Читать книгу Ellen - Carolin Schairer - Страница 6

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Der Frühlingsabend war der Jahreszeit angemessen: Es war nicht kalt, doch es wehte ein leichter Wind, der das Tragen einer dünnen Jacke oder eines langärmeligen Shirts erforderlich machte – zumindest für Menschen mit normal entwickeltem Temperaturempfinden. Kathrin Hanelka, Jasna Milic und Max, der Praktikant, trugen Pullis oder Jacken, Lilli Muster hatte sogar vorgeschlagen, ins Innere des Lokals zu wechseln. Brauer, der Personalchef und Harald Lindtmann, der Geschäftsführer, wollten lieber im Garten des Restaurants Platz nehmen, und alle hatten sich gefügt. Schließlich waren es die beiden, die zu diesem Essen einluden. Es sollte ein Dankeschön für das gesamte Team sein, das im Fall »Fenolane« so gute Arbeit geleistet hatte.

Nina, die sonst immer fror, hatte sich ihrer Jacke an diesem Abend bereits entledigt und litt trotz ihres gerafften, schulterfreien Oberteils unter dem Gefühl, jeden Moment zu verglühen. Selbst der eiskalte Begrüßungscocktail konnte an ihrem Zustand nichts ändern.

Ellen McGill saß ihr schräg gegenüber, und der Auslöser für Ninas innere Hitzen war ein einziger Blick gewesen, der sie getroffen hatte, als sie sich eben zwischen Lilli und Jasna niederließ. Es war jener grüne, leidenschaftliche Raubkatzenblick, dem sie vor rund drei Wochen zum ersten Mal begegnet war.

Während Nina Mühe hatte, sich auf die Speisekarte zu konzentrieren, weil sie sich ihres Oberteils, dessen dünner Stoff ihren schwarzen BH kaum verdeckte, nur allzu bewusst war, schien Ellen McGill entspannt in das Gespräch mit Lindtmann vertieft.

Die Erinnerung an jede Berührung, mit der Ellen sie zu einem willenlosen Geschöpf hatte werden lassen, war präsenter denn je. Und trotz der leichten Scham, die sie auch jetzt noch empfand, wenn sie an das Erlebnis dachte, sehnte sie sich in diesem Moment danach, wieder von Ellen geküsst und berührt zu werden.

»Und, Nina, schon etwas gewählt?« Jasnas Stimme riss sie aus ihren heimlichen Gedanken.

»Ich weiß nicht«, sagte Nina verwirrt. Sie hielt die Speisekarte nun schon geschlagene fünf Minuten in den Händen und war genauso schlau wie zuvor. Jasna machte einen belanglosen Scherz darüber, dass sie sich nicht entscheiden konnte, und alle lachten, nur Nina starrte weiter in die Karte, ohne die Buchstaben wahrzunehmen.

Wenn mich Ellen noch einmal so ansieht, werde ich vergehen, schoss es ihr durch den Kopf. Verstohlen betrachtete sie sie aus dem Augenwinkel und stellte fest, dass Ellen immer noch mit Lindtmann sprach. Seltsamerweise fühlte sie sich davon mehr enttäuscht als erleichtert.

Der Kellner kam und nahm die Bestellung auf. Nina bestellte das Gericht, auf das ihr Blick gerade gefallen war.

Mit halbem Ohr verfolgte sie dann das lockere Geplänkel zwischen Lilli und Max. Von der anderen Seite drang Kathrin Hanelkas mühsam beherrschte Stimme zu ihr herüber. Sie erzählte Jasna in allen Details, dass sie sich nun zur Scheidung durchgedrungen hatte und wie sie ihren Mann »nach Strich und Faden fertigmachen« wollte.

Nina fiel Lillis Kommentar zu Kathrin Hanelka ein. Nach allem, was sie hier unfreiwillig mitanhörte, war sie überzeugt, dass Lilli mit ihrer Beschreibung noch untertrieben hatte.

»Nina, du bist so still«, stellte Lilli plötzlich fest. »Ist alles okay?«

Da am unteren Tischende eine Gesprächspause entstanden war, zogen Lillis Worte die Aufmerksamkeit von Brauer und Lindtmann auf sich. Nina merkte, dass die beiden eine Reaktion erwarteten, und fühlte sich unwohl. Sie mochte es nicht, bei Tischrunden im Mittelpunkt zu stehen.

»Ich bin nur etwas müde«, sagte sie ausweichend.

