Читать книгу SAII-RON - Casy Paix - Страница 5

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Am Morgen stand ich mit einem beklemmenden Gefühl auf.

Tchai schlief noch und schnarchte leise vor sich hin. Ich zog mir mein Nachthemd aus und schlüpfte in meine Reisekleidung. Eine einfache braune Hose, eine beigefarbene Tunika und eine dunkelbraune, kurzärmlige Weste. Zum Schluss schlüpfte ich noch in meine Stiefel und schlang einen breiten Gürtel um meine Taille. Das Letzte was noch fehlte, war der kleine Lederbeutel, den ich mir an den Gürtel band. Meine langen Haare fasste ich mit einer Schnur zu einem hohen Zopf zusammen.

So leise es ging, suchte ich mir meine restlichen Sachen für die Reise zusammen und stopfte sie weniger gekonnt in meine Tasche.

Ein herzhaftes Gähnen ließ mich zu Tchai sehen. Er streckte sich zufrieden und lächelte mich mit funkelnden grünen Augen an.

„Du schuldest mir noch eine Antwort Prinzesschen“.

„Dir auch einen guten Morgen“, schnaubte ich und stellte meine Reisetasche neben die Tür.

„Warum so verschlossen? Du weißt das ich Geheimnisse für mich behalten kann!“

„Tchai hör auf. Hauptsache du hattest deinen Spaß letzte Nacht“.

Abwesend fuhr meine Hand zu dem kleinen Lederbeutel.

Tchais Blick folgte meiner Bewegung und ich wusste, was er dachte.

Mein schlechtes Gewissen meldete sich mit einer Stärke zurück, die mich schier erschaudern ließ. Die Leute vom Turm der Drachen waren nur wegen Saii-ron und mir gekommen. Saii-ron der nicht in dem kleinen Lederbeutel an meiner Hüfte steckte. Meine Augen suchten Tchais und er schüttelte langsam, aber bestimmt den Kopf.

„Es ist momentan besser so Layra. Saii-ron ist zu Wertvoll um ihn mit auf die Reise zum Turm der Drachen zu nehmen. Wir wissen nicht, wer sonst noch von Saii-ron weiß und es auf ihn abgesehen hat. Dort wo er jetzt ist, ist er am sichersten.“

Ich atmete tief durch. Saii-ron würde in seinem Versteck bleiben. Seit vier Jahren hüteten Tchai und ich dieses Geheimnis. Selbst Krischan hatte keine Ahnung das in dem kleinen Lederbeutel ein einfacher Stein, als Tarnung steckte.

„Wann brechen wir auf?“, fragte ich um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

„Die Frage lautet eher, wann brichst du auf.“

„Willst du damit sagen, du kommst nicht mit? Erst Krischan und jetzt du?“, fragte ich leicht panisch.

„Leider ja. Ich muss bei meinem Vater vorstellig werden und ihn warten zu lassen lässt seine Laune noch schlechter werden“, entgegnete Tchai und schwang die Beine aus dem Bett.

Meine eigene Laune sank augenblicklich im selben Maße.

Ich wusste, dass der Meister der Drachenwandler schon länger nach seinem Sohn verlangte, aber warum musste es jetzt sein?

In den ganzen acht Jahren hatte sich Tchai immer wieder davor gedrückt. Der anfängliche Zorn und die Mordlust seinem Vater gegenüber waren in Verachtung und schließlich in Verleugnung umgeschlagen. Ausgerechnet jetzt schien Tchai kein Grund mehr einzufallen das Ganze aufzuschieben. Oder hatte es etwas mit

Saii-rons Auftauchen zu tun?

„Du bringst ihn aber nicht um!“

Tchai lachte dunkel auf und verzog seine Lippen zu einem mir all zu vertrauten sarkastischen Lächeln.

„Vielleicht Pass einfach auf dich auf und halte dich an Shinn. Außerdem können wir uns immer noch durch unseren Gedanken in Verbindung setzen. Du bist nicht alleine Layra“.

Ich entgegnete sein Lächeln naturgetreu und drehte mich zur Zimmertür um. Vielleicht konnte ich noch ein schnelles Frühstück zu mir nehmen, bevor es losging.

Ich öffnete die Tür und die erste Person, die mir begegnete war Jasahra.

Na toll! So fängt der Morgen schon gut an!

„Sieh an, die Hohepriesterin ist auch schon aufgestanden!“, entgegnete sie und baute sich direkt vor mir auf.

„Lass mich durch“, bat ich höflich, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.

Warum war sie mir so feindlich gesinnt? Die Reise mit ihr zusammen versprach auf eine andere Weise anstrengend zu werden.

„Ach jetzt auf einmal so eilig. Wir warten schon seit einer Ewigkeit das du erscheinst! Glaube bloß nicht das du auf unserer Reise eine extra Behandlung erfährst. Wenn du mit uns reist, ist dein Titel das Einzige, das auf das Amt der Hohenpriesterin hinweist“.

Jasahra grinste mich frech an. Dann entgleisten ihre Gesichtszüge und ihr Lächeln gefror.

„Ihr teilt euch ein Zimmer?“

Tchai schmiegte sich von hinten an mich und ich konnte das Spiel seiner Muskeln deutlich fühlen. Er war noch immer nackt.

„Oh so neugierig meine Liebe? Nun um deine Frage zu beantworten, ja wir teilen uns ein Zimmer. Wir teilen uns sogar ein Bett. Um es genau zu sagen, wir schlafen schon seit einigen Jahren miteinander“, schnurrte Tchai.

Mir stieg brennende Röte ins Gesicht und ich versuchte einen Schritt an Jasahra vorbeizugehen. Fast zeitgleich umschloss mich Tchai mit seinem Arm um die Hüfte und presste mich fester an sich. Ich wusste, das er dieses Spiel liebte. Ich konnte einen Blick an der sprachlosen Jasahra vorbei in den Raum werfen.

