Читать книгу Der Himmel ist ein kleiner Kreis - Carolina Schutti - Страница 6

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Meine Computerzeit ist aus, wir sitzen auf dem Sofa in der Besucherecke, in der nie Besucher sind. Mark hört mir zu. Ein letztes Mal noch, ein vorletztes Mal, genau wissen wir es nicht. Ich zwinge mich dazu, die Gelegenheit zu nützen, obwohl ich heute eigentlich nicht reden will, obwohl alles in einem Nebel versinkt und ich nicht einmal genau weiß, was ich tatsächlich erzähle und was nur in meinem Kopf ist, welche Tentakel der Geschichte sich um meinen eigenen Hals legen und welche sich nach meinem Gegenüber ausstrecken.

Mark zieht seine Jacke aus, legt sie neben sich, starrt auf den Boden. Ich kauere im Schneidersitz in der Ecke, knete meine Fußsohlen, schließe die Augen. Ich beginne mit dem alten Ölfass, das ist eine gute Geschichte, sie hat einen Anfang und ein Ende, und sie verrät nichts über mich. Ich erzähle, wie ich in diesem Fass stehe, wie mich der Kran in die Höhe zieht, wie ich die Schrauben löse, wie ich den Windmesser, das Fähnchen, alle kleinen Rädchen und Stäbchen in meine Bauchtasche stecke. Wie das Fass hin und her schwankt, wie ich Angst bekomme, wie unten der Kranführer steht, die Fernbedienung in der Hand. Wie ich brüllen muss, damit er mich endlich wieder hinunterlässt: Der Mast ist fertig. Fertig!

Wie sie mich immer wieder in dieses Fass stecken, weil ich die schlanksten Finger habe und weil ich nie eine Schraube verliere, weil ich die Geeignetste für diese feinen Arbeiten bin.

Ich will hobeln! Ich will lackieren!

Die Kontrolle schleicht durch den Gang, klimpert mit dem Löffel in der Kaffeetasse, ich warte, bis sie im nächsten Gang verschwunden ist, dann erzähle ich vom Wetterleuchten über dem See, erzähle, wie oft der Leuchtturm blinkt: neunzig Signale pro Minute. Sturmwarnung. In der Ferne schäumen bereits die Wellen, die Halbinsel ist nicht mehr zu sehen, die Häuser nicht, die bei Schönwetter wie pastellfarbene Zündholzschachteln aussehen und einen perfekten Hintergrund abgeben für ein Foto mit Linienschiff, Raddampfer, Segeljacht.

Jetzt ist der See leer. Und ich hänge an dem Kran, zitternd vor Angst, unter mir das Hafenbecken, die Rampe aus grauem Beton.

Neunzig Signale, neunzig!

Wir hören schon rechtzeitig auf.

Und weiter geht es, luftig in die Höhe, mein Magen dreht sich, alles schwankt, eine Mutter will sich nicht lösen, ich muss den Handschuh ausziehen, auch den zweiten, mit klammen Fingern drehe ich am Gewinde, Regen setzt ein, ich habe keine Hand frei, mit der ich die Kapuze aufsetzen könnte, der Regen tropft auf den Scheitel, auf die Stirn, mein Nacken wird nass, die Schrauben vor allem, die Finger, es dauert eine Ewigkeit, bis ich den Windmesser in die Bauchtasche stecken kann. Unten steht jetzt ein Zweiter, sie rauchen, unterhalten sich, zwei schwarze Kapuzen, niemand sieht mir zu, ich muss hinunterrufen: Fertig!, hören sie mich nicht?, immer mit der Ruhe, kein Stress, der Kran bringt mich zum Nachbarboot, ein Windmesser noch, dann noch einer, dann klettere ich aus dem Ölfass, jemand muss es festhalten, damit es nicht kippt, ich verliere trotzdem das Gleichgewicht, schlage mit dem Kinn am Boden auf.

Sie wollen dir helfen, sagt Mark.

Das sagt er zum ersten Mal.

Ich fange irgendetwas Neues an, sagt Mark.

Ich starre auf meine Füße.

Du kannst dich in einen Bus setzen und irgendwo aussteigen. Keiner kennt dich. Du erlebst etwas, eine tolle Geschichte, ein Abenteuer.

Er zeigt mit dem Finger auf den schwarzen Bildschirm.

Will ich das? Will ich nicht. Muss ich mich rechtfertigen dafür, dass ich es hier ganz angenehm finde? Muss ich nicht. Ich presse meine Lippen aufeinander, bis sie schmerzen, und Mark spricht nicht weiter, legt mir wortlos seine Jacke auf den Schoß.

Der Himmel ist ein kleiner Kreis

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