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Im Chanel-Kostüm zum Schah von Persien

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Eine von den glücklichen und klugen Schönen ist Susanne Speich. Sie startete als brillante Journalistin, heiratete sehr jung ihren Chefredaktor, dies jedoch weniger dank ihrer langen blonden Haare und ihrer strahlenden Augen als wegen ihrer Ausstrahlung, ihrem Charme, ihrem Lebensmut und ihrem Reportertalent. Sie schaffte es sogar, den Schah von Persien zu interviewen, dies in einem perfekt passenden Chanel-Kostüm.

Über sich schreibt sie: »Ich sehe mich selbst nicht als Schönheit, habe mich aber stets bemüht, attraktiv und elegant zu sein und das beruflich weidlich ausgenützt. Als gut aussehende Frau erhält man automatisch den besten Platz und damit die beste Story. Es macht für einen Journalisten auf der Suche nach den Original-Quotes der wichtigsten Anwesenden einen entscheidenden Unterschied, ob man top gestylt am Tisch des CEO sitzt oder als graue Maus am Pressetisch weit hinten. Die Männer sind entgegen der landläufigen Meinung gar nicht scharf darauf, mit der schönen Frau an ihrem Tisch zu flirten oder gar mit ihr ins Bett zu gehen. Sie wollen einfach die Schönste neben sich haben, das befriedigt ihr Ego und sichert ihnen die Aufmerksamkeit und den Neid der anderen Männer.»

Als der Blick seine Chefreporterin zur Krönung des Schahs von Persien schickte, hatte Susanne drei grosse Abendroben, Schmuck, Pelze und Hüte im Gepäck und sass dann bei der grossen Zeremonie im Golestanpalast keine zehn Meter vom Thron entfernt. Als Gastgeschenk überbrachte sie dem Kaiser am Vortag der Krönung im Chanelkostüm mit Hut comme il faut ein Fotoalbum mit Bildern der kaiserlichen Familie beim Skiurlaub in St. Moritz.

Auch Chanel, aber passend zum Anlass in Schwarzweiß, trug Susanne 1967 bei der Reise von Papst Paul VI. in die Schweiz. Susanne flog nach Rom und bestieg dort mit siebzig Medienvertretern die Swissair Spezialmaschine nach Genf. Als das Flugzeug in der Luft war, wurden drei Journalisten zur Privataudienz ins umgebaute Erstklassabteil gebeten: Die Chefredaktoren von Radio Vatikan und dem Corriere della Sera und die Schweizer Reporterin mit keckem Pillbox-Hütchen auf dem blonden Haar und dies knapp fünf Jahre, nachdem der Blick den Vorgänger von Paul VI., Papst Johannes XXIII., drei Tage zu früh als verstorben gemeldet hatte. War auch der Papst nicht gefeit gegen weibliche Reize? Oder verstand er sich auf Mode?

Chanel jedenfalls ist bei Top-Anlässen immer richtig, was mir einst auch die Chefredakteurin der französischen Elle bestätigte. Sie hatte fünfzehn Chanel Kostüme in ihrem Schrank hängen, war mit Coco gut befreundet und zitierte die hochberühmte Designerin: »Ich entwerfe bequeme, tragbare Kleider für Frauen, die arbeiten, nicht für Modepüppchen.»

Nicht mit ihrem Aussehen, jedoch mit einem schlauen Trick schaffte es Starreporterin Susanne in den innersten Zirkel der Trauergäste bei der Abdankung und Beerdigung des ermordeten Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy. «Es gelang mir, bei Pierre Salinger, der die Beerdigungsfeierlichkeiten organisierte, einen jugoslawischen Journalisten auszumanövrieren und erhielt dessen Platz in der siebten Reihe der St. Patricks-Kathedrale in New York und anschliessend an Bord des Zuges, der Bobbys Sarg mit den Trauergästen zur Beisetzung nach Washington fuhr.» An Bord waren der ganze Kennedyclan und halb Hollywood. Susanne hatte Storys auf Wochen hinaus.

Nicht genug mit dem Reportererfolg und dem glorreichen Leben bei den Schönen und Reichen, Susanne wurde früh Mutter einer Tochter, liess sich einige Jahre später scheiden und wechselte schliesslich vom Blick zum Chefredaktoren-Stuhl in der Annabelle. Es schien bestens zu passen. Susanne brachte neuen Wind in die etwas brave Mode- und Hausfrauenzeitschrift, veranstaltete einen Wettbewerb, bei dem es ein Einfamilienhaus zu gewinnen gab, überzeugte die Schweizer Hausfrauen, keine Eier von Käfighühnern zu kaufen, machte eine Kampagne zur Einführung der Fristenlösung und schrieb als Erste von den Schrecken der Mädchenbeschneidung.

Dann ein Ereignis, das auch mich betraf. Die Elle, bei der ich als Chefredaktorin wirkte, wurde an die Annabelle verkauft und der Verlag suchte für die zusammengelegten Zeitschriften eine neue Führung. Ich schlug dem Herausgeber Max Frei eine doppelte Chefredaktion vor: Die schöne Strahlefrau Susanne sollte zuständig sein für Mode, Lifestyle, Society und Sterneküche, ich könnte mit meinem Dr. phil. 1, meinem Einsatz fürs Frauenstimmrecht und meinen kulturellen Interessen einen Hauch von Intellekt ins Blatt bringen. Max Frei aber hatte sich auf seinen Jasskumpel Werner Wollenberger, den populären Feuilletonisten und Cabaretautor, fixiert. Dieser präsentierte sich als von Frauen umschwärmter Star und grosser Macher, garantierte Erfolg, prophezeite zwischen mir und Susanne einen Zickenkrieg, nannte mich eine Emanze und mochte auch Susanne nicht besonders gut leiden. Schön und auch noch gescheit passte nicht in sein Macho-konzept, zudem hatte ihn Susanne ein Jahr zuvor kurzerhand als Annabelle-Kolumnist entlassen, denn er lieferte kaum je termingerecht.

