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Kapitel 3

Drei Jahre später

Burg Trugstein

„Du wolltest mich sprechen, Vater?“

Alberic trat an das Bett seines Vaters. Der alte Mann war seit Tagen bettlägerig und es schien ihm mit jedem Tag schlechter zu gehen. Alberic hatte schon nach seiner Mutter geschickt, die sich in ein Kloster zurückgezogen hatte, doch er rechnete nicht damit, dass sie kam.

„Ja“, sagte der alte Mann. „Setz dich zu mir, Sohn!“

Alberic setzte sich auf den Hocker, der neben dem Bett des alten Grafen stand.

„Wie du siehst, geht es bergab mit mir. Ich weiß nicht, wie lange ich noch mache, doch eines weiß ich: ich will nicht sterben mit dem Gedanken, dass kein Erbe da ist, der die Tradition weiterführt.“

„Vater, ich ...“, begann Alberic sich zu rechtfertigen. Er wusste, dass von ihm erwartet wurde, dass er einen Erben zeugte. Früher oder später würde er sich darum kümmern müssen, doch der Gedanke, seine Braut zurückzuholen und mit ihr zu schlafen war nicht besonders erfreulich.

„Schweig!“, unterbrach sein Vater ihn mit erstaunlich fester Stimme. Dann musste der kranke Mann husten, ehe er fortfahren konnte. „Ich will, dass du dein Weib sofort zurückholst. Gott weiß, warum du sie fortgeschickt hast. Wenn sie dich in deiner Hochzeitsnacht nicht zufriedenstellen konnte, entbindet dich das noch lange nicht von deiner Pflicht, einen Erben mit ihr zu zeugen.“

„Sie war noch ein halbes Kind“, sagte Alberic erklärend.

„Sie war sechzehn Jahre alt“, entgegnete der Graf. „Ein normales Alter für eine Braut, möchte ich meinen. Wie auch immer. Nun ist sie neunzehn und im besten Alter, dir einen Erben zu schenken. Wenn du nicht binnen zwei Jahren einen Erben zeugen kannst, dann werden deine Schwester und ihr Gatte alles bekommen. Genovefa müsste in Kürze niederkommen und ich möchte wetten, dass es ein Stammhalter wird.“

Alberic knirschte mit den Zähnen. Wenn sein Vater wüsste, das die Ehe gar nicht vollzogen und seine Braut noch immer jungfräulich war. Er hatte es damals nicht über sich bringen können, mit der Kleinen zu schlafen und es widerstrebte ihm auch jetzt, seine Gemahlin wiederzusehen. Er konnte mit so einem blassen Ding wie ihr nichts anfangen. Er mochte seinen Sex hart und er bezweifelte, dass die zarte Gisela ihm und seinen dunklen Gelüsten gewachsen war. Er hatte schon eine Frau in den Tod getrieben und das war etwas, was ihm noch immer den Schlaf raubte. Dabei hatte er sich Mühe gegeben, seine Natur zu unterdrücken und behutsam mit seiner Gattin umzugehen. Dass er sie nach dem einen Mal nie wieder angerührt hatte, hatte sie nicht davon abgehalten, sich in den Tod zu stürzen.

„Nun?“, riss sein Vater ihn aus seinen Gedanken.

„Ich werde sie holen lassen“, erwiderte Alberic zwischen zusammengebissenen Zähnen.

„Gut!“, antwortete der alte Graf und damit war Alberic entlassen.

„Du musst mir helfen, Tassilo“, sagte Alberic eindringlich.

„Was soll ich für dich tun?“, fragte sein Freund.

„Vater verlangt einen Erben von mir“, erklärte Alberic. „Ich soll meine Gattin zurückholen und einen Stammhalter mit ihr zeugen.“

Tassilo zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Und was soll ich dir dabei helfen? Soll ich sie holen?“

„Nein!“, antwortete Alberic. „Ich habe schon jemanden nach ihr geschickt. Ich brauche jemanden, der die Aufgabe übernimmt, sie zu ... Ich meine jemand muss sie ...“

„O nein!“, erwiderte Tassilo kopfschüttelnd. „Du willst nicht sagen, dass du willst, dass ich mit ihr schlafe, oder? Sie ist deine Gemahlin, verdammt noch mal!“

