Читать книгу "Man reise vorzugsweise mit der eigenen Bettdecke" - Christian Eisert - Страница 8

Vorwort

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Es empfiehlt sich für alle Touristen, stets mit der eigenen Bettdecke zu verreisen. Ebenso wenig verzichten sollten Reisende auf einen kleinen Heizlüfter im Gepäck. Und die Notwendigkeit, in Folie eingeschweißte Wurstwaren mitzuführen, liegt wohl auf der Hand.

So würde John Murray (1808–1892), der Erfinder des modernen Reiseführers, wohl heute seine britischen Landsleute auf den Besuch solch exotischer Reiseziele wie Bayern oder Baden-Württemberg vorbereiten. Ein kluger Mann.

Einen Nachdruck der Originalausgaben seiner »Reise-Handbücher« schenkte mir mein guter alter Freund Olaf zu Weihnachten mit der Frage: »’N Vorfahre von dir?« Wie er darauf kommt? Keine Ahnung.

Zugegeben, Nordkorea durchquerte ich vor einigen Jahren trotz ausschließlicher Übernachtung in Hotels mit eigenem Schlafsack. Bei Hunger im Ausland ziehe ich Filialen amerikanischer Fast-Food-Ketten einheimischen Garküchen vor. Was nebenbei dazu führte, dass ich nunmehr in der Lage bin, den Unterschied zwischen einem Pekinger und einem in Casablanca erworbenen Big Mac zu schmecken. Auch weiß ich inzwischen, spanische Sommer lassen eingeschweißte Minisalamis tranig werden, während Kanada die Einfuhr europäischen Schweinefleisches gar nicht erst zulässt.


Fernreisen sind etwas Feines. Ich wünschte nur, sie würden weniger Auslandsaufenthalte erfordern. Oder zumindest weniger Abweichung vom Gewohnten bei Ernährung, Raumtemperatur und Bettenausstattung. So gesehen war Olafs Idee, mir den ersten Deutschland-Reiseführer der Welt zu schenken, keine schlechte. Denn mit dem fremden Blick des Briten Murray auf mein Geburtsland konnte ich eine Auslandsreise im Inland unternehmen. Ich würde Altbekanntes neu betrachten und viel Neues kennenlernen – ich sage nur Bad Sülze, Schrobenhausen, Oberlungwitz! Ich würde Abenteuerchen erleben. Kleine Herausforderungen ohne Lebensgefahr. Lebensgefahr strengt ja nur an.

Beruhigend war es zu wissen, wie die Landesküche schmeckt. Laut Murray fürchterlich!

Und nicht zuletzt ermöglichten die bald 200 Jahre alten Werke eine Zeitreise. Ist das nicht wunderbar?

Ein Vorteil von Reisen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand in der Unmöglichkeit, Anschlusszüge zu verpassen oder gar wegen Streik des Bodenpersonals nicht abheben zu können. Zug und Flug steckten noch in ihren Anfängen. Reisende waren auf Kutschen angewiesen, die zudem den Vorzug besaßen, weder zu explodieren noch abzustürzen. Sie wurden allenfalls von Räubern überfallen, was die Bekanntschaft mit Menschen ermöglichte, die außerhalb der eigenen Filterblase lebten.

Aus all diesen Gründen entschied ich, meine Inlandsauslandszeitreise ebenfalls per Kutsche zu unternehmen. Allerdings nicht von zwei oder vier, sondern von 140 Pferdestärken bewegt. Und doch der schaukligen Kastenförmigkeit der von Murray empfohlenen »Eilwagen« sehr nahekommend: Ich reiste mit einem Wohnmobil. Von Ost nach West, über Südost nach Südwest, in den Mittleren Osten und schließlich ans Kap. Und das alles in Deutschland!

Was klug klingt, erwies sich im Nachhinein als gar nicht so wohlüberlegt, denn es handelte sich um meine erste Reise mit einem Wohnmobil. Ich hätte das vorher üben sollen.




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