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Das Fahrrad

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Alle meine Freunde hatten Eltern, die ein Auto besaßen, manche sogar zwei davon.

Meine Mutter besaß nicht einmal einen Führerschein. Den hatte mein Vater zwar irgendwann in seiner Jugend gemacht, aber er hat nie ein eigenes Auto besessen. Manchmal hat er sich eines ausgeliehen.

Mein Vater besaß nur ein Fahrrad und oft nicht einmal das, weil ihm immer wieder eines gestohlen wurde.

Als ihm das dritte Fahrrad gestohlen worden war, sagte er zum Fahrradhändler: »Ich hätte gerne eines, das mir nicht gestohlen wird.«

Der Händler führte ihn zu einem Fahrrad im hintersten Winkel des Verkaufsraumes, zeigte mit dem Finger darauf und sagte: »Das hier stiehlt Ihnen bestimmt niemand!«

Das Fahrrad, das dort in der Ecke stand, war nicht nur uralt, sondern schrottreif und billig. »Ausgezeichnet!«, rief mein Vater und kaufte das Fahrrad, auf dem großspurig stand: Toscana Sport de Luxe.

Mit Luxus hatte der billige Drahtesel gar nichts zu tun, aber mein Vater war begeistert. Er meinte, das gute Stück sehe so ähnlich aus wie das Fahrrad, das er als Kind gehabt hatte.

Meiner Meinung nach sah es nur alt und schäbig aus, außerdem machte es scheppernde Geräusche, die irgendwie ungesund klangen – in meinen Augen und Ohren war es ein krankes Fahrrad, kurz vor dem Abkratzen.

Noch ein paar Worte über dieses »Prachtexemplar«:

Es war rostig und hatte kein Licht, nicht einmal eine Rückblende. Der Ständer war abgebrochen, er war nur noch ein Stummelständer. Wollte mein Vater das Fahrrad abstellen, musste er es irgendwo anlehnen. Oft lag es am Boden, wenn er zurückkam.

Einmal glaubte er, sein Fahrrad sei schon wieder gestohlen worden, das geliebte Toscana Sport de Luxe, an dem er wirklich sehr hing.

Er war fest davon überzeugt, dass er es vor dem Haus bei einem Verkehrszeichen angekettet hatte, jetzt war es weg.

Das war im Herbst.

Im Frühjahr fand er es wieder.

Es stand zwischen anderen Fahrrädern in der Nähe der U-Bahn-Station, die er oft benützte, und war angekettet. Nur sah es jetzt nach dem langen Winter noch schäbiger aus.

Kein Mensch war auf die Idee gekommen, es zu stehlen.

Mein Vater, der Vogel

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