„Aber ich kann nicht mit ihr ...“, wandte Alberic ein. „Du kennst meine Vorlieben. Ich kann mit einer Frau wie ihr nichts anfangen. Ich habe schon eine Frau in den Tod getrieben.“

„Und ich sage dir, dass Rosamund sich nicht wegen dir getötet hat. Ich habe da eine ganz andere Vermutung, aber davon willst du ja nichts hören. Ich sage dir, dass sie schwanger war und sie wusste, dass du es nicht gewesen sein konntest, da du sie seit der Hochzeitsnacht nicht mehr angerührt hattest. Wie also hätte sie dir den Balg erklären sollen?“

Alberic schnaubte. Das Thema Rosamund war nichts, über das er reden wollte.

„Selbst wenn du Recht hättest mit Rosamund, dann ändert das immer noch nichts daran, dass ich kein Mann bin, um ein junges Mädchen in die Liebe einzuführen. Ich würde sie erschrecken und ich bin verdammt sicher, dass ich ... Ich kann das einfach nicht. Wenn du mein Freund bist, dann hilfst du mir.“

„Als dein Freund will ich nicht der Mann sein, der dir Hörner aufsetzt“, erklärte Tassilo.

„Es ist kein Hörner aufsetzen, wenn ich davon weiß und es billige“, wandte Alberic ein.

„Verlange das nicht von mir“, bat Tassilo eindringlich. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Was, wenn das Kind aussieht, wie ich? Deine Braut und du, ihr seid beide dunkel. Wenn sie nun einem blonden Kind das Leben schenkt? Dann weiß jeder, dass du nicht der Vater sein kannst!“

„Was soll ich tun?“, fragte Alberic verzweifelt.

„Ganz einfach“, erwiderte Tassilo. „Tu deine Pflicht. Sei dabei so behutsam, wie du kannst und wenn sie in Umständen ist, dann bist du erlöst. Am Besten gehst du jedes Mal, ehe du mit ihr schläfst, vorher zu Fara und tobst dich richtig aus, dann hast du vielleicht deine Neigung besser im Griff.“

Alberic seufzte.

„Vielleicht hast du Recht. Wenn ich vorher zu Fara gehe ...“

Tassilo schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Es wird schon.“

***

Gisela sank das Herz, als sie die bedrohlich wirkende Burg von Trugstein immer näher kommen sah. Nachdem sie drei Jahre nichts von ihrem Gatten gehört oder gesehen hatte, hatte sie nicht mehr daran gedacht, dass sie eigentlich eine verheiratete Frau war. Sie hatte Ylfa geholfen, den Haushalt von Rabenfeld zu leiten und war Patentante der beiden Söhne ihres Bruders mit Ylfa. Die Zwillinge waren jetzt vierzehn Monate alt und hielten die arme Ylfa ganz schön auf Trapp. Gisela hatte gerne dabei geholfen, sich um die beiden Jungen zu kümmern, doch dann war plötzlich dieser kleine Reitertrupp aufgetaucht mit einer Botschaft ihres Gemahls. Sie sollte unverzüglich zurück nach Burg Trugstein kommen.

Gisela hatte Fulk unter Tränen gebeten, ihr zu helfen, doch er war machtlos in dieser Situation. Zu allem Überfluss hatte sich ein Gesandter des Königs auf der Festung aufgehalten, der sicher umgehend dem König berichtet hätte, sollte Fulk ihr helfen, den Wünschen ihres Gatten entgegen zu handeln. Alberic hatte jede rechtliche Handhabe, ihre Rückkehr zu verlangen. Also war sie unter Tränen abgereist. Nun würden sie in wenigen Augenblicken das Tor durchreiten und ihr Schicksal schien besiegelt.

Die ganze Reise über hatte sie sich gefragt, warum Alberic ausgerechnet jetzt ihre Rückkehr verlangte. Wollte er nun vollziehen, was er in der Hochzeitsnacht versäumt hatte? Der Gedanke daran ließ sie vor Furcht erschauern. Ihr Herz klopfte wild, als die Tore geöffnet wurden und sie langsam in den Burghof einritten.

