Читать книгу Die Diamantschwert-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling - Carsten Zehm - Страница 9

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Bandath schritt, von zwei stämmigen Zwergen begleitet, zum Dorfrand. Dort stand Theodil Holznagel breitbeinig mitten auf der Straße. Der Zwergling stöhnte auf, als er sah, wer sich vor dem Zwerg auf der Straße postiert hatte. Die beiden in dunkle Umhänge gehüllten Gestalten schauten verächtlich auf den deutlich kleineren Zwerg hinab. Der eine war ein Gnom. Er lief leicht gebückt, seine graue Haut glänzte ungesund und die Augen unter der flachen Stirn huschten unstet hin und her. Er kratzte sich gerade den haarlosen Schädel und zog sich anschließend wieder die Kapuze über den Kopf, um sich vor dem Regen zu schützen – Claudio Bluthammer. Die andere Gestalt war eher lang und dünn und hielt sich sehr aufrecht. Auf den schmalen Schultern prangte ein Stierkopf. Sergio die Knochenzange war ein Minotaurus. Im Gegensatz zu allen anderen Vertretern seiner Art, die muskelbepackt durch die Welt liefen, war Sergio ausgesprochen hager. Böse Zungen behaupteten, es würde Elfenblut neben dem eines Minotauren in seinen Adern fließen. Sergio kommentierte dies stets mit einem Knurren und der Bemerkung, dass kein anständiger Minotaurus einen Elfen näher als zehn Schritte an sich heranlassen würde.

Hinter den beiden standen ihre Reittiere im Schlamm des Weges, hoch bepackt mit den Habseligkeiten der Kopfgeldjäger, groß wie Pferde mit einem missgestaltet aussehenden Drachenkopf, den sie ruckartig hin und her rissen. Dabei reckten sie ihre Hörner nach vorn und sperrten ihr zahnbewehrtes Maul auf, als wollten sie Theodil Holznagel fressen – Gargyle. Mit ihren dreifingrigen Klauen traten sie schmatzend im Schlamm des Weges auf der Stelle. Ihre lederartigen Flügel hatten sie eng an den Körper gelegt. Die langen Schwänze ähnelten denen der Drummel-Drachen, waren jedoch am Ende mit knöchernen Auswüchsen übersät, eine furchtbare Waffe im Kampf. Niemand benutzte Gargyle als Reittiere, bis auf die beiden Kopfgeldjäger. Von einem der Gargyle führte ein langes Seil nach hinten. Dort stand mit gesenktem Kopf Dwego, derb festgebunden mit kräftigen Stricken. Die Kopfgeldjäger mussten ihn gefangen haben. Bandath stöhnte erneut. Als ob er nicht schon genug Ärger hatte.

„Noch mal“, tönte Theodils Stimme. „Seid ihr gekommen um zu helfen oder um Ärger zu machen?“ Er wusste, wer da vor ihm stand. Man kannte die beiden Kopfgeldjäger. Jeder hatte von ihnen gehört, auch wenn nicht jeder sie bisher gesehen hatte. Aber niemand legte Wert auf solch eine Begegnung. Seit ihrem Rauswurf aus Go-Ran-Goh schlugen sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, jagten Leute für die, die gut bezahlten und erledigten die Drecksarbeit, für die, die sich nicht trauten (und auch gut bezahlten).

„Und ich sag es dir auch noch einmal, Zwerg“, zischte Claudio Bluthammer. „Wir suchen den kleinen Bandath, der sich selbst gern als Magier bezeichnet. Ist er hier? In seiner Hütte war er nämlich nicht.“

„Und wenn, was wollt ihr von ihm?“

„Das geht dich zwar nichts an, Zwerg, aber um des Friedens willen: Wir haben sein Reittier … nun, sagen wir mal … gefunden als es herrenlos am Fuße des Gebirges umherirrte und würden es ihm gern gegen eine angemessene Belohnung zurückgeben.“

Bandath war im Schatten eines Hauses stehen geblieben. Dass die zwei Kopfgeldjäger so schnell zu ihm kamen, war eine äußerst unangenehme Überraschung. Der Elfenfürst schien ihnen eine ganze Menge Gold geboten zu haben. Leise fluchte der Zwergling. Ahnten die beiden, dass er der Dieb des Diamantschwertes war? Oder hatten sie wirklich zufällig Dwego gefunden und wollten ihn gegen eine Belohnung abgeben? Wo hatte er in der Aufregung nur seinen Magierstab hingelegt? Plötzlich hörte er die flüsternde Stimme seiner Haushälterin hinter sich. „Herr Magier, brauchst du das hier?“

Er drehte sich um und sah in das erschöpfte Gesicht Waltrudes. Sie hielt seinen Magierstab in den Händen. Erleichtert atmete der Zwergling auf.

