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Christopher

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»Harvey’s«. Die Lieblingskneipe von Christopher und seinen Kommilitonen Marc und Larissa. Ihr Stammplatz war links am Fenster vor der Backsteinmauer. Wer zuerst kam, konnte den besten Platz an dem runden Tischchen ergattern: Mit dem Rücken zur Wand sitzend konnte man einerseits durchs Panoramafenster die Leute beobachten, die draußen auf dem Gehweg entlangeilten. Außerdem hatte man das ganze Lokal im Blickfeld. Man sah, wer den Laden betrat und konnte alle Gäste beobachten. Und zu sehen gab es eigentlich immer was. Wer später kam, musste auf einem der beiden anderen Stühle Platz nehmen – mit Blick zur Wand und dem Rücken zum restlichen Lokal. Da blieb dann nur noch der Blick aus dem Fenster, doch wenn Dauerregen die Menschen von den Straßen trieb, konnte man nur noch seinen ein bis zwei Gesprächspartnern am Tisch ins Gesicht schauen.

Christopher war diesmal der Erste. Marc und Larissa waren noch im Seminar bei Prof. Fujara. Es ging um die mittlere bis niedere Liebesdichtung des Barock, wenn er sich recht erinnerte. Nichts für ihn. Er hatte sich, im Gegensatz zu seinen Kommilitonen, eher auf die Gegenwartsliteratur fokussiert. Ihn fesselte vielmehr, was die Menschen, die hier und jetzt auf den Straßen da draußen unterwegs waren, beschäftigte, was sie in ihren Bann zog, was sie anmachte.

»Aber erotische Literatur hat doch nicht erst im 21. Jahrhundert begonnen«, hatte Larissa ihn einst gescholten, »denk doch zum Beispiel mal an das Hohelied Salomos

»Jaja,« hatte Christopher abgewinkt, »schon klar. Aber diese blumige Sprache ist doch nun wirklich verstaubt.«

»Ach, Du hast einfach keinen Sinn für wohlgeformte Sprache und Verskunst!«

»Du willst mir doch nicht weismachen, dass – wenn’s nun mal echt zur Sache geht – die Liebenden einander zuhauchen: ›Oh mein Geliebter! Mögest Du meine Rose Kraft deiner innigen Zuneigung zum Erblühen bringen!‹ ... oder so?«

Darauf wusste Larissa nun auch nichts zu sagen. Christopher musste grinsen, als er an diesen Wortwechsel zurückdachte. Larissa hatte sich verlegen auf die Unterlippe gebissen. Er konnte an ihren Augen ablesen, dass ihr gerade ganz andere »Vokabeln« durch den Kopf gingen. Triumphierend hatte Christopher nachgesetzt: »Gib doch zu, dass Dirty-Talking dich im passenden Moment auch richtig anmacht.«

»Okay, hast recht«, gab sei kleinlaut zu.

In diesem Augenblick hätte er wirklich zu gerne versucht, ihr zu entlocken, welche Worte seine hübsche Kommilitonin so richtig anheizen konnten, wenn sie bereits glühte. Doch sie waren nicht mehr in der Lage gewesen, das Gespräch fortzusetzen, weil Larissa dringend weg musste. So behauptete sie jedenfalls.

Die Lokaltür öffnete sich und Marc trat ein. Christopher winkte ihm von seinem Platz aus mit seinem Bier in der Hand zu. Marc war ein blonder Athlet, dem man eher ein Sportstudium zugetraut hätte, als Germanistik und Amerikanistik. Zugegeben, etwas Amerikanisches hatte er durchaus. Blond, dunkler Teint, perfekt weiße Zähne und in seinem Wesen immer der gut gelaunte Sonnyboy. Sein Markenzeichen waren seine Grübchen und seine himmelblauen Augen. Er war der Typ, der auf Partys immer eine ganze Traube von Mädels um sich scharte. Marc hatte es immer verstanden, mit seiner charmanten zurückhaltenden Art unheimlich anziehend auf das andere (und manchmal auch auf das gleiche) Geschlecht zu wirken; er ließ sie einfach zu sich kommen und brauchte gar nicht auf Anmachtour zu gehen. Er war es, der in der Mensa, nach Vorlesungen und natürlich in Kneipen und auf Partys von den Ladys angesprochen wurde, teilweise wenig subtil und mit sehr eindeutigen Absichten. Und wer zu schüchtern war, mit ihm zu reden, bewunderte aus der Ferne seinen Knackarsch.