Von ihrem Gatten war weit und breit nichts zu sehen. Sie ließ sich von ihrem Pferd helfen und stand verloren mitten im Hof. Die Knechte kümmerten sich um die Tiere oder das Gepäck, doch niemand kümmerte sich um sie. Als sie nach einigen Minuten gewahr wurde, dass sich daran auch nichts ändern würde, raffte sie ihr Gewand und stapfte über den Hof bis zum Eingang. Als auch hier niemand Anstalten machte, ihr zu öffnen, behalf sie sich kurzer Hand selbst und betrat das düstere Gebäude. In der Halle saßen nur ein paar Krieger an einem langen Tisch und eine Magd verschwand gerade die Treppe hinauf.

Gisela seufzte und schritt auf die Männer an dem Tisch zu. Einer wandte den Kopf in ihre Richtung und stieß seinen Sitznachbarn an. Bald starrten alle Männer sie an, als hätten sie noch nie zuvor eine Frau gesehen. Einer der Männer erhob sich, und kam ein paar Schritte auf sie zu.

„Frau Gisela, komm, ich soll dich zu dem Grafen bringen“, sagte er und wandte sich ab, ohne sich davon zu überzeugen, ob sie ihm auch folgte.

„Nun gut“, murmelte Gisela und lief hinter dem Mann her. Sie fragte sich, ob der alte Graf und nicht ihr Gatte ihre Anwesenheit hier gefordert hatte. Wenn ja, was wollte er von ihr? Konnte es sein, dass ihrem Gatten etwas zugestoßen war? Vielleicht war sie jetzt eine Witwe und frei. Warum nur erfüllte sie dieser Gedanke nicht mit Erleichterung?

Der Krieger führte sie in das oberste Stockwerk und blieb vor einer Tür stehen, um anzuklopfen. Jemand öffnete und die Tür schwang auf. Auf das Nicken des Mannes hin, der sie hierher eskortiert hatte, betrat sie das Gemach. Der alte Graf lag in seinem Bett und Alberic, seine Schwester und ein weiterer Mann standen daneben und starrten sie an. Mit klopfendem Herzen trat sie näher. Sie bemühte sich, ihren Gatten nicht anzusehen, doch sie spürte seinen Blick. Zumindest ihre Theorie, dass ihr Gatte tot sein könnte, hatte sich hiermit erledigt. Es sah eher danach aus, dass der alte Graf nicht mehr lange zu leben hätte.

„Lasst uns allein“, sagte der alte Mann. „Ich möchte ein paar Worte mit meiner Schwiegertochter reden. Husch! Raus mit euch! Und wagt es ja nicht, zu lauschen!“

Genovefa schritt hoch erhobenen Hauptes an Gisela vorbei, der Mann, den Gisela nicht kannte und der wohl Genovefas Gatte war, folgte ihr. Nur Alberic stand noch immer wie festgewachsen neben dem Bett seines Vaters. Gisela hob vorsichtig den Kopf und begegnete dem Blick ihres Gatten. Ein Schauer lief über ihren Rücken und sie verspürte ein Kribbeln in ihrem Bauch, das sie nervös machte. Warum starrte er sie so an, als hätte er sie nie zuvor gesehen? Was hatte dieser brennende Blick mit dem er sie bedachte, zu bedeuten?

Der Blick des Grafen glitt von seinem Sohn zu ihr und wieder zurück. Ein Lächeln huschte kurz über die verwitterten Züge des alten Mannes, ehe seine Miene wieder ernst wurde.

„Alberic“, sagte er scharf und ihr Gatte zuckte erschrocken zusammen, als wäre er gerade aus einer Trance erwacht und wüsste nicht, wie ihm geschah.

Doch dann schien er sich zu fassen. Ohne ein Wort rauschte er aus dem Raum, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

„Komm her, Kind“, sagte der Graf und winkte ihr, näher zu treten.

***

Alberic schloss die Tür hinter sich und atmete tief durch. Was zum Teufel war das gerade gewesen? Von dem Moment an wo seine Gattin durch die Tür getreten war, hatte er seinen Blick nicht mehr von ihrer zarten Gestalt lösen können. Das Verlangen, sie zu besitzen hatte so plötzlich von ihm Besitz ergriffen, dass er dagegen vollkommen machtlos gewesen war. In seinen Gedanken hatte er sie sofort nackt und gefesselt vor sich gesehen und war hart geworden. Er schüttelte den Kopf. Nie im Leben würde er seine perversen Fantasien mit ihr ausleben können. Frauen wie Fara machte es nichts aus, wenn es ein wenig rauer zuging im Bett. Sie schienen es sogar zu genießen. Doch Gisela war eine junge Frau aus guter Familie. Sie war so klein und zierlich. Ja, zerbrechlich.

