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Drittes Kapitel

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Erlebnisse im Walde

Die vier Fahrräder, die Herr Berg den Buben zur Verfügung gestellt hatte, wurden mit allen möglichen Ausrüstungsgegenständen für das Lager beladen. Auch die Zeltstangen, die sich zerlegen liessen, konnten auf den Rädern untergebracht werden.

Boy sprang in freudiger Erwartung um die Buben herum. Der kluge Hund merkte, dass etwas Besonderes los war.

Da Jesper die Ferien schon öfters bei seinem Onkel verlebt hatte, war er ortskundig und übernahm die Führung. Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, kamen sie bald am Gutshof Rosenfeld vorüber, der früher einmal ein Vorwerk des Schlosses Vordingborg gewesen war. Der Weg führte durch ein Wäldchen, dann durch den schön gelegenen kleinen Ort Knudsby und schliesslich auf die Landzunge hinaus.

Ausnahmsweise einmal war es nicht Erling, sondern Jesper, der den anderen etwas erzählen konnte. In alter Zeit war die fünfzehn Kilometer lange Landzunge ganz bewaldet gewesen. Jetzt aber war der Wald stark gelichtet. Wie in so vielen anderen Gegenden hatten auch hier die Bewohner die Bäume rücksichtslos gefällt. Infolgedessen war die Landzunge jetzt zum grössten Teil mit Gras und Buschwerk bedeckt. Zahlreiche frei weidende Kühe fanden hier ihr Futter. Jesper wusste auch zu erzählen, dass die Landzunge weiter draussen sehr schmal war.

Jesper war mitten im Erzählen, als ein Flugzeug sehr niedrig mit südlichem Kurs über die Landzunge hinwegdonnerte.

«Es ist ein Marineflieger», erklärte Jesper. «Die Marine hat eine grosse Flugbasis drüben auf Avnö ...»

«Wo liegt Avnö?» fragte Jan.

«Weiter nördlich, nur wenige Kilometer von der Stelle entfernt, wo wir unser Lager aufschlagen wollen. Wir können jeden Tag die Marineflieger bei ihren Übungen beobachten. Sie machen ja ziemlichen Lärm, aber es ist auch interessant.»

Bald hatten die Buben den kleinen Wald erreicht. Jesper folgte einem schmalen Weg, der nach der Nordseite der Landzunge führte. Weiter draussen fand sich ein richtiger Sandstrand.

«Hier dürfen wir unser Zelt aufschlagen», erklärte Jesper. «Und wenn wir wollen, dürfen wir am Strand auch Feuer anmachen.»

Jan blickte sich um und fragte: «Wo hat dein Onkel den Goldring gefunden?»

Jesper deutete auf ein paar niedrige Bäume. «Gleich dort oben. Das Sommerhaus meines Onkels liegt nur fünfhundert Meter von hier entfernt. Aber sehen können wir es nicht. Findet ihr nicht auch, dass es hier schön ist?»

«Wundervoll!» stimmte Carl begeistert zu.

Vor ihnen lag die Förde, blank und von der Sonne beschienen; linker Hand zog sich die Küstenlinie der Landzunge in Windungen nach dem offenen Meere hin. Hinter ihnen war der Wald. Die ganze Natur atmete Frieden und Schönheit.

Alle machten sich mit Eifer an die Arbeit. Die Freunde hatten sich im Laufe der Jahre zu tüchtigen Zeltsportlern entwickelt. Für sie war das Zelt keineswegs der einzige Bestandteil eines richtigen Lagers. Sie bauten eine Feuerstelle, errichteten ein Gestell für den Kochtopf, spannten eine Wäscheleine aus und trafen noch andere Vorkehrungen für ihr Freiluftleben.

So waren sie mehrere Stunden emsig beschäftigt. Als sie fertig waren, tummelten sie sich eine Weile im Wasser, und dann wurde es Zeit fürs Mittagessen. Erling war natürlich der Oberkoch. Sein Gehilfe Jesper wurde ausgeschickt, von dem nahen Gehöft Wasser und Milch zu holen. Als sich die Buben eine halbe Stunde später das Essen gut schmecken liessen, fanden sie alle, es sei eine Lust zu leben.

Carl, der sich gerade ein grosses Stück Brot mit Leberpastete einverleibt hatte, nickte anerkennend: «Du verstehst deine Sache, Erling. Das muss man dir lassen.»

Erling winkte bescheiden ab. «Na, um Brot mit Leberpastete zu streichen, braucht man kein grosser Kochkünstler zu sein. Warte mit deinem Urteil bis zum Abendessen. Wenn Krümel nicht alles verdirbt, werde ich euch die erstaunlichsten Speisen hervorzaubern.»

