Читать книгу Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche - Charly Strauss - Страница 6

ZWEI

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Sorgenvoll versuchten Sigurd und Bodo, ihren jungen Freund aus der Bewusstlosigkeit wieder in die Realität zurückzuholen. Endlich schlug der Junker seine Augen auf.

»Gott sei Dank«, war Sigurd erleichtert. »Er ist zu sich gekommen!«

Cassim wirkte mit gesenktem Kopf noch sehr benommen. »Was … was ist geschehen?«, stammelte er.

Noch ehe Sigurd antworten konnte, wies Bodo auf das Meer hinaus. »Da, das schwarze Schiff segelt aus der Felsenschlucht!«

Sigurd stand auf, während Cassim sich an die Schläfe fasste und versuchte, ebenfalls wieder auf die Beine zu kommen. Sie blickten zu dem Schiff, das sich auf das offene Meer zu bewegte. Der ablandige Wind fuhr in die Segel und trieb es nun schneller voran.

Sigurd ballte die Fäuste. »Ich möchte wetten, dass von Eichenkamp und seine Schergen mit an Bord gegangen sind!« Die Enttäuschung war Sigurd förmlich anzumerken.

»Bestimmt«, meinte auch Bodo. »Etwas Besseres als dieser Überfall konnte ihm und seiner Bande auch nicht widerfahren. Sie haben ihren Hals gerettet und werden wahrscheinlich eine neue Laufbahn als Seeräuber beginnen!«

»Was nun?«, warf Cassim ein, dessen Lebensgeister langsam wieder zurückkehrten.


»Eigentlich erübrigt sich mit der Flucht von Eichenkamps und seiner Leute unser Besuch beim Fürsten«, überlegte Bodo laut.

»Nein«, antwortete ihm Sigurd bestimmt. »Der Gedanke, dass dieser Schurke jetzt dort an der Reling lehnt und sich über uns schieflacht, bringt mich noch mehr in Wut. Außerdem hat er genug Unheil über die Waldbauern gebracht. Sollen wir tatenlos zusehen, wenn er nun auch noch Schrecken und Tod auf See verbreitet?«

Bodo wusste sich keinen Rat. »Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, Sigurd«, gab er resigniert zurück.

Sigurd löste sich vom Strand und ging auf ihre Pferde zu. »Darüber bin ich anderer Meinung, Bodo! Lasst uns zurückreiten. Wir bergen den toten Ritter und bringen ihn mit dem Wagen zur Burg.«

Sie tasteten noch einmal vorsorglich die Beine ihrer Pferde ab und schwangen sich in die Sättel.

*

Als sich die Freunde ein paar Stunden später der Fürstenburg näherten, kamen ihnen einige bewaffnete Reiter entgegen. Zu ihrer großen Überraschung war einer der geflohenen Ritter unter ihnen. »Das sind die zwei Männer und der Knabe, die Schuld daran sind, dass wir den Überfall der Seeräuber nicht vereiteln konnten, Hauptmann Gerolf«, rief er laut und zeigte auf die Freunde.

»Wie?«, entfuhr es Sigurd, der glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.

»Oh, Hauptmann Gerolf, das sind ja die Ritter Sigurd und Bodo mit ihrem Knappen Cassim«, warf einer der Berittenen ein.

»In gewisser Weise hat der Ritter recht, Hauptmann«, sagte Sigurd, der seine Fassung wiedergewonnen hatte. »Leider sind unsere Gefangenen von den Seeräubern befreit worden, die sie natürlich dann unterstützt haben. Allerdings wäre unser Kampf erfolgreich gewesen, wenn dieser Mann und seine Kameraden nicht geflohen wären, als einer von ihnen fiel.« Hauptmann Gerolf war von Sigurds Aussage überrascht.

»Das ist eine Beleidigung«, warf der fremde Ritter dazwischen.