Mit klopfendem Herzen und einer schmerzhaften Erektion lief er durch den Gang und die Treppen hinab. Unten in der Halle traf er auf seinen Freund Tassilo, der ihn fragend ansah. Alberic setzte sich neben seinen Freund und eine Magd stellte einen Krug Ale vor ihn hin. Er griff danach und trank einen tiefen Zug, ehe er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und die Hände vor den Kopf schlug. Tassilo bedeutete den noch verbliebenen Kriegern, sie allein zu lassen. Als alle Männer gegangen waren, legte er Alberic eine Hand auf die Schulter.

„Was ist los mit dir. Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Alberic nahm die Hände von seinem Gesicht und schüttelte den Kopf. Wenn es nur ein Geist gewesen wäre.

„Ich kann es nicht“, sagte er tonlos.

„Was ist dein Problem?“, wollte Tassilo wissen. „Ich hab sie gesehen. Sie ist wunderschön. Nett gerundet an allen wichtigen Stellen. Wenn sie mir gehören würde, dann wüsste ich schon was mit ihr anzufangen.“

Alberic verspürte eine jähe Eifersucht, als sein Freund so von seinem Weib schwärmte und er warf Tassilo einen scharfen Blick zu. Er war sonst nie eifersüchtig und konnte sich diese Gefühle nur damit erklären, dass er seinen Stolz verletzt sah. Immerhin gehörte die Frau ihm. Egal, wie er selbst zu ihr stand, würde er sein Weib niemals teilen. Doch die Rage, die er empfand, war ihm selbst ein Rätsel.

„Fass sie an und du bist ein toter Mann“, knurrte er finster.

Tassilo hob lachend die Hände in Abwehr.

„Hey, langsam, Mann“, sagte er. „Ich fass sie schon nicht an.“ Er kicherte. „Schätze, dein Angebot, dass ich sie für dich schwängere, steht wohl nicht mehr, hä?“

Alberic ließ seine Hand vorschnellen und umschloss die Kehle seines Freundes. Seine Augen funkelten warnend.

„Ich meine es ernst. Ich töte dich, wenn du sie auch nur falsch ansiehst. Sie ist mein Weib!“

„Okay“, krächzte Tassilo. „Ich hab schon verstanden.“

Alberic ließ ihn los und Tassilo rieb sie die schmerzende Kehle.

„Was ist denn nun dein Problem?“, fragte Tassilo nach einer Weile. „Wenn du sie doch so offensichtlich willst, dann steht dir doch nichts im Wege. Sie gehört dir. Schlaf mit ihr!“

„Ich kann nicht“, erwiderte Alberic. „Ich würde ihr wehtun.“

„Unsinn!“, wehrte Tassilo ab. „Mach es, wie ich gesagt habe. Geh erst zu Fara und dann zu deinem Weib.“

„Du verstehst nicht. Ich hab sie gerade nur kurz gesehen und schon hab ich diese Fantasien, sie zu fesseln und hart zu ...“ Er schlug erneut die Hände vor das Gesicht und stöhnte verzweifelt auf. „Verdammt! Das ist doch nicht normal!“

Tassilo schwieg betroffen. Er leerte seinen Krug und erhob sich, als Genovefa und ihr Gatte die Halle betraten.

„Machen wir einen Ausritt“, raunte er Alberic zu. „Komm.“

Alberic schaute auf und erblickte seine Schwester. Mit grimmiger Miene sprang er auf und klopfte Tassilo auf den Rücken.

„Gute Idee. Das Letzte, was ich jetzt brauche ist ein Rat von meiner geliebten Schwester.“

***

Gisela setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und schaute auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß verschränkt hatte. Was mochte der alte Graf von ihr wollen?

„Ich freue mich, dass ich dich noch einmal sehen darf, ehe ich sterbe“, begann er und Gisela schaute ihn erstaunt an.

Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Erwartete er überhaupt eine Antwort? Was sagte man zu einem Mann, der im Sterben lag?

„Es ist viel Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Du bist erwachsener geworden, und wenn ich das sagen darf, noch schöner.“

„Ich ... Danke“, murmelte sie errötend.

Er lachte.

