Читать книгу Ein Atelier in der Provence - Charlott Ruth Kott - Страница 10
Erinnerung an St. Esprit
Оглавление1991 – Seit einigen Wochen streifte ich täglich zum Malen durch die Lande. Wie immer mit Rucksack, Mappe und Malhöckerchen. Wenn ich am Morgen in die Landschaft lief, wusste ich oft nicht, wie lang sich der Weg bis zum Motiv erstreckte. Es sei denn, dass ich den Ort oder die bestimmte Stelle kannte. So war ich erfreut, als Gevehard im Atelier eintraf. Wir kannten uns aus vorherigen Aufenthalten. Seinen Vorschlag, mit Hans und mir zu einem Konzert in die Chartreuse de Valbonne zu fahren, nahm ich erfreut an.
Wir fuhren mit seinem Auto von Séguret aus in die Richtung St. Cécile und Bollène nach Pont St. Esprit. Weiter über die Rhône-Brücke in Richtung Ardèche. Erster Halt in St. Esprit.
Von den wunderschönen, jedoch sehr verfallenen Renaissance-Häusern mit den großen Freitreppen waren wir beeindruckt. Wir gingen staunend auf und ab und fotografierten die prunkvollen Gebäude und uns gegenseitig.
Meine Kollegen wollten unbedingt sofort zeichnen. Wie oft praktiziert, trennten wir uns für einige Stunden.
Ich war wie immer beim Erkunden neuer Landschaften und den Orten erfüllt vom Sehen, Aufnehmen und Einatmen der Atmosphäre, dass ich allein ging.
Ich spazierte die Treppen auf und ab bis zum Ufer der Rhône. Trotz der Mittagshitze war es am Wasser nicht zu heiß. Die Füße im warmen Sand, träumend konnte ich die Seele sprechen lassen. Kein Mensch war in der Nähe und störte meine Gedanken, diese gingen auch zurück in die Vergangenheit, erinnerten mich an meine große Liebe. Versunken nahm ich Stift und Papier zur Hand, das Gedicht, es schrieb sich von allein. Liebe ist der Titel.
Danach traf ich die Malkollegen, wir fuhren weiter. Noch Mittagshitze, gleißendes Licht und wenig Wind waren unsere Begleiter. Leise zitterten die Pappeln am Weg. Silbrig ihre Farben, Monet-Pappeln! Üppige Weinfelder, Rosenbüsche in der ersten Reihe leuchten auf. Der Fahrer des Wagens fuhr langsam, auch er genoss die einmalige Landschaft der Provence im Frühling. Grün, grau und rosé bis violett zeigte sich die Natur.
Es ist ein diffuses Licht, das Licht der Provence.
Valbonne liegt in einem Tal. Die Fahrt geht bergauf und bergab durch ein Waldgebiet. Gegen sechzehn Uhr haben wir unser Ziel erreicht, da das Konzert erst um zwanzig Uhr beginnen soll, haben wir Zeit, uns umzusehen.
Zuerst besichtigen wir die Klosteranlage. Im Kloster werden jetzt kranke Menschen beherbergt und betreut. Es gibt verschiedene Therapien für Alkoholiker und andere suchtkranke Menschen. Touristen können das Kloster zu bestimmten Zeiten besichtigen. Ein Café und Werkstätten befinden sich auf dem Gelände.
Voll Erwartung und Vorfreude auf das Konzert suchen wir einen geeigneten Platz zum Malen. Ich setze mich an den Rand eines riesigen Lavendelfeldes unter einen Maronenbaum. Der Lavendel ist noch nicht aufgeblüht, nur ein wenig Rosa und Blau ist zu sehen.
Es entsteht eine farbige Zeichnung der Landschaft. Später sah ich, dass Hans Hess mich bei der Arbeit gezeichnet hatte.
Es wird Abend, wir setzen uns unter die alten, mächtigen Bäume in den Klosterhof und breiten ein großes, farbiges Tuch aus. Das mitgebrachte Abendessen mit reichlich Rotwein aus der Vaucluse ist ein Genuss!
Später nehmen wir unter alten, riesigen Kastanienbäumen die Konzertplätze ein. Hunderte von Gästen finden in den Stuhlreihen einen Sitzplatz. Fast ohne Dämmerung wird es plötzlich dunkel. Doch schon nach einigen Minuten hat sich das Auge daran gewöhnt und ich sehe wieder Farben am Himmel. Auch die Chöre aus Nimes und die Interpreten treffen langsam ein.
Es ist still, nur die Rufe einiger Nachtvögel sind zu hören. Im lauen Nachtwind suchen Insekten das Licht der wenigen Lämpchen auf.
Erst um 21 Uhr beginnt das Konzert. Wir hören die Messe von Schubert und zum Schluss das Ave Verum von Mozart.
Lange, lange war es still, bevor der Beifall erklang. Für mich war es das Konzert des Jahres. Nie vordem und nachdem habe ich ein Konzert in dieser Art so intensiv gehört, erlebt und in mich aufgenommen.
Die Atmosphäre unter den großen, alten Bäumen, die stillen Menschen in der Nacht, es war himmlisch. Ein ganz besonderer Zauber, der anhielt, bis wir weit nach Mitternacht wieder in Séguret eintrafen. Tagelang ließ mich das Konzert nicht los.
Noch immer aufgewühlt mit all den Gefühlen und der Liebe in mir malte ich das Bild …
›Erinnerung an die Chartreuse‹
Bizarre Landschaft der Provence
Tuschezeichnung 2015