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Das Leben vor Leia

Zwei Jahre vor Star Wars trat ich in einem Film mit dem Titel Shampoo auf, zusammen mit Warren Beatty, der auch produzierte. Hal Ashby war der Regisseur. Ich spielte Lee Grants wütende und sexuell freizügige Tochter, die schließlich mit dem Liebhaber/Friseur ihrer Mutter Sex hat – die Hauptrolle hatte natürlich Warren übernommen. In Absprache mit Drehbuchautor Robert Towne hatte er mich auch für die Rolle der genervten Tochter engagiert.

Ins Showbusiness zu gehen, war damals ungefähr das Letzte, was ich mir vorstellen konnte, eine unbeständige Tätigkeit, die ein permanentes Gefühl des Unbehagens und der Demütigung mit sich brachte und eher einem lauwarmen Snack bei einem Kinobesuch glich. Das beunruhigende Gefühl basierte auf dem kaum spürbaren und schleichenden Prozess verblassender Popularität im Laufe der Zeit. Zuerst trittst du in Filmen auf – einige kleine Rollen in populären Filmen. Dann geschieht es, das, worauf alle Schauspieler warten – du wirst ein Star. Du bist ein „Über-Nacht-Erfolg“, der jahrelang hart dafür gearbeitet hat.

Ich habe die schwindelerregende frühe Karriere meiner Eltern nicht miterlebt. Als ich auf der Bildfläche erschien, drehte meine Mutter Debbie Reynolds noch gute Filme mit einem großen Budget bei MGM. Doch während ich aufwuchs, sich mein Bewusstsein langsam fokussierte, merkte ich, dass ihre Filme nicht mehr das waren, was sie einst gewesen sind. Der Vertrag lief in ihren späten Dreißigern aus. Ich erinnere mich an ihren letzten MGM-Film Was ist denn bloß mit Helen los?, einem schlechten Horror-Streifen, den sie im Alter von knapp 40 Jahren drehte. Das war kein Singin’ In The Rain (Du sollst mein Glücksstern sein) mehr, und ihr Co-Star Shelley Winters brachte sie sprichwörtlich am Ende der Handlung um, ohne dabei einen Gedanken zu verlieren.

Kurz danach begann meine Mutter mit der Arbeit in Nachtclubs in Las Vegas, genau gesagt im nicht mehr existenten Desert Inn. Auch ich trat dort auf, und zwar im Rahmen ihrer Shows, wo ich Stücke wie „I Got Love“ und „Bridge Over Troubled Water“ sang. Ich hatte zuvor die Highschool besucht, weshalb der Ortswechsel einen großen Schritt für mich darstellte. Mein jüngerer Bruder Todd begleitete mich auf der Gitarre, und die Background-Sängerinnern meiner Mutter tanzten und sangen hinter mir. (In bestimmten bizarren Momenten während meines Lebens habe ich mir oft gewünscht, dass sie das immer noch täten.)

Dann gelang es Mutter, eine neu gestaltete Version der Show an Theatern und auf Jahrmärkten in den ganzen USA aufzuführen. Als Nächstes machte sie ein Broadway-Musical. Ich war eine ihrer Background-Sängerinnen, die hinter ihr hervorblinzelten. Anschließend stürzte sie sich die nächsten 40 Jahre wieder in die Arbeit in Nachtclubs – mit kurzen Vorstößen in die Welt der Fernseh-Shows und des Films (hervorzuheben ist Albert Brooks Mother).

Mein Vater Eddie Fisher trat ebenfalls in Nachtclubs auf – so lange, bis man ihn nicht mehr fragte. Das Desinteresse lag teils darin begründet, dass er als Schnulzensänger nicht mehr relevant war, aber auch an seinem übermäßigen Hang zu Sex und Drogen. Egal, welche Laufbahn man aufrechterhalten will – 13 Jahre lang Speed zu ziehen, bringt einen Karriereknick mit sich. Hören Sie sich mal um!

Von Zeit zu Zeit sicherte er sich einen Buchvertrag oder – tja, das war es eigentlich schon. Niemand wollte das Risiko eingehen, ihn zu engagieren, denn allzu häufig tauchte er nicht auf. Außerdem hatte sein Stimmumfang aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils merklich gelitten. Und darüber hinaus konnten die Menschen es ihm kaum verzeihen, meine Mutter wegen Elizabeth Taylor vor all den Jahren einst verlassen zu haben, woraufhin man ihn während der ihm verbleibenden Lebenszeit als „Amerikas Schuft“ abstempelte.

