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Die Abreise

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„Padre, wir sind soweit!“

„Muy bien, muy bien“, kam es erfreut von Orson. Entweder hatte das mit unserer Pünktlichkeit oder seiner Vorfreude auf die Reise zu tun.

Mit einer Lupe las er irgendwelche Notizen, anschließend wandte er seinen Rollstuhl in unsere Richtung und musterte unsere neue Bekleidung.

„So muss das sein, Señors! Ramon Diaz wird uns demnächst hier abholen und zum Schiff bringen. Señor da Silva, bitte bringen Sie mir die Sonnenbrille von der Anrichte dort drüben und dann sollten wir uns auf den Weg machen. Ich hoffe, ihr seid gut gestärkt, denn jetzt geht es darum, um mich heil die Treppen runterzubringen!“

„Kein Problem Señor“, sagte ich, nicht ahnend, wie schwer der Transport wurde.

„Den Koffer und euer Gepäck holt ihr anschließend!“, dabei sah er mich an und deutete in Richtung Treppe.

Da ich Orson bei einigen Gelegenheiten schon geschoben hatte, fiel mir sofort auf, dass dieser Rollstuhl nicht derselbe war wie der, den ich kannte.

Er war schwerer, massiver, die Holme doppelt ausgelegt und dicker.

Wird der Reiserollstuhl sein , war meine logische gedankliche Erklärung.

„Da Silva, bring mir endlich meine Brille!“

Manolo gab sie ihm und gemeinsam trugen wir Orson die Treppe hinunter. Unten angekommen, keuchte ich so erbärmlich, dass mein Kollege sich Sorgen machte. Orson blieb ungerührt.

Als mir schwarz vor Augen wurde und ich mich hinsetzen musste, kam es lapidar: „Na geht’s noch, oder muss ich mir jemand Neuen suchen?“

Ich winkte schnaufend ab. Manolo zeigte grinsend auf seinen Bizeps, ich erwiderte das mit einer unflätigen Handbewegung. Er ließ seinen Arm sinken und half mir auf. Manolo sprintete die Treppen hoch und holte Orsons Koffer und unsere Taschen. Zeitgleich bog ein weißer Lieferwagen in den Hof ein und bremste vor uns ab.

Ein Mann stieg aus „Buenas tardes Señors“, begrüßte er uns mit freudigen Augen.

„Los Leute, rein mit uns“, befahl unser Arbeitgeber und rollte zur Seitentüre, die ich sofort öffnete. Manolo und der Fahrer hievten ihn hinein. Ich bedankte mich bei Ramon Diaz, der sich grinsend an Orson wandte: „Padre, Sie haben zugelegt, liegt sicher an dem guten Essen?“, dabei wischte er sich den Schweiß von der Stirn.

„Señor Diaz, los jetzt!“, war die karge Antwort.

Die Fahrt verlief zunächst sehr ruhig. Manolo döste den Kopf auf seiner neuen Reisetasche vor sich hin, den Seesack hatte er in der Casa Debrisette gelassen. Ich tat, als ob ich eingenickt wäre. Mir war, als würde Orson mich die ganze Fahrt über anstarren, konnte es aber aufgrund seiner dunklen Sonnenbrille, nicht erkennen.

Kurz vor dem Ziel schnalzte Ramon mit der Zunge und verkündete, dass wir fast da wären.

Beim Aussteigen half er tatkräftig mit, in der Hoffnung ordentlich für die „reibungslose Fahrt“ wie er es nannte, belohnt zu werden. Orson gab ihm etliche Scheine. An Ramons Verbeugung konnte man deuten, dass das Extrageld zu seiner vollen Zufriedenheit ausgefallen war.

Die „Flores“, unser Schiff wurde gerade vertäut, als wir uns zur Landungsbrücke aufmachten.

Ein ordentliches und hoffentlich sicheres Schiff , waren meine ersten Gedanken.

Manolo checkte den Kahn mit zusammengekniffenen Augen, das war seine Art, etwas in Augenschein zu nehmen. Auch für ihn schien alles in Ordnung zu sein, andererseits hatten wir ohnehin keine andere Wahl.

Ein Mitarbeiter kam auf uns zu, um die Tickets zu kontrollieren und einzusammeln. Orson zückte die Abrisse aus der Innentasche seines Sakkos.

