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ZWEI

Zombie Inc. Firmenhandbuch

Mitarbeiterersatzleistungen, §8

Nachtodesleistungen

Beitrag und Auszahlung

(Stand: 13.10.41)

Mitarbeiterbeiträge zu den Zombie Inc. (nachstehend «ZI» genannt) Nachtodesleistungen sind VERPFLICHTEND und werden zu einem Satz von 0,05% des jeweiligen Entgelts pro festgelegtem Bezugszeitraum direkt von diesem Entgelt abgezogen. ZI entspricht diesen Mitarbeiterersatzleistungen zu 100%.

ZI wird Ihre zombifizierten Überreste allein auf Firmenkosten bergen und entsorgen. Erben und/oder Abtretungsempfänger von Angestellten erhalten die BIS ZUM TAG DES ZWISCHENFALLS kumulierten Nachtodesleistungen (in Übereinstimmung mit «Wales gegen die Vereinigten Fünf Staaten» ‹27.März 2033›, worin entschieden wurde, dass Nachtodesleistungen NICHT den Wiederbelebten gehören. Daher endet die Akkumulation mit den Ersten Tod.)

Nachtodesleistungen werden zu den folgenden Prozentsätzen und basierend auf den entsprechenden Umständen ausgezahlt:

100% Leistung: (Erben und/oder Abtretungsempfänger) des Angestellten erhalten 100% Nachtodesleistungen, sofern der Angestellte sich einen Biss durch Infizierte während der normalen Erfüllung seiner Pflichten und zugewiesenen Aufgaben in Bezug auf seine genaue Berufsbezeichnung zuzieht.

100% Leistung: (Erben und/oder Abtretungsempfänger) des Angestellten erhalten 100% Nachtodesleistungen sofern der Angestellte sich einen Biss durch Infizierte während der Teilnahme an jeglicher ALS VERPFLICHTEND GEKENNZEICHNETEN Firmenveranstaltung, d.h. berufliche Aus- und Fortbildung (auch inklusive Waffentraining, Übung von Ausweichmanövern, Erkennung Echten Todes), jährliche Geländereinigung, Fachmessen, etc. zuzieht.

80% Leistung: (Erben und/oder Abtretungsempfänger) des Angestellten erhalten 80% Nachtodesleistungen sofern der Angestellte sich einen Biss durch Infizierte während der Teilnahme an jeglicher ALS FREIWILLIG GEKENNZEICHNETEN Firmenveranstaltung, d.h. Picknicks, Zombiejagden, Wohltätigkeitsveranstaltungen, etc. zuzieht.

50% Leistung: (Erben und/oder Abtretungsempfänger) des Angestellten erhalten 50% Nachtodesleistungen, sofern der Angestellte sich einen Biss durch Infizierte während der Teilnahme an JEGLICHER nicht mit seiner Arbeit in Verbindung stehenden und sich außerhalb seiner regulären Schicht abspielenden Aktivität zuzieht.

***

«Sieh dir zum Beispiel den Sterbegeldschwindel an», sagte Carl. Er tippte umständlich und mit zusammengekniffen Augen weitere Informationen ins Tablet. «Mal sehen. Zubehördefekt, aber es gibt kein Kästchen für halb explodierte Halsbänder. Das ist definitiv was Neues. Wir schreiben es in die Kommentare. Zwei Wrangler. Das ist gar nicht so übel, aber wir haben eine Waffe abgefeuert und das wird einige …»

«Was ist der Sterbegeldschwindel?», fragte Dill träge, beinahe wie hypnotisiert. Sie war gebannt von Carls umständlichem Getippe auf dem Tablet. Er war so quälend langsam! Sie hätte das Ding in Sekunden ausgefüllt gehabt. Sie riss ihren Blick mit Mühe weg, und überprüfte die Spiegel und die Umgebung. Die Wrangler waren gegangen, aber das Durcheinander von verdrehtem, zerbrochenem, aufgeschnittenem Zombie blieb. Grauenvoll. Ihr drehte sich in einer Mischung aus Schuldgefühlen und verzögertem Stress der Magen um.