Nach dem Essen faulenzten die Buben eine Weile. Jan hatte die Hände unter dem Nacken verschränkt und starrte in die blaue Luft. Er dachte an die merkwürdige Aufgabe, die Herr Berg ihnen gestellt hatte. Ob sie wohl Glück haben würden? Es war natürlich durchaus möglich, dass Jörgen, Georg und die andern hier in der Gegend auftauchten, um nach verborgenen Schätzen zu suchen. Aber was dann? Man konnte ihnen ja nicht verbieten, im Walde herumzustreifen. Natürlich würde keiner von ihnen eingestehen, was er im Sinne hatte. Im übrigen konnte man als sicher annehmen, dass der Dieb den verschwundenen Goldring noch besass. Doch wer war der Dieb?

Jan stand auf und schlenderte zu der Stelle, wo Herr Berg das Schmuckstück gefunden hatte. Er beschrieb immer grössere Kreise um den Platz und stiess hier und da mit der Schuhspitze in die Erde. Da aber ausser Steinen nichts zum Vorschein kam, kehrte er bald zum Lager zurück. Erling lag im Zelt und schlief den Schlaf des Gerechten. Carl und Jesper plauderten miteinander. Jan setzte sich zu ihnen.

«Ich habe mir die Stelle angesehen, wo dein Onkel den Schmuck gefunden hat, Jesper. Aber ich habe natürlich nichts gefunden.»

«Das dürfte auch nicht leicht sein», meinte Jesper.

«Trotzdem sollten wir unser Heil versuchen. Wenn Erling ausgeschlafen hat, fangen wir gleich an.»

«Und wie denkst du dir das?» fragte Carl.

«Natürlich können wir nicht allzu gründlich vorgehen», erwiderte Jan. «Wir nehmen vier dicke Stöcke, spitzen sie an und stochern hier und da in der Erde. Vielleicht haben wir Glück und finden etwas. Ob Jörgen und seine Kameraden wohl hier in der Gegend auftauchen werden? Was meinst du, Jesper?»

«Mein Onkel glaubt es», antwortete Jesper. «Sie waren ja schon mehrere Male hier draussen, und es dürfte nicht zweifelhaft sein, weshalb sie kommen. Sicher nicht, um Brombeeren zu pflücken.»

«Wie heisst der künftige Schwager deines Vetters?»

«Preben.»

«Wie ist er?»

Jesper zögerte mit der Antwort. Endlich sagte er: «Ich kenne ihn nur flüchtig. Ich glaube, er ist zu Hause sehr verzogen worden. Vielleicht kommt es daher, dass er so mit dem Geld um sich wirft und viel trinkt. Seine Schwester ist viel besser geraten.»

Jan nickte nachdenklich. «Ja, Inge macht einen guten Eindruck. Aber vielleicht ist da doch etwas faul ...»

«Wie meinst du das?» fragte Jesper neugierig.

«Ich möchte mich darüber noch nicht äussern, Krümel. Wir wollen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.»

Während die andern weiter plauderten, blickte Jan gedankenvoll ins Weite. Seine Augen folgten den vielen Flugzeugen, die von Avnö aufstiegen oder dort landeten. Die Marineflieger schienen eine grosse Übung abzuhalten. Hin und wieder nahm eine Maschine Kurs über die Förde und dröhnte über ihre Köpfe hinweg. Einmal waren es sogar fünf Maschinen, die in Dreiecksformation flogen.

Jan stand schliesslich auf und steckte den Kopf durch die Zeltöffnung. «Steh auf, Dicker!» rief er.

Erling brummte etwas Unverständliches und drehte sich auf die andere Seite.

Aber Jan liess sich nicht abschrecken. Er ging ins Zelt hinein und stiess seinen dicken Freund mehrmals mit der Fußspitze in die Seite. «Hast du nicht gehört, Dicker? Aufstehen sollst du!»

Es dauerte einige Zeit, bis Erling munter war. Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. «Du bist es, du Plagegeist?» brummte er. «Weshalb gönnst du mir den Schlaf nicht? Ich habe mich den ganzen Tag abgerackert, und ...»

«Dass ich nicht lache, Dicker!» unterbrach ihn Jan. «Du hast dich nicht mehr abgerackert als wir andern. Wir sind doch nicht hierher gekommen, um die Zeit zu verschlafen. Steh endlich auf!»

Erling schüttelte betrübt den Kopf. «Was soll denn nun wieder geschehen?»

«Wir wollen nach weiteren Schmuckstücken suchen.»

«Nach weiteren Schmuckstücken», wiederholte Erling, dessen Interesse nun erwacht war. «Wo denn?»

