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Zweites kapitel Die Juwelendiebe

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Kriminalkommissar Mogens Helmer drehte das Radio ab, das soeben die Nachrichten gesendet hatte, und lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück. Er seufzte zufrieden und tat einen tiefen Zug an seiner Zigarre.

«Ach ja», sagte er, «hoffentlich kann ich endlich wieder einmal einen gemütlichen Abend mit der Familie verbringen, ohne daß ich abgerufen werde. Wir Polizeileute sind ja in dieser Beziehung nicht gerade verwöhnt. Immerzu müssen wir auf dem Sprunge sein, weil mit einem Anruf zu rechnen ist.»

Frau Helmer blickte lächelnd von ihrer Handarbeit auf. Ja, es war schön, mit dem Mann einen guten, ruhigen Abend zu verleben. Jan saß mit einem Buch am Tisch, und Lis, die mit einer Freundin im Kino war, wurde in zwei Stunden zurückerwartet.

«Es tut mir arg leid, daß du nicht nach Storebäk mitkommen kannst», sagte Frau Helmer.

«Mir auch», antwortete der Kriminalkommissar, «aber in den ersten Tagen ist es einfach nicht möglich. Hingegen hoffe ich, daß ich Mitte der Woche Zeit haben werde. Diese Juwelendiebstähle geben mir weiß Gott allerlei zu tun.»

Jan sah von seinem Buche auf, als der Vater die Juwelendiebstähle erwähnte. Sein großes Interesse an der Arbeit der Polizei verleugnete sich nie.

«Wie steht es denn damit?» fragte er. «Verrat mir ein bißchen, Vater.»

Helmer lachte: «Du interessierst dich wohl brennend dafür, was? Aber das sage ich dir, diesmal mußt du die Polizeiarbeit der Polizei überlassen. Sonst haben meine Leute ja überhaupt nichts mehr zu tun.»

«Du darfst mich nicht aufziehen, Vater. Du weißt doch, daß deine Arbeit mich brennend interessiert. Deshalb würde ich gerne etwas mehr von diesen Diebstählen hören. Ich weiß nichts anderes, als was in den Zeitungen steht, und das sind bloß Äußerlichkeiten.»

«Ja, wir haben noch nichts Rechtes herausbekommen. Eigentlich steht nur die Tatsache fest, daß in den letzten drei Wochen mehrere große Juwelendiebstähle stattgefunden haben. Vor allem wird in Juweliergeschäften eingebrochen, und die Beute der Diebe hat einen Wert von mehreren hunderttausend Kronen!»

«Wie viele Einbrüche sind denn schon verübt worden?»

«Bis jetzt sieben. Das Verfahren war überall gleich, und deshalb nehmen wir an, daß es sich bei allen Einbrüchen um dieselben Leute handelt, um Verbrecher, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind.»

«Wieso?»

«Weil wir von der Kriminalpolizei mehrerer europäischer Hauptstädte Steckbriefe erhalten haben, die sich auf zwei berüchtigte internationale Einbrecher namens Karnoff und Schleisner beziehen. Es scheint, daß die beiden sich nach Dänemark verzogen haben; wenigstens weisen ihre Spuren hierher. Es ist zwar noch keineswegs sicher, daß sie wirklich hier im Lande sind, und daß sie die Juwelendiebstähle begangen haben, aber die Möglichkeit besteht durchaus, denn solche Einbruchsdiebstähle sind ihre Spezialität.»

«Was sind das für Burschen?»

«Erinnerst du dich noch an die Brüder Sass?»

«Ja, von denen hast du mir einmal erzählt.»

«Die beiden wurden in mehreren Ländern Europas jahrelang von der Kriminalpolizei gesucht, ohne daß man sie zu fassen bekam; schließlich schnappte man sie in Kopenhagen. Das war eine sehr große Leistung der dänischen Kriminalpolizei, das kann man wohl ohne Übertreibung sagen. Karnoff und Schleisner haben mit den Brüdern Sass eine gewisse Ähnlichkeit. Sie sind ungemein frech und arbeiten sehr flink. Im Nu haben sie einen Tresor oder einen Safe aufgeknackt. Dazu kommt, daß sie sehr sprachenkundig sind – ich glaube, sie sprechen auch Dänisch, wenngleich mit fremdländischem Tonfall –, und sie sind Meister in der Kunst des Verkleidens.»

«Sie verkleiden sich? Das klingt ja wie ein Kriminalroman!»