»Kein Wunder, nach den letzten bewegten Wochen und Monaten«, meinte Brauer sarkastisch. »In diesem Jahr folgt bei uns ja eine Medienkrise der anderen.«

»Tja, aber Frau Blume schlägt sich doch recht tapfer«, sagte Lindtmann, und Nina war überrascht, denn bisher hatte sie nicht einmal damit gerechnet, vom Geschäftsführer überhaupt wahrgenommen zu werden. »Was sagen Sie dazu, Ellen? Sind Sie mit der PR-Betreuung zufrieden?«

Nina wollte entweder sofort versinken oder unsichtbar sein. Sie kam sich vor wie die unfreiwillige Statistin in einem Bühnenstück, das sie nicht kannte. Es wurde über sie geredet, und es wurde über sie hinweggesprochen.

»Ich bin sehr zufrieden«, sagte Ellen McGill. Nina hatte nichts anderes erwartet. Was konnte Ellen auch antworten außer höflichen Floskeln, wenn das Gespräch über galante Tischkonversation nicht hinausgehen sollte? Immerhin, seit Anfang Mai besuchte Nina zweimal pro Woche nach der Arbeit einen Englischkurs. Brauer hatte sie per Mail darüber informiert, dass sie hierzu im Rahmen einer Personalentwicklungsmaßnahme angemeldet worden war. Gewiss hatte Ellen, die Zeugin von Ninas fremdsprachlicher Niederlage, ihr diesen Kurs organisiert.

Als das Essen serviert wurde, stocherte Nina nur lustlos darin herum. Das orientalische Lamm mit Datteln und Nüssen duftete verführerisch, doch ihr Magen war wie zugeschnürt. Die nervöse Unruhe, die sie seit Ellens Blick ergriffen hatte, war nicht verflogen. Irgendwann gab sie auf. Sie schob das Gericht von sich und nahm einen kräftigen Schluck Rotwein.

»Nina, du isst wie ein Spatz«, stellte Lilli fest. »Kein Wunder, dass du so schlank bist.«

»Normalerweise kann Nina Unmengen verdrücken«, schaltete sich Jasna ein. »Ich muss es wissen, ich gehe täglich mit ihr in die Kantine. Heute dagegen macht sie Ellen Konkurrenz. Aber von Ellen sind wir das ja gewohnt.«

Ellen McGills Essgewohnheiten waren ein Thema, das regelmäßig für Gesprächsstoff sorgte. Auch Nina hatte schon davon gehört, dass Ellen angeblich nur Salat oder Mini-Portionen von Gemüse oder allenfalls etwas fettarmen Fisch zu sich nahm. Allem Anschein nach entsprach das den Tatsachen. Auch Ellen hatte nach der Hälfte ihrer Zucchini-Tagine aufgegeben und den Teller bereits von sich geschoben.

»I’m not hungry in the evening«, sagte Ellen, die Jasnas Bemerkung mitbekommen hatte.

»Und mittags anscheinend auch nicht«, erwiderte Jasna trocken.

»Ich hoffe nicht, dass Sie uns beide noch verhungern«, meinte Brauer und wischte sich mit der Serviette den Rest einer undefinierbaren Soße aus dem Mundwinkel. »PR und Pharma-Leitung gleichzeitig nachbesetzen, das wäre mein persönlicher Alptraum als Personalchef.«

»Sie sorgen sich umsonst«, sagte Ellen. Lächelnd setzte sie hinzu: »Frau Blume wird Ihnen sicher noch lange erhalten bleiben.«

Nina hob den Kopf. Sie spürte deutlich, dass die Stimmung umgeschlagen war, und blickte erstaunt um sich: Jasna, nie um ein Wort verlegen, war von einer Sekunde zur anderen todernst geworden und aß schweigend weiter. Auch Lindtmann konzentrierte sich auf seine Mahlzeit, und Brauer griff zum Weinglas. Nur Max, Lilli und Kathrin Hanelka schienen von dem plötzlichen Stimmungsumschwung nichts bemerkt zu haben.

Automatisch sah Nina zu Ellen hinüber, die nun ebenfalls zu ihrem Weinglas griff. Ellens Lippen umspielte ein dünnes Lächeln, doch als sich ihre Blicke trafen, sah Nina nur zwei ernst blickende Augen, in denen für Bruchteile von Sekunden eine Traurigkeit lag, die sie erschreckte. Schnell sah Nina zur Seite.

