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Vierte Strophe
ОглавлениеDer letzte Geist
Die Erscheinung kam langsam, feierlich, schweigend auf ihn zu.
Als sie herangekommen war, fiel Scrooge auf die Knie nieder,
denn selbst die Luft, durch die sich der Geist bewegte, schien
geheimnisvolles Grauen um sich zu verbreiten.
Die Erscheinung war verhüllt in einem schwarzen, weiten Mantel,
der nichts von ihr sehen ließ, als eine ausgestreckte Hand. Wäre
diese nicht gewesen, es wäre einem schwer angekommen, die
Gestalt von der Nacht zu trennen, die sie umgab!
Als sie neben ihm stand, fühlte er, daß s ie groß und stattlich war
und daß ihn ihre geheimnisvolle Gegenwart mit einem feierlichen
Grauen erfüllte. Er wußte weiter nichts, denn der Geist sprach
und bewegte sich nicht.
»Ich stehe vor dem Geist der zukünftigen Weihnacht?« fragte
Scrooge.
Der Geist antwortete nicht, sondern wies mit der Hand zur Erde
hinab.
»Du willst mir die Schatten der Dinge zeigen, die noch nicht
»Du willst mir die Schatten der Dinge zeigen, die noch nicht
geschehen sind, aber noch geschehen werden?« fuhr Scrooge
fort. »Willst du das, Geist?«
Der obere Teil der Verhüllung bauschte sich auf einen
Augenblick in Falten, als ob der Geist sein Haupt neige; dies war
die einzige Antwort, die Scrooge erhielt.
Obgleich schon so ziemlich an gespenstische Gesellschaft
gewöhnt, bangte Scrooge vor der stummen Erscheinung doch so
sehr, daß seine Knie wankten und er kaum noch stehen konnte,
als er s ich ihr zu folgen bereit machte. Der Geist stand für einen
Augenblick still, als bemerke er die Furcht seines Begleiters und
als wol e er ihm Zeit lassen, sich zu erholen.
Aber Scrooge befand sich dadurch noch schlechter. Ein
fremdes, unbestimmtes Grausen durchbebte ihn bei dem
Gedanken, daß sich hinter diesem schwarzen Schleier
gespenstische Augen fest auf ihn heften könnten, während er,
obgleich er seine Augen aufs äußerste anstrengte, doch nichts
sehen konnte als die gespenstische Hand und eine große,
schwarze Faltenmasse.
»Geist der Zukunft«, rief er, »ich fürchte dich mehr als die
Geister, die ich schon gesehen habe. Aber da ich weiß, daß es
dein Zweck ist, mir Gutes zu tun, und da ich noch zu leben hoffe,
um ein anderer Mensch zu werden, als ich bisher war, bin ich
willens, dich zu begleiten und tue es mit einem dankerfül ten
Herzen. -Willst du nicht zu mir sprechen?«
Herzen. -Willst du nicht zu mir sprechen?«
Die Gestalt gab ihm keine Antwort. Die Hand wies gerade vor
ihm hin in die Ferne.
»Führe mich«, bat Scrooge. »Führe mich, die Nacht schwindet
schnel , und die Zeit ist für mich kostbar. Führe mich, Geist.«
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Die Erscheinung bewegte sich ebenso von ihm weg, wie sie auf
ihn zugekommen war. Scrooge folgte dem Schatten ihres
Gewandes, der ihn aufhob und von dannen trug.
Es war kaum, als ob sie in die City träten; eher schien die City
rings um sie her in die Höhe zu wachsen und sie zu umdrängen.
Aber sie waren doch mitten in ihrem Herzen, auf der Börse unter
den Kaufleuten, die geschäftig hin und her eilten, mit dem Geld in
ihren Taschen klimperten, in Gruppen miteinander sprachen,
nach der Uhr sahen und gedankenvoll mit den großen, goldenen
Petschaften an den Uhrketten spielten, wie Scrooge es schon so
oft gesehen hatte.
Der Geist blieb bei einer Gruppe von Kaufleuten stehen, und
Scrooge sah, daß die Hand der Erscheinung darauf hinwies;
daher näherte er sich ihnen, um ihr Gespräch zu belauschen.
»Nein, ich weiß nicht viel davon zu sagen«, sagte ein großer
fetter Mann mit einem ungeheuren Doppelkinn. »Ich weiß nur,
fetter Mann mit einem ungeheuren Doppelkinn. »Ich weiß nur,
daß er tot ist.«
»Wann starb er denn?« fragte ein anderer.
»Vorige Nacht, glaub' ich.«
»Mein Gott, was hat ihm denn gefehlt?« mischte sich ein Dritter
ein, der dabei eine große Prise aus einer sehr großen Dose
nahm. »Ich dachte, der würde nie sterben.«
»Weiß Gott«, sagte der erste und gähnte.
»Was hat er mit seinem Geld angefangen?« fragte ein Herr mit
einem roten Gesicht und einem Auswuchs an der Nasenspitze,
der wie der Lappen eines Truthahns wackelte.