«Alles, was mit Karnoff und Schleisner zusammenhängt, klingt wie ein Kriminalroman. Rein äußerlich bilden sie ein merkwürdiges Paar. Karnoff ist ein großer, eleganter Bursche, soll stark sein wie ein Bär und sich vor nichts fürchten. Schleisner dagegen ist klein und zierlich. Er verfügt über keine große Körperkraft, ist aber geschmeidig wie ein Schlangenmensch. An Dreistigkeit lassen die beiden nichts zu wünschen übrig. Mut kann man das nicht nennen, sondern sie sind einfach frech und kennen offenbar keine Skrupel – – zwei höchst unliebsame Subjekte, die von ehrlichen Menschen schmarotzen. Wenn die beiden sich wirklich bei uns herumtreiben, wäre es mir eine ganz besondere Freude, mich um der Gerechtigkeit willen mit ihnen zu befassen und sie hinter Schloß und Riegel zu bringen.»

«Es ist also keineswegs sicher, daß sie die Juwelendiebstähle verübt haben?»

«Nein, durchaus nicht. Das ist nur eine Vermutung, die sich auf die hinter den beiden erlassenen Steckbriefe stützt. Ebensogut können dänische Einbrecher im Spiele sein. Dieser Typus ist ja leider international.» Helmer seufzte tief. «Ich weiß recht gut, daß es Menschen gibt, die erfolgreiche Einbrecher für geschickte, fixe Kerle halten, denen man die Bewunderung nicht versagen kann. Ja, wahrhaftig, so sehen manche Leute die Sache an. Aber wir Polizeibeamte kennen diese Außenseiter der Gesellschaft, wir wissen, welch großen Schaden sie anrichten, und wieviel Unglück sie oft verursachen. Deshalb betrachten wir diese Schmarotzer mit all der Verachtung, die sie verdienen. Erfolgreiche Einbrecher sind keineswegs Helden, auch wenn sie sich dafür halten, das kann ich dir versichern. Die meisten sind feig – und ganz klein und demütig, wenn sie gefaßt worden sind und ihre Handlungsweise verantworten müssen. Kein Gedanke daran, daß sie dann bereit sind, die Folgen auf sich zu nehmen. Sie sind wie Ratten, die sich stets zu verstecken suchen und am liebsten im Dunkeln wirken, wo niemand merken kann, was für Schaden sie anrichten.»

Es entstand eine Pause. Helmer zog an seiner Zigarre, und Jan dachte über die Worte des Vaters nach. Er hatte, als er einmal mit einem Verbrecher zusammengestoßen war, genau dieselbe Erfahrung gemacht. Ja, feige und verantwortungslos, das waren die Burschen. Deshalb war es wichtig, die menschliche Gesellschaft von diesem Gelichter zu befreien.

Dann kehrten seine Gedanken zu den Juwelendiebstählen zurück. «Weißt du, was mir eingefallen ist, Vater?» begann er. «Wenn diese Juwelendiebe so frech sind, wäre es doch auch möglich, daß sie die Finger nach dem kostbaren Gemälde ausstrecken, das dieser Herr Smith ins Land gebracht hat ...»

Helmer lachte. «Na ja, warum nicht? Aber vorerst haben wir es ja nur mit Juwelendiebstählen zu tun. Der Rembrandt wird wohl gut bewacht sein, und Zusammenhänge zu konstruieren, die noch gar nicht bestehen, kann sich die Polizei nicht leisten. Das müssen wir schon den Verfassern von Kriminalromanen überlassen.»

«Aber Karnoff und Schleisner würden doch deiner eigenen Meinung nach gut in einen Kriminalroman passen», unterbrach Jan mit einem Lächeln.

Im Scherz drohte Helmer ihm mit dem Finger. «Gib acht, mein Junge. Ein wirklicher Detektiv läßt sich nicht von Träumereien und Phantasien leiten, er hält sich an die Tatsachen. Übrigens muß ich gestehen, daß ich zwar als gesetzestreuer Bürger und Polizeimann keineswegs damit einverstanden wäre, wenn die beiden Verbrecher – oder wie viele es sein mögen – Walther Smith den Rembrandt wegnähmen, daß ich ihm aber trotzdem einen kleinen oder besser noch einen großen Schrecken gönnen würde. Ich habe für die Schmuggler nämlich ebensowenig übrig wie für andere Gesetzesübertreter.»

«Ich auch», stimmte Jan zu, «Schmuggler sind Betrüger, obwohl es viele Leute gibt, die einen kleinen Schmuggel eher als einen guten Spaß betrachten, und in den Berufsschmugglern arme Teufel sehen, die nur so ihr Leben fristen können.»