Sie nahm nur am Rande war, dass Brauer einen belanglosen Scherz machte; dass Lindtmann sich mit den Worten »Der Rest des Abends gehört meinen Mitarbeitern, Sie amüsieren sich ohne mich ganz sicher besser« verabschiedete; dass Max noch Nachtisch bestellte und dass Kathrin Hanelka zum ersten Mal an diesem Abend etwas Positives äußerte, indem sie die Küche des Lokals lobte und darauf hinwies, dass es drinnen auch ein Hammam-Bad gab, das sie »jedem weiterempfehlen« könne. Ninas eigene Gedanken kreisten nur um Ellen McGill. Wie so oft landete sie wieder bei einer einzigen Frage, die sie nicht los lassen wollte, ehe sie die Antwort darauf gefunden hatte: Wer war diese Frau? Sie wusste längst, dass sie sie nicht mehr hasste. Wie konnte sie auch jemanden hassen, der ihr so nahegekommen war und bei ihr derart starke körperliche Empfindungen wachrufen konnte? Ellens Hände unter ihrem Slip – sie dachte daran und spürte, was die Erinnerung bei ihr hervorrief. Ihre Brustwarzen zogen sich zusammen und drückten hart gegen den Stoff ihres BHs.

Sie sah in Ellens Richtung. Wieder trafen sich ihre Blicke. Die Traurigkeit von vorher war aus Ellens Augen verschwunden. Der Blick, den sie Nina nun schenkte, war fest, intensiv und zog sie ganz in ihren Bann. In Ninas Innerem stieg die Hitze.

Ellen war es schließlich, die den Blickkontakt löste und erneut zu ihrem Weinglas griff. Nina tat es ihr nach. Ihre Hand zitterte. In ihrem Inneren herrschte ein wahrer Wirbelsturm an Empfindungen. Ich sollte gehen, sagte sie sich, und gleichzeitig wusste sie, dass sie es nicht tun würde. Denn ihr Körper brannte vor Verlangen. Sie wusste genau, was sie wollte. Sie wusste es so genau wie nie zuvor, und es erschreckte sie: Sie wollte Sex mit der Frau, die soeben mit Brauer sprach und möglicherweise keine Vorstellung davon hatte, was ihre Blicke auslösten.

Unter Aufbietung ihrer gesamten Disziplin gelang es Nina, sich von ihrem Stuhl zu erheben und mit einer leise gemurmelten Entschuldigung ins Innere des Lokals zu flüchten. Drinnen blieb sie für einen Moment fasziniert stehen: Sie fand sich in einer stattlichen Bar mit Diwanen und flachen kleinen Teetischen wieder, an die sich bunt erleuchtete Räume anschlossen. Nina folgte dem Wegweiser zum WC durch mehrere Durchgangszimmer. Jedes offenbarte sich in einem anderen Farbton; jedes präsentierte neue Elemente – große, golden glänzende Vasen als Raumteiler zwischen den Tischen, ausladende Kerzenständer, Spiegel an den Wänden, Vorhänge, die in schweren Stoffen von den Wänden fielen und Fenster verdeckten, die es gar nicht gab. In verschiedenen Farben leuchtende Laternen, die an kunstvoll geschmiedeten Ketten von der Decke baumelten, tauchten alles in ein sanftes, einladendes Licht. Allerdings saß im gesamten hinteren Bereich an einem Werktag wie heute kein einziger Gast.

Im Toilettenraum ließ Nina sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und befeuchtete ihr glühendes Gesicht. Abkühlung. Ablenkung von dem Gedanken, der sie in Besitz genommen hatte. Es konnte nicht passieren, durfte nicht passieren. Nicht schon wieder, und schon gar nicht, weil sie selbst es aus purer Lust wollte. Sie dachte an Lukas, der wahrscheinlich zu Hause saß und auf sie wartete, und der Gedanke an ihn ernüchterte sie. Sie durfte ihn nicht betrügen. Nicht schon wieder.

Als sie sich wieder im Griff zu haben glaubte, trat sie zurück ins Lokal. Erst jetzt entdeckte sie, dass im hintersten Raum weitere Nischen angrenzten, die mit Vorhängen, wandhohen Holzspalieren und künstlichen arabischen Säulen vom eigentlichen Sitzbereich abgetrennt waren. Ein Lokal wie tausend und eine Nacht.