«Die Beiträge sind verpflichtend. Du weißt, dass sie die direkt von deinem Lohn abziehen, ja?» Carl tippte und tippte.

«Ja, aber die Firma zahlt auch ein.»

«Sicher. Sie gleicht sich zu hundert Prozent an. Aber wenn du zu Hause oder beim Einkaufen oder bei allem Möglichen gebissen wirst, dann zahlen sie nur fünfzig Prozent aus.»

«Na ja, das hat Sinn. Wenn ich für die Hälfte des Geldes verantwortlich bin und ZI die andere Hälfte dazu tut, warum sollte ich dann alles bekommen, wenn ich etwas Dummes tue, das mich von einem Zombie gebissen werden lässt, während ich nicht arbeite? ZI ist nicht dafür verantwortlich, was ich mit meiner eigenen Zeit anstelle. Ich bekomme das zurück, was ich einbezahlt habe.» Dill zuckte mit den Schultern und überprüfte die Umgebung abermals. Carl ging ihr ein wenig auf die Nerven. Ihr eigener Vater hatte auch einer Menge Verschwörungstheorien angehangen. Lästig.

«Bestell eine Reinigung», sagte Carl. Er blickte flüchtig zu der Schweinerei hin und dann zurück aufs Tablet. «Ein Cleaner sollte genügen.»

Dill berührte ihr Auge, scannte den Code auf der Blende unter ›Cleaner‹ und rief an. Sobald sie die Verbindung getrennt hatte, kam Carl wieder in Fahrt.

«Lass uns mal auf die Zahlen sehen, okay? Sagen wir, du zahlst zwölf Monate lange jeden Monat zehn ein, das macht einhundertzwanzig im Jahr. Über zehn Jahre hinweg beläuft sich das auf zwölfhundert, richtig?»

