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4. Neubeginn

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Vor zwei Tagen habe ich gekündigt.

Mein Chef hat mich angesehen als wenn ihm die vierte Scheidung drohte. Das Erste was ihm dazu einfiel und was mich so viel interessierte, als wenn in China ein Sack Reis platzen würde, war: „Ob wir Ihre Stelle wieder besetzen werden, ist zu bezweifeln. Wir müssen sparen.“ So war er eben. Ein typischer Chef. Auf der ganzen Linie deplaziert und mit allem überfordert. Ich fühlte mich, wie in einem dieser amerikanischen Filme. In einem großen Karton trug ich erleichtert meine Bürosachen hinaus. Dank vieler Überstunden und ausstehendem Urlaub konnte ich sofort gehen und spürte, wie fehl am Platz ich hier die ganze Zeit war. Überrascht stellte ich fest, dass ich zu keinem meiner Kollegen – kaum Kolleginnen – eine engere Beziehung hatte. Und das nach zehn Jahren. Lediglich vom Hausmeister verabschiedete ich mich. Ich mochte ihn. Ein sympathischer „Ossi“. Man merkte nicht, dass er „rüber gemacht hat“, da er ein astreines Hochdeutsch sprach. Ist auch egal. Was ihn auszeichnete war der Umstand, dass er immer freundlich und hilfsbereit war und einen angeborenen Humor besaß. Eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Griesgrams. Er war glücklich verheiratet und hatte drei wunderbare Töchter, im Alter von fünf, sieben und elf Jahren. Die Jüngste, Amelie, hatte er in den Schulferien oft dabei. Ich konnte in ihr meine eigene Tochter sehen – wenn ich denn eine gehabt hätte. Sie erwiderte meine Zuneigung, da sie manchmal, wenn ihr Daddy in unserem Großraumbüro zu tun hatte, zu mir kam und wissen wollte, was ich da gerade machte. Da ich ihren Papa gut kannte, durfte sie sich neben mich setzen und malen. Roland war froh, wenn sie bei mir war, denn dann konnte er sich auf seine Arbeit konzentrieren und musste nicht immer mit einem Auge nach ihr Ausschau halten. Amelie war sehr flink. Ab dem Moment da sie neben mir saß, wurde sie sehr schüchtern und schaute abwechselnd auf den Monitor und auf mich. Was machst du da und was ist das – auf den Monitor deutend, waren ihre Lieblingsfragen. Diese genügten auch, um eine herzliche „Unterhaltung“ zu führen. So viel, wie mit ihr, lachte ich selten und so schnell, wie sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkte, so schnell war sie auch wieder weg, wenn sie ihren Papa aus den Augen verlor. Ich entschied mich daher, den Kontakt zu ihm zu pflegen.

Dank meiner Ersparnisse und des Erbes meines Dads, brauche ich mir vorerst um die finanzielle Seite meines Lebens keine Sorgen zu machen. Clever wie er war, investierte er Zeit seines Lebens in Immobilien. Daher besaß ich nun ein Appartement in New York City und fünfundzwanzig Prozent an einem traumhaften Strandhotel in Santa Monica, Kalifornien. Sorgen machten mir jedoch zwei Aspekte meines Lebens: Zum einen der berufliche. Für mich jetzt ausschließlich ein Aspekt der Kreativität und zum anderen der private: mein Liebesleben. Am Abend treffe ich mich mit Melvin, meinem besten Freund, den ich seit der Uni Zeit kenne und dafür schätze, dass er trotz akademischer Weihen nicht arrogant, überheblich oder zynisch wurde. Weiterhin verbindet uns die Liebe zum Basketball und als Michael Jordan noch aktiv war, verpassten wir keines seiner Spiele. Melvin ist auch Mathematiker und hat mit seinen neununddreißig Jahren bereits eine beachtliche berufliche Laufbahn, mit einem tollen Einkommen, hingelegt. Den Preis hierfür, zahlt er wie ich, mit einem „Single-dasein“. Das Fatale am Managerberuf in der freien Wirtschaft ist zum einen, dass es zu wenige Gute gibt, zum anderen, dass man permanent immens unter Druck steht und streng genommen nur für den Job lebt. Wenn man dann noch Karriere machen will – und wer möchte das nicht – und vergisst, dass es da noch mehr gibt – einen liebenden Partner zum Beispiel – der läuft Gefahr diesen zu verlieren. Melvin wollte Karriere machen, vergaß jedoch, dass er eine Partnerin hatte, die sich neben ihrem Job kaum selbst beschäftigen konnte. Ohne Kinder waren die vielen Abende alleine in der gemeinsamen Wohnung zu viel für Celine und so kam es, wie es kommen musste. Melvin überraschte sie eines Abends mit einem anderen Mann im Bett. Wo sie diesen aufgegabelt hatte, ist ihm bis heute unklar und auch nicht wichtig. Zu retten gab es nichts mehr, da sie sich bereits sehr weit auseinander gelebt hatten. Anfangs dachte er, Kinder seien die Lösung ihrer Probleme. Mittlerweile war er jedoch froh, dass es vorbei war. Celine besaß einfach zu wenig Humor, konnte zu selten herzhaft lachen und war schlichtweg zu negativ. Wie auch immer. Die Trennung verlief relativ friedlich. Außer einem angekratzten männlichen Ego, blieb ihm die reife Erkenntnis, dass auch im einundzwanzigsten Jahrhundert eine erfüllte, spielerische, mit Kompromissen beseelte Liebesbeziehung, nahezu ein Ding der Unmöglichkeit blieb. Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Wie sagt Kate Winslet in dem Film „Liebe braucht keine Ferien“ in einer tollen Szene: „Alles ist möglich.“ Das Gute an Melvins neuem Singledasein war, dass wir für kurze Zeit wieder eine echte Männerfreundschaft hatten. Wir teilten die Begeisterung für Basketball, mochten die gleichen Kinofilme und konnten uns stundenlang über unsere Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht unterhalten.