Krischan saß am Tisch und frühstückte in aller Ruhe.

Dawn musterte mich stirnrunzelnd, schwieg aber vorerst.

Und Shinn? Mein Blick schweifte kurz zu ihm und es reichte mir um sagen zu können, das er schlecht gelaunt war. Er lehnte mit verschränkten Armen neben der Eingangstür und beobachtete uns mit versteinerter Miene.

„Dir ist klar das es ein Verstoß gegen den Pakt und dem Abkommen mit dem Meister der …“

„Schweig Jasahra!“

Dawns Stimme erlaubte keinen Widerspruch.

„Ich denke Krischan und Tchaikor sind sich ihrer Pflichten bewusst und unsere junge Hohepriesterin wird sie noch lernen“.

„Es ist nicht das wonach es aussieht“, entschuldigte ich mich prompt und klammerte mich unbewusst an Tchais Arm fest.

Er lachte leise und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, bevor er an mir vorbeiglitt. Meine Augen richteten sich automatisch auf seine wohlgeformte Kehrseite und ich stöhnte innerlich auf.

Ja ich wusste, das wir nicht solch eine Beziehung führen durften, aber trotzdem hätten wir wenigstens ein einziges Mal wirklich richtig miteinander das Bett teilen können. Wer hätte es merken sollen?

Immerhin hatte mir auch keiner gesagt, das man als Hohenpriesterin unbefleckt sein musste.

Tchai nahm sich ein Stück Brot vom Tisch und biss herzhaft hinein.

Jasahra hatte sich anscheinend wieder gefangen, denn sie setzte sich neben Dawn an den Tisch und verschlang Tchai mit ihren Blicken. Mir fielen ihre Worte von gerade ein. Wen hatte Jasahra mit dem Meister gemeint? Sollte ich gleich nachfragen oder lieber noch warten?

Nach Dawns befehlenden Worten war es unwahrscheinlich, das sie mir etwas erzählen würden. Die Leute vom Turm der Drachen brachten mehr Rätsel als Antworten mit. Ich nahm mir vor auf meiner Reise mit den Dreien etwas mehr über meine zukünftigen Aufgaben als Hohenpriesterin und vor allem über die Leute um mich herum herauszufinden.

Ich nahm ebenfalls am Tisch Platz und beeilte mich wenigstens noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Viel Hunger hatte ich eh nicht.

„Willst du dir nicht endlich etwas anziehen?“

Shinns trockene Stimme ließ mich kurz aufschauen. Tchai ging breit grinsend ein paar Schritte auf ihn zu. Mit jedem schwindenden Meter versteifte sich Shinn mehr.

„Tue nicht so, als ob es dir nicht gefällt“, säuselte Tchai leise.

Shinn kniff die Lippen aufeinander und seine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Wusste ich es doch!“

Tchais Hand glitt über Shinns Brust nach unten, tiefer und tiefer. Meine Augen hingen wie gebannt auf den Zweien.

Ich hatte schon gehört, das Drachenwandler für alle Beziehungen offen waren, doch es wirklich zu sehen war etwas ganz anderes. Tchai war in seinem Element. Das verwunderlichste daran war jedoch, das Shinn seine Berührungen duldete. Was mich wieder zu der Überlegung brachte, in welchem Verhältnis die Beiden zueinander standen.

Ein plötzlicher lauter Knall ließ mich zusammen zucken. Ertappt sah ich zu Krischan der einen Krug Apfelmost mit anscheinend absichtlich zu viel Schwung auf den Tisch gestellt hatte.

„Layra Liebes iss richtig. Du musst bei Kräften sein, denn die Reise zum Turm der Drachen dauert lange und wer weiß wie oft ihr anständiges Essen bekommt.“

Ich nickte Krischan zur Antwort zu und beeilte mich meinen Teller zu füllen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Shinn genervt von Tchai weg drehte und sich zu uns an den Tisch setzte, wo er sich ein Stück Brot nahm.

Krischan und Dawn schien Tchais Spiel kalt zu lassen. Nur Jasahra konnte noch immer nicht ihre Augen von dem nackten Mann im Raum lassen. Zu verdenken war es ihr nicht.

„Layra ich hoffe, du hast alles gepackt, denn wir werden in Kürze aufbrechen“, meinte Dawn zwischen zwei Bissen.

„Ja ich denke schon.“

„Die Hauptsache ist das sie Saii-ron dabei hat“, entgegnete Jasahra.

„Keine Sorge Layra trägt ihn stets bei sich. Sie nimmt ihre Aufgabe als Hohepriesterin sehr ernst“, meinte Krischan und lächelte mir zu.

Ich nickte kurz und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Tchai in Richtung meines Zimmers ging, um sich hoffentlich etwas überzuziehen. Es tat mir im Herzen weh Krischan zu belügen, aber es war nur zu seinem Besten.

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Das restliche Frühstück verlief schweigend und nur kurze Zeit später stand ich mit meiner gepackten Tasche vor der Hütte.

Es war Zeit aufzubrechen. Mit gemischten Gefühlen wandte ich mich Krischan zu. Wir mussten uns verabschieden.

„Mach dir keine Sorgen Layra. Die Reise zum Turm der Drachen wird dir gefallen. Du wirst viel Neues sehen und erleben. Du musst irgendwann deinen rechten Platz als Hohepriesterin einnehmen“, meinte er zuversichtlich.

„Es fällt mir nicht leicht dich zu verlassen Krischan“, meinte ich leise.

„Ich weiß, doch wir werden uns wiedersehen.“

Er umarmte mich und küsste mich auf die Stirn.

