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VORWORT „Wo soll ich sie suchen, die Seele?"

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Was für ein großes Wort – die Seele! Als Karl sich endlich dazu entschloss, den alten Traum einer Schottland-Reise in die Tat umzusetzen, den er in den 80er Jahren zu träumen begonnen hatte, nachdem er sich von dem Kultfilm „Local Hero“ hatte verzaubern lassen, war ihm klar, dass der Whisky dabei eine Hauptrolle spielen würde. Nicht nur hatte Burt Lancaster alias US-Ölkonzernchef Felix Happer im Film nach einem feuchtfröhlichen Whisky-Abend mit dem Einsiedler Ben Knox alle Pläne fallen lassen, einen romantischen Küstenort von einer neu zu bauenden Raffinerie verschlingen zu lassen, wichtiger noch: Karl hatte in den folgenden Jahrzehnten die Feinheiten der schottischen Single Malt Whiskys1 schätzen gelernt.

Das „Lebenswasser“ aus Schottland – nichts anderes bedeutet das schottisch-gälische Wort Uisge beatha – mag für manchen Liebhaber sogar zu etwas Quasi-Sakralem geworden sein, zumal wenn er für eine Flasche Hunderte von Euros gezahlt hat. So weit geht Karls Hingabe an die Single-Malt-Spirituose nicht. Und dennoch: Für ihn stand fest, dass er bei seinem Schottland-Besuch nicht eine, nicht zwei, sondern viele Destillerien aufsuchen würde, um den Geheimnissen der so unterschiedlichen Geschmacksnuancen auf die Spur zu kommen. Und schon war sie da, die Frage nach der Seele des Whiskys: Was macht ihn aus? Wie kommt der charakteristische Geschmack zustande, der so viel intensiver und doch zarter die Sinne des Genießers anspricht als die meisten anderen Spirituosen? In letzterem Wort steckt der Spirit, das erste Produkt des Destillationsprozesses, der Geist. Eine andere Übersetzung des englischen Wortes „spirit“ lautet Seele. So war er denn doch quasi auf religiöser Ebene angelangt, musste sich Karl eingestehen – obwohl ihm nichts ferner liegt, als eine Flasche anzubeten. „Nun, dem wahren Whisky-Liebhaber verschafft dieser Geist, den er aus der Flasche befreit, so viel an genießerischer Freude, dass ich es mir erlaube, im poetischen – wohlgemerkt nicht religiösen – Sinne von der Seele des Whiskys zu sprechen,“ beschloss der Schottland-Reisende in spe bei seiner Routenplanung. Nur ein Schluck mehr vom torfigen 16-jährigen Lagavulin, von dem er ein 20-Zentiliter-Fläschchen neben die Landkarte gestellt hatte, und schon schoss ihm das Motto für die Reise in den Sinn: „Auf der Suche nach der Seele des Whiskys!"

„Doch wo soll ich sie suchen, die Seele?“, fragte sich Karl. Die Antwort gab ihm seine elektronische Landkarte. Die Suche nach „distillery“ auf der Schottlandkarte ergibt ein eindeutiges Bild. Am Osthang der Highlands, vor allem an den Ufern des Flusses Spey und seines Nebenflusses Fiddich konzentrieren sich die Single-Malt-Brennereien. Und dann gab es da noch das abgelegene Tal des Livet, eines Nebenflusses des Spey-Nebenflusses Avon. Das Glenlivet, das Tal des Livet, ist die Heimat von The Glenlivetx, dem Whisky, für den sich schon 1822 beim Staatsbesuch in Schottland König George IV. begeisterte, obwohl das Produkt damals eigentlich noch illegal war. Karl entdeckte auf der Karte mitten zwischen Livet- und Fiddichtal, wo der inzwischen ebenso weltberühmte Glenfiddich beheimatet ist, ein altes Mansion House (Landhaus), das seine Dienste als Bed & Breakfeast anbot, The Old Manse in Glenrinnes. Sein Entschluss war schnell gefasst: Dort würde er sich als Erstes einquartieren, um Whiskyland zu erkunden.

