Читать книгу Mutig ins Glück - Chiara Boner - Страница 6

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1.Kapitel

Endlich waren Ferien. Ich hatte schon so lange daraufhin gefiebert. Wahrscheinlich wie jeder Schüler. Ich war endlich fertig und die Schullaufbahn würde ab jetzt hinter mir liegen.

Gut gelaunt trat ich auf die Straße. Ein letzter Blick zur Schule hoch, bevor ich mich umdrehte und den anderen Schülern folgte. Bloß raus ins Freie.

Ich warf meine Haare zurück und schloss mein Fahrrad auf. Ich sah einige aus meiner Klasse lachend zusammen zum Bus gehen. Ich würde diese Gruppe nicht vermissen. Generell würde ich nur die Wenigsten vermissen. Klar hatte ich Freundinnen in meiner Klasse und mit denen würde ich auch demnächst in den Urlaub fliegen. Clara und Paulina. Paulina war erst vor einem Jahr in unsere Klasse gewechselt, seitdem waren wir drei unzertrennlich. Wir wollten auf jeden Fall nach Spanien und Italien reisen und hatten schon die Tickets und Hotels gebucht.

Ich schwang mich aufs Rad und musterte die anderen Schüler. Eigentlich jeder hatte ein Lächeln auf den Lippen. Kein Wunder. Sommerferien waren die besten Ferien, wenn man den Schülern meiner Schule Glauben schenken konnte.

„Hey, warte auf uns, Henri!“

Henri war mein Spitzname. Eigentlich hieß ich Henriette, aber da der Name einfach viel zu lang war, nannten mich alle nur Henri.

Manche Lehrer bestanden allerdings darauf, mich bei meinem vollen Namen zu nennen. Paulina und Clara holten mich ein und grinsten.

„Du hast es ja eilig.“

Ich lachte und fuhr mir mit der einen Hand durch die Haare, die andere Hand hielt den Lenker gerade.

„Ihr nicht?“, entgegnete ich.

„Doch, schon. Oh mein Gott, ich bin so froh, endlich raus zu sein.“

Ja, da musste ich ihr zustimmen.

„Jetzt haben wir es ja noch nicht mal geschafft, dich zu verkuppeln“, meinte Clara zu mir. Seit der siebten Klasse war das ihr Ziel, nur war das leider misslungen. Ich hatte jeden abblitzen lassen und zeigte bis jetzt bei keinem der Jungs Interesse.

Clara war selbst Single und genoss es, dennoch hatte sie schon mehrere Beziehungen hinter sich.

Nur Paulina war noch in einer Beziehung, aber irgendwie würde das wohl nicht auf Dauer halten.

Es klingelte und Paulinas Freund tauchte rechts neben mir auf.

„Hey, Mädels, was dagegen, wenn ich euch Paulina entführe?“

Clara schüttelte den Kopf und ich auch. Warum sollten wir?

Ich wusste, dass die beiden ins Kino wollten. Ich gönnte es denen. Beide waren noch so verliebt und glücklich.

„So könntest du auch sein“, neckte mich Clara.

„Ach, ich brauche niemanden.“

Und das war noch nicht mal gelogen.

„Vielleicht lernst du ja im Urlaub jemanden kennen.“

„Würde ja super funktionieren.“

„Besser als gar niemanden zu haben.“

Ich warf ihr einen bösen Blick zu, jedoch wusste sie genau, dass ich es nicht so meinte.

Paulina winkte uns zum Abschied zu und fuhr mit ihrem Freund zusammen weg.

„Fahren wir zu mir oder zu dir?“

Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich aufrecht aufs Rad.

„Wie kann man nur freihändig fahren!“

Clara schüttelte den Kopf.

„Ich würde sofort auf die Nase fliegen.“

„Das wäre ja nichts Neues.“

Wir lachten und ich hielt mein Gesicht gegen die Sonne.

Passend zum letzten Schultag schien sie auch noch.