Da Melvin ziemlich gut aussieht, gibt es aus meiner Sicht nur einen Grund dafür, dass er noch Single ist: Er arbeitet zu viel. Sein Job ist für ihn mittlerweile zur Obsession geworden. Er bezeichnet sich selbst als geborenen Workaholic. Das hätte er früher nie gesagt. Die deutscheste aller deutschen Charaktereigenschaften hat ihn wohl jetzt auch voll im Griff: Leben um zu arbeiten. Leider sehen wir uns daher seit einigen Monaten auch immer seltener. Unseren Telefonaten entnehme ich, dass er sich tatsächlich in die Arbeit geflüchtet hat. Eine Beförderung mit noch mehr Kohle und dafür einen vierzehn Stunden Arbeitstag. Spätestens jetzt hätte ihn Celine zum zweiten Mal verlassen. Meiner Meinung nach, hat er vor seinem Privat- bzw. Liebesleben kapituliert und insgeheim entschieden, nur noch für die Firma da zu sein. Hier bekommt er ausreichend Anerkennung und wer weiß, vielleicht hat er sogar eine Affäre mit einer dieser scharfen Sekretärinnen. – Er fehlt mir! Ich habe noch nie eine Horde so genannter Freunde um mich gescharrt. Obwohl meine Kontaktfreudigkeit es irrtümlicherweise vermuten ließe, war ich auch noch nie ein sogenannter Stammtischtyp. Nichts gegen Gruppendynamik oder Cliquen, der modernen Variante der Gruppendynamik. Der Einzelne kann sich hier gut verstecken. Wenn mehr als drei gleichzeitig losquasseln, eventuell noch in einer Lautstärke bei der oberflächliche Bierzeltstimmung aufkommt, verlasse ich nach fünf oder zehn Sekunden den Raum. Ich „liebe“ ein inspirierendes Gespräch zu zweit. Vor allem wenn mein Gegenüber auch eine kommunikative Ader hat. Wenn nicht, auch nicht tragisch, dann übernehme ich auch seinen Part. Dann kann ein Treffen über Stunden und Stunden gehen, mit einem Glas Wein, am besten einem Amarone und keine Sekunde der Langeweile. Dank dem überfälligen Rauchverbot, kann sich endlich auch ein Nichtraucher in einer tollen Kneipe wohl fühlen. Die Stunden verfliegen. Man kann komplett abschalten, vergisst seinen Alltag und geht in den spannenden Geschichten seines Gegenübers auf. Zum Beispiel, hat man sich ein halbes Jahr nicht gesehen, oder war im Ausland, hat gerade seine Diplomarbeit, vielleicht auch Doktorarbeit, fertig gestellt. Oder es gibt aufregende Neuigkeiten in Beziehungen. Komplizierte Herzschmerzdramen, Trennungen und unerwartete Hochzeiten. Dinge eben, die man nur diesem Einen erzählen möchte und umgekehrt. Das höchste der Gefühle ist, wenn mein Gegenüber auch noch Humor hat und mich zum Lachen bringen kann. Wie zum Beispiel Frank Bauer – oder Franky, wie ich ihn gerne nenne - einem Arbeitskollegen, bei einem großen Verlagshaus. Er kann keinen Satz ohne eine witzige Anmerkung beenden. Inhalte, plus einen oscarreifen trockenen Humor. Er hätte seine eigene Comedy Late Night Show verdient. In den USA hätte er sie. In „Germanien“ zählt Humor zu wenig. Und Kommunikation. Und Spaß. Erst sehr spät führten sie – immer dem Geist der Zeit zwanghaft hinterherhinkend – die „Happy Hour“ ein. Vom bereits nahezu weltweit bestehenden rücksichtsvollen Rauchverbot, ganz zu schweigen.

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Nie mehr Blind Date

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