«Ganz richtig», fuhr Helmer fort. «Jeder Schmuggel, ob groß oder klein, ist und bleibt dem Staat gegenüber ein Betrug, und damit auch ein Betrug jedem redlichen Steuerzahler gegenüber. Die Zölle bilden für den Staat eine große Einnahme, und wenn diese Einnahme durch Schmuggel sinkt, müssen die Steuern natürlich im gleichen Verhältnis steigen. Außerdem beweist die Erfahrung, daß die meisten Schmuggler, vor allem die großen Tiere dieser üblen Zunft, gar nicht aus Not handeln, sondern nur um rasch auf ungesetzliche Weise viel Geld zu verdienen. Wahrscheinlich gehört auch Herr Smith zu dieser Sorte. Darum ist es nur gerecht, daß man ihm eine Buße von zwanzigtausend Kronen aufgebrummt hat. Allerdings bedeutet dieser Betrag für ihn wahrscheinlich so gut wie gar nichts, denn zweifellos ist er ein reicher Mann, für den zehn- oder zwanzigtausend Kronen mehr oder weniger gar keine Rolle spielen.»

«Aber was hat man denn eigentlich bei den Juwelendiebstählen unternommen?» erkundigte sich Jan eifrig, der in Gedanken wieder einen Sprung gemacht hatte.

«Frag mich lieber, was man nicht unternommen hat», antwortete Helmer. «Wir haben mit Hilfe der Kriminalpolizei das ganze Land durchgekämmt, aber bis jetzt hat man noch keine Spur gefunden, die irgendwie auf die Einbrecher hinweist. Alle Kopenhagener Hotels und Pensionen sind genau durchsucht worden, aber weder Karnoff noch Schleisner konnte aufgespürt werden. An allen Grenzstationen werden die ausreisenden Personen genau kontrolliert und ihr Gepäck desgleichen, aber auch diese Nachforschungen haben bisher kein Ergebnis erzielt, und es scheint, daß ich einige anstrengende Tage vor mir habe, so daß ich, wie gesagt, nicht sicher bin, ob ich nach Storebäk kommen kann, obwohl ich hoffe, wenigstens für einen kleinen Besuch Zeit zu finden.»

«Ach ja, das hoffe ich auch», rief Jan. «Ich freue mich so sehr, unser Sommerhaus zu sehen. Es wird auch lustig sein, im Badehotel zu wohnen. So etwas bin ich ja nicht gewöhnt.»

«Nein, zum Glück bist du daran nicht gewöhnt. Ich freue mich mehr darauf, ins eigene Haus zu ziehen, als in einem Hotel herumzusitzen. Du nicht auch?»

«Doch, natürlich, Vater. Ich hoffe nur, daß Lis nicht allzu sehr in Neckstimmung ist.»

«Ach, du zarte Mimose! Na, wehr dich nur, wenn deine Schwester dir hin und wieder einen Nasenstüber versetzt. Das schadet dir gar nichts, im Gegenteil. Ich nehme auch an, daß es Boy auf dem Lande gefallen wird. Der arme Hund! Es ist lange her, seit ich eine rechte Aufgabe für ihn hatte, aber nun soll er bald im Stadion trainieren, das wird ihm gut tun. Es wäre schön, wenn du auf dem Lande schon etwas mit ihm üben könntest. Zum Kuckuck, da soll denn doch ...!»

Der letzte Satz klang ärgerlich, weil das Telephon plötzlich geläutet hatte. Helmer erhob sich, indem er bemerkte: «So, nun ist der friedliche Abend verdorben. So geht’s immer. Sicher wieder Arbeit ...»

Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Dann reichte er Jan den Hörer und sagte: «Glücklicherweise wirst du verlangt. Erling ist am Apparat und möchte mit dir sprechen.»

Er setzte sich wieder in seinen Lehnstuhl, während Jan mit seinem Freunde ein kurzes Gespräch führte. Als Jan dann den Hörer wieder auflegte, strahlten seine Augen vor Freude, und Frau Helmer, die ihren Jungen in- und auswendig kannte, sagte lächelnd: «Nun haben Erlings Eltern sich also doch entschlossen, die Herbstferien in ihrem Sommerhaus in Storebäk zu verbringen. Das dachte ich mir. Ihr Buben setzt doch immer auf irgendeine Weise euren Willen durch!»

Jan und die Juwelendiebe

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