„Und du errötest noch immer wie ein junges Mädchen.“

Eine Weile herrschte Schweigen und sie fragte sich, warum er sie hatte sprechen wollen. Sie rutschte unbehaglich auf dem Stuhl herum und wünschte sich, sie könnte wieder zurück nach Rabenfeld zu ihrem Bruder und Ylfa. Die letzten drei Jahre war sie glücklich gewesen. Wenngleich das für alle offen sichtbare Glück ihres Bruders und Ylfa sie ein wenig traurig gestimmt hatte. Wie schön musste es sein, jemanden zu haben, den man wirklich liebte und der einen zurück liebte. Sicher, die beiden hatten auch ihre Streits und Missverständnisse, doch die waren meist schnell wieder bereinigt und Gisela wusste, dass ihr Bruder alles für seine Frau und seine Kinder tun würde. Immer wieder fragte sie sich, ob es mit Brice auch so geworden wäre. Doch all das Grübeln nutzte nichts. Sie war die Frau von Alberic. Die Bestie von Trugstein hatte sie drei Jahre in Ruhe gelassen, doch nun? Was hatte er nun mit ihr vor? Sein Blick vorhin hatte ihr Angst gemacht, aber auch eine seltsame Unruhe in ihr ausgelöst.

„Du bist nicht gern hier, nicht wahr, mein Kind?“, unterbrach der alte Graf ihre Gedanken.

„Doch, ich ...“, begann sie hilflos.

„Nein“, unterbrach er sie. „Lass uns ehrlich miteinander sein. Versprich mir, dass du mir gegenüber immer ehrlich bist. Ich verspreche dir im Gegenzug, dass du keine Konsequenzen dafür zu fürchten hast. In Ordnung?“

Er sah sie aus scharfen Augen an und sie nickte.

„Gut. Beginnen wir mit der Hochzeit vor drei Jahren. Hat mein Sohn dir wehgetan? Bist du deswegen abgereist?“

„Nein!“ Sie schüttelte den Kopf. „Er hat mir nicht ... Er verhielt sich sehr ... anständig. Ich ... ich bin nicht abgereist, vielmehr hat dein Sohn ... Er sandte mich zurück.“

Der alte Mann nickte.

„Hat er dir gesagt, warum?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Hast du eine Ahnung, warum du wieder hier bist?“, fragte der alte Graf.

„Dein Sohn ließ nach mir schicken, doch ich weiß nicht, warum.“

Ich habe deine Rückkehr angeordnet“, erklärte der Graf. „Ich möchte, dass ihr beiden jungen Leute eure Verbindung ehrt, wie ihr vor Gott gelobt habt. Es ist nicht richtig, dass Mann und Weib getrennt leben. Mein Sohn braucht einen Erben.“

Gisela erbleichte und der Graf musterte sie stirnrunzelnd.

„Du fürchtest dich. Er hat dir doch wehgetan.“

„Nein, wirklich nicht. Es ist nur ...“

„Du findest es nicht erfreulich, bei deinem Gatten zu liegen“, stellte er fest. „Nun, dass ergeht leider vielen Frauen so. Jedoch ist es deine Gott gegebene Pflicht, deinem Mann zur Verfügung zu stehen, um einen Erben zu zeugen. Ich bin sicher, mein Sohn wird so viel Rücksicht auf dich nehmen, dass er dich nicht mehr belästigen wird, wenn es vollbracht ist.“

Gisela schluckte.

„Ich ... ich werde mich nicht vor meinen Pflichten drücken“, erwiderte sie schwach.

Der Graf nickte.

„Schön. Aber wenn mein Sohn sich dir gegenüber irgendwie grob verhalten sollte, dann scheu dich nicht, mich aufzusuchen. Ich werde dann mit ihm reden. Ich finde, ein Mann sollte seinem Weib immer mit Respekt begegnen, auch wenn gewisse Pflichten zu erfüllen sind.“

„Ähm, ... danke“, murmelte Gisela unbehaglich.

„Dann geh, meine Liebe und erhol dich erst einmal ein wenig von der langen Reise.“

Gisela erhob sich, froh, die Unterredung endlich hinter sich gebracht zu haben.

„Danke“, sagte sie. „Das werde ich.“

Der Graf ergriff ihre Hand und schenkte ihr ein Lächeln.