„Wenn ich dich nicht hätte …!“

„Sag ich doch auch immer.“ Sie grinste. „Was sind das für Typen?“

„Außenseiter, die immer Ärger bereiten“, murmelte der Zwergling als Antwort.

Sergio, der sich bisher nicht an der Unterhaltung beteiligt hatte, sondern nur still auf dem Weg stand und stolz den Kopf von einer zur anderen Seite drehte, zog plötzlich laut schnaubend die Luft durch seine riesigen Nasenlöcher ein.

„Ich rieche den Zwergling.“ Seine Stimme grollte wie der Himmelshaken.

„Selbst wenn der Magier im Dorf ist …“, begann Theodil selbstbewusst, wurde aber von dem kreischenden Gnom unterbrochen.

„Dorf? Den Haufen Brennholz hier nennst du ein Dorf? Hat euch der Berg noch nicht übel genug mitgespielt, dass du es wagst, uns beide hier aufzuhalten? Warte, wenn ich mit eurem Dorf fertig bin, dann wird man nicht einmal mehr wissen, dass hier früher Zwerge lebten.“

„Das reicht!“ Bandath trat aus dem Schatten hervor und stellte sich mit wenigen Schritten neben Theodil. Dieser entspannte sich merklich.

„Ah! Der große Magier persönlich. Sei gegrüßt, Zwergenmischling.“ Die Stimme des Gnoms troff vor Spott. Bandath zuckte zusammen. „Zwergenmischling“ war eine der Beschimpfungen, die unter einigen seiner Mitschüler auf Go-Ran-Goh kursierten. Leider hatten auch Sergio und Claudio zu diesen Mitschülern gehört und sie waren meist die Urheber solcher Beleidigungen gewesen.

„Zwergling. Es heißt Zwergling, aber das werdet ihr wohl nie lernen, so wie ihr auch Höflichkeit nicht lernen werdet. Drachenfurt ist durch den Vulkanausbruch schwer geschädigt, wie ihr sehen könntet, wenn ihr eure Augen mal öffnen würdet. Die Zwerge haben keine Zeit, sich mit zwei herumstreunenden Möchtegern-Magiern zu streiten.“

Das saß. Die Anspielung Bandaths auf die nicht abgeschlossene Magierausbildung der beiden ließ zumindest Claudio zusammenzucken.

„Oh, die armen Zwerge. Wenn ich Zeit habe, dann bemitleide ich sie etwas.“ Der Gnom grinste und entblößte dabei seine spitzen Zähne. Sergio hob die Hand und stoppte seinen Kameraden.

„Wir müssen mit dir reden.“

„Aber ich nicht mit euch.“

Der Minotaurus schnaufte wie ein Stier kurz vor einem Angriff. „Hör zu, Zwergling. Wir haben einen wichtigen Auftrag zu erledigen. Und dazu müssen wir mit dir reden.“

Erneut blockte Bandath. „Der Auftrag, den ihr erledigen müsst, interessiert mich nicht.“

„Sollte er aber. Gilbath persönlich …“

„… hat euch wahrscheinlich viel Gold geboten. Ich weiß es bereits. Ihr sucht einen Dieb. Aber da seid ihr bei mir falsch. Ich habe keine Ahnung, wer das sein könnte, und auch keine Zeit, mich mit euch zu beschäftigen. Die Zwerge brauchen meine Hilfe. Also schnappt eure beiden Gargyle und verschwindet.“ Bandath fasste seinen Magierstab fester, grüne Funken knisterten aus der Spitze. „Ach, und bevor ich es vergesse, bindet meinen Laufdrachen los. Ich glaube nicht, dass er euch freiwillig gefolgt ist.“

„Was glaubst du, wer du bist?“, kreischte der Gnom. Er hob die Hand und ein faustgroßer Feuerball schoss auf Bandath zu, explodierte jedoch drei Schritt vor dem Magier. Ein Funkenregen ging auf die Umstehenden nieder. Die Abwehr der Magie hatte Bandath nur ein Augenzwinkern gekostet.

