Читать книгу Luisas Chance - Carola Wegerle - Страница 6

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Am nächsten Tag ist Luisa nicht sehr gut drauf. Ihre Mathearbeit ist mit 4-5 benotet worden. Sie findet Mathe blöd. Da gibt es keine Bilder, die sie sich vorstellen kann. Außerdem regnet es. Und sie hat in der Pause auf einen Kirschkern gebissen – ihr Zahn zieht wie verrückt. Mit hängenden Schultern geht sie vom Pausenhof zurück ins Schulgebäude. Noch drei Stunden! Und am Nachmittag kein Reitstall, weil Rackers Besitzer sein Pferd ausgerechnet heute selbst reiten will.

„Was machst du denn für ein Gesicht?“ Verena kommt ihr mit ihrem fröhlichen Bubenschritt auf dem Schulflur entgegen. „Das ist es doch, oder? Was du immer gewollt hast?“

„Was?“, fragt Luisa ein wenig gereizt.

„Na der Flyer da vorne!“

Warum spricht Verena eigentlich immer so superlaut? Luisa guckt sie verständnislos an.

„Sag bloß, du willst deine Chance verpassen“, lacht Verena, denn sie hat begriffen, dass ihre Freundin den Zettel noch gar nicht entdeckt hat. Sie packt Luisa am Handgelenk und zieht sie energisch zum Schwarzen Brett.

„Da!“ Aufgeregt deutet Verena auf ein schlichtes Schwarz-Weiß-Blatt, auf dem Luisa zwei Masken erkennen kann. Sie reißt die Augen auf:

14- oder 15-jähriges Mädchen für kleine Rolle im Stadttheater gesucht. Offenes Vorsprechen am 2. September um 15 Uhr.

Übermorgen!

„Was ist ein offenes Vorsprechen?“, wundert sich Luisa.

Verena zuckt die Achseln. „Ruf doch mal dort an“, schlägt sie vor. „Da steht die Telefonnummer.“

Luisa vergisst ihre 4-5, den Regen und das Ziehen im Zahn. Sie schreibt sich die Nummer auf. Die drei Schulstunden, die dann folgen, bekommt sie nicht so recht mit. Denn ihr Herz erfindet gerade einen ganz eigenartigen Beat, den es hartnäckig weiterentwickelt, während ihre Gedanken spazieren gehen. In den Fotos, die sie in dem Buch über Eleonora Duse gesehen hat.

Sie läuft von der Bushaltestelle nach Hause, als wollte sie für die Olympiade trainieren. Dadurch ist sie erstmal nicht so ganz in der Lage, ihren Namen deutlich zu nennen, als sie beim Theater anruft. „Ich bin 13, äh, 14 - Jahre alt und – möchte bei – Ihnen vorsprechen.“

Angestrengt lauscht sie in den Hörer. „Nein, ich – ich bin nicht aufgeregt. Gar nicht.“

Ein offenes Vorsprechen, sagt die Dame vom Theatersekretariat, ist ein Termin, zu dem jeder, der Lust hat, einfach hingehen kann. „Ohne Anmeldung.“

„Oh“, sagt Luisa. „Und wo bekomme ich den Text?“

Die Dame lacht. „Du bist ja schon ein richtiger Profi“, meint sie. „Die fragen auch immer nach dem Text. Aber übermorgen brauchst du keinen. Der Regisseur möchte, dass du improvisierst. Dabei kann er besser sehen, ob du für die Rolle geeignet bist.“

„Oh“, sagt Luisa wieder und bedankt sich. Improvisieren. Ob sie das kann? Nervös kaut sie auf einer Haarsträhne he- rum. Und überhaupt, was soll sie anziehen? Was ist denn das eigentlich für eine Rolle? Sie weiß ja gar nichts darüber. Ob sie im Theater ein Kostüm bekommt?

„Mama!“, ruft sie, aber dann überlegt sie es sich anders. Sicher hätte ihre Mutter eine gute Idee, was sie anziehen könnte, aber was, wenn sie ihr nicht erlaubt, zum Vorsprechen zu gehen? Die Mama geht gern ins Theater und hat auch Luisa oft mitgenommen, schon als Kind ins Weihnachtsmärchen, aber würde sie sich freuen, wenn ihre Tochter in einem Stück mitspielte? Was für ein Stück ist das überhaupt? fragt sich Luisa. Sie hat vergessen, danach zu fragen. Was, wenn sie sich ausziehen soll? Letztes Jahr war sie mit ihrer Mutter im Sommernachtstraum, immerhin ein Stück von Shakespeare, und da waren einige Schauspieler nackt. Zwar nur ganz kurz, und dunkel war es auch, aber sie waren nackt. Luisa schüttelt sich. Das könnte sie nicht!

„Verena!“, ruft sie ihrer Freundin entgegen, mit der sie Mathe lernen will. Verena ist gut in Mathe. Und sie hilft gern.

„Verena! Was mach‘ ich, wenn die sagen, ich muss mich ausziehen?“

Verena lacht. „Na, dann ziehst du dich eben aus“, sagt sie gelassen, „ist doch nicht so schlimm, oder?“

Luisa blickt sie groß an.

„Doch“, sagt sie leise.

„Ach was“, meint Verena, „zieh‘ einfach einen BH und ein hübsches Höschen an und stell‘ dir vor, du stehst im Bikini am Strand.“

„Blödsinn“, mault Luisa. „Am Strand haben alle Badesachen an, im Theater sind die anderen aber angezogen.“

„Außer euch Vorsprecherinnen“, kichert Verena. „He“, sagt sie dann, als sie Luisas düsteres Gesicht sieht, „jetzt mach‘ dir mal nicht in die Hosen. Ein Theater ist doch kein Pornofilm.“

Luisa verschluckt sich vor Entrüstung.

„Geh‘ einfach hin, und wenn du keine Lust auf das hast, was die von dir wollen, gehst du eben wieder. Du bist schließlich ein freier Mensch.“

Luisas Chance

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