»Ich wünsche keinen Streit«, stoppte der Hauptmann den Heißsporn. »Von Gefangenen habt Ihr nichts berichtet, Ritter Hagard!«

»Es waren auch keine Gefangenen. Die Männer gehörten zu diesen Rittern!«

»Das ist eine schwere Anschuldigung, Hagard von Stolzenfeld«, ließ sich der Hauptmann nicht aus der Ruhe bringen. »Ritter Sigurd von Eckbertstein, Ritter Bodo von Brauneck und Junker Cassim haben landauf, landab einen tadellosen Ruf.«

Nun war es an Sigurd, der langsam die Geduld verlor. »Und es ist eine völlig haltlose und lächerliche Anschuldigung dazu! Der Ritter und seine beiden Kameraden haben sich dieses Märchen ausgedacht, um ihre Feigheit zu bemänteln!«

»Ah«, rief Hagard wutentbrannt aus. »Zieht blank! Ich will Euch beweisen, wer hier feige ist!«

Jetzt hatte Hauptmann Gerolf genug von diesem Streit und zwängte sich zwischen die beiden Pferde der Streithähne »Halt! Ich dulde keinen Zweikampf! Der Fürst soll entscheiden, was geschehen soll!«

»Vorwärts, zurück zur Burg!« Mit Ritter Hagard und Hauptmann Gerolf an der Spitze, setzte sich die Reiterschar in Bewegung. Sigurd, Bodo und Cassim ritten hinter ihnen, während die Zugtiere mit dem Planwagen folgsam hinter ihnen hertrotteten.

»Junge, Junge. Dieser Hagard ist ja ein schönes Früchtchen«, wandte sich Bodo seinem Freund zu.

»Mir tut er leid«, entgegnete Sigurd. »Er und seine Kameraden können nun nicht mehr zurück. Wenn sie die Wahrheit sagen würden, wären sie erledigt. Sie haben offensichtlich nicht damit gerechnet, dass sie uns jemals wieder begegnen würden.«

Bodo nickte zustimmend. »Wir müssen auf jeden Fall auf der Hut sein. Aus Ritter Hagards Augen leuchtet kalter Hass!«

Schweigend ritten sie weiter. Bodo gab Cassim einen Wink. Der Junker verstand sofort die Geste. Er ließ sich etwas zurückfallen, um das Gespann im Auge zu behalten.

*

Nach einer halben Stunde erreichten sie endlich das vom Meerwasser umgebene stolze Burgschloss des Fürsten.

»Lasst die Zugbrücke herab!«, ertönte die befehlsgewohnte Stimme von Hauptmann Gerolf.

In der Fensteröffnung des Turmwachtzimmers erschien das Gesicht des Wachthabenden. Er nickte, und kurz darauf senkte sich mit kettenklirrendem Geräusch die hölzerne Plattform und bildete nun eine Verbindung zum Land. Auf dem Platz davor streckte eine kleine Kirche ihren Turm in die Höhe. Daran reihten sich auf beiden Seiten die Häuser der dörflichen Gemeinde an. Ein paar Dorfbewohner schauten den Reitern nach, als sie mit dem führerlosen Planwagen über die Zugbrücke in das Innere der Burg ritten.

Kurz darauf befanden sich auch die Freunde im Burghof, auf dem ein reges Treiben herrschte.

»Hier wimmelt es ja von Bewaffneten«, staunte Cassim.

»Du hast wohl vergessen, dass Fürst Friedrich in Fehde mit Fürst Eberhardt liegt«, erinnerte Sigurd ihn.

Im selben Moment verhielt Hauptmann Gerolf und lenkte sein Pferd an ihre Seite. »Ich melde Eure Ankunft unserem Herrn, Ritter Sigurd. Wartet hier im Innenhof.«

Die Freunde stiegen von ihren Pferden und schauten sich das rege Treiben im Burghof an, während sie ihre Pferde zu den Stallungen brachten.

Nach einer Weile kam der Burghauptmann wieder zurück. Zunächst konnte er die Freunde nicht ausfindig machen. Als er aber den Durchgang zum großen und weiträumigen Schlossplatz erreichte, kamen ihm Sigurd, Bodo, und Cassim entgegen. Sigurd schaute ihn erwartungsvoll an.

