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Ein Feldversuch

in Sachen Reaktanz

Von Karoline Kuhn, Programmleiterin des adeo-Verlags

Während ich mit Carmen Thomas an dem vorliegenden Buch arbeitete, bereitete das adeo-Verlagsteam eine extrem schwierige Pressekonferenz vor. Der Autor, dessen Buch in der Pressekonferenz vorgestellt werden sollte, ist sehr bekannt und sehr umstritten und vielleicht ist er sogar zurzeit eine der meistgehassten Personen Deutschlands. Bei der Pressekonferenz war daher zu erwarten, dass ihm von Seiten der Journalist-inn-en eine so feindselige Stimmung entgegenschlagen würde, wie es bei seinen jüngeren öffentlichen Auftritten leider jedes Mal der Fall gewesen war. Ebenso erwartbar: unfaire Fragen und nachfolgend eine von Vorurteilen gefärbte Berichterstattung. Das Team fragte sich: Wie lässt sich diese Pressekonferenz so gestalten, dass der Autor zumindest eine faire Chance erhält?

Da uns schon ein wenig über die Macht der Reaktanz und die Möglichkeiten zum Umnutzen bekannt war, wurde Carmen Thomas um Rat gebeten. Die Beteiligten bekamen Herausforderndes zu hören: „Die Sitzordnung ändern: kein Podium, einfach drei normale Stühle. Barrierefrei und ohne Abgrenzung, um die Reaktanz zu senken. Autor und adeo-Team von Anfang an mit den Medienleuten auf Augenhöhe. Die Stühle für die Presse halbkreisförmig anordnen statt in geraden Reihen. Ohne lange Vorreden loslegen und vor allem ohne den Versuch, die Journalist-inn-en mit gefakt-vorbereiteten Antworten zu steuern oder zu manipulieren. Das macht nur reaktant. Stattdessen gleich zu Anfang alle Anwesenden bitten, sich in einer kurzen Runde mit Namen und Funktion vorzustellen und eine erste Frage an den Autor zu nennen. Die Fragen alle notieren und nacheinander beantworten. So entsteht ein ernst nehmendes Klima auf beiden Seiten. Und wer nicht anonym im Raum ist, verhält sich anders, inklusive Beißhemmung.“

„Ach du Schreck“, dachte das Team. „Kann das funktionieren – bei 60, 70 Leuten? Das dauert doch viel zu lange! Und was, wenn das Ganze völlig aus dem Ruder läuft?“

Doch mit dem Einverständnis des Autors ließ sich das Team auf das Wagnis ein und setzte die Anregungen von Carmen Thomas um. Und erlebte Verblüffendes: Alle Journalist-inn-en spielten nach kurzem Erstaunen bereitwillig mit, und es war spürbar, wie sich die Stimmung im Raum dank des ungewöhnlichen Settings und durch die Vorstellungsrunde positiv veränderte. Es gab viele kluge Fragen und keine einzige gemeine. Eher entspann sich ein von Respekt und Offenheit geprägter Dialog zwischen Autor und Journalist-inn-en. Die vorab befürchteten Reaktanz-Reaktionen blieben einfach aus.

Noch positiver überrascht als der Autor und das adeo-Team waren manche Journalist-inn-en. Von denen spiegelten hinterher mehrere „altgediente Recken“ beeindruckt, dass sie so eine Pressekonferenz ja noch nie erlebt hätten.

Wer vorher noch nicht 100 % überzeugt von Carmen Thomas’ Erkenntnissen rund um die Kraft der Reaktanz und vom handfesten Nutzen ihrer praxiserprobten Werkzeuge für ein besseres Miteinander war, wurde hier auf äußerst beeindruckende Weise eines Besseren belehrt.

Reaktanz - Blindwiderstand erkennen und umnutzen

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