»Ich habe nichts davon gehört«, sagte der Mann mit dem fetten
Doppelkinn, und gähnte abermals. »Hat es wahrscheinlich seiner
Firma hinterlassen. Mir hat er's nicht vermacht. Das weiß ich.«
Dieser reizende Scherz wurde mit einem allgemeinen Gelächter
begrüßt.
»Es wird wohl ein sehr billiges Begräbnis werden«, fuhr der
Dicke mit dem Doppelkinn fort; »denn so wahr ich lebe, ich
kenne niemanden, der mitgehen sol te. Wenn wir nun
zusammenträten und freiwillig mitgingen?«
»Ich tue mit, wenn für einen Lunch gesorgt wird«, bemerkte der
Herr mit dem Truthahnlappen an der Nasenspitze. »Aber ich
muß zu essen haben, wenn ich dabei sein soll.«
Ein neues Gelächter.
»Nun, da bin ich doch wohl der Uneigennützigste von euch«,
meinte der erste Sprecher, »denn ich trage nie schwarze
Handschuhe und esse nie Lunch. Aber ich gehe mit, wenn sich
noch andere finden. Wenn ich mir's recht überlege, war ich am
Ende sein vertrautester Freund; denn wir blieben stehen und
sagten einander, wenn wir uns auf der Straße trafen: ›Guten
Morgen, guten Morgen!‹«
Sprecher und Zuhörer gingen fort und mischten sich unter andere
Gruppen.
Scrooge kannte die Leute und sah den Geist mit einem fragenden
Blick an.
Die Erscheinung schwebte weiter und hinaus auf die Straße.
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Ihre Hand wies auf zwei sich begegnende Personen. Und wieder
hörte Scrooge zu, in der Hoffnung, jetzt die Erklärung zu finden.
Denn er kannte auch diese Leute recht gut. Es waren Kaufleute,
sehr reich und von großem Ansehen. Er hatte sich immer
bestrebt, in ihrer Achtung zu bleiben, das heißt in
Geschäftssachen, rein in Geschäftssachen.
»Wie geht's?« sagte der eine.
»Wie geht's Ihnen?« der andere.
»Gut«, erwiderte der erste. »Der alte Knauser ist endlich tot,
wissen Sie es schon?«
»Ich hörte es«, antwortete der zweite. »Es ist kalt heute, nicht
wahr?«
»Wie sich's zu Weihnachten schickt. Sie sind wohl kein
Schlittschuhläufer?«
»Nein, nein. Habe an andere Sachen zu denken. Guten
Morgen!«
Kein Wort weiter. So trafen sie sich, so trennten sie sich.
Scrooge war erst zu staunen geneigt, daß der Geist auf
anscheinend so unbedeutende Gespräche ein Gewicht zu legen
schien; aber sein Gefühl sagte ihm, daß sie eine verborgene
Bedeutung haben müßten, und er zerbrach sich den Kopf,
welcher Art diese sein könnte.
Die Gespräche konnten sich nicht auf den Tod Jacobs, seines
alten Kompagnons, beziehen, denn der gehörte der
Vergangenheit an, und sein Führer war doch der Geist der
Zukunft. Auch konnte er s ich niemanden von den ihn näher
Angehenden vorstellen, auf den er sie hätte beziehen können.
Aber in der Gewißheit, daß für ihn doch eine wichtige Lehre
darin liege, auf wen sie sich auch beziehen möchten, beschloß er,
jedes Wort, das er hörte, und jede Szene, die er sah, treu in
jedes Wort, das er hörte, und jede Szene, die er sah, treu in
seinem Herzen aufzubewahren, und vorzüglich seinen Schatten zu
beobachten, wenn er erschien. Denn er erwartete von dem
Benehmen seines zukünftigen Selbst die noch fehlende
Aufklärung und die Lösung der Rätsel, die ihm jetzt so schwierig
vorkam.
Schon auf der Börse sah er sich nach seinem Selbst um; aber ein
anderer stand in seiner gewohnten Ecke, und obgleich die Uhr
die Stunde zeigte, wo er gewöhnlich dort war, bemerkte er sich
doch auch nicht unter den Scharen, die sich durch den Eingang
hereindrängten. Das überraschte ihn indessen um so 55
weniger, als er schon lange daran gedacht hatte, sein Geschäft
aufzugeben; und nun glaubte und hoffte er, in diesen
Erscheinungen schon die einstige Verwirklichung seines Planes zu
erblicken.
Regungslos und schwarz stand neben ihm das Gespenst mit
seiner starr ausgestreckten Hand. Als er wieder von seiner
nachdenklichen Stellung aufblickte, glaubte er (nach der Richtung
der Hand zu urteilen), daß sich die unsichtbaren Augen fest auf
ihn hefteten. Bei diesem Gedanken überlief ihn ein kalter
Schauer.
Sie verließen darauf die geschäftige Umgebung und gingen in
einen abgelegenen Teil der Stadt, wo Scrooge nie vorher
gewesen war, dessen Lage und schlechten Ruf er aber kannte.