„Pass auf dich und Saii-ron auf Liebes.“

Mit diesen Worten entließ mich Krischan aus seinen Armen und ich ging mit schweren Herzen zu meinen Reisebegleitern. Shinn und Dawn saßen bereits auf ihren Pferden. Jasahra verstaute noch ihre Tasche sicher am Sattel. Neben ihr wartete Tchai mit meinem Pferd am Zügel. Es war eine dunkelbraune Stute und ihre hellere Mähne glänzte im Morgenlicht wie reine Seide. Dawn hatte die Pferde bei einem Bauern in der näheren Umgebung untergestellt, um sich anfangs nicht zu verraten und heute in den frühen Morgenstunden wieder hergebracht.

Jasahra hörte mich näher kommen und musterte mich mit einem abschätzigen Blick.

„Ich hoffe, du willst nicht so auf das Pferd steigen. Mit deiner Kleidung und den Haaren fällst du schon meilenweit im Voraus auf. Hat Dawn dir nicht gesagt das du deine Haare schneiden sollst?“

„Ich besitze keine tauglichere Reisekleidung, es muss wohl genügen. Und meine Haare bleiben so wie sie sind!“, entgegnete ich giftig.

„Nun, wenn du sie nicht kürzen möchtest, kann ich es gerne für dich übernehmen“, zischte sie.

„Wage es und deine Hand ist ab“, entgegnete ich und umgriff warnend meinen Schwertknauf.

Unser kleiner Streit blieb nicht unentdeckt, denn Dawn lenkte sein Pferd neben Jasahras und auch Tchai rückte näher an mich heran.

„Dawn erkläre es unserer Hohenpriesterin“, fauchte Jasahra.

„Sie hat nicht ganz Unrecht Layra. Auf dieser Reise werden uns viele Gefahren begegnen. Es gibt jede Menge Leute die Saii-ron und dich in die Finger bekommen möchten. Dein Aussehen alleine verrät dich schon. Dein langes Haar, deine Augen. Deine Kleidung wird staubig und dreckig, doch deine Augen werden immer in diesem bernsteinfarbenen Licht strahlen. Halte auf der Reise, wenn wir Fremden begegnen, deinen Blick gesenkt. Was deine Haare betrifft …“

„Ich werde sie nicht abschneiden“, fuhr ich Dawn dazwischen.

Dawns Gesicht verfinsterte sich, doch bevor er etwas erwidern konnte trat Tchai hinter mich und löste meinen Zopf mit einer einzigen Handbewegung.

„Habt etwas Nachsicht mit ihr. Layra war bis jetzt noch nie auf einer längeren Reise und kennt die damit verbundenen Gefahren nicht“.

„Trotz alledem muss sie unseren Anweisungen folgen, denn sonst können wir ihre Sicherheit nicht garantieren.“

Dawn zog am Zügel seines Pferdes und trieb es zu Krischan um wahrscheinlich ein paar letzte Worte mit ihm zu wechseln.

Jasahra stieg mit einem leisen Lachen in ihren Sattel und folgte ihm. Ich seufzte leise.

„Er hat Recht Prinzesschen, du bist wie die Sonne an einem Gewitterhimmel. Du selbst merkst es vielleicht nicht, aber dich umgibt eine Aura der Reinheit. Es gibt viele die danach trachten die Hohepriesterin in ihre Finger zu bekommen“.

„Ich werde aufpassen Tchai“.

Mit geübten Bewegung flocht mir Tchai einen verschlungenen Zopf, der meine Haare um die Hälfte kürzte. Als er fertig war, hauchte er mir einen Kuss in den Nacken und schob mich in Richtung meines wartenden Pferdes. Shinn näherte sich uns und ich musste zugeben, das er eine beeindruckende Erscheinung war.

Ich konnte den kleinen Hauch von Magie der ihn umgab wahrnehmen. Neben seinem Schwert hatte er sich noch einige Dolche, in den Schwertgurt und in die Stiefel gesteckt.

„Shinn!“

Tchais ernste Stimme ließ ihn kurz am Zügel ziehen und sein Pferd wieherte missbilligend auf. Die Blicke der Beiden begegneten sich für einen Moment. Sie schienen sich einig zu sein. Entschlossenheit und ein Versprechen.

„Du hast mein Wort Tchaikor. So lange sie an meiner Seite ist, wird ihr nichts zustoßen“, versprach er.

Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert. Ich konnte nur nicht die richtigen Worte dafür finden. Tchai nickte ihm kurz zu und half mir dann in den Sattel. Es war ungewohnt auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, doch ich hatte keine Bedenken das ich es nicht schaffen würde. Immerhin konnte ich auf einen Drachen reiten!

„Ich komme nach, sobald ich die Angelegenheit mit meinem Vater geregelt habe“, versprach mir Tchai.

Mein Hals schnürte sich mit einem Mal zu und ich griff unbewusst nach der Kette.

„Solange du sie nicht abnimmst, wird er dich auch nicht finden. Acht Jahre sind eine lange Zeit und deine Angst vor ihm ist vielleicht unbegründet“.

Ja vielleicht hatte Tchai Recht, aber irgendwie blieb das ungute Gefühl mal wieder. Wir verabschiedeten uns ein letztes Mal von Krischan und Tchai und brachen endgültig auf.

4

Wald. In den darauffolgenden Wochen war er das Einzige, das ich zusehen bekam. Die verschiedensten Grünschattierungen waren die einzige Abwechslung. Sobald die Sonne aufging brachen wir auf und rasteten erst in der Dämmerung.

Ich nahm meine Behauptung zurück, auf einem Pferd zu reiten sei nicht schlimmer als auf Tchaikors Rücken. Die ersten zwei Wochen war es die Hölle für mich. Meine Muskeln schmerzten bei jeder Bewegung und selbst als ich mich endlich zum Schlafen hinlegen konnte, spürte ich jede Kleinigkeit. Jasahras bissige Kommentare begleiteten mich genauso beharrlich. Nur Dawn wies sie ab und an zurecht. Ihre Laune schien stark davon abzuhängen, wie oft sie mit ihm alleine sein konnte. Shinn hingegen schwieg den Großteil der Zeit oder brachte mir etwas über das Land bei, durch das wir reisten.