Dill nickte. Innerlich seufzte sie. Jetzt geht’s los. Vortragszeit. «Okay, also wer profitiert von dem Geld, während es bei ZI liegt? Wer zieht einen Vorteil aus der Investition?» «ZI, offensichtlich», sagte Dill. Sie bemühte sich, die Ungeduld aus ihrer Stimme heraus zu halten, aber das war nicht leicht. Sie hatte dieses und Ähnliches wieder und wieder von Menschen gehört, die schon vor der Seuche gelebt hatten. Es war, als wollten sie, dass die Welt einfach so weiter lief, wie sie es getan hatte, als sie jünger gewesen waren. «Aber wen interessiert das? ZI muss Geld verdienen, um uns weiterhin anstellen zu können. Sehen Sie das nicht? Wir haben Glück, Carl. Viele Menschen bekommen nicht einmal eine Nachtodesleistung!» Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf, aber insgeheim genoss sie beinahe die Diskussion und die Tatsache, dass sie sie von dem ablenkte, was sie gerade mit diesem Zombie getan hatte. «Außerdem sind die Chancen auf einen Ersten Tod während der Arbeit ziemlich hoch. Also keine Sorge.» «Keine Sorge, ha. Der war gut. Wir arbeiten siebzig Stunden pro Woche!» Dill lächelte. Das war noch etwas, das sie von ihrem Vater gehört hatte. Die berühmte Vierzig-Stunden-Arbeitswoche! Beinahe musste sie lachen. Was zum Henker hatten damals alle mit ihrer zusätzlichen Zeit gemacht? Ihr Vater hatte von seltsamen Dingen erzählt, zum Beispiel, dass die Leute freitags ganz aufgekratzt waren und montags trübsinnig wurden – damals, als die Wochentage noch Namen hatten, in alten Zeiten, als das Konzept der «Woche» überhaupt etwas bedeutet hatte. Jetzt war ein Monat nur die Anzahl der Tage.Jeder Tag war ein Arbeitstag. Na und? Es war besser, als in einem Zweizimmerapartment zusammen mit fünf anderen Leuten herumzusitzen, die man brauchte, um es sich überhaupt leisten zu können! «Was soll's», sagte Dill. «Mir persönlich macht es nichts aus zu arbeiten. Ich bin nicht so faul wie diese Sozialhilfewertmarkenschlampen, die …» Ein mattschwarzer Kombi mit verdunkelten Fenstern und bar jeden Logos oder Verzierungen jeglicher Art glitt in Sicht. «Hab keine Angst», sagte Carl. Sein Tonfall, flach und emotionslos, ließ sie frösteln, weil er implizierte, dass es seiner Meinung nach etwas gab, vor dem sie sich fürchten sollte. «Ich hab keine Angst», sagte sie. «Das sind nur Cleaner. Kein …» Sie schluckte, als sich die Tür des Kombis öffnete und eine Gestalt in einem schwarzen Anzug auftauchte wie eine giftige schwarze Rauchwolke. «… kein Problem.» «M-hm», sagte Carl. Die Figur aus dem Kombi wandte sich dem Gutachterauto zu. Ihr Gesicht war eine konturlose, weiße, leere Scheibe. Dill zog entsetzt die Luft ein. «Hey, wo ist sein …» «Keine Sorge, das ist nur eine Maske. Sie kommen mit jeder Menge dreckigem Mist zusammen. Seine Hände sind auch bedeckt, siehst du? Soweit ich verstehe, ist es ein weißer Overall aus mikrometerdünnem aber undurchdringlichem Material. Der schwarze Anzug darüber ist nur der Schau wegen, genau wie unsere Kakihosen. Bestatter trugen früher Schwarz.» «Undurchdringlich für einen Biss?» «Herrje, schön wär's», sagte Carl. «Nein, undurchdringlich für die Käfer. Keime.» Der Mann lehnte sich wieder in den Kombi. Als er aufstand, saß ein Fedora, so schwarz wie sein Anzug, tief in die Stirn gezogen und wie angegossen auf seinem Kopf. Auf Dill wirkte es bedrohlich, aber sie wusste nicht warum. Entweder war es die Neigung des Huts selbst oder die Schatten, die diese erschuf, aber so oder so war der Cleaner gerade noch ein bisschen albtraumhafter geworden. Er hob eine weiße Hand. Carl winkte zurück. «Warte hier. Und dieses Mal will ich wirklich, dass du wartest, okay?» Dill nickte, unfähig, ihre Augen vom Cleaner zu reißen. Er hatte sich zu der Sauerei beim Kanalrost gedreht. Sein Kopf neigte sich und seine Finger klopften auf seinen Oberschenkel. «Was tut er da?» «Tippen», sagte Carl. «Tippen? Auf seinem Bein?» «Nein, nicht direkt. Er hat Sensoren in den Fingern, entweder in den Handschuhen oder …» Carl schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf, «… oder, na ja, tatsächlich in seinen Fingern. So oder so, er ist direkt mit einem Tablet im Kombi verbunden. Er gibt die Vorfallsdaten ein, ohne sich selbst, seine Kleider, zu kontaminieren. Die wissen nie, woran sie geraten.» Carls Tonfall wurde bewundernd. «Diese Jungs haben das Tippen richtig gut drauf, das ist verdammt sicher. Warte hier.» Die Tür schnappte auf und er war weg. Der Cleaner fuhr damit fort, auf seine Oberschenkel zu klopf-tippen und der Stoff unter seinen Fingerspitzen zitterte, als sei er leer. Dill zitterte auch. Du machst dich selbst wahnsinnig, dachte sie. Das ist nicht der Schwarze Mann. Es ist nur ein Kerl in einem Anzug. Fleisch und Blut, genau wie jeder andere. Entspann dich. Der Cleaner wandte sich Carl zu, als dieser sich näherte, aber