Der Mann wollte wissen, ob die Reisepässe in Ordnung seien, dabei sah er uns fragend an. Bevor ich wegen meines bevorstehenden Ablaufdatums in Verlegenheit kommen konnte, fauchte unser Chef: „Was glauben Sie, um was es sich hier eigentlich handelt, den allseits beliebten dumme Buben Ausflug?“

„Nein Señor“, unterbrach der Mann ihn: „Ich wollte Sie auf die strengeren britischen Gesetzte bezüglich der Einreisebestimmungen hinweisen. Außerdem sind wir angehalten, das hier vorab zu kontrollieren, aber so wie es aussieht, geht das in Ordnung“, dabei gaffte er uns alle mit prüfendem Blick an.

Abschließend informierte er uns: „Señors, es wird 30 Minuten dauern, bis die Landungsbrücke freigegeben wird, bitte um etwas Geduld und gute Reise, adios!“

Um uns standen einige Leute, die ebenfalls auf die Abfahrt der Flores zu warten schienen. Der Sprache und ihres Auftretens nach, alles britische Hilfsarbeiter, die die Heimreise antraten. Manolo flüsterte mir ins Ohr, das er nicht eindeutig sagen könne, wer in bedauernswerterem Zustand sei, der in die Jahre gekommene Kahn, oder die angesoffenen Engländer.

Während ich mich mit Orson unterhielt, achtete Manolo mit einer Zigarette im Mundwinkel auf das Gepäck.

Nach verstrichenen 45 Minuten rauschte es endlich aus einem Megafon:

„Passagiere, Passengers der Flores, wir ersuchen Sie, sich zur Abfahrt fertigzumachen!“

Manolo und ich schoben Orson mit vereinten Kräften die leichte Steigung der Landungsbrücke hinauf. Ein Hilfsjunge brachte in der Hoffnung auf Trinkgeld freundlicherweise das Gepäck hinterher. Wir hatten unsere Kabine gleich angrenzend an Orsons. Dieser wollte sich sofort zurückziehen und verweigerte jegliche Unterstützung.

„Señor Romero, bestellen Sie mir etwas zu Essen, aber bloß nichts mit Fisch und eine Flasche Weißwein dazu. Wir sehen uns morgen um acht Uhr, Señor Romero.“

Als ich schon fast aus der Kabine war, rief er: „Was halten Sie eigentlich von Señor da Silva?“

„Was soll ich sagen Padre, ich kenne ihn erst seit ein paar Tagen. Vielleicht etwas kauzig, aber nicht ungut … ist nur meine Meinung, Señor.“

„Vielen Dank, schicken Sie ihn zu mir!“

„Ay ay Señor!“

Als Manolo nach einer halben Stunde wieder in unserer Kabine eintraf, wollte ich wissen, was Orson von ihm gewollt hatte.

„Schieß los Manolo, lass mich nicht dumm sterben!“

Ich merkte sofort, dass er nicht gewillt war, darüber zu sprechen. Vielleicht durfte er es auch nicht?

Nach kurzem Zögern schien Manolo es sich anders überlegt zu haben.

Zögernd berichtete Manolo, dass der Padre ihn für weitere Aufgaben behalten wollte. Er sollte aber niemandem, auch mir nicht davon erzählen. Falls er sich bewähren würde, bekäme er in der Baja California die Chance einer Festanstellung. Orson hätte sein handwerkliches Geschick gelobt und befunden, dass er einem Typen entspräche, der sich nicht unterkriegen lassen würde. Abschließend mutmaßte er, dass er sich das aber erst überlegen würde, zuerst müsste er wissen, was der Padre von ihm erwarten würde. Ich beglückwünschte ihn und er meinte, dass unser Arbeitgeber wahrscheinlich auch noch auf mich zukommen würde. Ich winkte uninteressiert ab.

„Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt in Betracht ziehen würde. Ich meine, in die Baja California zu siedeln und mein Spanien für längere Zeit oder gar immer zu verlassen, da müsste er schon ordentlich was bieten! Außerdem den Alten den ganzen Tag im Rollstuhl zu schieben. … Das ist nicht mein Lebensziel!“

Es war schon eigenartig, warum Orson gerade ihn und nicht mich in seine Kabine geholt hatte.

