Читать книгу Der Himmel ist ein kleiner Kreis - Carolina Schutti - Страница 3
ОглавлениеSchrauben und Bretter auf dem Boden, Lackdosen, Pinsel, alles, was ich greifen kann, Gebrüll, ich weiß nicht, von wem, das Aufheulen der Säge und die plötzliche Stille, als sie zu laufen aufhört, weil sie im Flug das Kabel aus der Steckdose reißt. Ich höre meinen Atem, zu tief, zu laut, in kleinen Stößen dringt er aus meinem Mund, mein Luftholen ein Zischen, und dann wieder die Stöße, einer, noch einer, noch einer, bis die Lunge leer ist, ein Stöhnen aus der Tiefe meines Leibes, das Stöhnen höre ich, aber ich merke nicht, dass ich spucke, dass mein Kinn nass ist von Speichel, dass der Speichel mit Blut vermengt ist, weil ich mir auf die Zunge gebissen habe. Ich fühle einen weichen Widerstand am Fuß, und eine heiße Welle überkommt mich, weil ich harten Widerstand will, weil meine Kraft nicht in der Weichheit versinken soll, sondern zu mir zurückkehren, und sei es als ein Geräusch, das an meine Ohren dringt, lauter als das Rauschen des Blutes, ein Krachen wie das Krachen alter Schuppenbretter, über die man mit dem Fahrrad fährt, bis sie unter dem Gewicht nachgeben, spröde außen und innen morsch. Ein Klopfen wie das Klopfen der Axt, die das Brennholz spaltet: Die Augen musste man zukneifen, weil man sich weigerte, eine Brille zu tragen, und doch Angst davor hatte, eines Tages so auszusehen wie der Vater, dem ein Splitter durch die Iris gefahren war und alles Dreidimensionale dieser Welt in sich zusammenfallen ließ. Wie sollte ich einäugig Boote bauen, wie die Fluchtlinien prüfen, wie die Deckbohlen zuschneiden nach Augenmaß. Wie würde ich aussehen mit der alten, orange getönten Schibrille des Vaters, wenn jemand vorbeikäme. Bescheuert. Ich höre es, noch bevor man es ausspricht, bescheuert, wie siehst du denn aus. Die Brille hing an der Schuppentür, die Axt fuhr durch das Holz, niemand kam vorbei, mit jedem Hieb rückte der Abend näher, der Samstag, der Sonntag, der Montag.
Die Woche beginnt mit dampfendem Wiesengras. Mit brackigem Wasser aus dem Bewässerungskanal. Mit Seewasser. Entengrütze und Moos. Schwellenholz. Dann, plötzlich, als gäbe es eine unsichtbare Wand, Polyester, Lack, Metall:
Die Fluchtlinien prüfen, die Glätte des Lacks, die Ebenmäßigkeit der Fugen. Schräubchen versenken an Stellen, die niemand sieht, Messing polieren, das nach wenigen Tagen ohnehin wieder matt ist von Sonnencreme und Schweiß.
Ich will hobeln! Ich will lackieren!
Ich sehe die grinsenden Gesellen wie durch ein Vergrößerungsglas, ich schreie, Wer ist bescheuert, wer?, ich trete, ein Tritt noch, noch einer, ein letzter. Ich weiche zurück, mein Rücken trifft auf eine Wand, ich breite die Arme aus, als wollte ich davonfliegen, doch etwas stimmt nicht an diesem Bild, es sind die Hände, die ich zu Fäusten geballt habe, es sind die harten Fingernägel, die sich in meine Handflächen fressen, ohne dass der Schmerz mein Bewusstsein erreicht.
Ich soll ihnen erzählen:
Wie sie sich anfühlt, die Faust, in der Holzsplitter stecken. Wie es sich anhört, das Geräusch von krachendem Holz. Wie sie aussieht, die Flugbahn der Handkreissäge, die nur knapp den Kopf des Gesellen verfehlt.