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Faultiere

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An einem Morgen sagte mein Vater zu meiner Mutter, die gerade auf dem Sprung zur Arbeit war, sein neues Vorbild sei das Faultier.

Schon am Vortag hatte er von einem Forscher erzählt, der jahrelang Faultiere erforscht hatte und darüber ein Buch schreiben wollte. Als der Forscher von seiner monatelangen Forschungsreise nach Hause zurückgekehrt war, hängte er eine Hängematte in seinem Arbeitszimmer auf. In der verbrachte er nun die meiste Zeit. Das Buch, das er schreiben wollte, sollte den Titel haben: Faszination Faultier. Faultiere verstehen.

Seine Frau beschwerte sich über ihn, weil er keinen Finger mehr krumm machte, sondern fast nur noch in der Hängematte lag und Däumchen drehte.

Meine Mutter meinte dazu: »Schönes Vorbild, ich muss schon sagen.«

»Du verstehst Faultiere eben nicht.«

»Ich verstehe«, sagte meine Mutter und seufzte.

Mein Vater zeigte mit dem rechten Zeigefinger zur Zimmerdecke und legte los: »Die chinesischen Weisen haben auch alle das Nichtstun als höchste Form des menschlichen Daseins gepriesen, überhaupt alle Weisen des Morgen- und des Abendlandes und auch die des Mittags- und des Nachmittagslandes …«

»Schluss jetzt!«, unterbrach ihn meine Mutter.

Da zeigte er mit dem linken Zeigefinger auf den ausgestreckten rechten Zeigefinger, der sich jetzt langsam krümmte.

»Da siehst du«, sagte er vorwurfsvoll, »was du angerichtet hast!«

Mein Vater, der Vogel

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