Ich beendete die Grübeleien, indem ich meinen Partner aufforderte, mit mir an die Bar zu gehen. Ein paar Drinks sollte meine Stimmung wieder richten. An der Bar herrschte reger Betrieb, vor allem waren es die Engländer, die ausgelassen sangen und soffen, wie es eben nur Briten können. Mir wurde die Stimmung sympathisch und ich genoss meinen Rioja in ordentlichen Mengen. Manolo blieb beim Bier deutscher Sorte. Als er sich eine Zigarette anzündete, bot er mir auch eine an, die ich dankend ablehnte.

„Was du rauchst nicht, ist mir noch gar nicht aufgefallen!“, war sein abfälliger Kommentar.

„Ich habe aufgehört, nachdem ich mein morgendliches Hustenritual nicht mehr ertragen konnte. Ist besser, du versuchst es auch, glaub mir, es ist gesünder!“

„Blödsinn Jesus, von irgendetwas muss man ja den Löffel abgeben! Natürlich hast du Recht, diese Schleimauswürfe und die gelb verfärbten Finger sind nichts Angenehmes. Haha“, flachste er.

Ich schaute auf seine Hände, sein steifer Daumen stach mir ins Auge. Da war es wieder … das Gefühl, das ich ihn von früher kannte, oder war es doch nur ein Zufall?

„Manolo, sag wie ist es zu diesem Unfall mit dem Daumen gekommen?“

„Habe ich dir bereits erzählt! Bei den Ordensbrüdern von „La Salle“ ist das passiert, ist schon ewig her!“

„Wann ungefähr war das?“, wollte ich wissen.

„Irgendwann in meiner Schulzeit.“

„Wie alt bist du? Nein, lass mich schätzen!“

Bevor ich meine Schätzung abgeben konnte, kam ein sturzbetrunkener Engländer an die Bar und stellte sich zwischen uns. Er fing an, den Barmann zu beschimpfen, der ihm seinerseits unmissverständlich klar machte, dass es problemloser für ihn wäre, sich in seine Kabine zu begeben. Als Geste des guten Willens würde er ihm dafür die geforderte Flasche Wodka verkaufen.

Der Brite schien über das Angebot nachzudenken und willigte gleich darauf ein. Beim Verlassen der Bar bedachte er Manolo und mich mit verschwommenem Blick.

Er hob die Flasche und sagte mit brüchiger Stimme: „God save the Queen“, dann marschierte er wild gestikulierend in Richtung der Kabinen ab.

Als Manolo sich eine Zigarette anstecken wollte, bemerkte er, dass seine Packung verschwunden war. Er blickte suchend zum Boden und griff in seine Hosentasche.

„Der Kerl hat meine Zigaretten gestohlen, das darf doch nicht wahr sein!“

Ich bestätigte seinen Verdacht und musste dabei leicht schmunzeln.

“Von wegen God save the Queen“, fluchte Manolo.

Gegen 22 Uhr gingen wir gut versorgt in unsere Kabine. Ohne große Worte zu verlieren, legten wir uns rasch ins Bett. Gegen zwei Uhr 30 wurde ich von einem seltsamen Laut, den ich zunächst nicht zuordnen konnte, wach. Meine Vermutung war, dass es von dem maroden Kutter selbst kam, aber dann fiel mir wieder das quietschende Geräusch in Orsons Zimmer 112 ein. Es war dasselbe Gequietsche, das von den Rädern seines Rollstuhles aus ging.

Nur, was wollte er so spät in der Nacht, schlief er etwa schlecht? Er wird die Toilette aufsuchen , erklärte ich mir und maß ich dem Ganzen keine weitere Bedeutung bei. Ferner wollte ich Manolos Schnarchen nicht unterbrechen und von nebenan war nichts mehr zu hören.

Am nächsten Morgen stürmte mein Partner wild aufgeregt in unsere Kabine.

„Jesus, Jesus der Padre ist weg! Ich sollte ihn um acht wecken! Ich war schon überall, keiner hat ihn gesehen!“

„Jetzt beruhige dich erst, das wird sich sicher gleich aufklären“, wollte ich ihn beschwichtigen.

Mir fiel das Ereignis der letzten Nacht wieder ein. Jetzt war auch ich hellwach und unsicher, was da auf uns zukommen würde.

„Wo sollte er denn hin in seinem Rollstuhl, weit kommt er damit jedenfalls nicht, oder?“, Manolo zuckte nur ratlos mit den Schultern.

Ich berichtete von den Geräuschen der letzten Nacht. Daraufhin beschlossen wir in Orsons Kabine zu gehen.