Die Straßen waren schmutzig und eng, die Läden und Häuser
Die Straßen waren schmutzig und eng, die Läden und Häuser
ärmlich, die Menschen halbnackt, betrunken, barfuß, häßlich.
Gäßchen und Torwege strömten, wie ebenso viele Kloaken,
abscheuerregende Gerüche und Schmutz und Menschen in die
Straßen, und das ganze Viertel schien erfül t von Verbrechen,
Unrat und Elend.
In einem der tiefsten Winkel dieses Zufluchtsorts der Sünde und
des Verbrechens befand sich ein niedriger, dunkler Laden unter
einem Wetterdach, in dem Eisen, Lumpen, Flaschen, Knochen
und Fleischabfälle verkauft wurden.
Auf dem Fußboden lag ein Haufen verrosteter Schlüssel, Nägel,
Ketten, Türangeln, Feilen, Wagen, Gewichte und altes Eisen aller
Art. Geheimnisse, die zu enträtseln wenige verlangen würden,
entstanden und verbargen sich in Bergen widerlicher Lumpen,
Massen verdorbenen Fettes und ganzen Beinhäusern von
Knochen. Mitten unter seinen Waren saß neben einem aus alten
Kacheln zusammengesetzten Ofen ein grauhaariger, fast
siebzigjähriger Schelm, der sich vor der Kälte draußen durch
einen bauschigen Vorhang von allerlei, auf eine Leine gehängten
Lumpen geschützt hatte und seine Pfeife voll Behagen rauchte.
Scrooge und die Erscheinung traten neben diesen Mann, als eine
Frau mit einem schweren Bündel in den Laden schlich. Kaum
war sie eingetreten, als ihr eine zweite Frau, auch mit einem
Bündel, folgte, und dieser dicht auf den Fersen ein Mann in
Bündel, folgte, und dieser dicht auf den Fersen ein Mann in
einem alten, schwarzen, abgetragenen Anzug, der nicht weniger
vor dem Anblick der beiden erschrak, als diese voreinander
erschrocken waren.
Nach einigen Augenblicken wortlosen Staunens, an dem sich der
Alte mit der Pfeife beteiligt hatte, brachen sie al e drei in ein
lautes Gelächter aus.
»Schau an, die Putzfrau ist die erste«, rief die zuerst eingetreten
war. »Schau an, die Waschfrau ist die zweite, und der Sargträger
ist der dritte. He, Joe, das ist ein Glücksfal ! Wir treffen uns hier
alle drei, ohne daß wir uns verabredet haben.«
»Ihr hättet euch an keinem bessern Ort treffen können«, sagte
der alte Joe, die Pfeife aus dem Mund nehmend. »Kommt in den
Salon. Ihr habt schon lange freien Zutritt dort, das wißt Ihr ja,
und die anderen zwei sind auch keine Fremden. Wartet, bis ich
die Ladentür zugemacht habe. Oh, wie sie knarrt! Ich glaube, es
gibt kein so rostiges Stück Eisen in dem ganzen Laden, als die
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Türangeln; und ich weiß, es gibt keine so alten Knochen hier, wie
meine. Haha, wir passen zu unserm Geschäft. Kommt in den
Salon!«
Der Salon war der Raum hinter dem Lumpenvorhang. Der Alte
kratzte das Feuer mit einem alten Rouleaustab zusammen, schob
den Docht seiner qualmigen Lampe, denn es war Abend, mit
den Docht seiner qualmigen Lampe, denn es war Abend, mit
dem Pfeifenstiel in die Höhe und steckte diese dann wieder in
den Mund.
Während er damit beschäftigt war, warf die zuerst eingetretene
Frau ihr Bündel auf den Boden und setzte sich mit kokettierender
Frechheit auf einen Stuhl; dann legte sie die Hände auf die Knie
und sah die beiden andern herausfordernd an.
»Nun, was ist dabei, was ist schon dabei, Mrs. Dilber ?jeder hat
das Recht, für sich zu sorgen. Und er tat es immer.«
»Das ist wahr«, sagte die Waschfrau. »Keiner tat es eifriger.«
»Na, warum gafft Ihr da einander an, als hättet Ihr Bange, wer
der Schlauere sei? Wir wol en doch nicht einander die Augen
aushacken, denk' ich.«
»Nein, gewiß nicht«, sagten Mrs. Dilber und der Mann wie aus
einem Munde.
»Wir wol en es nicht hoffen.«
»Na, gut denn«, rief die Frau, »das ist genug! Wem schadet's,
wenn wir so ein paar Sachen mitnehmen, wie die hier? Einer
Leiche gewiß nicht.«
»Nein, gewiß nicht«, lachte Mrs. Dilber.
»Wenn er sie noch nach dem Tode behalten wollte, wie ein alter
Geizhals«, fuhr die Frau fort, »warum war er nicht besser zu
seinen Lebzeiten? Wäre er's gewesen, dann hätte er auch
jemanden um s ich gehabt, als er starb, statt daß er
mutterseelenallein seinen letzten Atem fahren lassen mußte.«
»Es ist das wahrste Wort, das je gesprochen wurde«, bestätigte
Mrs. Dilber.