Er erzählte mir heimische Legenden und berichtete von lang geschlagenen Schlachten an den Grenzgebieten. Ich liebte seine ruhige Stimme, wenn er erzählte. Er schien dabei in seine eigene Welt einzutauchen. Als ich ihn einmal fragte, woher er so viel wusste, verriet er mir, dass er nicht nur in der Lehre der Magie und der Kampfkunst, sondern auch in der Geschichte des Landes unterrichtet worden war.

Das Einzige worüber er mir nichts erzählte war von sich und Tchai.

Wir reisten direkt nach Norden. Die mir bekannte Hitze des Tages wich einer angenehmeren Wärme und auch die Nächte wurden kühler. Der Wald schien kein Ende zu nehmen und der Pfad vor uns schlängelte sich unaufhaltsam vorwärts. In all den Wochen begegneten wir nur sehr selten anderen Reisenden. Dawn versuchte so gut es ging die stärker bereisten Routen zu umgehen.

Trafen wir auf andere Leute so berichteten sie über die vermehrt ausbrechende Kämpfe rebellierender Aufständischer.

Das Land steuerte unaufhaltsam auf einen Krieg zu. Ich hoffte das meine Ankunft im Turm der Drachen alles wieder in die richtige Bahn lenken würde. Anfangs konnte ich meine Ängste noch mit Tchai durch unsere geistige Verbindung teilen. Ab dem Moment jedoch, als er das Reich seines Vaters betrat, riss unsere Verbindung.

Ich konnte nur abwarten und hoffen, das er die Angelegenheit mit seinem Vater schnell klärte, um dann endlich zu uns stoßen zu können. Er fehlte mir unsagbar.

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Vor mir hob Dawn seine Hand und zügelte sein Pferd.

„Wir rasten hier die Nacht über“, rief er und lenkte seinen Hengst vom Pfad ins Unterholz und auf eine kleine Lichtung.

Wir stiegen ab und ich klopfte mir den Staub von der Kleidung.

Viel brachte es sowieso nicht. Es konnte keiner mehr behaupten, das ich wie eine Hohepriesterin aussah. Meine Haut versteckte sich unter einer dicken Schicht aus Dreck. Selbst einfaches waschen brachte nichts. Meine Haare trug ich weiterhin, so gut es ging, zu einem dicken Knoten im Nacken zusammen gebunden. Ich wollte nicht Gefahr laufen Jasahra oder Dawn doch noch einen Grund zu liefern sie abzuschneiden.

Ich führte mein Pferd an einen kleinen Bachlauf und ließ es in Ruhe grasen.

„Layra bleib in der Nähe, dieses Gebiet wird oft von Räuberbanden durchstreift“, warnte mich Dawn.

„Ja ich bleibe am Bachlauf“, rief ich ihm zu und setzte mich erschöpft ins Gras.

Dawn machte sich daran ein Feuer zu entzünden, während Shinn einen Bannkreis um unser Lager zog. Die zwei goldenen Ringe an seiner rechten Hand blitzten auf, als er seine Magie wirkte. Der Bannkreis sollte uns vor nächtlichen Überraschungen schützen, egal ob tierischer, menschlicher, oder sonstiger Natur. Die leichten Linien der Macht waren kaum wahrzunehmen. Jasahra war mit Pfeil und Bogen im Dickicht verschwunden, um etwas für das Abendessen zu jagen. Jeder hatte seine Aufgabe und ich kam mir etwas nutzlos vor.

Ich zog die Stiefel aus und tauchte meine Füße in das kalte Wasser des kleinen Bächleins. Sternenblumen blühten am Ufer entlang und unwillkürlich musste ich an meinen letzten Sternenblumenkranz zurückdenken. Mein Blick glitt über das langsam dahin fließende Wasser an die gegenüberliegende Böschung. Das Unterholz dort war sehr dicht und gewährte kaum einen Blick hindurch. Ich rieb mir fröstelnd über meine Arme. Das Gefühl beobachtet zu werden keimte plötzlich in mir auf. Bis jetzt hatte ich auf unserer Reise immer ein gutes Gefühl gehabt und hatte keine undefinierbare Angst gespürt.

„Komm, komm, komm!“

Die leise geraunten Worte drangen gerade so an mein Ohr. Das Plätschern des Wassers übertönte sie fast. Aber eben nur fast. Die Stute neben mir graste friedlich und schien nicht die geringste Gefahr zu Wittern. Mein Gefühl sagte mir jedoch, das ich mich nicht geirrt hatte. Ich suchte die dicht bewachsene Uferböschung erneut nach etwas Verräterischen ab, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen.

„Komm, komm Priesterin, komm zu mir!“

Ich fuhr erschrocken in die Höhe, zog mein Schwert und starrte mit klopfenden Herzen auf das gegenüberliegende Dickicht.

Ich hatte es gesehen! Augen! Ein weißes Augenpaar das mich durch die Blätter hindurch beobachtete.

„Wer bist du, komm hervor das ich dich genau sehen kann“, verlangte ich mit fester Stimme.

Es raschelte leise, dann folgte Stille. Verdammt! Wer auch immer sich dort versteckt hatte, hatte den Rückzug angetreten.

Ohne lange zu überlegen, durchquerte ich den flachen Bachlauf und zwängte mich mit erhoben Schwert durch das Blätterdickicht am anderen Ufer. Die leise Stimme in mir warnte mich, dass ich genau das tat, was die fremde Gestalt von mir verlangte.

Doch ich konnte nicht anders. Meine Neugier überwog meine Vernunft.

„Komm, komm Priesterin, der Meister wartet auf dich!“

Diese Worte. Sie drangen in mein Bewusstsein und trieben mich weiter.