Das plötzliche Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sie herumfahren – und Ellen McGill gegenüberstehen. Zwischen ihnen fiel kein Wort. Es war ein einziger Blick, der klarstellte, dass sie beide dasselbe wollten.

Hastig zog Ellen sie an sich und presste die Lippen auf Ninas Mund, der ihre Zunge auch schon bereitwillig willkommen hieß. Nina bebte. Ihr Verstand hatte sich bei Ellens erster Berührung ausgeschaltet. Sie vergaß alles um sich herum.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, schob Ellen sie in Richtung einer der Nischen und löste den Vorhang. Sie drückte Nina gegen die freie Wand, ließ ihre Lippen deren Hals entlangwandern, über das Dekolletee gleiten, erneut zum Mund finden. Ninas Körper brannte lichterloh. Jede Berührung entfachte weitere Feuer in ihrem Inneren. Mit einem Ruck schob Ellen nun Ninas dünnes Oberteil nach oben; fast zeitgleich löste sie den Verschluss des BH. Nina stöhnte erregt auf, als Ellens Lippen ihre steifen Brustwarzen berührten. Ellen liebkoste sie mit der Zunge, ließ ihren Mund über beide Brüste wandern und über Ninas nackten Bauch.

Nina zitterte am ganzen Körper. Die Anspannung und Erregung nahm mit jeder Liebkosung zu. Gegen das Glühen, das ihren Körper zu einer wahren Fackel machte, konnte sie nichts tun. Sie konnte kaum mehr atmen und sich aufrechthalten. Als Ellen unter ihren langen Rock griff, versagten Ninas Beine den Dienst. Sie knickten weg, als wären sie aus schmelzendem Wachs.

Ellen fing sie geistesgegenwärtig ab und ließ sie sanft auf den runden, weichen Diwan gleiten, der einladend den kleinen Raum dominierte. Sie schob Ninas Rock nach oben und legte ihre Hand sanft auf die pulsierende Stelle zwischen Ninas Beinen. Mehr brauchte es für Nina nicht. Sie drängte sich erregt gegen Ellens ruhende Hand … und kam, ohne dass sie es verhindern hätte können, schnell und mit einem leisen Aufschrei.

Sie schloss die Augen. Die Spannung, die sie bereits den ganzen Abend in Unruhe versetzt hatte, war verflogen. Doch statt angenehmer Erleichterung spürte sie nun einen Hauch von Enttäuschung. Es war schon vorbei, es war zu schnell gewesen. Sie hatte dieses Gefühl viel länger haben wollen, hatte es noch mehr genießen wollen als beim letzten Mal.

Als sie eine sanfte Berührung auf ihrer Wange spürte, zwang sie sich, die Augen wieder zu öffnen. Ellen saß neben ihr und streichelte sanft über ihr Gesicht. Sie atmete schneller als gewöhnlich. Dennoch war ihr Blick ruhig und ernst.

»Nina«, sagte sie leise. Ihre Stimme klang so, wie sich die Bewegung ihrer Hand auf Ninas Wange anfühlte – sanft und tröstlich.

Nina setzte sich langsam auf. Sie betrachtete Ellen, die noch immer vollständig bekleidet war, aufmerksam. »Zieh das aus«, flüsterte sie. Ihr plötzlicher Mut überraschte sie selbst. Er wuchs mit ihrem Verlangen, Ellen zu berühren, sie zu streicheln und ihr dasselbe Vergnügen zu bereiten, das diese ihr verschafft hatte.

Ellen legte ihr Jackett ab. Ihr Blick war immer noch auf Nina gerichtet, ruhig und ernst wie zuvor.

»Das auch. Bitte.«

Nina verfolgte mit wachsendem Erstaunen, dass ihren Bitten widerspruchslos Folge geleitet wurde. Ellen ließ ihre Bluse zu Boden gleiten und offenbarte einen kunstvoll gefertigten, aufwendig bestickten BH. Zögernd streckte Nina die Hand nach ihr aus. Sie ließ ihren Finger über Ellens Brustansatz gleiten, dort, wo der BH am Dekolletee endete. Ellen schloss die Augen, ihre Gesichtszüge entspannten sich zusehends.

Ninas Selbstvertrauen wuchs. Sie wollte mehr, wollte diese Brüste spüren, diese Haut mit den Lippen berühren. Sie lehnte sich zu Ellen hinüber und zog sie dicht an sich. Ellen leistete keinerlei Widerstand. Ihr Körper fühlte sich in Ninas Armen so zart an, fast zerbrechlich. Erst als sich ihre Lippen trafen, erwachte wieder die Energie, die in ihm steckte. Ellen erwiderte Ninas Umarmung und zog sie ebenfalls dicht an sich heran, während sie ineinander versanken.