Aber auch wenn der Verwaltungsbezirk Moray, in dem die berühmte Speyside-Region liegt, sich selbst als „Malt Whisky Country“ tituliert, so ist er zwar das Herz, aber bei weitem nicht ganz Whiskyland. Die schottischen Single Malt Distilleries finden sich in allen Himmelsrichtungen, von den Hebriden-Inseln im Westen mit solchen „Whisky-Leuchttürmen“ wie Lagavulin auf Islay oder Talisker auf Skye bis zu den traditionsreichen Brennereien Glendronach und Glen Garioch in Aberdeenshire, der östlichsten Region des Landes. Auchentoshan am Stadtrand von Glasgow und Glenkichie ein paar Meilen östlich von Edinburgh begrenzen Whiskyland sozusagen im Süden2. Schottlands nördlichste Whiskys werden hingegen auf den Orkney-Inseln gebrannt, in den Destillerien von Highland Park und Scapa. Dorthin, zu den Orkneys, will Karl deshalb als Nächstes fahren, wenn er Moray nach einem östlichen Abstecher zum Flüsschen Dronac Burn verlassen wird. Dem Wahn, alle Brennereien aufzusuchen, ist er zwar nicht verfallen, aber wie könnte er auf dem Weg nach Norden Glenmorangie bei Tain an der Förde Dornach Firth auslassen! Auf den Hebriden will er natürlich außer den landschaftlichen Reizen der Isle of Skye dort auch den mit Seeluft geschwängerten Talisker an seinem Entstehungsort Cabost genießen. Und auf der rauen Insel Islay hat er sich das Dreigestirn der torfgeräucherten Whiskys ins Reiseprogramm geschrieben: Ardbeg, Lagavulin und Laphroaig. Mmh, allein beim Klang dieser Namen stellt sich auf seiner Zunge schon ein wohlig-herber Torfgeschmack ein. Genauso sehr freut er sich schon auf das Finale in den beiden größten Städten Schottlands. Am Rand von Glasgow wird in der Auchentoshan-Destillerie die Tradition der Dreifach-Destillation fortgesetzt, um einen besonders weichen Whisky zu erzielen. Und sollte Karl dann immer noch nicht die Seele des „Lebenswassers“ entdeckt haben, dann findet er sie vielleicht bei einer Uisge-Probe in einer der eleganten Bars der Hauptstadt Edinburgh. x Mehrteilige Firmen-, Marken- oder Restaurantnamen und Ähnliches werden im Folgenden kursiv geschrieben. 1 Die Single Malts bilden die Krone der Whisky-Produktion. Im Gegensatz zu den gebräuchlicheren Blends (Verschnitten), dürfen bei ihrer Herstellung nicht mehrere Whisky-Sorten verwendet werden. Sie stammen also aus einer einzigen Brennerei. Außerdem darf als Rohstoff neben Wasser und Hefe nur gemälzte Gerste (Malz beziehungsweise englisch: malt) verwendet werden, also kein anderes Korn (grain). Der amerikanische Bourbon hat hingegen einen Mais-Anteil von mindestens 51 Prozent und enthält zu einem geringeren Teil auch Roggen und Gerste. Auch Rye Whiskey, also ein Destillat auf reiner Roggenbasis, der in Amerika bis zur Prohibition vorwiegend getrunken wurde, kommt in jüngster Zeit wieder verstärkt in Mode. Übrigens: Der schottische Whisky unterscheidet sich auch durch die Schreibweise, nämlich lediglich mit einem Y hinter dem K, während Iren und Amerikaner ein E einzuschieben pflegen. 2 Eine einzige Destillerie brennt noch weiter südlich ihren Malt Whisky, und zwar im äußersten Südwesten Schottlands, fast schon an der Grenze zu England, die kleine Bladnoch Distillery in dem gleichnamigen Dorf nahe der Irischen See.

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