»Es ist ein Gottesgericht.«
»Ich wünschte, es wäre ein bißchen schwerer ausgefallen«,
meinte die Frau,
»und es wär's auch, verlaßt euch drauf, wenn ich hätte mehr
bekommen können.
Mach das Bündel auf, Joe, und sag mir, was es wert ist. Sprich
dreist heraus. Ich fürchte mich nicht, die erste zu sein, noch es
die hier sehen zu lassen. Wir wußten ganz gut, daß wir für uns
sorgten, ehe wir uns hier trafen. Das ist keine Sünde. Mach das
Bündel auf, Joe.«
Aber die Galanterie ihrer Freunde wollte das nicht erlauben; und
der Mann in dem abgetragenen schwarzen Rock brachte seine
Beute zuerst. Es war nicht viel los damit: ein oder zwei
Petschafte, ein silberner Bleistift, ein Paar Hemdknöpfe und eine
Brosche von geringem Wert: das war al es. Die Gegenstände
Brosche von geringem Wert: das war al es. Die Gegenstände
wurden von dem alten Joe untersucht und geschätzt, worauf er
die Summe, die er für das einzelne bezahlen wollte, an die Wand
schrieb und zusammenrechnete, als er fand, daß nichts mehr
nachkam.
»Das ist Eure Rechnung«, sagte Joe, »und ich gebe keinen
Sixpence mehr und sol te ich in Stücke gehauen werden. Wer
kommt jetzt?«
Mrs. Dilber war die nächste. Sie hatte Bett- und Handtücher,
einige Kleidungsstücke, zwei altmodische silberne Teelöffel, eine
Zuckerzange und 57
einige Paar Stiefel. Ihre Rechnung wurde von Joe auf dieselbe
Weise an die Wand geschrieben.
»Damen gebe ich immer zuviel. Es ist meine Schwäche, und ich
richte mich damit zugrunde », sagte der alte Joe. »Hier ist Eure
Rechnung. Wol tet Ihr einen Pfennig mehr dafür haben und es
darauf ankommen lassen, so täte es mir leid, so nobel gewesen
zu sein, und ich zöge Euch eine halbe Krone ab.«
»Und nun mach mein Bündel auf, Joe«, drängte die erste.
Joe kniete nieder, um bequemer das Bündel öffnen zu können,
und nachdem er viele viele Knoten aufgemacht hatte, zog er eine
große schwere Rol e von einem dunklen Stoff heraus.
»Was ist das?« staunte Joe. »Bettgardinen!«
»Ja«, rief das Weib lachend und sich vorbeugend.
»Bettgardinen!«
»Ihr wol t doch nicht sagen, Ihr hättet sie heruntergenommen,
wie er dort lag?«
sagte Joe.
»Ih, freilich«, sagte das Weib. »Warum auch nicht?«
»Ihr seid geboren, Euer Glück zu machen, und Ihr werdet's
auch.«
»Ich werde doch wahrhaftig meine Hand nicht leer einstecken,
wenn ich sie nur auszustrecken brauche, um was zu kriegen, um
so eines Mannes willen, wie der war. Wahrhaftig nicht, Joe«,
antwortete das Weib ruhig. »Laß kein Öl auf die Bettdecken
tropfen.«
»Seine Bettdecke?« fragte Joe.
»Von wem soll sie denn sonst sein?« entgegnete das Weib. »Er
wird auch ohne die nicht frieren, das behaupte ich.«
»Er starb doch nicht etwa an etwas Ansteckendem?« fragte der
alte Joe bedenklich, seine Beschäftigung unterbrechend und sie
anblickend.
anblickend.
»Das braucht Ihr nicht zu befürchten«, antwortete die Frau. »Ich
hatte ihn nicht so lieb, daß ich dann bei ihm geblieben wäre um
solcher Lumpen wil en. Ha, Ihr könnt durch das Hemd gucken,
bis Euch Eure Augen weh tun: Ihr findet kein Loch darin und
keine dünne Stelle. Es ist das beste, was er hatte, und sein ist's
auch. Sie hätten's verdorben, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Was meint Ihr mit Verderben?« fragte der alte Joe.
»Nun, ihm das Hemd in das Grab mitgeben, was sonst?«
erwiderte die Frau lachend. »Es war da einer dumm genug, es
ihm anzuziehen, aber ich zog's ihm wieder aus. Wenn Kattun zu
so etwas nicht gut genug ist, weiß ich nicht, zu was er sonst gut
wäre. Er steht einer Leiche ebensogut. Er kann nicht häßlicher
aussehen, als er darin aussah.«
Scrooge hörte das Gespräch mit Grausen an. Wie sie da um
ihren Raub herum in dem kärglichen Lampenlicht des Alten
saßen, betrachtete er sie mit einem Ekel und einem Abscheu, der
nicht größer hätte sein können, wenn es scheußliche Dämonen
gewesen wären, die um die Leiche selbst feilschten.