Nina ließ sich rücklings auf den weichen Diwan gleiten und zog Ellen mit sich. Sie lagen Seite an Seite, mit vor Erregung schneller schlagenden Herzen und heftigem Atem, unfähig und unwillens, ihre Lippen voneinander zu lösen.

Nina spürte, wie ihr Körper bebte, als Ellens Hand sanft über ihren Rücken glitt. Sie musste unweigerlich nach Luft schnappen, als die Hand ihren Po erreicht hatte und Ellen sie nun mit unerwarteter Armkraft noch dichter an sich heranzog. Ihre Beine verschlangen sich fest ineinander. Zärtlich liebkoste Ellen Ninas Brüste und begann, ihre Mitte an Ninas Bein zu reiben, bis ihr Atem heftiger wurde und in leises Stöhnen überging.

Doch Nina entzog ihr sanft das Bein. Diesmal wollte sie Ellen spüren, ihr endlich zurückgeben, was sie vor drei Wochen allein genossen hatte. Sie beugte sich über sie und löste den Verschluss ihres BHs. Fasziniert betrachtete sie Ellens kleine, feste Brüste und strich mit ihrem Zeigefinger sanft über die hellen Brustwarzen, die sich sofort versteiften. Ellen keuchte. Ihre Augen waren weit geöffnet, ihr Gesicht immer noch ernst. Doch die Ruhe ihres Blickes hatte einem unruhigen Flackern Platz gemacht.

Nina spürte, dass Ellen nach mehr verlangte. Und sie, Nina, konnte es ihr geben. Dieses plötzliche Bewusstsein nahm ihr die letzte Angst, ungeschickt zu sein oder gar etwas falsch zu machen. Sie bedeckte Ellens Brüste mit kleinen, brennenden Küssen, saugte sanft an ihren Spitzen und verfolgte, wie Ellens Erregung stetig zunahm. Vorsichtig ertastete sie den leichten Stoff von Ellens Anzughose.

Die Erregung ließ ihre Hände zittern. Es gelang ihr kaum, Knopf und Reißverschluss zu öffnen. Schließlich war es Ellen, die ihr zur Hilfe kam und die Hose leicht nach unten schob. Zögernd und ohne sie dabei anzusehen, legte Nina ihre Hand zwischen Ellens Beine. Sogar durch den Stoff des Slips konnte sie die Nässe fühlen. Langsam begann sie ihre Hand zu bewegen. Ellen stöhnte. Und dennoch war sie es, die nun ihre Position veränderte, so dass Nina von ihr lassen musste und sich leicht zur Seite drehte. Sie zog sie an sich und schon fühlte Nina ihre warme Hand unter ihrem Slip.

Sie stöhnte laut auf, als Ellen zwei ihrer Finger in sie hineingleiten ließ.

Ellen verharrte in der Bewegung. Sie suchte Ninas Blick. Leichte Verunsicherung lag in ihren Augen, die jedoch schnell verflog, als ihr Nina einen bittenden Blick schenkte. So begann sie die Finger sanft in ihr zu bewegen.

Ninas nur mühsam unterdrücktes Stöhnen vermischte sich mit jenen Lauten der Lust, die aus Ellens tiefstem Inneren drangen, als nun auch Ninas Hand ihren Weg zurück zu Ellens Mitte fand und unter ihren Slip glitt. Nina wusste nicht, was sie mehr erregte: Ellens geschicktes Fingerspiel in ihrem Inneren oder das prickelnde, aufregende Gefühl, das sie selbst dabei empfand, wenn sie über Ellens geschwollene, nasse Klitoris strich, die sich bei jeder ihrer Berührungen mehr aufzurichten und zu wachsen schien. Die Erfahrung, eine Frau zu erregen und durch die bloße Berührung an ihrer intimsten Stelle zum Höhepunkt zu bringen, war für sie neu und aufregend. Gleichzeitig wuchs ihr Selbstvertrauen mit jedem Seufzen, das Ellen von sich gab.