„War das schon alles, Claudio? Mehr hast du nicht zu bieten? Hast du sonst nichts weiter gelernt auf Go-Ran-Goh, bevor sie dich rausgeschmissen haben?“ Das Bandath den Rauswurf vor den Zwergen direkt ansprach, reizte den Gnom bis auf das Äußerste. Er schrie auf. Bandath jedoch verfolgte dabei nur die Regel Nummer eins beim magischen Kräftemessen: Bringe deinen Gegner in Wut. Je wütender er ist, desto unkontrollierter erfolgt sein Angriff und desto einfacher wird der Sieg. Der Gnom riss beide Arme hoch. Über seinen magischen Fokus, einen Stein, den er an einer Schlaufe am Gürtel trug und an Stelle eines Magierstabes benutzte, liefen kleine Blitze. Aus seinen Fingern brachen Feuerstrahlen hervor, die er auf Bandath schleuderte. Dieser beschrieb mit der Hand, die den Magierstab hielt, einen kleinen Kreis. Direkt vor ihm bildete sich eine trübe Scheibe aus Nebel in der Luft und die Feuerstrahlen wurden von ihr aufgesogen. Wild brüllend schleuderte der Gnom wieder und wieder Feuerstrahlen in die Richtung des Magiers, kein einziger jedoch kam zu diesem durch. Im Gegenteil, mit jedem Feuerstrahl wurde die Nebelscheibe dichter und größer, gerade so, als sauge sie sich mit der Energie der Flammen voll. Bandath nutzte zur Abwehr dieses Angriffes Absorptions-Magie, die magische Energie aufnehmen und bei Bedarf auch wieder abgeben konnte. Das ideale Mittel, um sich solch unkontrollierter Angriffe zu erwehren. Als Claudio Bluthammer erschöpft inne hielt, schlug Bandath zurück. Eine Reihe kleiner Blitze zuckte aus der Nebelscheibe und traf den Gnom, der aufjaulend umher sprang. Nervös begannen die Gargyle hinter den beiden Kopfgeldjägern zu zischen und nach dem Gnom zu schnappen. Mit einer leichten Bewegung des kleinen Fingers steuerte Bandath die Blitze. Mehrere von ihnen trafen knisternd das Seil, mit dem Dwego an einen der Gargyle gebunden war. Es begann zu glimmen und der Laufdrache warf seinen Kopf energisch hoch. Das Seil riss und Dwego schoss in die Dunkelheit davon. Bandath machte sich um ihn keine Sorgen mehr. Wenn er jetzt pfiff, dann wäre der Laufdrache innerhalb weniger Augenblicke hier.

Wieder zuckte Bandaths Finger. Augenblicklich wurden die Gargyle von mehreren Blitzen an den Hinterteilen getroffen. Ihre quietschenden Schmerzensschreie gellten durch das Dorf. Aufbäumend rissen sie den Kopfgeldjägern die Halteseile aus den Händen und verschwanden wie zuvor der Laufdrache in der Dunkelheit. Im Gegensatz zu Bandath würden der Gnom und der Minotaurus allerdings lange brauchen, bis sie ihre flüchtenden Reittiere wieder eingefangen hätten.

Bandath ließ die Blitze ersterben und die Nebelscheibe löste sich auf. Jammernd sackte der Gnom zusammen. Qualm stieg von seinem versengten Umhang auf.

„Und jetzt geht. Niemand will euch hier haben, wenn ihr nicht helft, ich am allerwenigsten.“

Bandath strahlte mehr Sicherheit aus, als er eigentlich empfand. Gut, der Sieg über den Gnom war ihm nicht schwer gefallen. Noch aber hatte sich Sergio, der Minotaurus, nicht eingeschaltet. Und der war bei weitem der Bessere von den beiden. Wäre er nicht von Go-Ran-Goh geflogen, er hätte ein bedeutender Magier werden können. Aber Sergio hielt sich zurück. Zwar schnaubte er wieder durch seine Nüstern, machte aber keine Anstalten, Bandath mit einer magischen Attacke anzugreifen.

„Das wird dir noch leidtun, Zwergenmischling!“ Er bückte sich zu seinem jammernden Freund und half ihm hoch. Dann drehte er seinen gewaltigen Stierschädel noch einmal zu dem Magier. „Wir sind noch nicht fertig miteinander. Bis eben war es nur ein Auftrag. Jetzt ist es persönlich.“

Bandath schüttelte den Kopf, als sie in der Dunkelheit verschwanden.