»Ha, ha!« lachte dieselbe Frau, als der alte Joe, einen alten
flanellnen Geldbeutel herauslangte und jedem den Preis des
Raubes auf den Fußboden hinzählte. »Das ist das Ende von der
Geschichte, seht Ihr! Er scheuchte jeden von sich, solange er
lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«
lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Hahaha!«
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»Geist«, sagte Scrooge, vom Fuß bis zum Scheitel zitternd. »Ich
verstehe dich.
Das Los dieses Unglücklichen könnte das meinige sein. Mein
Leben geht jetzt auf dieses Ziel zu. Gnädiger Himmel, was ist
das?«
Er fuhr entsetzt zurück, denn die Szene hatte sich verändert, und
er stand dicht vor einem Bett, einem einsamen, unverhängten
Bett, in dem unter einer groben Decke etwas Verhülltes lag, das,
obgleich stumm, in einer grauenerregenden Sprache verkündete,
was es war.
Das Zimmer war sehr dunkel, zu dunkel, um etwas sicher
erkennen zu können, obgleich sich Scrooge, einem geheimen
Gefühl folgend, voll Begier umsah, um zu wissen, was für ein
Zimmer es sei. Ein bleiches Licht, das von draußen
hereinströmte, fiel gerade aufs Bett; und auf diesem, geplündert
und beraubt, unbewacht und unbeweint, lag die Leiche dieses
Mannes.
Scrooge blickte die Erscheinung an. Ihre regungslose Hand wies
auf das Haupt des Leichnams. Die Decke war so sorglos
zurechtgelegt, daß das geringste Verschieben, die leiseste
Berührung von Scrooges Fingern das Antlitz enthüllt hätte. Er
dachte daran, empfand, wie leicht es geschehen könnte, und
sehnte sich, es zu tun; aber er hatte ebensowenig die Kraft, die
Hülle wegzuziehen, wie den Geist von seiner Seite zu entlassen.
Oh, kalter, starrer, schrecklicher Tod, hier richte deinen Altar auf
und umgib ihn mit den Schrecken, über die du verfügst, denn
dies ist dein Reich! Aber dem geliebten und verehrten Haupt
kannst du kein Haar krümmen, von ihm kannst du keinen Zug
widerlich machen. Auch wenn die Hand schwer ist und
herabsinkt, wenn man sie fallen läßt, auch wenn das Herz und
der Puls schweigen; die Hand war offen und barmherzig, das
Herz war offen und warm und gut und der Puls ein menschlicher.
Töte, Schatten, töte! Und sieh, wie seine guten Taten aus der
Todeswunde hervorströmen, um in der Welt ein unsterbliches
Leben auszusäen!
Es war nicht etwa eine Stimme, die diese Worte in Scrooges
Ohren flüsterte, aber doch hörte er sie, während er auf das Bett
starrte. Er dachte, wenn dieser Mann jetzt wieder erweckt
werden könnte, was würde wohl sein erster Gedanke sein? Nur
Geiz, Hartherzigkeit, habgierige Sorge. - Ein schönes Ende
haben sie ihm bereitet!
Er lag in dem düstern leeren Haus, und kein Mann, kein Weib,
kein Kind war da, um zu sagen: »Er war gütig gegen mich in dem
und in jenem, und dieses einen gütigen Wortes gedenkend will
ich seiner warten.« Eine Katze kratzte an der Tür, und die Ratten
ich seiner warten.« Eine Katze kratzte an der Tür, und die Ratten
nagten und raschelten unter dem Kamin. Was sie in dem
Gemach des Todes wol ten und warum sie so unruhig waren,
wagte Scrooge nicht auszudenken.
»Geist«, sagte er, »dies ist ein schrecklicher Ort. Wenn ich ihn
verlasse, werde ich nicht seine Lehre vergessen, glaube mir. Laß
uns gehen.«
Immer noch wies der Geist mit regungslosem Finger auf das
Haupt der Leiche.
»Ich verstehe dich«, antwortete Scrooge, »und ich täte es, wenn
ich könnte.
Aber ich habe die Kraft nicht dazu, Geist. Ich habe die Kraft
nicht dazu.«
Wieder schien ihn der Geist anzublicken.
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»Wenn irgend jemand in der Stadt ist, der bei dieses Mannes
Tod etwas fühlt«, bat Scrooge ganz erschüttert, »so zeige mir
ihn, Geist, ich flehe dich an.«
Die Erscheinung breitete ihren dunklen Mantel einen Augenblick
vor ihm aus wie einen Fittich; und wie s ie ihn wieder wegzog,
sah er ein taghelles Zimmer, in dem sich eine Mutter mit ihren
sah er ein taghelles Zimmer, in dem sich eine Mutter mit ihren
Kindern befand.
Sie wartete auf jemandes Kommen in ängstlicher Hoffnung, denn
sie ging im Zimmer auf und ab, erschrak bei jedem Geräusch,
sah zum Fenster hinaus, blickte nach der Uhr, versuchte
umsonst, sich zu beschäftigen und konnte kaum die Stimmen der
spielenden Kinder ertragen.
