Читать книгу Das Herz der Wölfin - Cathy McAllister - Страница 8

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Kapitel 4

Das warme Wasser war herrlich. Es kam Ylfa wirklich seltsam vor, hier wie eine Königin gebadet zu werden, wo sie doch gerade noch kurz vor der Auspeitschung gestanden hatte und morgen vielleicht eine harte Strafe erfahren würde. Trotzdem oder gerade deswegen genoss sie diesen Luxus. Gisela hatte sogar etwas Thymian und Rosenöl ins Badewasser getan und der Duft nebelte Ylfa ein. Träge schloss sie die Augen und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

„Warum hast du das getan?“, wollte Gisela wissen und riss Ylfa aus ihren Gedanken.

„Was getan?“

„Uns angegriffen? Sind alle Wikingerfrauen so – kriegerisch? – Ich könnte ein Schwert nicht einmal heben.“

„Du bist ja auch viel kleiner. – Nein, nicht alle Wikingerfrauen. – Aber einige lernen eben auch zu kämpfen.“

„Du musst sehr mutig sein. Ich hätte zu viel Angst vor einem Kampf. Es ist schwer für mich, eine Frau wie dich zu verstehen. – Also, warum?“

Ylfa seufzte und tauchte in dem hölzernen Badezuber unter, um prustend wieder aufzutauchen. Hatte dieser Fulk nun seine Schwester auf sie angesetzt, wo er selbst bei ihr nichts erreicht hatte?

„Hat dein Bruder dir aufgetragen, mich auszufragen?“, fragte Ylfa misstrauisch.

„Nein! Nein, ich wollte es nur wissen, weil ...“ Gisela trat näher an den Zuber heran. „Ich versuche zu verstehen, was du getan hast. – Ich verspreche dir, bei allem, was mir heilig ist, dass ich niemanden etwas verraten werde“, versprach sie.

Ylfa schaute noch immer misstrauisch.

„Ich schwöre es. – Bitte sag mir, warum du Rabenfeld angegriffen hast.“

Ylfa seufzte erneut.

„Wegen meines Vaters“, begann sie.

„Hat er dich etwa gezwungen, so etwas zu tun?“, fragte Gisela ungläubig.

„Nein. – Nein, ganz im Gegenteil. – Er verbietet mir, so etwas zu tun, nur weil – ich eine Frau bin.“

„Aber wenn er es dir verboten hat, wird er dann nicht furchtbar wütend werden, wenn er erfährt, was du getan hast?“

Eine Träne kullerte über Ylfas Wange und sie schniefte leise.

„Ich wollte, dass er stolz auf mich ist. Ich wollte mit reicher Beute nach Hause kommen und ihm beweisen, dass ich auch etwas wert bin. Er hat nur mich. Immer hat er sich einen Sohn gewünscht, aber er hat nur – eine Tochter.“

Jetzt flossen immer mehr Tränen und Gisela, die sich einen Stuhl herangezogen hatte, strich tröstend über Ylfas Haar.

„Du kannst mir alles erzählen. Manchmal hilft es, über seinen Kummer zu sprechen“, ermunterte Gisela ihren neuen Schützling.

„Meine Mutter hat zwei Kinder in den ersten Monaten verloren. Drei kamen zu früh und ein Junge starb mit einem Jahr. – Dann kam ich. – Bei der nächsten Geburt starb meine Mutter, ebenso das Kind. – Es war ein Sohn. Doch er lebte nur wenige Stunden. – Ich ... ich glaube, mein Vater hasste mich dafür, dass ich nur ein Mädchen war. Er hat mich wie einen Sohn erzogen, bis vor drei Jahren, als ich sechzehn wurde, da wollte er plötzlich, dass ich mich wie eine Frau kleide und benehme.“

„Ich verstehe dich sehr gut. Vor fünf Jahren starben meine Eltern und mein Bruder Norbert nach einer schweren Krankheit. Fulk war damals auf Reisen. Als er zurückkam, waren sie schon drei Monate tot. Er kam nicht damit zurecht, dass er nicht bei ihnen gewesen war. Er bildete sich ein, er hätte die furchtbare Tragödie verhindern können. Monatelang behandelte er mich entweder wie Luft, oder er schrie mich an. Ich dachte, er würde mich hassen, weil ich überlebt hatte und nicht Norbert. Er hatte immer eine besonders enge Beziehung zu ihm. Ich war ja nur ein Mädchen. So ging es mir also ähnlich, wie dir. – Natürlich hätte ich niemals so einen gefährlichen Weg gewählt, meinen Bruder zu beeindrucken, aber auch ich habe versucht, ihm zu zeigen, dass ich existiere. Ich ließ seine Lieblingsspeisen kochen und nähte ihm schöne Kleider. Ich versuchte ihm zu zeigen, wie sehr – ich ihn liebe.“

„Wann hat er angefangen, dich wieder zu beachten?“, wollte Ylfa interessiert wissen.