Eines Tages im Alter von zwölf Jahren saß ich auf dem Schoß meiner Großmutter – keine gute Idee, egal, in welchem Alter, da Maxine Reynolds ganz und gar keine Frau zum Knuddeln war. Plötzlich fragte sie meine Mutter: „Hey, hast du jemals die Karten für Annie bekommen, um die ich dich bat?“

Sie beobachtete ihre Tochter mit einem argwöhnischen Blick. (Großmutter hatte drei Blicke drauf: argwöhnisches Starren, feindseliges Starren und enttäuschtes Starren – wobei sich Letzteres noch in eine Art anklagende Enttäuschung, offen zur Schau getragene Enttäuschung und Enttäuschung mit einer herablassenden Note differenzieren ließ.)

„Es tut mir leid, Mama“, entgegnete meine Mutter. „Gibt es nicht eine andere Show, die du sehen möchtest? Annie scheint den ganzen Monat ausverkauft zu sein. Ich habe es überall versucht.“

Meine Großmutter spitzte die Lippen und machte den Eindruck, als hätte sie etwas Schlechtes gerochen. Dann atmete sie laut durch die Nase aus. Über ihre Lippen kam ein sehr enttäuschtes „Hmmm“.

„In dieser Stadt hat es einmal etwas bedeutet, Debbie Reynolds zu sein“, meinte sie dann vorwurfsvoll. „Nun kann sie also nicht mal mehr ein paar mickrige Eintrittskarten besorgen.“ Unwillkürlich drückte ich Großmutter, als könnte ich damit all die zukünftigen erniedrigenden Kommentare aus ihrem stämmigen Körper pressen. Episoden wie diese führten mich zu einem Entschluss: Ich wollte niemals ins Showgeschäft.

Und warum stimmte ich zu, zum Set von Shampoo zu gehen, wohlwissend, dass dort möglicherweise eine passende Rolle in einem Film auf mich wartet? Überlegen Sie mal. Vielleicht wollte ich nur das Gefühl erleben, von Warren Beatty in irgendeiner Funktion gewollt zu werden. Wie dem auch sei, ich war 17 und sah es nicht als Entscheidung für eine ganze Karriere. Oder vielleicht wollte ich mich nur selbst über mich lustig machen – Gott weiß, dass es nicht das letzte Mal in meinem Leben sein würde. Um sich selbst zu verhöhnen, benötigt man keinen Sinn für Humor. Allerdings ist Sinn für Humor in allen nur erdenklichen Lebenslagen hilfreich, besonders auch, wenn es sich um dunkle Stunden handelt, worunter dieses Erlebnis aber keinesfalls fiel.

Ich bekam die Rolle der Lorna in Shampoo. Lorna, die Tochter von Jack Warden und Lee Grant. Im Grunde genommen hatte ich nur eine Szene, und die war mit Warren – der den Friseur und Liebhaber meiner Mutter (und beinahe aller anderen Beteiligten des Films) spielte. Lorna mochte ihre Mutter nicht und ließ sich nie die Haare machen (sondern schlief stattdessen mit dem Friseur).

War Lornas Verweigerung einer neuen Frisur ein Akt der Rebellion? Möglich. War das eindeutige Angebot gegenüber dem Friseur ein Weg, es ihrer verhassten Mutter zu zeigen? Auf jeden Fall. Hätte es Lorna leidgetan, wenn ihr Vater das herausgefunden hätte? Wahrscheinlich. Oder auch nicht. Entscheiden Sie selbst.

Im Film werde ich auf dem Tennisplatz entdeckt, in ein Tennis-Dress gekleidet und den Schläger in der Hand. Ich stehe neben einer Profispielerin, die Bälle schlägt, als ich Warren ankommen sehe. Ich informiere ihn, dass meine Mutter nicht zu Hause sei, und bitte ihn dann in die Küche, wo ich frage, ob er es mit meiner Mutter mache und ob er etwas essen wolle. Dann erzähle ich ihm, dass ich noch nie bei einem Friseur gewesen sei und meiner Mutter nicht ähnle, gefolgt von der Frage, ob er mit mir ficken wolle. Die Szene endet mit meinem eindeutigen Angebot, wonach man mich nach dem Akt im Schlafzimmer wiedersieht, wo ich mir ein Kopftuch umbinde.