Endlich hatte ich es durch das Dickicht geschafft und hatte zum ersten Mal einen besseren Blick auf die Gestalt vor mir.

Sie hatte ein paar Schritte von mir entfernt angehalten und schien auf mich zu warten.

Mir stockte der Atem und ich ließ mein Schwert sinken.

Vor mir stand ein ungefähr zehn Jahre altes Mädchen in einem kurzen, weißen Kleid. Einen Moment war ich unsicher, ob es wirklich ihre Augen waren, die ich durch das Blätterdickicht gesehen hatte. Ich zweifelte genauso lange, bis sie ihren Blick hob und mich direkt ansah. Weiße Augen mit schwarz geschlitzten Pupillen beobachteten mich und schienen meine Reaktion abzuwarten.

Ihr Kohle gleiches Haar stellte einen starken Kontrast zu ihrer sonstigen bleichen Erscheinung dar.

„Wer bist du Kleines?“, fragte ich leise um sie nicht zu verängstigen.

Sie lachte und zeigte mir eine Reihe von kleinen, spitzen Zähnen.

Vor mir stand auf gar keinen Fall ein normales Mädchen!

Ich tat einen Schritt zurück und spürte die starren Zweige der Büsche in meinem Rücken.

„Komm Priesterin, der Meister, der Meister verlangt nach dir!“

Worte, die nicht über ihre Lippen kamen, Worte, die einfach in meinem Kopf wieder hallten. Ähnlich derer die Tchai und ich gedanklich tauschten.

„Wer … bist … du?“, flüsterte ich.

Die unausgesprochene, dringlichere Frage war jedoch, wer war ihr Meister der nach mir verlangte?

Zu meinem Schrecken bewegte sich das Mädchen wieder auf mich zu. Ihren weißen Augen entging keine einzige Bewegung von mir. Kurz huschte ihr Blick zu dem kleinen Lederbeutel an meiner Hüfte, doch sie schien sich nicht für Saii-ron, sondern tatsächlich für mich zu interessieren. Eine feine Gänsehaut überzog meine Arme und ich hob mein Schwert wieder leicht an.

Sie war mittlerweile bis auf zwei Schritte an mich herangekommen.

Erst jetzt fielen mir die sichelartigen Zeichen auf ihren nackten Armen und Beinen auf. Unwillkürlich musste ich an meine eigenen Runen denken und diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte sie aus, um mich an meinem Schwertarm zu berühren.

Lodernder Schmerz wallte auf und es fühlte sich an, als würden tausend Messer in meine Haut schneiden.

Ich ging keuchend in die Knie und das Schwert entglitt meinen tauben Händen. Das Mädchen vor mir musterte mich eingehend. Noch immer hielt sie mich mit ihrer kleinen Hand am Arm fest.

Die schwarzen Runen auf meiner Haut brannten wie Feuer und ich war mir sicher, das Tchai ihr Aufbegehren bemerkte.

Meine Atmung beschleunigte sich und ich versuchte verzweifelt wieder mein Schwert zu heben. Es blieb bei einem kläglichen Versuch.

„Prinzesschen Verdammt was ist los mit dir?“

Tchai! Oh ihr Götter sei Dank!

„Tchai ich kann nicht …“

„Verdammt Layra, wo ist Shinn?“

Selbst über unsere räumliche Distanz spürte ich Tchais Wut.

„Der Meister sagte du bis so rein, ich wollte einmal etwas Reines berühren. Einmal … einmal … ein einziges Mal!“

Die geraunten Worte des Mädchens verursachten mir eine Gänsehaut. Auf meiner Haut konnte ich dutzende von kleinen Schnittwunden erkennen. Feine Bluttropfen benetzten meine Arme.

„Layra WO … IST … SHINN? Bei allen Gehängten ich bringe ihn um!“

In diesem Moment hätte ich ihn nicht daran gehindert. Ich dachte, er hatte einen Bannkreis errichtet! Mit großer Mühe schaffte ich es meinen Schwertgriff zu umfassen. Die Schnitte zogen sich bereits über meine Brust nach unten Richtung Bauch. Sie schienen sich von selbst weiter auszubreiten. Die schwarzen Runen brannten in ihrem eigenen Feuer und steigerten meine Qualen.

Das Mädchen vor mir beobachtete mich weiterhin und mit zusammengekniffenen Augen konnte ich erkennen, wie die sichelartigen Zeichen auf ihrer Haut umhertanzten.

Plötzlich zuckte sie zurück und ich wurde unsanft an der Taille gepackt und mit einem Ruck in die Höhe gerissen.

Ich keuchte auf und mein Schwert fiel endgültig aus meiner kraftlosen Hand.

„Layra bleib hinter mir!“

Shinn schob mich hinter sich und ich ging erneut in die Knie.

Feine Fäden der Magie umwirbelten ihn und ich spürte seine Macht, als er einen Kreis um uns schloss.

Die schwarz geschlitzten Pupillen des Mädchens weiteten sich etwas und sie verzog enttäuscht ihren Mund. Eine Sekunde später war sie verschwunden.

Mit geballten Fäusten fuhr Shinn zu mir herum und starrte mich böse an.

„Verdammt, warum konntest du nicht in meinem Bannkreis bleiben?“

Du gibst mir die Schuld? Das kannst du nicht wirklich Ernst meinen!

Die unzähligen, kleinen Schnitte auf meiner Haut loderten noch immer wie Feuer. Einzig die schwarzen Runen hatten sich beruhigt.

„Prinzesschen wie es scheint, ist Shinn endlich da. Sag ihm, ich werde ihm in den Arsch treten, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“

Ich musste lächeln, da ich wusste, das es Tchai tatsächlich tun würde. Shinn tat mir jetzt schon leid.