Gisela lachte.

„Eines Tages, Fulk hatte sich wieder einmal betrunken, habe ich die Geduld verloren. Ich nahm den Krug mit Met, der vor ihm auf dem Tisch stand, und zerschmetterte ihn an der Wand. Dann habe ich ihn angeschrien, dass es mich auch noch gibt und dass er mich nicht ewig ignorieren kann. Ich habe ihm alles gesagt, was mir nicht gefallen hat.“

„Und er?“, fragte Ylfa aufgeregt.

„Er saß da und starrte mich an, als wäre ich von einer anderen Welt. Ich rannte wütend aus dem Raum und am nächsten Morgen, als ich beim Frühmahl saß, kam er in die Halle und begrüßte mich, als wäre nie etwas gewesen. Seit diesem Tag hat er aufgehört, seinen Kummer zu ertränken.“

„Ich finde, du warst viel mutiger, als ich. Ich hätte niemals den Mut gehabt, so etwas bei meinem Vater zu machen“, bekannte Ylfa.

„Ich kenne deinen Vater nicht, aber ich denke, es könnte nicht schaden, wenn du ihm einmal sagst, was du auf dem Herzen hast. Manchmal brauchen Männer deutliche Worte, um solche Dinge zu verstehen.“

„Vielleicht werde ich dazu niemals Gelegenheit haben. Wenn dein Bruder nun – meinen Tod will?“

„Mein Bruder mag finster und hart erscheinen; manche halten ihn gar für ein Monster; aber er hat seine Prinzipien. Ich weiß, dass er niemals einer Frau etwas Schlimmes antun würde.“

„Es geht aber leider nicht nur um mich. Was ist mit meinen Männern? Ich bin für sie verantwortlich und sie stehen mir nahe. Bei ihnen gelten diese – Prinzipien wohl nicht?“

„Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. – Aber ich werde tun, was ich kann, damit er Milde walten lässt.“

Es klopfte an der Tür und kurz darauf betrat ein Dienstmädchen das Gemach. Sie trug ein Tablett mit Speisen für Ylfa. Sie stellte das Tablett auf einen Tisch und wandte sich an Gisela.

„Der Herr lässt wissen, dass er die – ähm – Gefangene in einer Stunde in seinem Gemach zu sehen wünscht“, richtete das Mädchen aus.

Gisela nickte.

„Ist gut Oda. Sie wird kommen.“

Das Dienstmädchen verneigte sich und huschte aus dem Raum.

„Was mag er von mir wollen? Ich dachte, er wollte sein Urteil erst morgen fällen“, fragte Ylfa beunruhigt.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Gisela. Auch sie war ein wenig überrascht. „Es wird schon nicht so schlimm werden. Jetzt komm aus dem Wasser und iss etwas.“

Als Ylfa in Begleitung ihrer beiden Wachen vor Fulks Tür stand, klopfte ihr Herz bis zum Halse. Nicht nur der Ungewissheit ihrer Zukunft, sondern auch der seltsamen Gefühle wegen, die er in ihr auslöste, fürchtete sie ein Zusammentreffen mit dem dunklen Grafen von Rabenfeld. Einer der beiden Wachmänner klopfte vernehmlich an die Tür und kurze Zeit später war die tiefe Stimme des Grafen zu hören.

„Ja!“

„Wir bringen die Gefangene!“

„Kommt herein!“

Als Ylfa durch die Tür in das Gemach geschoben wurde, erwachte ihr Kampfgeist. Sie sträubte sich und bekam tatsächlich einen Arm frei. Mit Schwung schlug sie einer Wache ihre Faust ins Gesicht und drehte sich aus dem Griff des Anderen heraus. Sie wollte sich gerade unter dem Arm der Wache hinweg ducken, um aus dem Raum zu fliehen, als sie fest an den Haaren gepackt wurde und ihr Versuch so letztlich scheiterte.

„Au!“, schrie sie auf.

Mit Schwung wurde sie an den Haaren zurück gezerrt und prallte mit dem Rücken gegen den harten Körper ihres Peinigers.

„Nicht so schnell, kleine Wilde“, zischte Fulk an ihrem Ohr.

„Lass mich sofort los!“, schrie sie und vergrub ihre Zähne in dem Arm, den er um sie geschlungen hatte.