„Du bist eine gute Frau. Ich würde mich freuen, wenn diese Ehe funktionieren würde. Gib meinem Sohn ein wenig Zeit und zeige dich verständnisvoll und zugänglich. Ich bin sicher, er wird schon noch erkennen, was für ein Juwel er da an seiner Seite hat.“

Gisela nickte nur, denn sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Als er ihr Hand los ließ, machte sie einen hastigen Knicks und eilte aus dem Raum.

Es war beinahe eine Woche vergangen, seitdem sie auf Burg Trugstein angekommen war und Gisela wurde immer nervöser. Nach ihrem Gespräch mit dem alten Grafen hatte sie erfahren, dass ihr Gatte kurzfristig verreist war. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Gemahl es mit der Erfüllung seiner Ehepflichten auch nicht sonderlich eilig hatte. Obwohl sie froh darüber sein sollte, verletzte sie sein offensichtliches Desinteresse an ihr. Sie war zwar nicht übermäßig eitel, hielt sich aber dennoch für recht hübsch. Ihre langen schwarzen Haare glänzten wie poliertes Ebenholz, ihr Teint war makellos und ihre zierliche Gestalt war an den richtigen Stellen gerundet. Zwar sah sie den ehelichen Pflichten mit einem unguten Gefühl entgegen, doch sie fand es noch viel schlimmer, darauf warten zu müssen. Sie wollte es endlich hinter sich bringen. Je schneller sie ein Kind unter dem Herzen trug, desto schneller hatte sie ihre Freiheit wieder. Da Alberic sie anscheinend nicht besonders begehrenswert fand, würde er sie sicher wieder in Ruhe lassen, sobald sie guter Hoffnung war. Ein Kind zu haben wäre etwas, das ihr Freude in dieser ungewollten Ehe geben konnte. Sie liebte Kinder und sie war sich sicher, dass sie eine gute Mutter sein würde.

„Frau Gisela“, erklang die Stimme ihrer Magd.

„Ja Ida? Ich bin hier bei dem Brunnen“, antwortete Gisela.

Ida trat um die hohen Heckenrosen herum und schüttelte missbilligend den Kopf, als sie ihre Herrin beim Unkraut jäten erspähte.

„Wirklich, Frau Gisela“, sagte sie tadelnd. „Das ist aber keine Aufgabe für eine Frau deines Standes.“

Gisela richtete sich auf und strich sich eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht, hinterließ dabei einen dunklen Schmutzstreifen auf ihrer Stirn.

„Wenn ich den ganzen Tag nur hier rumsitzen muss und auf meinen Gatten warten soll, der offenbar nichts mit mir zu tun haben will, dann werde ich noch verrückt.“

„Wegen deinem Gatten bin ich hier“, sagte Ida. „Er ist soeben zurückgekommen. Es wäre besser, du ziehst dich um, ehe du ihm gegenüber trittst. Er ist in keiner sehr guten Stimmung.“

„Ich komme gleich“, sagte Gisela und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Die Nachricht, dass ihr Gemahl zurückgekehrt war, hatte sie ziemlich durcheinander gebracht. Gerade hatte sie sich noch gewünscht, es endlich hinter sich zu haben und jetzt wollte sie am Liebsten einfach davonlaufen.

„Ich lasse dir ein Bad richten und lege dir ein frisches Gewand raus“, sagte Ida und wandte sich ab.

Gisela starrte ihrer Magd hinterher, dann nahm sie den Korb mit dem Unkraut, um ihn auf dem Kompost zu entleeren. Ihr sehnsüchtiger Blick glitt zu dem großen Wald in der Ferne. Wenn sie nur den Mut hätte, einfach davonzulaufen. Doch sie wäre gar nicht in der Lage, allein und ohne Mittel zu überleben. Es war kindisch, übers Davonlaufen nachzudenken. Es war an der Zeit, dass sie sich ihrem Schicksal stellte. Sie hatte mit ihrem Bruder auch eine schwere Zeit durchgemacht, nachdem die Eltern und ihr Bruder gestorben waren. Damals hatte Fulk sich abgeschottet und das Trinken angefangen. Schließlich war sie es gewesen, die ihrem Bruder gesagt hatte, dass er seinen Problemen nicht ewig davonlaufen konnte. Damals war sie stark gewesen. Sie konnte es auch jetzt sein. Sie war jetzt älter, eine verheiratete Frau.