Es kam mit Wolli und mir zu einer kurzen Doppel-Chefredaktion, die nie funktionierte. Schon bald wurde mir ein Brief zugespielt, den Wolli an einen jungen Mitarbeiter geschrieben hatte und in dem es hiess: «Wenn wir die Peter los sind, wird alles besser.»

Um sein Ziel zu erreichen, war dem Witzbold der Nation jedes Mittel recht, auch das Verschwindenlasssen von Texten. So hatte ich einst als Weihnachtsbeitrag vorgesehen, die berühmtesten Festtagsspezialitäten verschiedener Länder vorzustellen und das anhand prominentester Rezepte, also Buche Noel aus dem Elysee-Palast, Turkey aus dem Weissen Haus, Gänsebraten aus dem Kanzleramt in Bonn etc. Die Reaktionen waren positiv, nur der Buckingham Palast bedauerte: Rezepte ihrer Majestät dürften nicht bekannt gemacht werden, doch wir könnten versichert sein, der Christmas-Stollen der Queen wäre nicht anders als der Christmas-Stollen aller Briten. Dann aber geschah es, kurz bevor die Rezepte in Druck gingen, stürmte Wollenberger in die Druckerei, redete von einer Unverschämtheit mit fatalen Konsequenzen und stoppte den Druck. Im Weihnachtsheft stand nur noch eine kleine sinnlose Einleitung.

Nicht weniger hinterlistig war die Reaktion auf mein Interview mit Frau Dr. Aslan in Bukarest. Die rumänische Ärztin war in den Siebzigerjahren bekannt für ihre Verjüngungskuren, berichte von ihren Erfolgen und ihren berühmten Patienten, darunter viele noble Araber, und schenkte mir zum Abschied Shampoo. Wolli konnte die Publikation des Interviews nicht verhindern, erzählte jedoch, ich hätte in Bukarest Heilung von meinem Krebs und meinen Depressionen gesucht und viele Medikamente bekommen. In Wahrheit war ich kerngesund, den Kehlkopfkrebs hatte Wolli, der zwei Jahre später starb. Hat ihn vielleicht die Krankheit unleidig gemacht? Ich weiss es nicht, aber ich weiss nun, was Mobbing anrichten kann.

Unsere Zusammenarbeit endete sehr schnell, ich übernahm die Reiseredaktion der Weltwoche und einiger anderer verlagseigener Zeitungen. Susanne Speich brillierte wieder als Starreporterin und heiratete einen zweiten Mann, diesmal keinen Journalisten, sondern einen Berufsmilitär, mit dem sie eine weitere Tochter bekam. Zudem nutzte sie ihre organisatorischen Fähigkeiten und ihre vielfältigen und guten Beziehungen zum Aufbau einer eigenen Agentur für kulturelle Belange. Das klappt nun schon seit mehr als zwanzig Jahren. Sie gründete ein privates Fernsehen, das sie einige Jahre später zu einem guten Preis verkaufen konnte, veranstaltet Kunstausstellungen im In- und Ausland, betreut Autoren und Galeristen, gestaltet Vernissagen und manches mehr.

Mit dem Glamour der Schönen und Reichen hatte ich wenig Kontakt. Mein Zielpublikum waren Künstler, Galeristen, Reiseveranstalter, Schriftsteller, Politiker, Hoteldirektoren etc., mein Anliegen, Fachauskünfte gemischt mit persönlichen Bekenntnissen zu bekommen. Eine Starreporterin bin ich nie geworden, doch ich konnte öfters mit ehrlichem Interesse, ordentlichem Wissen und vielen Erfahrungen punkten, kurz, ich habe mich auch ohne Dior und Chanel im Pressedschungel recht gut durchgemausert. Selbst drei königliche Hände durfte ich schütteln; die des weltmännischen spanischen Königs in Madrid anlässlich eines grossen Sportanlasses, die des bescheidenen Schwedenkönigs in Stockholm bei einer Tourismus-Promotion und die des legendären Negus in Addis Abeba bei der Einweihung des Hilton. Einen Dress-Code gab es nur in Äthiopien: Die Damen mussten einen weissen Hut tragen. Meiner ruht vielleicht noch immer in einer Prunkvase.

Fazit: Wieviel hat die Schönheit zu Susannes Karriere beigetragen? Ich denke, kaum mehr als zehn Prozent, den Rest machten Susannes sicheres Auftreten, ihr guter Geschmack, ihr Fleiss, ihre Intelligenz und ihr Schreibtalent. Schönheit war für sie nie mehr als ein Accessoire, das man im Beruf geschickt nutzen kann, von dem man jedoch nicht den Märchenprinzen oder andere Wunder erwartet. Auch eine etwas weniger hübsche Susanne hätte ihre Karriere gut gemeistert.

Die Geschichte eines hässlichen Mädchens

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