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In Schwarz

Susanne Mathies

Fast hätte er nicht gebremst. Ich habe mich mitten auf ein gerades Stück der Küstenstraße gestellt, neben einen Aussichtspunkt. Mit kreischenden Bremsen hält er an, zurückgelehnt in die Polster seines Sportwagens, und flucht laut. Bis er mich erkennt. Da springt er aus dem Wagen, mit vor Wut rot angelaufenem Gesicht. Der winzige weiße Pudel auf dem Beifahrersitz kläfft aufgeregt.

»Was willst du?«, fragt Tom und sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Mit uns ist Schluss, das weißt du genau. Wir haben alles besprochen.«

Die Mittagssonne reflektiert grell auf der Kühlerhaube und brennt durch mein Kleid. Ich hätte eine Sonnenbrille tragen sollen, aber ein Blick durch dunkle Gläser kann nie eindrücklich genug sein.

»Wie du siehst, trage ich Schwarz«, sage ich.

Er grinst. »Trauer um die verlorene Liebe? Du bist so kitschig. Dir ist doch klar, dass du mich damit nicht beeindrucken kannst.«

Ich trete näher an den Aussichtspunkt und zeige auf das Segelboot, das unten im Meer dümpelt. »Sieh das Boot, im Moment liegt es auf Reede. Aber irgendwann muss der Segler den Anker lichten, dann ist er dem Wind und der Strömung ausgesetzt.«

Tom runzelt die Stirn. »Lass es gut sein. Ich werde jetzt weiterfahren, und du gehst nach Hause, oder in eine Wellness-Klinik, das würde dir gut tun. Ich bezahle dir eine Kur, das habe ich versprochen, das halte ich auch.«

Der kleine weiße Pudel hört nicht auf zu kläffen. Er gehört sicher ihr, dieser jungen Schauspielerin, mit der Tom sich neuerdings fotografieren lässt. Im Autoradio läuft »The Great Pretender«. Die Sonne steht hoch, wirft schmale schwarze Schatten um Kiesel und Geröll.

»Du denkst, du kannst alles kontrollieren und lenken«, sage ich. »Aber denk an den Wind und die Strömung!«

Tom will sich wegdrehen, doch ich halte seinen Arm fest. »Du irrst dich, wenn du denkst, dass ich Schwarz trage, weil ich um unsere verlorene Liebe trauere. Darum trauere ich nicht.«

Sehe ich da einen Funken von Interesse, womöglich Mitgefühl in seinen blassblauen Augen? Er zögert.

»Was ist denn passiert?«, fragt er schließlich.

»Ich trauere um dich!«

Damit hat er nicht gerechnet. Mit Schwung ziehe ich ihn am Arm zum Abhang, dann trete ich ihm von hinten in die Kniekehlen, stoße mit beiden Händen an seinen Schultern nach.

Er fuchtelt mit den Armen, sucht nach Halt, verliert den Boden unter den Füßen und rollt mit wackelnden Bewegungen die Felswand hinunter, kurz von einem Gesteinsvorsprung aufgehalten, fällt tiefer, sein Schatten ist schon ganz nach unten gehüpft, nun schlägt sein Körper an der Geröllhalde am Strand auf und bleibt liegen.

Der Pudel bellt immer noch. Ich gehe zurück zur Straße und binde den Hund an der Autotür fest. Irgendjemand wird sich um ihn kümmern, denke ich.

Knirschende Schritte kommen langsam die Steigung hoch. Ein verschwitzter Wanderer mit Rucksack nähert sich, sieht mich seltsam an, grüßt und geht weiter.

Es ist getan. Ich stelle mich auf das äußerste Ende der Felskante, die weit über das Wasser hinausragt, und ziehe mein schwarzes Kleid aus, lasse es über das Meer hinausflattern, lasse es wegwehen, sehe ihm nach, bis es nur noch ein Flügelschlagen im beißend blauen Himmel ist.

Jetzt bin ich nackt, allein auf dem Felsen, und ich setze an zum Kopfsprung in das kühle Meer. Es ist mir gleich, ob und wie ich unten ankommen werde.

Facetten von Dunkel

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