„Komm, Mädchen“, murmelte sie zu sich selbst. „Fang an, dein Leben wieder in die Hand zu nehmen!“

Entschlossen eilte sie durch den Garten. Sie würde es mit dem Teufel selbst aufnehmen, wenn es sein musste. Wenn sie nur aufrecht blieb und stark, dann würde er sie nicht brechen können. Vielleicht würde er sie wieder zurück nach Rabenfeld schicken, wenn er erst mal genug von ihr hatte.

Als sie um eine hohe Hecke bog, stieß sie hart mit einer hohen Mauer zusammen, die sich plötzlich vor ihr auftat. Zwei große Hände legten sich um ihre Taille, um sie zu stabilisieren, als sie strauchelte.

„Hoppla“, sagte eine tiefe Stimme.

Giselas Herz fing an zu rasen. Die Mauer war niemand anderer, als ihr finsterer Gatte. Sie konnte seinen kräftigen Herzschlag unter ihrer Hand spüren. Seine plötzliche Nähe überwältigte sie. Sie wollte ihre Hände wegziehen, doch sie standen so dicht voreinander, dass Gisela nichts anderes mit ihren Händen tun konnte, außer sie auf seiner Brust liegen zu lassen. Obwohl der Stoff seiner Tunika sie von seiner Haut trennte, konnte sie die Hitze spüren, die von ihm ausging. Und seine Muskeln, diese stahlharten Muskeln. Sie sollte sich nicht so kribbelig dabei fühlen.

Langsam hob sie den Blick und starrte in seine dunklen Augen. Irgendetwas war in seinem Blick, das sie nicht benennen konnte, doch es machte sie nervös und bescherte ihr ein seltsames Ziehen in den unteren Regionen. Ihr Atem kam auf einmal schwer und ihr wurde so warm. Dass musste an seiner Hitze liegen. Der Mann schien geradezu zu glühen. War er vielleicht krank?

„Hat ... hat mein Gemahl Fieber?“, fragte sie, sich auf ihre Pflichten als treusorgende Ehefrau besinnend.

„Nein, meine kleine Gattin. Aber ich brenne tatsächlich“, raunte er und zog sie noch dichter an seinen großen harten Leib heran.

„Ich ... ich wollte gerade ... Ich muss mich ... umkleiden“, stammelte sie unbehaglich. Seine Nähe verwirrte sie und sie wollte so schnell wie möglich von hier fort. Fort von ihm. Von seiner Glut, die sie zu verbrennen drohte.

Er hob eine Hand und rieb über den Schmutzstreifen an ihrer Stirn.

„Ich sehe“, sagte er und legte die Hand an ihre Wange. Sein Daumen ruhte an ihrer Unterlippe und sie erschauerte ob der intimen Berührung. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen ein kleines bisschen, als er mit dem Daumen über das weiche Fleisch strich.

Mit einer Mischung aus Angst und Faszination sah sie, wie sein Gesicht immer näher kam, bis nur noch wenige Zentimeter sie voneinander trennten. Er würde sie küssen. Hier, mitten im Garten, wo man sie jederzeit sehen konnte. Ihr Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Sein heißer Atem strich über ihren Mund und ein kleiner hilfloser Laut kam über ihre Lippen. Jeden Moment würde sie seinen Mund an ihrem Mund spüren und die Aussicht darauf versetzte ihren Körper in einen seltsamen Zustand der Erregung. Doch seine Lippen berührten sie nicht. Er riss sich so plötzlich von ihr los, dass sie beinahe erneut gestrauchelt wäre. Sie konnte sich gerade noch abfangen, mit einer Hand Halt an der Hecke suchend. Ihr Gatte hatte sich abrupt umgewandt und stürmte davon, als wäre der Teufel hinter ihm her.

„O mein Gott“, flüsterte Gisela und fasste sich unwillkürlich an die Lippen. Ihr Herz schlug so wild, dass sie ihr eigenes Blut in ihren Ohren rauschen hören konnte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als sie der Bestie von Trugstein hinterher starrte.