„Es ist alles gut Tchai. Es ist nichts, was nicht wieder wird. Nur ein paar Schnitte mehr nicht. Bitte komm bald wieder.“

„Ich versuche es.“

Meine Augen sammelten sich mit Tränen und ich spürte, wie sie über meine Wangen liefen. Ich wünschte mir, so sehr, er wäre hier.

Shinn ging vor mir in die Hocke und berührte sachte meine Arme.

Ich sog scharf die Luft ein und sah in mit tränennassen Augen an. Jede Berührung schmerzte so unaussprechlich.

„Komm lass uns zurück zum Lager gehen. Ich werde mich dort um deine Verletzungen kümmern.“

Anscheinend war seine Wut mir gegenüber verflogen. Ich nickte kurz und ließ mich von ihm aufhelfen. Gestützt von Shinn zwängten wir uns durch das Dickicht zum Bachlauf. Das leise vor sich hin murmelnde Wasser trotzte den Ereignissen.

„Shinn wer war dieses Mädchen?“, fragte ich ihn, als wir durch den kleinen Bach zu unserem Lager gingen.

Er holte tief Luft und schüttelte leicht den Kopf.

„Ein Sicheldämon! Mich wundert es, das sie sich so weit hinter die Grenze wagt. Meistens handeln sie im Auftrag ihres Meisters.

Wärst du innerhalb des Bannkreises geblieben wäre dir auch nichts passiert. Aber sie hat dich gekonnt herausgelockt. Sie sind sehr gerissen. Ich weiß das Tchaikor vor Wut kocht. Ich habe ihm versprochen gut auf dich aufzupassen.“

Schuldbewusst senkte ich den Kopf, während wir uns dem flackerndem Feuerschein näherten.

Ein Dämon also.

Es war das erste Mal das mir wirklich einer gegenüber stand. Es ärgerte mich insgeheim das es mir nicht früher aufgefallen war, das etwas nicht mit ihr stimmte.

Wir erreichten unser Nachtlager und das knisternde Feuer beruhigte meine aufgewühlten Gefühle. Dawn und Jasahra schienen von den Vorkommnissen nichts mitbekommen zu haben, denn ich sah sie nirgends. Sobald die Zwei die Zeit dazu fanden, verschwanden sie gemeinsam. Ich wusste, was sie trieben und ignorierte es so gut es ging. Shinn schien meinen suchenden Blick zu bemerken.

„Wenn du die Beiden suchst, wirst du sie hier nicht finden“, bestätigte mir Shinn meine Vermutung.

Er half mir mich neben das Feuer zu setzen und verschwand kurz, um in seiner Reisetasche nach etwas zu suchen. Im Grunde war es mir auch egal ob Dawn und Jasahra da waren. Shinn war derjenige, der mir im Augenblick am meisten helfen konnte. Außerdem solange Jasahra mit besserer Laune zurückkam, sollte es mir nur Recht sein. Sie war oft genug unausstehlich.

Ich biss die Zähne zusammen, als ich versuchte mich in eine halbwegs bequeme Position zu setzen. Mir fehlte noch immer jegliche Kraft. Shinn kam zurück und kniete neben mir nieder.

Er hielt einen Tiegel mit einer seltsam riechenden Paste in den Händen.

„Was ist das?“, fragte ich und zog meine Nase kraus.

„Eine Heilsalbe aus den Mooren im Norden. Sie wird helfen die Schmerzen der Schnitte etwas zu lindern.“

Ohne auf eine Reaktion von mir zu warten begann Shinn mit geübten Fingern die Paste auf meiner Haut zu verteilen. Von meinen Armen langsam aufwärts streichend, arbeitete er sich zu meinem Hals vor.

„Layra zieh dein Oberteil aus, damit ich all deine Verletzungen behandeln kann.“

Ich erstarrte und schüttelte schnell den Kopf.

„An den Armen sind die schlimmsten Wunden, Shinn. Danke das du mir hilfst“, entgegnete ich und verschränkte vorsichtig meine Arme vor der Brust.

Shinn schnaubte genervt und erinnerte mich dabei an Tchai. Sie waren sich auf einer seltsamen Art und Weise sehr ähnlich.

Shinn schienen meine Worte nicht zu überzeugen, denn er zog ohne weiteres meine Arme vorsichtig auseinander, packte meine Tunika am Saum und zog sie mir in einer einzigen, schnellen Bewegung über den Kopf.

Bevor ich etwas dagegen tun konnte, saß ich schon halb nackt vor ihm. Wieder wollte ich schützend meine Arme vor der Brust verschränken, als er mit fast schmerzhafter Stärke meine Hände packte und sie an meiner Seite fest hielt.

Langsam senkte er den Kopf und ich hielt gleichzeitig die Luft an. Sein Blick fixierte den Anhänger meiner Kette und er verzog kurz seinen Mund. Eine undefinierbare Regung huschte über sein Gesicht.

„Shinn?“

„Eine hübsche Kette hast du da Hohepriesterin. Hast du sie von Tchai oder von Krischan bekommen?“

„Von Krischan. Er gab sie mir zum Schutz vor den schwarzen Reitern von damals. Oder besser gesagt zum Schutz vor einem gewissen Mann“, antwortete ich leise.

Shinns Augen glitzerten und er kam mir noch näher. Sein langes, verstrubbeltes Haar kitzelte mich auf meiner verletzten Haut. Seine Lippen verweilten kurz über meiner Brust und ich spürte seinen Atem, als er das Sprechen anfing.

„Ich hätte nie gedacht das ich den Pakt, den Saii-ron mit der Hohenpriesterin und den Abgesandten der Drachenwandler geschlossen hat, wirklich einmal sehen würde. Diese Runen! Weißt du wie viel Macht sie haben?“

Ich ahnte das Shinn nicht wirklich eine Antwort hören wollte. Ich biss mir auf die Lippe, als mir seine Nähe bewusst wurde. Meine Schmerzen reduzierten sich auf ein Mindestmaß und ich krallte unbewusst meine Hände in das Gras neben mir. Seine Lippen berührten die Haut zwischen meinen Brüsten und ich keuchte erstaunt auf.