»Larissa kommt auch gleich. Sie musste es natürlich wieder mal genau wissen und hat am Schluss noch den Prof mit irgendwelchen Fragen festgehalten.« Christopher nippte mit rollenden Augen an seinem Bier. Larissa war ein guter Kumpel und hübsch anzuschauen obendrein. Aber ihr Eifer in Sachen Literaturwissenschaft war manchmal schon ermüdend, selbst für die Dozenten.

»Was gibt’s denn so Besonderes, das Du so verheißungsvoll in deiner SMS angekündigt hast?«, wollte Marc wissen.

»Warte noch, bis – ah, da ist sie ja.«

Larissa erschien, etwas außer Atem, in der Tür und kam auf sie zu. Während der Rotschopf strahlend den Raum durchquerte, genossen die beiden wieder einmal ihren Anblick: Ihre Kommilitonin hatte eine wirklich umwerfende Figur. Da sie wie immer mit dem Rad unterwegs war, trug sie eine enge Jeans, die ihre sportlich-schlanken Beine gut zur Geltung brachten. Heute hatte sie ihr weißes Longsleeve mit der Aufschrift »Candygirl« an. Die etwas ausgeleierten die Ärmel jedoch zu den Ellbogen hochgeschoben. Sie hatte vereinzelte kleine Sommersprossen an den Unterarmen (genau genommen fast am ganzen Körper). Marc gefielen besonders ihre Hände. Die Nägel waren immer perfekt gepflegt und mit einem transparenten, hochglänzenden Lack manikürt. Schon oft hatte Marc bei Unterhaltungen die ganze Zeit gedankenverloren auf ihre Hände gestarrt. Er stellte sich vor, wie wunderschön dieser makellosen, schlanken Finger bei einem Handjob aussehen würden. Er malte sich aus, wie sie geschickt und unglaublich sanft sein Glied streicheln würden. Ganz sachte würden die Fingerkuppen sich um seine Vorhaut legen und sie absteifen, um seine pralle Eichel freizulegen. Und mit langsamen und geschmeidigen Bewegungen würden diese wunderschönen Hände seine Vorhaut immer wieder über seine Penisspitze vor- und zurückgleiten lassen. Diese milchweißen Finger mit den Sommersprossen würden dann immer schneller und schneller werden. Ohne es zu wollen, musste er bei dieser Vorstellung immer Grinsen: Glatze – Mütze – Glatze – Mütze –..., dachte er sich.

Manchmal hatte Larissa sein blödes Grinsen bemerkt und gefragt: »Sag mal, hörst Du mir überhaupt zu? Was denkst Du gerade?«

»Och nichts«, antwortete Marc dann lakonisch. Und er schaute ihr unschuldig mit seinen traumblauen Augen zur Abwechslung mal ins Gesicht. »Äh ... ›Wie viel Seiten Anhang?‹ hast Du den Prof gefragt. Erzähl weiter.« Und schon war Marc wieder mit den Augen und Gedanken bei Larissas Fingern. Wie in Zeitlupe sah er innerlich, dass warmes Sperma aus seiner Eichel hervorquoll und diese makellosen Hände so herrlich besudelte. Die Wichse glänzte auf ihren Händen, rann über ihre Knöchel und ihre Handgelenke entlang. Sein Saft kam immer in vielen einzelnen Tropfen, die glänzten wie weiße Perlen – gerade so wie Larissas lackierte Fingernägel.

Ja, das war es. Wann immer Marcs Blick auf Larissas Fingernägel fiel, stellte er sich vor, sie seien wie mit einem dünnen Film Spermas bepinselt. Und deshalb glänzten sie so. Es war eine irre Vorstellung, dass Larissa immer gerade von einem Handjob kommen würde und die Wichse noch auf ihren Fingern glänzte.