Als Ellen schließlich in ihrer Hand mit einem unterdrückten Aufschrei kam, konnte sie das süße Gefühl des Triumphes dennoch nicht genießen, denn Ellens Finger, der zeitgleich heftig und unerwartet in sie stieß, ließ nun sie selbst in einem Sinnenrausch untergehen. Die Welt um sie herum war ein einziges Feuerwerk an Farben, Düften, Geschmack und Gefühlen. Ein Feuerwerk, von dem sie wünschte, dass es ewig andauern würde.

Mit einem Kuss verschloss Ellen ihr die Lippen. Eingebettet in sanfte Umarmung, kam Nina langsam in die Wirklichkeit zurück. Eine ganze Weile rang sie noch nach Atem, während Ellen ihre Finger zärtlich durch Ninas Locken gleiten ließ, die sich allesamt aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatten.

Als Nina sich zu ihr umwandte, blickte sie in zwei Augen, die wie Smaragde glänzten. Zum ersten Mal wurde Nina sich der Eigentümlichkeit von Ellens Augen bewusst: Hätte sie zuvor jemand danach gefragt, hätte sie Ellens Augenfarbe als grau bezeichnet. Je ernster und trauriger sie schaute, desto grauer waren diese Augen. Doch nun war das Grau fast verschwunden, und ihr Blick funkelte in einem atemberaubenden Grün.

Nina lächelte zaghaft. Ihr Lächeln wurde erwidert. Sie registrierte, wie hübsch Ellen aussah, wenn ihre Gesichtszüge so entspannt waren wie in diesem Augenblick.

Doch obschon sie noch in enger Umarmung lagen, konnte Nina bereits spüren, wie jener Zustand der Fremdheit und Verunsicherung zurückkehrte, der ihr Verhältnis im täglichen Leben so schwierig machte. Sie hätte gerne etwas gesagt. Doch was? Dass es ihr gefallen hatte, war Ellen ohnehin bewusst. Dass die ganze Situation hier in diesem Restaurant durchaus absurd war, lag auf der Hand. Dass sie noch länger in ihren Armen liegen wollte, war, was sie sich zwar wünschte, aber nicht auszusprechen wagte. Ihre Hemmnis entsprang nicht allein ihrer Schüchternheit, sondern auch dem Empfinden der Kluft, die abseits sexueller Vergnügungen zwischen ihnen lag. Nina war sensibel genug, um zu spüren, dass auch Ellen diese Kluft wahrnahm.

Etwas später stand Ellen auf, knöpfte ihre Hose zu, ordnete ihr Oberteil und zog ihr Jackett über. Auch Nina richtete sich auf und begann sich in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Sie wagte nicht mehr, Ellen anzusehen. Die Kluft hatte sich wieder zum weitläufigen Abgrund entwickelt. Ellen war schon dabei, die Nische, die sie sich geschaffen hatten, zu verlassen, als sie sich noch einmal umwandte: »Danke.« – Damit verschwand sie.

Nina hätte sich nicht schlechter gefühlt, wenn Ellen ihr eine Ohrfeige ins Gesicht geschmettert hätte. Wie hatte sie sich nur dem Trugschluss hingeben können, etwas sei anders als bei ihrer letzten Zusammenkunft? Ellen bediente sich ihrer und verschwand, auch wenn sie heute nicht fluchte, sondern sich bedankte. Für was? Dafür, dass sie ihr willig zur Verfügung stand? Nina ordnete sich verzweifelt Haar und Kleidung. Wieso hatte sie sich dieser Frau nur wieder an die Brust geworfen wie ein williges Stück Fleisch? Warum erlosch jeder Funken Verstand, sobald sie ihr körperlich zu nahe kam? Weshalb setzte sie sich permanent diesen Demütigungen aus?

Sie dachte an Lukas und war voll des schlechten Gewissens. Diesmal gab es keine Entschuldigung für das, was sie getan hatte. Sie war kein Opfer. Sie hatte gewollt, was sie bekommen hatte. Sie hatte ihn betrogen. Zornig biss sie die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Sie wollte nicht mit Tränen in den Augen zu den anderen zurückkehren. Eigentlich wollte sie überhaupt nicht zu den anderen zurückkehren. Doch sie hatte ihre Tasche am Tisch gelassen und war sich im Klaren, dass ihr ein französischer Abschied übel genommen würde. Es war schon ein Wunder, wenn ihr Fernbleiben keine Fragen aufwerfen würde.

Als sie zur LENOPHARM-Gruppe zurückkehrte, fehlte Ellen. Sie habe sich bereits verabschiedet, hieß es lapidar.

Ellen

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