„Shinn …“

„Schhh, schhh. Ruhig Priesterin. Lass mich deine Schmerzen lindern.“

Die schwarzen Runen auf meiner Haut gerieten leicht in Bewegung und ich fühlte wie sich mein Herzschlag beschleunigte.

Das Feuer vor uns knisterte und die Dunkelheit schien uns mit willkommenen Armen zu begrüßen.

Shinn murmelte Worte in einer fremden Sprache und die Magie entfaltete sich mit lindernder Macht über mich.

Er war so nah! Ich schloss meine Augen und lehnte mich etwas zurück. Shinns Magie umwogte einem schützenden Kokon gleich, die Stellen des Schmerzes. Plötzlich verstummte er und ließ meine Arme los. Ich spürte, wie er mit der Fingerspitze zart die schwarzen Runen nach fuhr.

„Zieh dir wieder etwas über, du frierst!“

Leichte Röte färbte meine Wangen und ich beeilte mich schnell wieder mein Oberteil überzuziehen.

„Danke“, murmelte ich verlegen.

„Dafür bin ich hier.“

Er wollte sich schon erheben, verharrte dann jedoch.

Mit einer schnellen Bewegung packte er mich im Nacken und zog mich zu sich. Unsere Lippen trafen aufeinander und ich spürte seine Zunge in meinen Mund gleiten. Ich war viel zu überrascht, um mich zu wehren. Shinns Kuss war überwältigend. Doch er löste sich schnell wieder von mir und wich etwas zurück.

„Ein Kuss der Hohenpriesterin. Was denkst du wie viele Männer ihn begehren? Und doch bis du nur für einen Einzigen geschaffen.“

Seine geraunten Worte berührten etwas tief in mir. Ich spähte durch meine Wimpern um Shinns Gesichtsausdruck deuten zu können.

Was meint, er damit das ich für einen Einzigen geschaffen bin?

Bevor ich ihn aber danach fragen konnte, wurde Shinn an der Schulter unsanft nach hinten gerissen und vor uns stand ein ziemlich wütender Dawn.

„Was bei allen Gehängten tust du da?“, grollte er und baute sich drohend vor Shinn auf.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich Shinn und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Beruhige dich Dawn! Ich kenne meine Grenzen.“

„Sieht nicht so aus.“

Jasahras belustigtes Lachen drang über das Feuer hinweg zu uns.

„Du weist doch Shinn, das er kein Erbarmen mit denen kennt, die sein Eigentum anrühren. Vor allem du müsstest das wissen!“

„Jasahra sei still!“

Dawns Wut steigerte sich und selbst Jasahra schien zu merken, das es besser wäre, sie nicht noch weiter zu schüren. Shinn schnalzte genervt mit der Zunge und ging zu einer der Provianttaschen. Er angelte einen Weinschlauch hervor und setzte sich damit wieder neben mich ans Feuer.

„Dawn es ist nichts Schlimmes passiert. Shinn hat sich nach der Begegnung mit dem Sicheldämon nur um meine Verletzungen gekümmert“, versuchte ich ihm unsere Lage zu erklären.

Shinn neben mir verschluckte sich hörbar und brach dann in lautes Husten aus. Dawn hingegen verlor jegliche Farbe und sank vor mir nieder. Schnell besah er sich die feinen Schnitte und starrte dann Shinn abermals böse an.

„Wie konnte das passieren? Es war deine Aufgabe sie mit einem Bannkreis zu schützen. Du weist, wie wichtig es ist Layra heil zum Turm der Drachen zu bringen!“

„Wenn ihr euch nicht vergnügt und eurer Lust nachgegeben hättet, dann wäre sie vielleicht noch sicherer gewesen“, Shinns provozierende Worte verklangen in der Nacht.

„Ja wie du schon sagtest vielleicht! Der Bannkreis war deine Aufgabe. Immerhin haben wir dich deshalb überhaupt mitgenommen.“

„Shinn wären wir jetzt nicht rechtzeitig gekommen hättest du einen Fehler gemacht, den du mit deinem Leben bezahlt hättest“, meinte Jasahra leicht hin.

Sie hatte sich auf die anderen Seite des Feuers hingesetzt und sich eine warme Felldecke über die Schultern gezogen.

„Was meint ihr damit? Immer redet ihr über einen Unbekannten, dem ich gehören soll. Dann sagt mir auch seinen Namen.

Ist es einer aus dem Kristallrat? Ein Adeliger? Oder wer?“

Jasahra kniff die Lippen zusammen und sah Dawn fragend an. Dieser schüttelte wütend den Kopf und richtete seinen Blick störrisch auf die Flammen. Was war nur los mit ihnen? Immer machten sie Andeutungen und wenn man die Beiden darauf ansprach, dann schwiegen sie. Ich hatte gehofft auf dieser Reise etwas mehr von den Leuten des Turmes der Drachen zu erfahren, doch noch immer waren sie für mich fremd.

„Sie haben Angst es dir zu sagen Hohepriesterin. Denn eigentlich ist es nicht mehr als eine uralte Prophezeiung“, antwortete mir Shinn auf meine eigentliche Frage.

„Eine Prophezeiung?“, fragte ich verwirrt.

Shinn nickte und reichte mir den Weinschlauch. Ich nahm dankend einen großen Schluck und wartete darauf das er fortfuhr.