„Lust auf Stadt?“

„Mhm, wenn es sein muss.“

In der Stadt waren mir eigentlich zu viele Menschen und vor allem, viele kannte man leider, und das hieß grüßen und freundlich sein.

„Nun stell dich doch nicht immer so an!“

Sie warf mir einen Blick zu und zog die Augenbraue hoch. Oh je.

„Tut mir leid.“

„Vielleicht treffen wir dort ja noch welche aus unserer Klasse.“

Oh, bitte nicht. Warum hatte ich nur eingewilligt?

Nein, die Klasse war nicht so schlimm, aber außerhalb der Schule wollte ich am liebsten keinen Kontakt.

Wir bogen in Richtung Stadt ab und ich bereute es sofort, zugesagt zu haben. Stau ohne Ende. Ich fuhr auf den Bürgersteig und wich ein paar Passanten aus. Clara blieb auf der Straße.

Vor einer Eisdiele stellte ich mein Rad ab und schloss es an einen Pfeiler. Ich lehnte mich gegen mein Rad und verschränkte die Arme.

War klar, dass die Fahrt auf der Straße länger dauern würde. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Es war kurz vor zwei und am liebsten wäre ich jetzt schon zuhause gewesen.

Außer Atem kam Clara an.

„Wer hatte nochmal die Idee, in die Stadt zu gehen?“

„Mhm, lass mich mal überlegen.“

Sie schloss ihr Fahrrad an meines an und wir schlenderten los. Meine Hände waren inzwischen in meinen Hosentaschen verschwunden.

Wir trafen unsere Klasse in einem Café am Flussufer. Ich holte mir einen Stuhl und stellte ihn neben Claras, die noch den letzten freien Platz ergattert hatte. Sie schaute mich entschuldigend an. Ich hob die Hände und lächelte. „Oh man, euch beiden werde ich echt vermissen“, meinte Ben.

Er war 1,97 m und somit der Größte aus der Klasse. Seine breiten Schultern und seine braunen Augen und Haare ließen ihm jedes Mädchen um den Hals fallen.

„Wie?“

Ich schaute ihn abwartend an.

Eigentlich hatte ich nie wirklich Kontakt zu ihm gehabt, immer nur Hallo und Tschüss, mehr war da nicht und mehr wollte ich auch nicht.

„Naja, euch gibt es echt nicht einzeln, oder? Schon irgendwie süß.“

Ich verdrehte die Augen und warf meine Haare wieder zurück. Vielleicht sollte ich mir doch einen Zopf machen. Er ließ mich dabei die ganze Zeit nicht aus den Augen.

„Du wärst am liebsten ganz woanders, oder?“

„Tut mir leid, bloß die Klasse bedeutet mir jetzt nicht extrem viel und eigentlich war ich froh, dass ich raus bin.“

„Und trotzdem bist du gekommen, warum?“

„Wegen Clara.“

Jenny mischte sich ins Gespräch ein, sie konnte ich gar nicht ausstehen.

„Oh, wie reizend, nicht wahr, Ben?“

Sie lächelte leicht und klimperte mit den Wimpern.

Ich wäre so froh gewesen, wenn ich sie endlich los wäre.

„Was habt ihr denn so vor?“, fragte Jenny uns.

Konnte sie sich nicht wieder umdrehen? Es interessierte sie doch eh nicht.

Ben schaute uns abwartend an.

„Wir verreisen erst einmal zusammen mit Paulina“, erwiderte Clara.

„Stimmt, fast hätte ich sie vergessen.“

„Und wo wollt ihr hin?“, fragte Ben interessiert.

„Nach Spanien und Italien.“

Clara warf mir einen amüsierten Blick zu und stupste mich mit dem Fuß an.

Das war sowas von klar. Ich spürte mein Handy vibrieren und verdrehte die Augen.

„Da wollte ich auch schon immer mal hin. Vielleicht könntet ihr mir dann Tipps geben, wo ich hinkönnte?“

Clara räusperte sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Ich bin da leider nicht so gut, Henri ist da besser.“

Ben schien sich immer mehr für mich zu interessieren, was mir auch nicht entgangen war- aber leider Sackgasse.