„Es war schon immer persönlich“, flüsterte er. „Seit ich sie auf der Schule traf, war es persönlich zwischen uns.“ Er erinnerte sich an diverse Streiche, die beide ihm gespielt hatten … und er ihnen. Im Laufe der Jahre und ihres wachsenden Könnens waren die Streiche heftiger und gefährlicher geworden. Bis zu dem Unfall. Sergio und Claudio, die sich damals noch nicht die Knochenzange und Bluthammer nannten, hatten mittels eines neu gelernten Feuerzaubers Bandaths Schultersack in Brand gesteckt. Leider waren zu diesem Zeitpunkt einige leicht brennbare Substanzen darin, die sich rasend schnell entzündeten, und sich das Feuer sowohl durch das Leder des Schultersackes als auch durch den Stoff der Kleidung fraß, die Bandath gerade trug. Schreiend hatte der Zwergling versucht, sich von der brennenden Last zu befreien. Wäre nicht zufällig Moargid vorbeigekommen, die Heilmagierin, dann hätte es schlecht ausgesehen für Bandath. Claudio und Sergio jedoch, die Verursacher dieses üblen Streiches, wurden der Schule verwiesen. Die Narben auf Bandaths Rücken erinnerten ihn noch heute an dieses unerfreuliche Ereignis. Natürlich gaben die beiden Bandath die Schuld an ihrem Ausscheiden aus der Magierfeste. Und ehrlicherweise musste er zugeben, dass er sie zumindest an diesem Tag mit seinen ständig wiederholten Wasserzaubern doch provoziert hatte. Sie fanden Wasser in ihren Schränken als sie aufstanden und sich anziehen wollten. Wasser war in ihren Schuhen als sie hineinschlüpften und in ihren Taschen als sie im Vorlesungssaal hineingriffen, um ihre Unterlagen heraus zu holen. All das, so stellten die Lehrer jedoch fest, war kein Grund, das Leben eines Magier-Schülers zu gefährden. Bandath erhielt einen Verweis, Claudio und Sergio wurden gefeuert. Im Laufe der folgenden Jahre war es zu mehreren unerfreulichen Begegnungen zwischen ihnen gekommen. Aber jetzt schienen die Dinge zu eskalieren. Welcher wilde Drummel-Drachen hatte Gilbath bloß geritten, dem Dieb die beiden Kopfgeldjäger auf den Hals zu hetzen? Es war doch alles so gut gelaufen in den letzten Jahren. Niemand kam dabei zu Schaden. Der jahrhundertlange Krieg zwischen Elfen und Trollen war faktisch beendet und er verdiente recht gut daran. Dass diese gierigen Elfen auch nie genug bekommen konnten!

Er drehte sich zu den Zwergen um. „Wir müssen reden. Geht vor zu der Plane. Waltrude, weißt du, wo ich meinen Schultersack hingelegt habe?“

„Was wärst du nur ohne mich, Herr Magier? Du hattest ihn da hinten auf die Mauer gelegt, ungeschützt im Regen.“

Bandath stöhnte auf. Die ganze Nacht? Da würde eine Menge seiner Utensilien aber schwer beschädigt sein.

„Ich habe ihn dann gleich zu mir unter die Plane geholt, Herr Magier. Ich weiß doch, wie empfindlich deine Sachen sind.“

„Waltrude, du bist nicht mit Gold aufzuwiegen.“

„Ich weiß, Herr Magier. Ich weiß!“ Und sie meinte die Sätze durchaus ernst.

Bandath lächelte. „Ich komme gleich nach. Sorgt bitte dafür, dass uns nicht alle hören können, wenn wir reden.“

Theodil stutzte. „Ist die Situation so ernst?“

„Ich fürchte ja.“

Während Waltrude, Theodil und die beiden Zwerge in das Dorf gingen, schritt Bandath zum Waldrand. Er holte seine silberne Pfeife hervor und pfiff. Nur wenige Augenblicke später raschelte es in den Büschen und Dwego trat zu seinem Herrn. Der Laufdrache schnaubte und legte seine Nüstern zärtlich an den Hals des Magiers.

