Читать книгу Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche - Charly Strauss - Страница 5

EINS

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Eine lange, beschwerliche Woche lag hinter Sigurd von Eckbertstein und seinen beiden Weggefährten Bodo von Brauneck und Junker Cassim. An der Spitze einer etwas seltsam anmutenden Gruppe ritten Sigurd und Bodo. Ihnen folgten zu Fuß zwanzig gefesselte Schergen, mit Kapuzen über den Köpfen und an einer langen Leine angebunden. Der Schurke, Ritter Baldowin von Eichenkamp, bildete den Anfang dieser ungewöhnlichen Menschenkette. Cassim ritt zur Sicherung ein Stück weiter hinten. Sie brachten die Gefangenen an den Fürstenhof, um sie dort für ihr verbrecherisches Treiben im sogenannten Zauberwald vom fürstlichen Gericht aburteilen zu lassen.

Die Woche war für die Gefangenen kein Vergnügen gewesen. Auch für Sigurd, Bodo und Cassim nicht. Ständige Wachablösungen seitens der Freunde, während der schon kühl gewordenen Nächte, aufwändige Verpflegungsmöglichkeiten und die Sorge vor Befreiungsversuchen durch die Verbrecher selbst.

Aber nun war es geschafft. Die Küste lag vor ihnen. Nur noch zwei bis drei Stunden und sie wären am Ziel. Vor Sigurd und Bodo fiel ein Steilhang zum Meer hinunter. Die leichte Brandung schob sich mit kräuselnden Wellen den schmalen, steinigen Strand hinauf. In tiefem Blau lag das Nordmeer vor ihnen. Möwen kreisten im Wind, ständig auf der Suche nach Futter, denn gerade zu dieser Jahreszeit waren die Fischbestände äußerst reichhaltig.

Sigurd deutete erleichtert nach vorne. »Dort, jenseits der Bucht, liegt die Fürstenburg!« Im hellen Schein der Sonne spiegelte sich das Bauwerk verzerrt im bewegten Wasser.

Da meldete sich von Eichenkamp. »Ich hoffe, wir rasten vorher noch einmal! Ich spüre meine Füße kaum noch!« Keiner der Freunde verspürte den Drang, ihm zu antworten.

»He«, rief Cassim plötzlich nach vorne. »Seht dort drüben! In der Felsenschlucht liegt ein Schiff. Es ist vom Kiel bis zu den Mastspitzen schwarz angestrichen. Auch die Segel sind schwarz!« Ganz ruhig lag der Zweimaster vor Anker, als wartete er auf etwas Besonderes.

Sigurd wollte Cassim antworten, aber da machte er selbst eine merkwürdige Entdeckung. »Da unten«, drehte er sich Bodo zu. »Das sieht ja so aus, als ob die Männer dort hinter den Felsen am Uferweg auf der Lauer lägen.«

Bodo ritt neben Sigurd und blickte nun ebenfalls überrascht nach unten. »Tatsächlich! Was hat das zu bedeuten?«, rätselte er.

In diesem Moment ertönte ein lärmendes Geräusch. Die Freunde blickten sich fragend an. Da ratterte ein von zwei Pferden gezogener Planwagen heran. Vier Reiter sicherten mit angelegten Rüstungen das Fuhrwerk. Zwei ritten vor dem Gespann, zwei sicherten nach hinten. Jeder trug eine mit einem Wimpel bestückte Fahnenstange.

»Ob die Männer da unten es auf diese Reisenden abgesehen haben?«, überlegte Bodo.

»Hm«, meinte Sigurd kurz. »Es scheint so!«

Cassim trieb sein Pferd mit einem leichten Schenkeldruck nach vorne, um zu schauen, was die Freunde aufhielt.

»Wie dem auch sei«, entschloss sich Sigurd gerade. »Wir müssen die Reisenden warnen!«

»Ich weiß nicht«, zweifelte Bodo. »Wenn die Bewaffneten da unten einen Befehl des Fürsten ausführen?«

Doch Sigurd ließ sich nicht von seinem Entschluss abbringen. »Das glaube ich nicht! Männer des Fürsten würden wohl kaum wie Strauchdiebe auf der Lauer liegen. Außerdem ist auf den Standarten der Reiter das Wappen des Fürsten zu sehen!«

Bodo schüttelte ungläubig den Kopf. »Du musst Adleraugen haben, Sigurd. Ich kann die Wappen noch nicht erkennen!« Angestrengt blickte er nach dem sich rasch nähernden Wagen. »Doch! Jetzt«, bestätigte Bodo. »Du hast recht, Sigurd. Jetzt kann ich die fürstlichen Wappen erkennen.« Die Reiter hatten noch nichts von der bevorstehenden Gefahr bemerkt.