Endlich vernahm s ie das langersehnte Klopfen an der Haustür,
und als sie hinausgehen wol te, kam ihr der Gatte entgegen. Sein
Gesicht war abgehärmt und bekümmert, obgleich er noch jung
war! Es zeigte sich jetzt ein merkwürdiger Ausdruck darin: eine
Art ernster Freude, deren er sich schämte und die er zu
verbergen bestrebt war.
Er setzte sich zum Essen nieder, das man ihm am Feuer
aufgehoben hatte; und als die Gattin ihn erst nach langem
Schweigen fragte, was er für Nachrichten bringe, schien er um
Antwort verlegen zu sein.
»Sind es gute«, fragte sie, »oder schlechte?«
»Schlechte«, gab er zur Antwort.
»Sind wir ganz zugrunde gerichtet?«
»Nein, noch ist Hoffnung vorhanden, Caroline.«
»Wenn er sich erweichen läßt«, rief sie erstaunt, »dann ist noch
Hoffnung da!
Nichts ist hoffnungslos, wenn ein solches Wunder geschehen ist.«
»Für ihn ist es zu spät, Erbarmen zu zeigen«, sagte der Gatte. »Er
ist tot.«
Wenn ihr Gesicht Wahrheit sprach, so war sie ein mildes und
geduldiges Wesen; aber sie war doch dankbar dafür in ihrem
Herzen und sprach es mit gefalteten Händen aus. Doch schon im
nächsten Augenblick bat sie Gott, daß er ihr verzeihen möge,
und bereute es; aber das erste Gefühl war die Stimme ihres
Herzens gewesen.
»Was mir die halbbetrunkene Frau gestern abend meldete, als
ich ihn sprechen und um eine Woche Aufschub bitten wol te, und
was ich nur für einen bloßen Vorwand hielt, um mich
abzuweisen, erweist sich jetzt als die reine Wahrheit.
Er war nicht nur sehr krank, er lag schon im Sterben.«
»Auf wen wird unsere Schuld übergehen?«
»Ich weiß es nicht. Aber noch vor dieser Zeit werden wir das
Geld haben; und selbst, wenn dies nicht einträfe, wär' es fast
unwahrscheinlich großes Pech, in seinem Erben einen ebenso
unbarmherzigen Gläubiger zu finden. Wir können heut' nacht
leichteren Herzens schlafen, Caroline.«
Ja, sie mochten es verhehlen, wie sie wollten: ihre Herzen waren
leichter. Die Gesichter der Kinder, die s ich still um die Eltern
drängten, um zu hören, was sie so wenig verstanden, erhel ten
sich, und al e wurden glücklicher durch dieses Mannes Tod. Das
einzige von diesem Ereignis hervorgerufene Gefühl, das ihm der
Geist zeigen konnte, war also eins der Freude.
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»Laß mich ein zärtliches, bei einem Todesfall empfundenes
Gefühl sehen«, bat Scrooge, »oder mir wird dies dunkle Zimmer,
das wir soeben verlassen haben, immer vor Augen bleiben.«
Nun führte ihn der Geist durch mehrere Straßen, die er oft
gegangen war; und indem s ie vorüberschwebten, hoffte Scrooge
sich hier und da zu erblicken, aber nirgends war er zu sehen. Sie
traten in Bob Cratchits Haus, dessen Wohnung sie schon früher
besucht hatten, und fanden dort die Mutter mit den Kindern um
das Feuer sitzen.
Alles war ruhig, alles war still, sehr still. Die lärmenden kleinen
Cratchits saßen stumm, wie steinerne Bilder, in einer Ecke und
sahen auf Peter, der ein Buch vor sich hatte. Mutter und Töchter
nähten. Aber auch sie waren stil , sehr still.
»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«
»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«
Wo hatte Scrooge diese Worte gehört? Der Knabe mußte sie
gelesen haben, als er und der Geist über die Schwel e traten.
Warum fuhr der Leser nicht fort?
Die Mutter legte ihre Arbeit auf den Tisch und führte die Hand
gegen die Augen.
»Die Farbe tut mir weh«, sagte sie.
Die Farbe? Ach, der arme Tiny Tim!
»Es geht jetzt wieder besser«, sagte Cratchits Frau.
»Die Farbe tut mir weh bei Licht, und ich möchte nicht, daß
Vater, wenn er heimkommt, meine roten Augen sieht. Es muß
bald Zeit sein.«
»Fast schon vorüber«, erwiderte Peter, das Buch schließend.
»Aber ich glaube, Mutter, er geht jetzt etwas langsamer als
früher.«
Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen,
heiteren Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:
»Ich weiß, daß er mit - ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der
Schulter sehr schnel ging.«
»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«
»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«
»Ich auch«, stimmten die andern ein.