„Na, mein Kleiner.“ Dwego war größer als ein Mensch, aber der Zwergling bezeichnete ihn gern so. „Haben sie dir wehgetan? Wie konntest du dich auch fangen lassen?“ Er zog sein Messer aus der Gürtelscheide und begann, den Laufdrachen von seinen restlichen Fesseln zu befreien. Der Gnom und der Minotaurus hatten um das gefährliche Maul des Laufdrachen mehrere derbe Stricke gebunden.

„Da hatte aber jemand Angst vor dir.“ Er legte Dwego die Hand auf den Hals. Dieser schnaubte erneut und stupste Bandath freundlich an die Schulter.

„Ja, ich bin auch froh. Komm, ich muss dich beladen. Wir haben in den nächsten Tagen einen weiten Weg vor uns. Wenigstens haben sie dir den Sattel gelassen.“ Die Hände des Zwerglings strichen feuchte Asche von dem ledernen Reitsitz. Er war kostbar, ein Geschenk eines befreundeten Magiers.

Das Reittier und Bandath schritten einträchtig nebeneinander her durch den Regen zu den Planen, unter denen sich die Zwerge des Dorfes nach der schrecklichen Nacht versammelt hatten. Müde, abgestumpfte und von Leid geprägte Gesichter empfingen sie. Auf den Laufdrachen reagierten sie nicht, man kannte Dwego hier im Dorf.

Theodil hatte an der Mauer des alten Ratshauses eine Plane aufspannen lassen. Er und Waltrude erwarteten den Magier. Bandath hatte es plötzlich sehr eilig. Er nahm seinen Schultersack von Waltrude entgegen und bat sie, ihm ein wenig Proviant zu besorgen.

„Nicht viel, nur für einen Tag. Ich denke, ich werde mir in Flussburg etwas kaufen können.“

„Du willst nach Flussburg, Herr Magier? Warum willst du uns denn verlassen? Wir brauchen dich hier.“

„Ich muss nach Go-Ran-Goh. Nur dort werde ich erfahren, warum der Himmelshaken zu einem Vulkan geworden ist, ob weitere Gefahr droht und wie wir dieser Gefahr begegnen können. Vielleicht hilft uns das.“ Besorgt wanderte sein Blick zu der von einem inneren Feuer erhellten Rauchwolke, die den Krater des Himmelshakens verbarg.

„Aber, Herr Magier“, wiederholte Waltrude. „Wir brauchen dich hier!“

„Nein, Waltrude. Du wirst hier gebraucht.“ Er drehte sich zu Theodil. „Schicke zwei Zwerge mit Spaten zu meinem Haus. Vor dem Haus seht ihr den Baumstumpf einer alten Kiefer. Von ihm aus fünf große Schritte in Richtung Himmelshaken, dort ist eine Kiste vergraben, in der ihr Goldund Silbermünzen finden werdet. Nehmt sie zum Aufbau von Drachenfurt, für Lebensmittel und was ihr sonst noch braucht …“

„Aber …“, Theodil stotterte. „… das können wir nicht annehmen. Das ist dein Gold, Magier.“

Bandath winkte ab. „Es ist weniger als du denkst. Und wahrscheinlich zu wenig für das, was ihr braucht. Ich kann mir neues besorgen. Ihr braucht es dringender. Es wäre nur schön, wenn ihr irgendjemanden entbehren könntet, der in der nächsten Zeit mein Dach reparieren würde.“ Jeden weiteren Protest unterbrach er mit einer Handbewegung. „Ich muss dringend nach Go-Ran-Goh, ich brauche Rat. Passt auf, dass ihr nur sauberes Wasser trinkt, damit keine Krankheiten ausbrechen. Pflegt die Verwundeten und schickt Leute so schnell wie möglich zum Großen Markt am Nebelgipfel. Nahrungsmittel werden bedeutend teurer werden in der nächsten Zeit. Besorgt so viel ihr könnt. Und achtet drauf, dass die Brunnen sauber bleiben.“ Während er sprach hatte Bandath seinen Schultersack auf den Laufdrachen geschnallt. Waltrude schob ihm noch einen Beutel mit Lebensmitteln und drei Wassersäcke zu.

