu fahren, können wir herrliche Herbstferien miteinander verleben.»

«Wunderbar, aber es gibt noch ein anderes Hindernis.»

«Und das wäre?»

«Meine Mutter hat ausdrücklich gesagt, daß wir keine Verbrecher mehr fangen dürfen. Wenn ich also wirklich in Storebäk auftauche, wird es mit dem lieben alten Detektivspielen wohl Essig sein. Bringst du es auch über dich, darauf zu verzichten?»

Jan schüttelte den Kopf. «Dafür kann ich mich nicht verbürgen. Aber wer sagt denn, daß sich auch in diesen Ferien ein ‚Fall’ zeigen wird?»

«Ich weiß nicht», antwortete Erling, «aber du hast eine so seltsame Gabe, immerzu auf dunkle Geschichten zu stoßen, daß ich mich nicht wundern würde, wenn es auch diesmal geschehen würde. Jedenfalls werde ich mich lieber weigern, Mutter etwas zu versprechen.»

Jan und die Juwelendiebe

Подняться наверх