»Mein Herr glaubt Euch, dass die Männer, die den Kampf für die Seeräuber entschieden haben, Eure Gefangenen waren, Ritter Sigurd!«

»Gut«, entgegnete Sigurd erleichtert. »Führt uns zu Eurem Herrn!«

Der Hauptmann blickte etwas betreten zu Boden. »Das kann ich leider nicht! Mein Herr lässt Euch mitteilen, dass Euer Besuch unerwünscht ist und bittet Euch, die Burg sofort zu verlassen.«

»Aber …«, reagierte Bodo fassungslos.

»Ihr müsst verstehen«, unterbrach ihn Hauptmann Gerolf. »Wenn auch unschuldig, so seid Ihr doch die Ursache für den geglückten Überfall der Seeräuber.«

»Das ist Unsinn«, widersprach Sigurd sofort.

Doch der Hauptmann ließ ihn nicht weiterreden. »Wie dem auch sei, der Fürst ist außer sich, dass der Transport verloren ist. Auf dem Wagen waren die Abgaben seiner Lehnsmänner für ein halbes Jahr. Ein Vermögen!« Er legte seine Hand beruhigend auf Sigurds Schulter. »Mit diesem Geld sollten seine Truppen entlohnt werden! Bitte reitet jetzt! Ich möchte nicht auch noch in Ungnade fallen.«

Sigurd nickte verstehend. »Schon gut, Hauptmann Gerolf!« Er erkannte, dass es sinnlos war, weiter auf ein Gespräch mit Fürst Friederich zu hoffen und zu drängen. Er reichte dem Hauptmann die Hand und wandte sich seinen Freunden zu. »Ihr habt es gehört, lasst uns von hier verschwinden.«

*

Enttäuscht über den Verweis aus der Burg, befanden sich die Freunde kurz darauf wieder in den Gaststallungen am anderen Ende des großen Burghofes. Ohne Worte hatten sie ihre Pferde gesattelt und führten sie aus den Stallungen hinaus. Sigurd drehte sich noch einmal kopfschüttelnd um. Dann gab er seinen Freunden mit einem Kopfnicken das Zeichen zum Aufsteigen. Die Tiere schnaubten und wieherten kurz, als die drei die Zügel locker ließen. Sigurd schnalzte mit der Zunge, und sie ritten über den Platz, erreichten den kleinen Innenhof und setzten im Galopp über die immer noch herabgelassene Zugbrücke.

Nachdem die Freunde die sich anschließende kleine Bogensteinbrücke passiert hatten, fanden sie sich auf dem Dorfplatz wieder. Sie ritten an der Kirche vorbei, als plötzlich ein lauter Ruf hinter ihnen ertönte.

»Nicht so eilig, Ihr Herren!« Es war Ritter Hagard von Stolzenfeld, der mit seinen beiden Begleitern herangeritten kam.

Die Freunde zügelten ihre Pferde. »Wenn Ihr mit uns Händel anfangen wollt, dann rate ich Euch, lieber gleich umzukehren«, stoppte Sigurd die ungestümen Ritter.

Doch Hagard unterbrach ihn sofort lautstark. »Der Fürst hat Euch geglaubt! Wir sind in Ungnade gefallen und mussten die Burg verlassen!«

»Ihr seid des Todes«, drohte nun auch noch einer seiner Begleiter.

Ritter Hagard war mit seiner wütenden Rede noch nicht am Ende und deutete mit seiner linken Hand nach vorne. »Dort hinter der Wegbiegung beginnt Eure Reise in die Ewigkeit!«

Doch damit konnte er Sigurd nicht aus der Ruhe bringen. »Was für große Worte«, sinnierte er.

»Der Ritter war wohl bei einem Schmierentheater, bevor er in die Dienste des Fürsten trat«, gab nun auch noch Cassim etwas vorlaut seinen Beitrag zum Besten. Hagard von Stolzenfeld reagierte nicht auf die Worte des für ihn nicht beachtenswerten Jünglings.