„Sie besagt, das die Hohepriesterin der elften Generation einem gewissen Krieger versprochen wurde. Sie solle seine Frau werden und zusammen würden sie unvorstellbare Macht erlangen. Gemeinsam würden sie dem Land zu Wohlstand und Frieden verhelfen. Aus ihrer Verbindung soll ein Kind hervorgehen, das die Dunkelheit und das Licht in sich vereint und für immer das Gleichgewicht in seinen Händen hält. Die Prophezeiung ist sehr alt Layra und die wenigsten können sich noch daran erinnern. Die Leute vom Turm der Drachen leben mit dieser Prophezeiung von Generation zu Generation.“

Shinn schwieg kurz und auch Dawn und Jasahra hingen ihren eigenen Gedanken nach. Das Feuer flackerte vor sich hin und erzeugte zuckende Schatten am Rande der Dunkelheit.

Es war das erste Mal das mir jemand davon erzählte. Immer hatte ich nur vereinzelte Andeutungen gehört, doch jetzt wusste ich, wovon sie hinter vorgehaltener Hand gesprochen hatten. Ich war also angeblich einem ganz bestimmten Mann versprochen. Und das schon lange vor meiner Geburt.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Zum Glück war es nur eine Prophezeiung. Die wenigsten Menschen gaben wahrscheinlich noch etwas darauf. Es war bestimmt nur eine Geschichte, wie man sie Kindern in ihren Betten vor dem Schlafen erzählte.

„Nun ja etwas halb Vergessenes ist nicht mehr als eine Geschichte, oder nicht? Gibt es auch einen Namen zu diesem Mann, dem ich angeblich gehören soll?“, fragte ich mutig.

Shinn lachte leise und Dawn musterte mich über das Feuer hinweg sichtlich besorgt.

„Es gibt einen Namen zu diesem Krieger Layra, aber man sollte ihn nicht unbedacht nennen“, meinte Dawn leise.

Ich sah ihn auffordernd an und rieb mir vorsichtig über meine verletzten Arme. Shinn hatte ebenfalls eine Decke über meine Schultern gelegt und sich neben mir ausgestreckt.

Dawn zögerte und ich merkte ihm an, das er mir die Wahrheit vorenthalten wollte.

Wieso nur? Man kann nichts herauf beschwören, was es nicht tatsächlich gibt.

„Dawn bitte!“

Er seufzte ergeben.

„Sein Name ist Dazai.“

Mein Blut gefror und ich versuchte vergeblich Luft in meine Lungen zu bekommen. Ich erstickte ohne etwas dagegen tun zu können. Mein Blick verschwamm und plötzlich sah ich nur noch das Feuer vor mir, das alles verschlang.

Warme Hände umgriffen mein Gesicht und ich konzentrierte mich panisch auf Dawns Gesicht vor mir.

„Atme ruhig! Bei uns kann dir nichts passieren. Wie gesagt, es ist nur eine alte Prophezeiung und außerhalb der Mauern des Turmes der Drachen kennt sie fast niemand mehr.“

Shinn umgriff mich von hinten und seine Magie pulsierte über mich hinweg. Mit einem Mal konnte ich wieder atmen und ich ließ mich erschöpft gegen ihn sinken.

„Warum jagt dir dieser Name solch eine Angst ein? Er ist dir anscheinend nicht unbekannt. Woher kennst du ihn?“, fragte Dawn vorsichtig.

„Der Mann, der damals mein Dorf angegriffen hatte hieß so“, antwortete ich mit belegter Stimme.

Egal wie viele Jahre vergehen sollten, er würde mich immer verfolgen. Auch, wenn es nur in meinen Gedanken war.

Warum nur? Konnte es sich tatsächlich um den gleichen Mann handeln? Der Krieger aus der Prophezeiung und der Herr und Meister der schwarzen Reiter? Oder hießen sie nur zufällig gleich?

Fragen die unbeantwortet blieben. Wenn es ein und derselbe Mann sein sollte, wenn die Prophezeiung sich in die Wahrheit verwandelte, dann würde ich mein Leben beenden. Nie auch nur eine Sekunde würde ich es ertragen von ihm berührt zu werden. Er hat mir damals alles genommen. Mein Leben wie ich es kannte beendet.

Ich spielte mit dem achtförmigen Anhänger an meiner Kette.

Noch hielt mein Schutz und ich war sicher vor ihm. Er durfte mich niemals finden!

Shinn strich mir beruhigend über meine Haare weiter den Rücken hinab.

„Wir werden morgen unsere Route östlicher halten. Wie es aussieht, sind wir zu nahe an die Grenze des nordwestlichen Xin-te-ras Waldes gekommen“, überlegte Dawn und setzte sich wieder neben Jasahra ans Feuer.

„Oder sie haben ihr Gebiet ausgedehnt“, entgegnete sie.

Ich kannte den Xin-te-ras Wald aus Erzählungen. Er galt als undurchdringbar, geheimnisvoll und gefährlich. Reisende machten einen weiten Bogen um ihn herum, denn er galt als Unglückswald, der jeden verschlang, der ihn unerlaubt betrat. Der Wald umgab den westlichen Berg Xintos, welcher der Letzte der nördlichen Bergkette war.

Hinter dieser Bergkette kamen die weiten Grasebenen, denen sich die Eiswüsten anschlossen.

Der Xin-te-ras, das Herrschaftsgebiet der Dämonen.

„Wir sollten uns hinlegen, wir werden morgen beim ersten Anzeichen der Dämmerung aufbrechen. Der Umweg kostet uns wertvolle Zeit. Ich will noch vor den Herbststürmen den Turm der Drachen erreichen“, erklärte Dawn.

„Ja unsere wertvolle Priesterin darf keinem Unwetter ausgesetzt werden. Nicht das sie ihr Amt nicht antreten kann“, meinte Jasahra süß.

Sie hatte sich hingelegt und ihre Decke bis zu den Ohren gezogen. Dawn gesellte sich zu ihr und zum Glück trennte das Feuer uns voneinander, denn ich hatte keine Lust ihre eindeutigen Bewegungen, wie in fast jeder Nacht, beobachten zu müssen.

SAII-RON

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