Manolo kratzte sich am Kopf.

Die Kabine sah unbenützt aus und sein Koffer war weg! Viele Möglichkeiten gab es nicht mehr, denn Manolo hatte im Speisesaal und auch in der Bar, die allerdings geschlossen war, nachgesehen. Da der Kahn nicht sehr groß war, sahen wir die Chance ihn zu finden verschwindend gering. Wir beschlossen zum Kapitän zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten. Gerade als wir Orsons Kabine verlassen wollten, kam dieser den Gang entlang.

„Da sind Sie ja meine Herren, ich wollte gerade zu Ihnen. Ein Mitarbeiter hat mir erzählt, dass Sie den Mann im Rollstuhl, der mit Ihnen reist, vermissen, stimmt das?“

„Ja das stimmt!“

„Wer sind Sie beide?“

„Ich bin Manolo da Silva und das ist mein Partner Jesus Romero!“

„Wie ist der Name des Mannes, der vermisst wird?“

„Keine Ahnung, wir sollten ihn nur Padre nennen“, antwortete ich dem Kapitän.

Ich sah verdutzt zu Manolo, der sich ebenso verwundert gab, dass der Schiffsführer scheinbar keine Passagierliste hatte.

„Haben Sie keine Unterlagen über die Mitreisenden?“, fragte Manolo fordernd in das grimmige, vernarbte Gesicht des Kapitäns.

„Hey, nicht frech werden!“, schnauzte dieser erbost zurück.

“Das hier ist nicht die Queen Elisabeth!“

Der Kapitän befragte uns, in welcher Beziehung wir zu dem Padre stehen würden und was der Grund der Reise sei. Abschließend erklärte er, dass er das Schiff von seinen Leuten nochmals durchsuchen ließe, falls der Vermisste nicht gefunden würde, müsse er einen Funkspruch an die Polizei in Southampton

absetzen.

„Wie lange dauert die Überfahrt bis Southampton noch?“, wollte Manolo wissen.

„Ungefähr dreieinhalb Stunden! Bitte haltet euch bereit Señores!“

Als der Kapitän verschwand, wurde uns bewusst, dass wir in der Scheiße steckten, aber andererseits hatten wir uns nichts zu Schulden kommen lassen, beruhigten wir uns gegenseitig. Mit einem Gefühl der Ohnmacht begaben wir uns selbstständig nochmals auf Spurensuche, da die vom Chef des Schiffes angekündigte Suchmannschaft keine großen Ambitionen aufzubringen schien. Manolo und ich fragten uns immer wieder, wer an Bord Interesse haben könnte, Orson verschwinden zu lassen und vor allen Dingen, wie war das passiert?

„Ich sehe das so Jesus, ich meine, wenn er nicht mehr auf dem Schiff ist, dann ist er von Bord gegangen, oder gegangen worden! Ich glaube, er ist nicht freiwillig weg, das ist für mich klar, was sollte das für einen Sinn machen, ohne uns, seine Betreuer? Dafür sind wir schließlich angeheuert worden!“

„Du hast schon recht Manolo, aber wer lässt einen Mann im Rollstuhl verschwinden? Schafft das eine einzelne Person überhaupt? Orson ist nicht gerade ein Leichtgewicht, wie wir wissen!“

Es warf sich noch eine dringliche Frage auf. Was mit uns passieren würde? Waren wir Verdächtige?

In meinem Kopf schrie es immer wieder: Scheiße!

Wie erwartet, fanden wir bei unserer Suche keine weiteren Spuren von Orson. Unruhig sahen wir unserer Ankunft in Southampton entgegen. Der Kapitän ließ uns von einem Matrosen ausrichten, dass wir in unserer Kabine warten sollten, bis die Behörden eintreffen würden. Die britische Polizei kam in Form von zwei Beamten, mit denen ich die meiste Konversation führte, da Manolo im Gegensatz zu mir, der englischen Sprache nicht mächtig war. Ich erzählte die Geschichte von Anfang an. Die Beamten wurden stutzig, als wir ihnen Orsons Namen nicht nennen konnten. Ich erklärte ihnen, dass das für uns einfach ein interessanter Job gewesen wäre, wo es hieß, keine Fragen zu stellen.

„Finden Sie das normal, den Namen von seinem Arbeitgeber nicht zu wissen?“, legte einer der Beamten ärgerlich nach.