***

Alberic floh schwer atmend aus dem Garten. Er musste sich erst einmal irgendwo wieder fassen, ehe er sich unter Leuten zeigen konnte. Er wusste, dass sein Zustand für jeden nur allzu sichtbar sein musste. Verdammt! Noch nie hatte eine Frau solche Reaktionen in ihm ausgelöst. Er hatte sich kaum unter Kontrolle, wie sollte er da seinen Ehepflichten nachkommen, ohne sie zu verletzen? Wenn er sie eben wirklich geküsst hätte, dann hätte er sie dort im Garten genommen. Ohne sich darum zu scheren, wer sie sehen konnte, und was seine kleine verführerische Gattin dazu zu sagen hatte. Es stimmte, was er zu ihr gesagt hatte. Er brannte. Lichterloh. Aber er würde kein sanfter Liebhaber für sie sein, nicht der Mann, den eine so zarte Frau wie sie brauchte. Eine Jungfrau noch dazu, dank seines Problems. Seine Fantasien drehten sich immer nur um dasselbe. Er wollte sie unterwerfen, fesseln und sie auf alle erdenklichen Arten besitzen. Doch das würde er niemals mit ihr ausleben können. Sie würde ihn fürchten, ihn verachten und sie würde sich vielleicht das Leben nehmen. Wie Rosamund. Der Gedanke war unerträglich. Er hatte keine zärtlichen Gefühle für seine erste Gattin gehabt, doch ihr Tod lastete schwer auf seinem Gewissen. Bei den Leuten hatte der Tod seiner Gattin dafür gesorgt, dass noch mehr schaurige Geschichten über ihn erzählt wurden. Nicht dass es ihn störte, wenn sie ihn fürchteten, doch aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wollte er nicht, dass Gisela eine Bestie in ihm sah. Er konnte nicht mit ihr schlafen. Er wollte sie nicht zerstört wissen.

Hinter dem Stallgebäude lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloss die Augen. Egal, wie er sich bemühte, er bekam diese dunkle Begierde die in seinen Eingeweiden wütete, einfach nicht unter Kontrolle. Dieser kleine Laut, der ihren weichen Lippen entschlüpft war, als ihre Münder sich genähert hatten, war beinahe sein Untergang gewesen. Es ließ ihn in aufgeregter Spannung über die Frage, welche Laute sie von sich geben würde, wenn er in sie hineinstieß, wenn er sich bis zu Anschlag in ihrer feuchten Hitze vergrub.

Er stöhnte verzweifelt auf. Er sollte den Rat seines Freundes beherzigen und Fara aufsuchen, um Druck abzubauen, aber irgendwie sträubte sich alles in ihm, diesen Schritt zu tun. Fara war nicht Gisela. Keine Frau war mit seiner kleinen Gattin zu vergleichen. Nie hätte er vermutet, dass aus dem farblosen Mädchen, das er vor drei Jahren geheiratet hatte, eine solche ätherische Schönheit werden würde.

„Hier steckst du“, ertönte plötzlich Tassilos Stimme neben ihm. „Was versteckst du dich hier? Willst du nicht deine Gattin begrüßen?“

„Lass mich allein“, zischte Alberic zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Tassilo sah ihn verwundert an, dann lachte er.

„O, du hast sie schon gesehen, nicht wahr?“

„Verschwinde!“

„Wann hörst du endlich auf, dich selbst zu martern?“, fragte Tassilo kopfschüttelnd. „Wer weiß, wenn du sie erst Mal gehabt hast dann wird sie vielleicht uninteressant und du bekommst dich wieder unter Kontrolle.“

„Wenn dir dein erbärmliches Leben lieb ist“, knurrte Alberic finster, „dann verschwindest du jetzt von hier und lässt mich allein!“

„Okay“, sagte Tassilo beschwichtigend. „Bin schon weg. Aber mach dich darauf gefasst, dass dein alter Herr ein Wort mit dir reden will.“

Alberic starrte seinem Freund hinterher. Hatte er Recht? Würde diese Besessenheit aufhören, wenn er seine Gemahlin endlich bestiegen hatte? Oder würde er erst recht nicht die Finger von ihr lassen können? Er befürchtete eher Letzteres. Aber es war ohnehin sinnlos darüber nachzudenken. Er konnte sich ihr nicht nähern, solange er seine Gelüste nicht unter Kontrolle hatte. Andererseits wurden seine Fantasien umso schlimmer, je länger er unbefriedigt blieb. Ein Teufelskreis aus dem er keinen Ausweg wusste.

Die Braut der Bestie

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