Ich meine, bis auf heute hatte er so gut wie noch nie mit mir geredet, und so super fand ich ihn jetzt auch nicht. Ich stand auf.

„Tut mir leid, ich bin gleich wieder da.“

Ben schien zu verstehen und nickte.

„Alles klar, soll ich dir irgendetwas bestellen? Der Kellner kommt.“

Er zeigte auf einen jungen Mann, allerhöchstens Ende zwanzig mit schwarzen Haaren, die nach hinten zurückgegelt waren; die Ärmel hatte er hochgekrempelt, wobei mehrere Tattoos zum Vorschein kamen.

„Ich würde gerne den hausgemachten Eistee nehmen, danke dir.“

Er nickte und lächelte breit.

„Kein Problem.“

Clara schob ihren Stuhl zurück und folgte mir.

„Was ist denn los? Du flüchtest ja schon wieder.“

„Er ist einfach nicht mein Typ.“

„Und was ist dann dein Typ?“

Ja, das war eine sehr gute Frage. Darauf hatte ich keine Antwort, deswegen zuckte ich nur mit den Schultern.

„Mensch, Henri, jeder aus unserem Jahrgang würde dich jetzt beneiden. Er scheint sich für dich zu interessieren und er ist ja schließlich noch zu haben.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Das wird nichts werden.“

„Am Aussehen kann es nicht liegen.“

„Liegt es auch nicht unbedingt.“

„Und woran dann?“

„Ich weiß es nicht, aber ich will nichts von ihm.“

„Ach, Henri, was soll nur aus dir werden!“

Clara seufzte und ließ sich auf einen Stuhl fallen, der direkt an der Bar stand. Von hier aus konnten wir den Tisch sehen, ohne dass man uns sehen konnte und das verschaffte uns eine kurze Pause von unserer Klasse.

Am späten Abend verabschiedeten wir uns von der Klasse und machten uns auf den Weg zu unseren Rädern.

„Könnte ich bei dir übernachten?“, fragte mich Clara.

„Klar.“

Ich wohnte seit einem halben Jahr allein und ich genoss es. Keiner, der mir mehr Vorschriften machte.

Meine Eltern und ich hatten uns nur noch gestritten; klar, dass war nicht gerade selten. Meine Eltern wollten mir alles vorschreiben und hatten schon das perfekte Bild von mir im Kopf, aber ich spielte nicht mit. Tja, so lief das Leben manchmal. Jedenfalls hatte ich die Schule beendet, was meinen Eltern natürlich ganz wichtig gewesen war.

„Und wirst du die Klasse vermissen?“, fragte mich Clara.

„Nö, du etwa?“

„Ja, schon irgendwie.“

Ich schaute sie erstaunt an.

„Nun ja, so ein oder zwei Leute.“

„Vielleicht Ben?“

Sie verdrehte die Augen und trat in die Pedale.

Ich schwang mich aufs Rad und holte sie recht schnell wieder ein. Clara fuhr nie besonders schnell, auch wenn sie zu spät kommen würde.

„Ich freue mich schon so darauf, wenn wir weg sind.“

Ich nickte zustimmend.

„Oh ja, kann ich sehr gut verstehen.“

„Ich meine hallo? Wir fliegen nach Spanien!“

Clara strahlte über das ganze Gesicht.

Ein paar Tage mussten wir uns noch gedulden, es waren auch nur noch drei. Irgendwie war ich auch aufgeregt. Das erste Mal nur mit Clara und Paulina unterwegs zu sein.

Beide hatten so rein gar keinen Orientierungssinn, ich leider fast ebenso wenig, aber gut, wir würden das schon schaffen.

Hoffentlich würde ich dort jedenfalls von Claras Verkupplungsversuchen verschont bleiben.

Auch wenn das sehr unwahrscheinlich war.

Mutig ins Glück

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