auf Dill wirkte es, als sei das ausdruckslose Gesicht auf sie gerichtet. Sie zitterte wieder. Carls Kopf bewegte sich, während er sprach. Er deutete auf das Haus, den Garten, die Zombiesauerei. Der Cleaner schien nicht zu sprechen, aber er war zu weit weg, als dass Dill hätte sehen können, ob sich die Maske über seinem Mund mit dem Atem von Worten bewegte. Dann kam Carl zurückgeeilt. Der Cleaner hatte etwas hervorgeholt, das wie ein metallener Dirigentenstab aussah. Daraus wurden zwei Stäbe; der Cleaner hielt einen in jeder Hand. Sie funkelten im wolkenverhangenen Vormittagslicht. Die Schultern des Cleaners hoben und senkten sich, ehe er die Arme nach oben streckte. Ein Kabel schlängelte sich zum Auto zurück. Was immer die Dinger in seinen Händen waren, sie standen unter Strom. Carl stieg neben Dill ein. Seine Stirn schimmerte leicht vom Schweiß. Er schlug die Beifahrertür unnötig fest zu. «Ich bin froh, dass es nur einer ist», sagte er. Dill öffnete den Mund, um ihn zu fragen, ob er den Zombie oder den Cleaner meinte, aber alle Gedanken stoben aus ihrem Verstand, als der Cleaner sich über seine Arbeit beugte. Die Stäbe in seinen Händen waren eine Art Hochgeschwindigkeitselektromesser; das mussten sie sein. Er begann mit den Beinen des Zombies und setzte zuerst einen Schnitt von der Kniescheibe zum Knöchel an, teilte die Beine in der Mitte entzwei, enthüllte Knochen und verrotteten Knorpel und gräuliches Fleisch. Dann schnitt er von einer Seite zur anderen, würfelte die Beine wie große, weiche Karotten. Ranzige Stücke rieselten von den aufblitzenden Messern und spritzten auf die Straße und auf Maske und Anzug des Cleaners. Die Kaffeesatz/Blutklümpchen-Substanz begann sich anzusammeln wie Treibgut, wo immer die Messer sich befanden. Ein großer Brocken purpurnen Fleisches landete auf der Schulter des Cleaners und bebte nass. Er machte sich an den Rumpf. Dill sah weg, als ihr übel wurde, aber der Messerklang bohrte sich in sie, schien ihre Ohren zu überspringen und direkt in ihrem Gehirn zu kreischen und zu vibrieren. Wie ein Zahnarztbohrer. Sie blickte rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie der Kopf gespalten wurde, wie die Augen auseinander trieben, sich weiteten, um dann wieder gespalten zu werden. Geviertelt und dann geachtelt. Das Heulen der Messer schwoll an, als sie es mit den Schädelknochen zu tun bekamen. Stückchen von Weiß flogen davon und landeten in einem Muster des Irrsinns auf dem schwarzen Anzug des Cleaners. Dill rieb sich mit den Händen über den Mund. «Geht's dir gut? Wird dir schlecht?» Carls Stimme war mitfühlend, aber noch etwas anderes schwang darin mit. Als ob er die Bestätigung von etwas erwartete. Ihrer Schwäche vielleicht. «Mir geht's gut», sagte Dill. Sie lehnte sich zurück und holte tief, langsam und geräuschlos Luft. Ihr würde verdammt noch mal nicht schlecht werden. Sie wollte verdammt sein, wenn das passierte. Sie hatte Schlimmeres gesehen. Herrje, ihr Freund, Denny, spielte ein Spiel namens Breeder, das viel ekelerregender war als das, was der Cleaner da tat. Das Spiel hatte ihren Magen nie zum Brodeln gebracht, hatte ihren Kopf nie schwindlig und leicht werden lassen. Die Messer schalteten sich ab und Dill seufzte vor Erleichterung. Nicht so schlimm. Sie konnte es verkraften. Sie konnte diesen Job machen. Der Cleaner ging um den Kombi herum zu dessen Heck. Er brachte einen langen schwarzen Schlauch zum Vorschein, geriffelt und biegsam, und zog ihn vom Auto zu der Zombiesalsa, die er gerade hergestellt hatte. Er klickte etwas an und der Schlauch hüpfte. Dill erkannte das tiefe, brausende Geräusch – der Schlauch gehörte zu einem großen Staubsauger. Der Cleaner richtete die Düse auf den Zombie. Stückchen und Brocken flogen in den Schlauch hinein, schlugen und klopften gegen dessen gesamte Länge. Größere Teile – eine Hand, ein Fuß – begannen die Düse zu verstopfen, und das Brausen ging in ein Kreischen über, während der Staubsauger sich damit abmühte, seine Ladung aufzunehmen. Der Cleaner trat nach dem Schlauch und schüttelte ihn, und die größeren Stücke begannen sich eins nach dem anderen zu überschlagen und im Heck des Autos zu verschwinden. Dann strömte eine Wolke grauen Rauchs von der Oberseite des Kombis. Gestank – eine Mischung aus Barbecue, Fäkalien, Käse und Müll – erreichte Dill wie eine sehr schlechte Nachricht. Sie würgte. Ihre Augen, geweitet und schockiert, suchten Carl. Sein Blick war entschuldigend, aber auch ein bisschen – ein ganz kleines bisschen – amüsiert. «Ich habe vergessen, dir von dem Teil zu erzählen, wo sie sie einkochen.» Der Staubsauger kreischte wie ein Dämon und darunter, irgendwie mit dem Gestank verworren, glaubte Dill den Cleaner lachen zu hören. Sie lehnte sich zur Tür hinaus und übergab sich, betend, dass Carl nach Zombies Ausschau hielt.