„Biest!“, knurrte er und packte sie noch fester bei den Haaren, bis ihr die Tränen kamen. Er schleuderte sie auf das breite Bett, das den Raum beherrschte, und wandte sich an seine Wachen. „Ihr könnt jetzt gehen. Ich werde mit der Gefangenen schon allein fertig.“

Gehorsam verließen die Wachen das Gemach und schlossen die Tür. Als sie weg waren, nahm Fulk mit einem diabolischen Grinsen einen Schlüssel von einem Haken und verschloss die Tür. Dann hängte er sich den Schlüssel um den Hals.

Ylfa fluchte leise in ihrer Sprache. Jetzt war jeder Fluchtversuch im Keim erstickt. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen und hätte sie in diesem Moment eine Waffe zur Hand, würde sie diesen Bastard das Licht ausblasen.

„Was willst du von mir? Warum bin ich hier? Ich dachte, du wolltest mich erst morgen bestrafen.“

***

Fulk trat auf das Bett zu und Ylfa sprang hastig auf der anderen Seite herunter. Über das Bett hinweg funkelte sie ihn herausfordernd an. Wieder hatten ihre Augen diesen intensiven, türkisfarbenen Ton angenommen und für einen Augenblick konnte Fulk sie nur anstarren. Sie war so schön, besonders, wenn sie wütend war, wie jetzt. Er fragte sich, ob es klug gewesen war, sie hier in sein Gemach bringen zu lassen. Sie brachte ihn durcheinander und das war gefährlich.

„Du kannst mir nicht entfliehen. Früher oder später kriege ich dich doch zu fassen“, sagte er betont gleichmütig.

„Deshalb muss ich es dir nicht auch noch leicht machen. Ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug bekämpfen!“

„Warum gleich so endgültig. Ich habe schließlich nicht vor, dich zu töten.“

„Was hast du dann mit mir vor?“, verlangte Ylfa zu wissen.

„Das habe ich noch nicht entschieden. Einstweilen wirst du hier in dieser Kammer schlafen.“

„Bei dir?“, keuchte Ylfa entsetzt. „Ich soll hier bei dir ...? Etwa in deinem Bett?“

„So ist es!“, bestätigte Fulk mit einem selbstzufriedenen Grinsen.

„Oh nein!“

„Oh doch!“

„Niemals!“

„Das werden wir ja sehen!“

Fulk machte einen Satz über das Bett und packte Ylfa, ehe diese wusste, wie ihr geschah. Sie versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie trat um sich, wand sich wie ein Aal und setzte auch ihre Fingernägel ein, doch er ließ nicht locker und langsam schwand ihre Kraft.

„Gib doch endlich nach. Du hast keine Chance gegen mich. Du magst ja für eine Frau gut zu kämpfen wissen, aber ich bin dir körperlich weit überlegen.“

***

„Du Scheusal! Du niederträchtiges Schwein! Bastard!“, warf sie ihm erbost an den Kopf, doch ihre Versuche, sich zu wehren wurden immer weniger, bis sie schließlich schwer atmend gegen ihn sank. Irritiert stellte sie fest, dass sein Geruch ihr gefiel. Es war beinahe angenehm an seiner breiten Brust und von seinen starken Armen umschlossen. Sie spürte seine Wärme und hörte den kräftigen Schlag seines Herzens. Beinahe zärtlich hob er sie auf und legte sie auf das breite Bett. Ylfas Herz raste und ihr war heiß von dem erbitterten Kampf, doch fürs Erste musste sie sich geschlagen geben.

„Schlaf jetzt. Ich werde noch einmal runter gehen und komme später“, sagte Fulk und verließ zu Ylfas Erstaunen das Gemach. Sie hörte, wie er von außen die Tür wieder verschloss.

Irritiert setzte sie sich in dem ungemein bequemen Bett auf und schaute umher. Es war eine karge Kammer. Drei unterschiedlich große Truhen, ein kleiner Tisch und ein Stuhl waren neben dem Bett die einzigen Möbelstücke. Es war eindeutig das Zimmer eines Mannes, ohne jeglichen Zierrat.

Warum nur hatte er sie hier herbringen lassen und ging dann, nachdem er sie doch besiegt hatte? Hatte er nicht vor, sie anzurühren? Sie sollte eigentlich froh darüber sein, doch auf eine unerklärliche Weise fühlte sie sich verschmäht und verlassen in dem riesigen Bett. – Nein! Sie würde nicht hier in dem Bett mit ihm nächtigen! Entschlossen sprang sie auf und nahm eine Decke, um es sich am äußersten Ende der Kammer einigermaßen bequem zu machen. Es dauerte erstaunlicherweise nicht lange, dann war sie tatsächlich eingeschlafen.

Das Herz der Wölfin

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