»Aber er war sehr leicht zu tragen«, fing sie wieder an, den Blick
fest auf ihre Arbeit gerichtet, »und der Vater liebte ihn so, daß es
keine Last für ihn war -
keine Last. Doch horch: da kommt der Vater.«
Sie eilten ihm entgegen und Bob mit dem Schal - der arme Kerl
hatte ihn nötig
- trat herein. Sein Tee stand bereit, und sie drängten sich al e
herbei, und jeder wol te ihn am meisten bedienen. Dann
kletterten die beiden kleinen Cratchits auf seine Knie, und jedes
Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wol ten sie sagen:
»Gräm dich nicht, lieber Vater, sei nicht traurig.«
Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen
Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß
und den Eifer seiner Frau und Töchter. Sie würden lange vor
Sonntag fertig sein, meinte er.
»Sonntag!« wiederholte die Frau. »Du warst also heute dort,
Robert?«
»Ja, meine Liebe«, antwortete Bob. »Ich wol te, du hättest auch
hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,
hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,
wie grün es dort ist. Aber 61
du wirst es oft sehen. Ich versprach ihm, sonntags hinzugehen.
Mein liebes, liebes Kind!«meinte Bob. »Mein liebes Kind!«
Er brach auf einmal zusammen. Er konnte nicht anders. Hätte er
anders gekonnt, so wären er und sein Kind einander wohl
weniger nahe gewesen.
Er verließ die Stube und ging die Treppe hinauf in ein Zimmer,
das hel erleuchtet und weihnachtsmäßig aufgeputzt war. Ein Stuhl
stand dicht neben dem Kind und man sah, daß vor kurzem
jemand dagewesen war. Der arme Bob setzte sich nieder, und
als er ein wenig nachgedacht und sich gefaßt hatte, küßte er das
kleine kalte Gesicht. Er war versöhnt mit dem Geschehenen und
ging wieder hinunter ganz heiter.
Sie setzten sich um das Feuer und unterhielten s ich; die
Mädchen und Mutter arbeiteten fort. Bob erzählte ihnen von
Scrooges Neffen und seiner außerordentlichen Freundlichkeit,
obwohl er ihn kaum ein einziges Mal gesehen habe. Er habe ihn
heute auf der Straße getroffen, und als er bemerkt, daß er ein
wenig niedergeschlagen aussähe, habe er ihn gefragt, was ihn
bekümmere.
»Hierauf«, sagte Bob, »erzählte ich es ihm, denn er ist der
freundlichste junge Herr, den ich kenne. ›Ich bedaure Sie
herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -
herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -
Übrigens, wie er das wissen kann, möchte ich wissen.«
»Was sol er wissen, mein Lieber.«
»Nun, daß du eine gute Frau bist«, antwortete Bob.
»Jedermann weiß das«, meinte Peter.
»Sehr gut bemerkt, mein Junge«, rief Bob. »Ich hoffe, es ist so.
›Herzlich bedaure ich Ihre gute Frau‹, sagte er. ›Wenn ich Ihnen
auf irgendeine Weise behilflich sein kann‹, setzte er hinzu, indem
er mir seine Karte gab, ›hier ist meine Adresse. Kommen Sie nur
zu mir.‹ Nun ist es nicht gerade darum«, sprach Bob, »weil er
etwas für uns tun könnte, sondern mehr wegen seiner herzlichen
Weise, daß ich mich darüber so freute. Es schien wirklich, als
habe er unsern Tiny Tim gekannt und fühle mit uns.«
»Er ist gewiß eine gute Seele«, sagte Mrs. Cratchit.
»Du würdest das noch eher erkennen, meine Liebe«, antwortete
Bob, »wenn du ihn sähest und mit ihm sprächest. Es sol te mich
nicht wundern, wenn er Peter eine bessere Stelle verschaffte.
Denkt an meine Worte.«
»Nun höre nur, Peter«, sagte Mrs. Cratchit.
»Und dann«, rief eines der Mädchen, »wird sich Peter nach einer
Frau umsehen.«
Frau umsehen.«
»Ach, sei still«, antwortete Peter lachend.
»Nun, das kann schon kommen«, sagte Bob, »doch bis dahin hat
er noch eine Menge Zeit. Aber wie und wann wir uns auch
voneinander trennen sollten, so bin ich doch überzeugt, daß
keiner von uns den armen Tiny Tim vergessen wird oder diese
erste Trennung, die wir erfuhren.«
»Niemals, Vater«, riefen alle.
»Und ich weiß«, sagte Bob, »ich weiß, meine Lieben, wenn wir
daran denken, wie geduldig und wie sanft er war, obgleich er nur
ein kleines Kind war, werden 62
wir uns nicht so leicht zanken und den guten Tiny Tim vergessen,
indem wir's tun.«
»Nein, niemals, Vater«, riefen wieder alle.
»Ich bin sehr glücklich«, sagte Bob, »sehr glücklich.«
Mrs. Cratchit küßte ihn, seine Töchter küßten ihn, die beiden
kleinen Cratchits küßten ihn, und Peter und er drückten sich die
Hand. Seele Tiny Tims, du warst ein Hauch von Gott.