Schließlich ritt die so gegensätzliche Gruppe bis zur von Hagard bezeichneten Wegbiegung hinter dem Dorf. Sie bogen um die Wegkurve und waren somit außer Blickweite von Fürst Friedrichs Burg. Auch hier fiel der Felsen steil zum Meeresstrand hinunter. Nur ein schmaler Weg führte an der Steilwand die Küstenlinie entlang.

Da versperrten Hagard und seine Begleiter mit gezogenen Schwertern den Weg. »Wir sind angelangt. Zieht blank«, forderte Ritter Hagard von Stolzenfeld.

Sigurd zuckte nur mit der Schulter. »Ihr habt es nicht anders gewollt!«

Während Bodo auf dem schmalen Weg, der entlang der Steilküste verlief, ohne zu zögern Hagard angriff, drängten die zwei anderen Ritter mit ihren Pferden Sigurd an den Schluchtenrand. Um sich zu verteidigen, hob Sigurd abwehrend sein Schwert, weil er immer noch nicht einsah, hier und jetzt einen Kampf auf Leben und Tod führen zu müssen, der aus seiner Sicht völlig unnötig war.

Da surrte plötzlich vom oberen Felsenrand ein Pfeil heran, der sich mitten in Sigurds Brust bohrte. Die Waffe glitt aus seiner Hand, und mit einem Aufschrei fiel er rücklings vom Pferd. Ehe er sich‘s versah, stürzte er über den Steilhang hinab ins unruhig gewordene Meer.

Entsetzt und außer sich vor Wut drängte Bodo mit seinem Pferd heran und schlug mit seinem Schwert auf Ritter Hagard ein, der den Hieb jedoch parieren konnte. »Ihr elenden Feiglinge! Nicht einmal im Zweikampf könnt Ihr ehrlich bestehen. Jetzt habt Ihr auch noch einen Meuchelmörder gedungen!«

Auch Cassim wollte seinen Freund Bodo mit erhobenem Schwert unterstützen und ritt mutig hinzu. Wieder entging Ritter Hagard einem wuchtigen Streich von Bodo.

»Nein, nein«, rief Hagard lauthals und strauchelte fast vom Pferd.

»Vorsicht, Ritter Bodo«, rief plötzlich Hagards Mitstreiter, Ritter Udo von Hohenberg, in das Kampfgetümmel hinein.

Bodo schreckte auf, und in diesem Moment sauste ein weiterer Pfeil haarscharf von schräg oben an seiner Brust vorbei.

»Schnell fort von hier!«, beendete Ritter Hagard den Kampf.

Bodo, der für einen Moment starr vor Schreck im Sattel saß, fasste sich wieder und sprang von seinem Pferd. »Fliehe, Cassim! Ich muss wissen, was aus Sigurd geworden ist.«

Der Junker riss schweren Herzens seinen Braunen herum und sprengte auf dem schmalen Felsenweg davon. Die Ritter Hagard von Stolzenfeld, Udo von Hohenberg und Gernot von Giesenhain folgten ihm sofort. Sigurds und Bodos Pferde, sowie das unberittene Pferd des beim Überfall auf den Goldtransport getöteten Ritters aus Hagards Gruppe, galoppierten instinktiv hinterher.

Bodo sprang, ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen, über den Klippenrand. Im letzten Moment konnte er seinen Fall auf einem kleinen Felsvorsprung abfangen und lehnte sich aufatmend gegen die steil abfallende Wand. Da entdeckte er, wie sich Sigurd bemühte, sich auf einen am Rand des Wassers liegenden Felsblock zu ziehen. »Gott sei Dank«, stieß er erleichtert aus. »Sigurd lebt.«

Doch in diesem Moment sah er, dass sein Freund wieder abrutschte und von seinem Kettenhemd unter die Wasseroberfläche gezogen wurde. »Himmel, er geht unter«, durchzuckte ihn ein eisiger Schreck. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stieß er sich von der Felswand ab und sauste mit einem gewagten Kopfsprung dem kühlen Nass entgegen.

Sigurd Großband 2: Laban der Schreckliche

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