***

«Besser?», fragte Carl, als sie sich wieder in den Wagen zog. Er hielt ihr ein Stoffaschentuch unter die Nase.

Sie würgte beinahe wieder, während sie davor zurückschreckte.

«Es ist sauber, herrje», sagte er und schüttelte es.

Sie schob es fort, aber während sie das tat, erhaschte sie den nostalgischen Geruch von Trocknertüchern. Es war sein Ernst gewesen, dass es sauber war. Sie beobachtete mit Bedauern, wie er es zurück in seine Tasche stopfte, und wischte ihren Mund mit dem Kragen ihres Hemdes ab, das nur nach Reinigungschemikalien roch.

Ihre Augen drifteten unfreiwillig zum Cleaner. Er war noch immer am Staubsaugen, aber mittlerweile war ein dünnes Kopfstück am Ende des Schlauches befestigt worden. Er schob es über die letzten Reste von geronnenem Blut, um sie auf und fort zu saugen. Er hob eine Hand, schnippte das purpurfarbene Fleisch von seiner Schulter und fuhr mit dem Staubsauger darüber. Dills Magen wollte revoltieren. Sie atmete tief und gleichmäßig.

«Ich hätte dich warnen sollen», sagte Carl.

Sie lehnte ihren Kopf gegen den Sitz zurück und rollte ihn von einer Seite zur anderen. «Ich glaube nicht, dass es was ausgemacht hätte. Ich glaube nicht, dass man auf so was vorbereitet sein kann.» Sie blickte flüchtig zu Carl. Er sah vom Cleaner zu dem Tablet auf seinem Schoß, in welches er Dinge hinein tippte. «Wieso wusste ich das nicht?»

«Hm? Hör mal, ich hab doch gesagt, es tut mir leid, dass ich es dir nicht erzählt habe.»

«Nein, ich weiß. Ich meine … wieso weiß niemand etwas darüber? Über das Schneiden. Den … den Staubsauger?»

Carl zuckte mit den Schultern, warf einen weiteren Blick zum Cleaner hin und tippte noch etwas. «Vielleicht weil es niemand wirklich wissen will. Wenn man nie hier raus kommt …» er nickte, um auf die Nachbarschaft zu verweisen, «… dann weiß man nicht, was vor sich geht. Die Dinge in den Nachrichten oder in Videospielen zu sehen, ist nicht dasselbe, wie sie direkt mitzubekommen. Die Leben der Menschen sind sehr sauber geworden, im Vergleich zu der Zeit vor der Seuche.» Er zuckte wieder mit den Schultern. «Sogar diejenigen, die hier draußen leben, wollen es nicht sehen. Glaubst du, der Hausbesitzer hat von seinem Fenster aus zugeschaut? Wenn das die alten Zeiten wären und jemand würde, sagen wir mal, einen Baum fällen oder so, dann würde er ihm zusehen. Er würde Bilder machen, um sie seinen Freunden auf der Arbeit zu zeigen, aber manche Dinge …» Carl schüttelte den Kopf und tippte wieder, dann richtete er seinen strengen aber nicht gemeinen Blick auf Dill. «Du willst der Reinigungskraft nicht dabei zusehen, wie sie die Toilette putzt, oder? Du willst nicht sehen, was der Klempner aus dem Abfluss zieht.»