Und warum trug ich ein Kopftuch, werden Sie sich sicherlich nie gefragt haben? Ja, weil ich – Carrie – damals kurze Haare hatte: eine Frisur, die man nur nach einem Friseurbesuch haben kann. Ich musste also eine Perücke tragen, damit ersichtlich wurde, dass eine Stippvisite in einem Friseursalon niemals auf meiner Tagesordnung stünde. Und das Kopftuch ließ die Perücke weniger künstlich erscheinen.

Die andere bedeutende Frage, die Sie sich vielleicht niemals stellen werden, lautet: Trug ich einen BH unter meinem Tennis-Outfit (und wenn ja, warum)?

Einfache Antwort. Warren, der Star, Co-Autor und Produzent von Shampoo, wurde von der Kostümabteilung gefragt, ob er wolle, dass ich einen BH unter meinen Tennis-Klamotten trage oder nicht. Warren warf einen beiläufigen Blick ungefähr in meine Richtung.

„Trägt sie jetzt einen?“

Ich stand da, als wären meine Brüste und ich zwei unterschiedliche „Wesen“.

„Ja“, antwortete Aggie, die Kostüm-Designerin.

Nachdenklich spitzte Warren die Lippen. „Lass mal ohne sehen.“

Ich folgte Aggie zu meinem Hamsterkäfig-großen Trailer und zog den BH aus, woraufhin man mich wieder Warrens kritischem Blick unterzog. Erneut begutachtete er beiläufig meinen Brustkorb.

„Und das ist jetzt ohne?“, fragte er.

„Ja“, stöhnte Aggie genervt.

„Lass es uns ohne machen“, sprach, verlangte, kommandierte und befahl er.

Mein Busen und ich folgten Aggie zurück in den Ankleidebereich, wo wir das Thema beendeten. Meine BH-befreiten Brüste in Shampoo können auf YouTube (oder LubeTube) „beliebäugelt“ werden. Dort finden sich auch Clips meines Keine-Unterwäsche-im-Weltall-Looks im ersten Teil von Star Wars und des metallisch anmutenden Bikinis (oder Jabba-Killers) der dritten Episode. (Heute verwirrenderweise Teil IV und VI benannt.)

Für die Aufnahme meiner Szene in Shampoo benötigten wir nur wenige Tage, woraufhin ich wieder nach Hause zog und dort mit Mutter und meinem jüngeren Bruder Todd lebte. Ich hoffte, nicht mehr allzu lange da zu wohnen, da mittlerweile jeder Zeitraum für eine Jetzt-total-und-kaum-zu-glauben-Angesagte als viel zu lang erschien.

Niemals habe ich ein Vorsprechen erlebt wie das für Terence Malick, den Regisseur von In der Glut des Südens. Ich erinnere mich daran, bei ihm gesessen und mich über eine Stunde lang mit ihm unterhalten zu haben. Dabei redete nicht nur ich, Gott sei Dank – obwohl der Schwerpunkt darauf lag, mich vorzustellen und einen Eindruck zu hinterlassen. Tja, ich hatte ihn ja auch nicht in ein Zimmer bestellt, um mit ihm über einen bevorstehenden Film von mir zu diskutieren.

Ich erzählte ihm viel zu viel von mir, eine Angewohnheit, die mit dem Alter zunahm. Als Teenager stand mir aber noch kein so großes Repertoire an Anekdoten und Storys zur Verfügung. Zu den besten zählte damals die Geschichte des Comedian Rip Taylor – er und Mom veranstalteten in Vegas eine gemeinsame Show – und seines schwulen Sekretärs Lynn.

Ich war in Lynn verknallt. Er sah gut aus, trug ein Halstuch und wirkte weich und anmutig. Man hatte das Gefühl, ihn nur anhauchen zu müssen, und schon würde er wie eine Feder im Wind entschweben. Lynn nannte mich seinen Liebesapfel, und wir spielten im Crew-Bus miteinander.

Wäre ich noch zur Highschool gegangen, statt mit meiner Mutter aufzutreten, hätte ich entsprechende Orte gehabt, um meinen aufkeimenden Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich hätte das Leben eines Teenagers gelebt, doch da ich nun einen anderen Weg eingeschlagen hatte, verliebte ich mich ständig in schwule Männer.

Neben Lynn gab es noch Albert, einen Broadway-Tänzer bei der Show Irene, an der Debbie mitwirkte. Er war attraktiv und schwul (obwohl man ihn, meiner damals eingeschränkten Auffassung nach, niemals als einen schwulen Mann erkannt hätte), und wir ließen es in der Garderobe heiß hergehen. Mom wusste davon, was sollte also schon dabei sein. Ich war erst 15, ein frühreifes Mädchen, und meine Mutter kommentierte: „Wenn du Sex mit Albert haben willst, werde ich – wenn du willst – aufpassen und dir ein paar Tipps geben.“

Aber um fair zu sein: Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt verwirrt und abgelenkt, denn ihr ganzes Leben brach in sich zusammen. Sie versuchte, einen Anker auszuwerfen, indem sie mir eine Art tolerante und/oder exzentrische mütterliche Liebe zukommen ließ.