»Geist«, sprach Scrooge, »etwas sagt mir, daß wir uns bald
trennen werden.
Ich weiß es, aber ich weiß nicht wie. Sag mir, wer war es, den
wir auf dem Totenbett sahen?«
Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte ihn wie zuvor - doch
zu verschiedener Zeit, wie es ihm vorkam, und überhaupt schien
in den letzten abwechselnden Gesichtern keine Zeitfolge
stattzufinden - an die Zusammenkunftsorte der Geschäftsleute,
aber er sah sich selber nicht. Der Geist hielt sich nirgends auf,
sondern schwebte immer weiter, wie nach dem Ort zu, wo
Scrooge die gewünschte Lösung des Rätsels finden würde, bis
ihn dieser bat, einen Augenblick zu verweilen.
»Ja, dieser Hof, durch den wir jetzt eilen«, sagte Scrooge, »war
einst mein Geschäft und war es lange Jahre hindurch. Ich
erkenne das Haus. Laß mich sehen, was ich in den kommenden
Tagen sein werde.«
Der Geist stand still; die Hand zeigte anderswohin.
»Das Haus ist dort«, rief Scrooge. »Warum zeigst du
anderswohin?«
Der unerbittliche Finger nahm keine andere Richtung an.
Scrooge eilte nach dem Fenster seines Kontors und schaute
hinein. Es war noch ein Kontor, aber nicht das seinige. Die
Möbel waren nicht dieselben, und die Gestalt in dem Stuhl war
nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung
nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung
wie vorher.
Er trat wieder zu ihr hin und nachsinnend, warum und wohin sie
gingen, begleitete er sie, bis sie eine eiserne Pforte erreichten. Er
stand still, um sich vor dem Eintreten umzusehen.
Es war ein Kirchhof. Hier also lag der Unglückliche unter der
Erde, dessen Namen er noch erfahren sol te. Der Ort war seiner
würdig. Rings von hohen Häusern umgeben, überwuchert von
Unkraut, entsprossen dem Tod, nicht dem Leben der
Vegetation, vollgepfropft von zu vielen Leichen, genährt von
übersättigtem Genuß.
Der Geist stand inmitten der Gräber still und deutete auf eins
hinab. Scrooge näherte sich ihm bebend. Die Erscheinung war
noch ganz so wie früher, aber ihm war es immer, als sähe er eine
neue Bedeutung in der düsteren Gestalt.
»Ehe ich mich dem Stein nähere, den du mir zeigst«, sagte
Scrooge,
»beantworte mir eine Frage. Sind dies die Schatten der Dinge,
die sein werden, oder nur deren, die sein können ?«
Immer noch wies der Geist auf das Grab hin, vor dem sie
standen.
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»Die Wege des Menschen tragen ihr Ziel in sich«, murmelte
Scrooge. »Aber schlägt er einen andern Weg ein, so ändert sich
das Ziel. Sag, ist es so mit dem, was du mir zeigen wirst?«
Der Geist blieb so unbeweglich wie immer.
Scrooge näherte sich schlotternd dem Grabe, und wie er der
Richtung des Fingers folgte, las er auf dem Stein seinen eigenen
Namen.
EBENEZER SCROOGE
»Bin ich es, der auf jenem Bett lag?« rief er, in die Knie sinkend.
Der Finger zeigte von dem Grabe fort auf ihn und wieder zurück.
»Nein, Geist, o nein!«
Der Finger wies unveränderlich dorthin.
»Geist«, rief Scrooge, sich fest an sein Gewand klammernd, »ich
bin nicht mehr der Mensch, der ich ehedem war. Ich will ein
anderer Mensch werden, als ich vor diesen Tagen gewesen bin.
Warum zeigst du mir dies, wenn al e Hoffnung geschwunden
ist?«
Zum ersten Male schien des Geistes Hand zu zittern.
»Guter Geist«, fuhr er fort, »dein eigenes Herz legt bittend für
mich ein Wort ein und bedauert mich. Sag mir, daß ich durch ein
verändertes Leben die Schattenbilder, die du mir gezeigt hast,
ändern kann!«
Die gütige Hand zitterte.
»Ich will Weihnachten in meinem Herzen ehren, ich will
versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der
versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der
Gegenwart und in der Zukunft leben. Die Geister von allen dreien
sollen in mir lebendig sein. Ich wil ihren Lehren mein Herz nicht
verschließen. O sage mir, daß ich die Schrift auf diesem Stein
tilgen kann!«
In seiner Angst ergriff Scrooge die gespenstige Hand. Sie
versuchte, sich von ihm loszumachen, aber er war stark in seinem
Flehen und hielt sie fest. Der Geist, noch stärker, stieß ihn
zurück.
Wie Scrooge die bebenden Hände zu einem letzten Flehen um
Änderung seines Schicksals in die Höhe hielt, sah er die
Erscheinung sich verändern. Sie wurde kleiner und kleiner und
schwand zu einem Bettpfosten zusammen.
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