«Das werde ich dir zeigen», erwiderte Jan lächelnd. «Komm endlich!»

Mit einem Seufzer stand Erling auf und taumelte aus dem Zelt. Als sein Blick auf Jesper fiel, rief er entrüstet: «Was sitzt du da herum und schlägst die Zeit tot? Weisst du denn nicht, dass du unser Küchenjunge bist?»

«Doch, aber ...»

«Keine Ausrede», unterbrach Erling. «Hast du Wasser für den Nachmittagskaffee geholt?»

«Nein, aber ...»

Erling stöhnte: «Es ist zum Verzweifeln! Keine Hilfe hat man! Alles muss man allein machen!» Er wandte sich an Jan: «Wir wollen jetzt doch erst unseren Nachmittagskaffee trinken, nicht wahr?»

«Kein Gedanke!» antwortete Jan. «Dazu haben wir keine Zeit. Jetzt heisst es arbeiten!»

Erling seufzte tief, musste sich aber in das Unvermeidliche fügen. Die Buben suchten sich ein paar kräftige Äste aus, befreiten sie von den Zweigen und spitzten sie am einen Ende zu. Nun konnte das Stöbern beginnen.

Jan führte sie zum Fundort des Goldrings und wies jedem einen bestimmten Teil des angrenzenden Waldgebiets zu. Es wurde vereinbart, die Nachforschungen sofort einzustellen und nach dem Lager zurückzukehren, sobald andere Leute auftauchten.

Jan hatte etwa eine halbe Stunde lang in der Erde herumgestochert, als er plötzlich Stimmen zu hören glaubte. Er richtete sich auf und spähte in die Runde. Es war aber niemand zu sehen. Eine Weile blieb er unentschlossen stehen, dann schlich er vorsichtig zum Waldrand und blickte nach dem Lager.

Da sah er, dass seine drei Kameraden schon nach dem Zelt unterwegs waren. Sie hatten die Stimmen also auch gehört! Boy, den man als Wächter zurückgelassen hatte, empfing sie mit begeistertem Gebell. Jan musste unwillkürlich lächeln. Der tatenfrohe Polizeihund langweilte sich offenbar.

Jan drang vorsichtig wieder in den Wald ein. Er hütete sich, auf trockene Zweige zu treten, und sorgte dafür, dass er stets in Deckung blieb. Plötzlich glaubte er wieder Stimmen zu hören. Er machte halt. Bewegte sich da nicht etwas zwischen den Baumstämmen?

Ja, er hatte sich nicht getäuscht. Keine zwei Dutzend Meter entfernt stand ein junger Mann in hellgrauem Anzug. Er kehrte Jan den Rücken, so dass sein Gesicht nicht zu sehen war. Jan kroch hinter einen Busch und liess den Mann, der ruhig dastand und zu lauschen schien, nicht aus den Augen. Nach einiger Zeit wandte der Fremde den Kopf. Jan zuckte unwillkürlich zusammen. Es war niemand anders als Jörgen!

Was nun? fragte sich Jan. Ehe er noch zu einem Entschluss gekommen war, sah er Jörgen tiefer in den Wald hineingehen, und bald darauf wurden Stimmen laut. Jetzt konnte sich Jan schneller vorwärtsbewegen, ohne ein Wagnis einzugehen. Er war aber noch keine fünfzig Meter weitergekommen, als er plötzlich stehen blieb und grosse Augen machte. Er sah zwei junge Leute, die wild aufeinander losschlugen. Der eine von ihnen war Jörgen!

Jan wusste wirklich nicht, was er denken sollte. Warum prügelten sich die beiden? Und wer war Jörgens Gegner? Er war kräftig gebaut, hatte breite Schultern und eine schwarze Haarmähne ...

Auf einmal ertönten laute Rufe im Walde. Mehrere andere junge Leute kamen zum Kampfplatz geeilt. Die Prügelei war auf ihrem Höhepunkt angelangt. Von beiden Seiten wurde rücksichtslos zugeschlagen. Jörgens Nase blutete. Aber jetzt griffen die anderen ein. Bald nahm der Kampf ein Ende, und es entspann sich zwischen den jungen Leuten eine hitzige Diskussion. Jan konnte nicht hören, was gesagt wurde. Doch wenigstens konnte er von seinem Versteck aus sehen, wie sich die Dinge entwickelten. Jörgen wollte sich wieder auf seinen Gegner stürzen, aber die andern hielten ihn fest. Der junge Mann mit den breiten Schultern und der schwarzen Haarmähne lachte höhnisch. Nach einer Weile setzten sich alle in Bewegung und entfernten sich. Ihre Stimmen verebbten.

Jan gewinnt die dritte Runde

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