Es gibt wohl kaum günstige Momente, um so eine Geschichte auszuplaudern, doch ich bin mir sicher, dass Terry Malick von Lynn, Albert und Mom gehört hatte. Er schien zu den Menschen zu zählen, die jede schräge Geschichte interessierte, die einen ängstigte und einsam machte. In seinen Filmen improvisierte er viel, weshalb das Vorsprechen wahrscheinlich einen Weg für ihn darstellte, herauszufinden, ob sich seine Darsteller in ihrer Haut wohlfühlen. (Ich bin jemand, der sich in seiner Haut sehr wohlfühlt. Allerdings wünschte ich mir oft weniger Freiraum für dieses komfortable und einlullende Gefühl.)

Wir trafen uns einige Male, bevor Malick mich mit John Travolta vorlesen ließ. John war zu der Zeit aufgrund seiner TV-Serie Welcome Back, Kotter schon berühmt und hatte anscheinend gute Karten für die Hauptrolle im geplanten Film In der Glut des Südens. Bei den wenigen Malen, die wir gemeinsam lasen, bestand zwischen John und mir eine tolle Chemie. Wie zwei Becher mit entflammbarer Flüssigkeit sprudelten, quirlten und kommunizierten wir mühelos miteinander. Wenn John die Hauptrolle bei In der Glut des Südens spielte, wäre ich dann der Star an seiner Seite? Für mich schien alles gut auszusehen.

Und dann, aus irgendeinem Grund, konnte John den Film nicht machen. John war also raus, und Richard Gere war drin. Ich las mit Richard Gere. Um es mal so auszudrücken: Unsere Becher blubberten nicht im Einklang. Und nun war ich raus, und Brooke Adams war drin. Meine potenzielle Karriere als „sehr seriöse“ Darstellerin stand – zumindest was den damaligen Zeitpunkt anbelangte – vor dem Aus. Und später musste ich mehr als nur eine Nebenrolle in Blues Brothers verkörpern, damit die Leute aufhörten, in mir die Prinzessin Leia zu sehen.

In der Glut des Südens war ein wundervoller Film und hätte mich vielleicht ein wenig ent-Leia-t, doch das leichte, sehr, sehr leichte Kreuz, das ich tragen musste, würde immer die Anerkennung sein, die man Prinzessin Leia entgegenbrachte und eben nicht dem Mädchen, das in einem von Terry Malicks frühen Meisterwerken so gut spielte.

Ich sprach für andere Filme vor (Grease und Mitgiftjäger), wonach ich mich bei zwei Schauspielschulen in Großbritannien bewarb. Die Royal Academy of Dramatic Art wollte nichts von mir wissen, doch die Central School of Speech and Drama – zu deren bemerkenswerten Absolventen Laurence Olivier, Harold Pinter und die Redgrave-Schwestern gehörten – sagte Ja.

Endlich war die Chance gekommen, auf die ich selbstsüchtig gewartet hatte: die Chance, nicht mehr zu Hause wohnen zu müssen – oder im selben Land – bei meiner frisch geschiedenen und ach so gebrochenen Mutter. Als Bonus durfte ich mich auf eine handfeste Schauspielausbildung freuen, die ich bislang nicht genossen hatte, was aber auch daran lag, dass ich immer noch nicht wusste, ob ich überhaupt Schauspielerin werden wollte. Aber vielleicht konnte ich so einen Beruf ja auch ohne Highschool-Abschluss oder andere Leistungsnachweise ausüben? Einen Job, der mir genügend einbrächte, um in die Welt hinauszugehen und das zu beginnen, was ich spöttisch „mein eigenes Leben“ nannte.

Ich war 17, als ich die Central besuchte, und damit die jüngste Studentin. Zudem lebte ich zum ersten Mal allein und ganz auf mich gestellt. Endlich weg von meiner Mutter (von der ich gerne lebte, aber mit der ich ungern zusammenlebte), wohnte ich in einem Apartment zur Untermiete, wo ich niemanden enttäuschen konnte – und wenn sich jemand merkwürdigerweise enttäuscht zeigte, war es mir egal, da er nicht zur Verwandtschaft gehörte.


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