Dill wollte nicht zugeben, dass sie zu arm für eine Reinigungskraft war, obwohl diese staatlich subventioniert wurden; eine Initiative, die die Menschen wieder zum Arbeiten brachte, nachdem so viele Firmen Bankrott gemacht hatten. Eines Tages würde sie eine haben, aber im Moment war sie nur einen Gehaltsscheck davon entfernt, selbst eine Reinigungskraft zu sein. Jedenfalls schrubbte sie ihre eigene Toilette.

Allerdings verstand sie sein Argument.

«Sie haben recht. Man hört von Dingen, den besonders ekelhaften Dingen wie Gliedmaßensammlern und Zombiepornos, und der Verstand geht einfach irgendwie darüber hinweg», sagte sie. «Als ob er selbstständig entscheiden würde, was man wissen sollte und was nicht. Hey, ich frag mich, ob das von einem Implantat kommt oder so?»

«Ha! Wer redet jetzt von Verschwörungstheorien?» Carl schüttelte den Kopf. «Nein. Das war schon immer so, glaub mir. Das ist wie mit den Obdachlosen. In den frühen Zwanzigern hatten wir aufgehört, sie zu sehen. Es gab ganze Gemeinschaften von Zeltmenschen, Tunnelmenschen, Kanalisationsmenschen, aber alle liefen einfach nach dem Motto Soso, welche Obdachlosen? herum, als ob es diese nicht gäbe. Obwohl es schlimmer war, als je zuvor.»

«Mein Dad hat immer davon geredet», sagte Dill. Sie konnte sich kaum vorstellen, nicht in einem zombiesicheren Gebäude zu leben. 2027 war sowohl das Jahr der Seuche als auch das Jahr ihrer Geburt gewesen. Mit sechsundzwanzig hatte sie keine Erinnerung an eine andere Welt.

«Ist dein Vater noch in der Nähe?», fragte Carl. Sein Tonfall war freundlich, aber vorsichtig. Das Konzept einer intakten Familie hatte seit der Seuche zu zerfallen begonnen. Man hörte sehr selten von einer ganzen Kernfamilie, die es geschafft hatte, und die Jahre nach der Plage waren nicht viel besser gewesen. Während sich die Gesellschaft umgestaltete, hatten Unfälle, Krankheiten und Dummheit einen qualvollen Tribut gefordert.

«Er war es, bis ich vierzehn war. Dann war er es nicht mehr.» Ihr Ton war nüchtern. «Ich bin zwei Jahre lang umhergestolpert und bin dann ZI beigetreten. Und dann zog ich in die Innere.»

«Bist du da noch?»

«Ja», sagte sie und diesmal war ihr Tonfall knapp genug, um das Gespräch zu beenden. Sie wollte ihm nicht davon erzählen, wie sie mit fünf Mitbewohnern auf engstem Raum lebte, in zwei Schlafzimmer gepfercht und an einem Badezimmer anstehend. Er lebte wahrscheinlich in einem Reihenhaus in der Äußeren. Vielleicht sogar in einem richtigen Haus. Assessment-Angestellte verdienten genug. Das war einer der Gründe, weshalb sie dorthin wollte, neben dem, was Denny sie zu tun bat, und trotz, dass der Job seine eigene Flut von Gefahren mit sich brachte.

Der Cleaner war mit dem Staubsaugen fertig.

Er wickelte einen anderen Schlauch vom Auto ab und sprühte das Areal mit einem grünen Schaum ein.

«Was ist das?», fragte Dill.

«Der Schaum? Ein Enzym. Es frisst alle, du weißt schon, Stückchen auf, und dann frisst es sich mehr oder weniger selbst auf und voilà! Das Gebiet ist sauber und hygienisch. Sie nennen es Bleiche, obwohl es keine ist.»

«Hm. Das ist eklig. Und cool.«

«Jap. Wie so viele Dinge heutzutage.»

ZOMBIE INC.

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