„Pass auf dich auf, Herr Magier!“

„Keine Angst, Waltrude. Ich bin in einigen Tagen zurück.“

Bandath wandte sich noch einmal an Theodil. „Es sieht so aus, als ob du die Dinge in Drachenfurt in die Hand nehmen musst, Theodil Holznagel. Zwei Ratsmitglieder sind tot, zwei weitere schwer verletzt und die restlichen drei sind nicht in der Lage, hier irgendetwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.“

Theodil nickte schwer. „Es scheint so, Magier. Und du willst uns verlassen.“

Lange blickte Bandath dem Zwerg in die Augen. „Von Wollen kann keine Rede sein. Mein Vater sei mein Zeuge, gäbe es eine andere Lösung, egal welche, ich würde lieber sie in Angriff nehmen, als mich nach Go-Ran-Goh begeben. Du schaffst das, Cousin.“ Bandath sprach die Zwerge nicht oft auf ihre Verwandtschaft hin an, jetzt aber schien es ihm, als wäre es der richtige Zeitpunkt, Theodil daran zu erinnern. Er bemerkte, wie sich dessen Schultern strafften. Na also. „Waltrude wird dich unterstützen, du kannst auch auf die Frau des Schmiedes und Thordred Weißbuche zählen, denke ich. Ich muss nach Go-Ran-Goh. Vielleicht weiß das Orakel, wieso der Vulkan plötzlich ausgebrochen ist. In fünf bis sechs Tagen sehen wir uns wieder.“

„Was ist mit den beiden Kopfgeldjägern? Werden die nicht zurückkommen und sich an uns rächen?“

„An euch?“ Bandath schüttelte den Kopf. „Die wollen mich. Wenn sie ihre Gargyle wieder eingefangen haben, dann werden sie mich verfolgen.“

„Gib auf dich Acht. Der Gnom scheint nicht gefährlich zu sein. Aber der alte Ochsenkopf ist nicht zu unterschätzen.“

Leicht grinsend erwiderte der Magier, dass der Zwerg die Bezeichnung Ochsenkopf lieber nicht den Minotaurus hören lassen sollte. Dann wurde er wieder ernst.

„Es kann sein, dass ihr hier weg müsst. Wenn der Himmelshaken noch ungemütlicher wird, dann wird es für euch zu gefährlich hier.“

„Wir alle?“ Theodil war entsetzt. „Aber wieso denn? Und wie? Wir sind über vierhundert Seelen!“

„Ich weiß.“ Beruhigend legte Bandath dem Zwerg seine Hand auf die Schulter. „Sollte der Lavastrom das Dorf bedrohen, dann müsst ihr hier verschwinden. Stelle immer ein paar von den älteren Kindern ab, die die Lava beobachten. Manchmal kann sie plötzlich sehr schnell werden, habe ich gelesen. Brecht lieber früher als zu spät auf. Nehmt nur das Nötigste mit: Lebensmittel, Wasser und Zelte. Geht nicht zu den Elfen. Die sind zu eigensinnig und werden niemandem helfen, Zwergen schon gar nicht. Ich denke, Flussburg sollte euer Ziel sein. Ich werde über Flussburg reisen und ihnen mitteilen, was passiert ist. Sie werden auf euch vorbereitet sein.“ Er sah Theodil und Waltrude noch einmal lange an.

„Geht nur, wenn es wirklich nötig ist. Aber dann geht auch!“ Bandath bestieg den Laufdrachen und zog an den Zügeln. Dwego schnaubte leicht. Der Zwergling beugte sich nach vorn, klopfte den Hals seines Laufdrachen. „Und wir beide, mein Kleiner, werden uns mächtig beeilen müssen. Wir haben einen weiten Weg vor uns.“ Als würde er es verstehen, schnaubte Dwego noch einmal. Dann drehte er sich um und verschwand mit dem Magier rasch zwischen den Bäumen des nahe gelegenen Waldes. Theodil und Waltrude standen noch lange auf dem Weg und sahen in den Wald, als würden sie dort den Magier mit den Blicken folgen können.

„Bei den nackten Rattenschwänzen der Gargyle“, murmelte die Zwergin. „Ich habe kein gutes Gefühl.“

„Ich auch nicht, Waltrude. Ich auch nicht“, pflichtete Theodil ihr bei. Bandath hatte ihnen Sicherheit gegeben in dieser Situation und jetzt, wo er fort war, fühlten sie sich angreifbar durch den Berg. Und wer wusste, welches Gesindel mit der Aussicht auf leichte Beute noch angelockt werden würde.

Fünf bis sechs Tage, hatte der Zwergling gesagt, dann wäre er wieder zurück.

Er ahnte nicht, wie sehr er sich irren sollte.


Die Diamantschwert-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling

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