Während die Freunde noch etwas unschlüssig über ihr weiteres Vorgehen waren, wendete sich von Eichenkamp unbemerkt seinen Männern zu. »Passt auf«, raunte er den ihm nahe stehenden Schergen zu. »Das ist unsere Chance!«

Derweil formte Sigurd seine Hände zu einem Trichter und legte sie an seinen Mund. »Hallo«, rief er aus Leibeskräften in die Richtung des bewachten Transportgespanns. »Achtung, Ihr fahrt in einen Hinterhalt.« Der rechte vordere Reiter fuhr erschrocken hoch.

Doch da reagierte von Eichenkamp völlig unverhofft für die Freunde. »Los, Männer!«, gab er den Befehl.

Die ersten Schergen stürmten mit ihm nach vorne und drückten mit ihren Schultern gegen die Hinterteile von Sigurds und Bodos Pferden. Die Tiere sprangen instinktiv nach vorne und stürzten mit den beiden über den Felsenrand. Ein Hilferuf entfuhr Bodo. Doch schon riss es beide im Fallen aus den Sätteln.

Cassim, der im ersten Moment nicht begreifen konnte, was da geschah, zog sein Schwert aus der Scheide. »Das soll euch teuer zu stehen kommen«, flog er förmlich auf die Gefangenen zu.

Doch von Eichenkamp ließ sich davon nicht beeindrucken. »Mit dir werden wir auch noch fertig, junger Mann! Los, das Ganze noch einmal«, rief er seinen Leuten zu.

Nun drängten alle Schergen vor und kreisten den Junker ein. »Hinunter mit dir«, schrie einer wutentbrannt.

Cassim versuchte verzweifelt, sein Pferd herumzureißen. Doch es war zu spät. Mit einem Aufschrei stürzte auch er mit seinem Braunen kopfüber in die Tiefe.

Die verdutzten Reiter in ihren Rüstungen hatten die auf der Lauer liegenden Wegelagerer immer noch nicht bemerkt. Als Sigurd, Bodo und Cassim mit ihren Pferden den Abhang herunterstürzten, konnten sie sich überhaupt keinen Reim darauf machen, was da vor ihnen geschah. Im gleichen Moment rollten und rutschen die Freunde fast vor die Füße der Wegelagerer.

»Was zum Teufel, hat das alles zu bedeuten?«, rief einer verwirrt.

Während von Eichenkamp und seine Schergen inzwischen an einer nicht so steilen Stelle den Abhang hinunterkletterten, gab der Anführer der Wegelagerer den Angriffsbefehl, um überhaupt noch eine überraschende Wirkung erzielen zu können. »Vorwärts!«, brüllte er. »Die drei hier sind außer Gefecht, und die anderen scheinen Gefangene zu sein. Sie sind gefesselt. Von denen haben wir nichts zu befürchten.«

Mit gezogenen Schwertern stürmten sie auf die Reitereskorte zu. Doch die Bewaffneten, die den Planwagen begleiteten, überwanden ihre Überraschung schnell. Sie warfen ihre Wimpelstangen in den Staub und zückten ebenfalls ihre Schwerter. Ein heftiger Kampf entbrannte. Langsam gewannen die Wegelagerer die Oberhand und drängten die Reiter in Richtung des Strandes.

Sigurd und Bodo hatten den Sturz dank ihrer Erfahrung aus vielen gefährlichen Situationen und ihrer erworbenen Geschicklichkeit glücklich überstanden. Es blieb im Moment keine Zeit, nach Cassim zu schauen, der bewusstlos am Boden lag. Die Freunde griffen nun ebenfalls ihre Schwerter und stürmten auf den Kampfplatz. Wie ein Wirbelsturm flogen ihre Waffen durch die Reihen der Wegelagerer.

Schnell merkten die Schurken, dass sie dieser geballten Kampfkraft nicht mehr lange standhalten konnten. »Wir schaffen es nicht. Zurück!«, befahl ihr Anführer.

Da war von Eichenkamp mit seinen Leuten heran. »Nehmt uns die Fesseln ab, wir helfen euch«, rief er den schon fast unterlegenen Männern zu.