»Hi«, sagte sie, immer noch strahlend und ein Wenig nach Luft ringend, als sie bei den beiden am Tisch angekommen war. Und wie auf eine Antwort wartend blieb sie zunächst stehen, statt Platz zu nehmen. Larissa hielt sich immer perfekt gerade, es sah fast so aus, als würde sie stramm stehen. Ihre Oberweite (95 schätze Christopher) ragte den Jungs praktisch herausfordernd auf Augenhöhe entgegen. Beide grinsten sie blöde an.

»Ich freu mich auch dich zu sehen«, sagte Christopher.

»Kalt draußen?«, ergänzte Marc mit hochgezogenen Augenbrauen. Erst jetzt bemerkte Larissa, dass die beiden ihr auf die Titten glotzten. Sie schaute an sich herab und entdeckte, dass ihre Nippel tatsächlich von dem kühlen Wetter draußen hart geworden waren und sich scheinbar durch den Stoff ihres Oberteils zu bohren versuchten. Marc hätte sich nur ein Stück vorbeugen zu brauchen, dann hätte er reinbeißen könnten. Reflexartig hob sie beide Hände und begann, sich mit den flachen Handtellern die Brüste wieder warmzurubbeln.

»Ihr seid doof, wisst ihr das?«, sagte sie in gespielt vorwurfsvollem Ton und setzte sich.

»Also? Was gibt’s denn Neues?« Christopher lächelte vielsagend und blickte zunächst schweigend zwischen den beiden hin und her. Dann zog er eine Zeitung hervor und legte sie auf den Tisch. Eine Anzeige war eingekreist:

»Autor sucht Inspiration« war die fett hervorgehobene Überschrift des Inserats.

Darunter war eine Großaufnahme einer weibliche Brust im Halbprofil. Die Haut war mit kleinen Wassertröpfchen benetzt und glänzte. Der Hintergrund der Aufnahme verschwamm unscharf im Schatten. Es war eine Makroaufnahme mit einem sehr schönen Bokeh, wie geschaffen für ein Cover eines Erotikfilms oder -buchs.

Unter dem Foto war zu lesen: »Junger Autor auf der Suche nach Erfahrungsberichten für erotische Storys. Vertraulichkeit garantiert. Chiffre: BBC-E461«

»Und Du glaubst, das klappt?«, war das Erste, was Marc darauf antwortete. Larissa hatte den Kopf schräg gelegt und ließ die Anzeige, insbesondere das Bild, auf sich wirken.

»Also ich glaub schon, dass da welche mitmachen würden.« Nun war Christopher überrascht. Er hatte es sich eigentlich gerade umgekehrt vorgestellt: Von Marc hatte er spontane Zustimmung erwartet und stattdessen Larissa in der Rolle des Zweiflers gesehen.

»Das denke ich auch. Wenn ich ein erotisches Buch schreibe, das auf wahren Begebenheiten beruht, dann ist das doch erst der richtige Kick.«

»Na, ich weiß nicht. Du denkst, dass jemand seine intimsten Erfahrungen einem Wildfremden unterbreiten würde? Noch dazu, wenn dieser unverhohlen vorhat, die Berichte schriftlich zu verbreiten?«

»Nun, selbstverständlich werde ich einiges abändern. Anderer Ort, andere Namen, doch wenn sich meine ›Romanvorlagen‹ in meinen Geschichten wiedererkennen, hab’ ich die als Leser schon mal gleich auf meiner Seite, denkst Du nicht auch?«

»Und erlaubt ist sowieso, was gefällt«, pflichtete Larissa bei. Wieder so ein Kommentar, der eigentlich gar nicht ihrem Wesen entsprach.

»Und eine Chiffre-Anzeige? Ist das nicht ein bisschen altmodisch?«, fragte Marc. Christopher zuckte die Achseln.

»Eine E-Mail-Adresse kann ich ja auch noch dazu einrichten ... chris-chiffre@gmx.de vielleicht? »Chris Chiffre?« Larissa grinste. »Wie geheimnisvoll.« »Ich kann sie auch larissa-luder@gmx.de nennen ...«

Sie knuffte ihn in den Arm: »Untersteh dich!«

Chiffre

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