Ich ergänzte meine Erklärung damit, dass so eine Anstellung wie diese, einem wie mir nur recht sein konnte. So hätte ich die Chance, aus einer nie endenwollenden, beschissenen Lebenssituation das Beste zu machen. Die beiden Polizisten waren nicht übermäßig begeistert von meiner Darstellung. Ihre Blicke wanderten argwöhnisch zwischen uns hin und her, während Manolo sichtlich aufgekratzt an seiner Zigarette paffte. Nach der Befragung mussten wir sie in Orsons Kabine begleiten. Sie stöberten herum, fanden aber auch nichts Erhellendes. Danach fuhren wir zum Kommissariat, dort wurde Kontakt mit den spanischen Behörden aufgenommen. Da man über uns nichts Nennenswertes fand und auch nicht über den oder die Auftraggeber des Zeitungsinserates, musste man uns wieder laufen lassen. Wir bedankten uns überschwänglich für die fünfstündige Gastfreundschaft, bei der es weder etwas zu Essen noch zu Trinken gegeben hatte.

Am nächsten Tag verließen wir England wieder, sinnigerweise mit der „Flores“. Manolo freute sich, dass er nun endlich Zeit hätte, seinen Vater, der in der Nähe von Madrid lebte zu besuchen.

„Weißt du Jesus, mein Vater hat im spanischen Bürgerkrieg gekämpft und wurde leider verwundet“.

„Wie schlimm hat es ihn erwischt?“

Manolo erzählte, dass sein Vater auf eine Mine getreten war und dabei drei Finger und fast sein rechtes Bein verloren hätte. Seit dieser Zeit würde er hinken. Ich war ehrlich ergriffen von seiner Erzählung. Da Silva meinte, dass er jetzt sein schlechtes Gewissen beruhigen könnte, indem er seinen alten Herrn besuchen und nach dem Rechten sehen würde. Ich merkte Manolo seine verschwindende Unbekümmertheit an.

Ich schlug ihm auf die Schulter und meinte scherzhaft: „Solange dein Vater keine Zeitungsannonce aufgibt und mit zwei Burschen eine Reise unternimmt, bei der er nicht mehr auftaucht, ist es trotzdem halb so schlimm.“

Grinsend bestätigte er meinen Scherz und schmiss seine letzte, geschnorrte Zigarette auf den Boden. Da er nicht darauf trat, tat ich es vorsorglich, während er mit seinen zu Fäusten geballten Händen auf die Kabinenwand einhämmerte. Ich hätte es ihm gleichtun können.

„Hey komm, beruhig dich wieder“, schrie ich ihn an.

„Schon gut Jesus, ist schon wieder vorbei, aber das war nötig!“

Wir schwiegen beide eine Zeit lang.

„Was hast du jetzt vor?“, unterbrach er die Stille.

„Ich? Keine Ahnung! Das Ganze hätte nett werden können, aber je intensiver ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass mit dem Padre etwas nicht stimmte. Manolo, waren wir wirklich so naiv?“

„Nicht naiv, sondern schlicht und einfach saublöd und genau das war der Grund, warum der Padre uns ausgewählt hat!“

In seiner Stimme lag eine bis dahin nicht gekannte Unsicherheit, die mich verwunderte. Ich hatte Manolo eher als einen grobschlächtigen Kerl eingeschätzt, der nichts und niemanden aus dem Weg gehen würde.

Wir blieben den Rest der Überfahrt in unserer Kabine und holten uns nur ein paar Tapas und eine Flasche Wein. Als wir das Schiff verließen, erwartete uns die Guardia Civil.

„Señores, bitte begleiten Sie uns! Wir müssen noch ein paar Formalitäten klären!“

Zum wiederholten Male schilderten wir die ganze Geschichte. Die Beamten nahmen unsere Aussagen mit einem kleinen Kassettenrekorder auf und ließen uns mit der Auflage, für weitere Befragungen zur Verfügung zu stehen, endlich gehen. Vor der Polizeistation spuckte Manolo verächtlich aus, ich wollte es ihm gleichtun, brachte aber nichts Nennenswertes heraus, was wohl an meinem Durst lag. Wir nahmen unser Gepäck und gingen in das erstbeste Lokal, das sich auf dem Weg zur nächsten Busstation befand. Nach einer Stunde verabschiedeten wir uns voneinander, ohne zu wissen, ob wir uns je wiedersehen würden.

Strasse nach Andalusien

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