Sigurd drehte sich um und bemerkte, was hinter ihm vor sich ging. »Himmel, sie befreien von Eichenkamp und seine Schergen! Das sieht böse aus!« Doch sofort griff er wieder in den Kampf ein. »Brecht mit dem Wagen durch!«, rief er den fremden Rittern zu. »Wir halten die Räuber zurück.«

»Daraus wird nichts«, brüllte der Anführer wütend zurück, und mit einem Schwerthieb durchtrennte er die Zuggurte der Lastpferde, die in wildem Galopp auseinanderstoben.

Da geschah es. Einer der fremden Reiter wurde von einem Schwertstreich getroffen und fiel leblos vom Pferd. Der Kutscher lag bereits tot auf der Erde. Panik überfiel nun einen der anderen Ritter.

»Die Übermacht ist zu groß! Rette sich, wer kann!« Schon wendeten die drei Reiter ihre Pferde und preschten davon.

Sigurd konnte es kaum glauben. »Sie fliehen!«

»Dann sehe ich nicht ein, warum wir für sie unsere Haut zu Markte tragen sollen. Weg von hier, Sigurd!«, rief Bodo durch das Waffengeklirr, während er weiterhin die Räuber abwehrte.

»Aber Cassim …«, wandte Sigurd lautstark ein und schlug einem Feind das Schwert aus der Hand.

Auch Bodo schickte gerade einen Wegelagerer mit der Faust zu Boden. »Dort drüben liegt er. Decke mich ab, Sigurd, ich hole ihn.«

Wie durch ein Wunder waren die Pferde der Freunde ebenfalls unverletzt geblieben und standen schnaubend zusammen. Als Sigurd sah, dass Bodo kurz darauf ihren jungen Kameraden bereits vor sich auf den Sattel seines Braunen gelegt hatte, drängte er die weiterhin auf ihn einstürmende Meute mit einer letzten Kraftanstrengung von sich und rannte, so schnell er konnte, zu seinem Pferd. Mit einem wahren Hechtsprung war er im Sattel, und sofort trieben sie ihre Pferde zu einem schnellen Galopp an.

»Lasst sie laufen!«, stoppte der Anführer seine Kumpane etwas atemlos. »Was wir wollten, haben wir.«

Doch von Eichenkamp war wie besessen. »Nein, nein! Ich muss noch eine persönliche Rechnung mit dem blonden Ritter begleichen.«

Der Anführer legte seine rechte Hand auf von Eichenkamps Schulter. »Dazu ist später noch Zeit. Ihr habt gut gekämpft. Ohne Eure Hilfe wäre der Überfall misslungen. Wer seid Ihr?«

»Ein Mann, der alle Brücken hinter sich abgebrochen hat. Meine Männer und ich sollten vor das fürstliche Gericht gebracht werden. Uns alle erwartet die Todesstrafe«, erklärte sich von Eichenkamp.

»Oh«, bemerkte der Anführer. Ein überraschtes Grinsen überzog sein Gesicht. »Ihr passt zu uns! Ich hoffe, dass unser Kapitän meine Meinung teilt.«

»Ach«, staunte Baldowin von Eichenkamp. »Ihr seid Piraten, und das dort ist euer Schiff?«

»So ist es«, gab der Anführer zurück. »Wenn Ihr wollt … mit uns könnt Ihr reiche Beute machen!«

Von Eichenkamp strahlte mit ihm um die Wette. »Ich schlage ein!«

»Dann kommt! Wir wollen auf hoher See sein, bevor der Fürst Kunde von dem Überfall erhält.«

»Was habt ihr erbeutet?«, fragte Eichenkamp beiläufig.

»Zügelt Eure Neugierde. Wenn der Kapitän es für richtig hält, weiht er Euch bestimmt ein«, bekam er zur Antwort. Der Anführer drehte sich um. »Los, beeilt euch!« Kurz darauf bugsierten vier Männer aus dem Planwagen eine schwere Truhe herunter und trugen sie voran.

Es dauerte eine Weile, bis sie den Ankerplatz erreicht hatten.

»Da ist unser Schiff«, verkündete der Anführer stolz.

»Es sieht unheimlich aus«, antwortete von Eichenkamp etwas bedrückt.

»Das soll es auch! Außerdem ist der Anstrich für nächtliche Überfälle einfach ideal.«

Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche

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