Читать книгу Es war eine berühmte Stadt ... - Christian Klein - Страница 6

Оглавление

vorwort

Auch 200 Jahre nach dem 1816 erschienenen Buch der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm haben Sagen nichts an Anziehungskraft und Popularität verloren. Gerade weil viele dieser „alten Geschichten“ so lebendig sind und das Bewusstsein der Menschen stärker prägen als gelehrte historische Abhandlungen, möchte das vorliegende Buch deren Wirkmächtigkeit einmal an Mainzer Beispielen genauer untersuchen. Dabei werden nicht nur Sagen in den Blick genommen, sondern auch Legenden, handelt es sich doch bei beiden Gattungen um schriftlich tradierte Erzählungen, wobei sich die Legenden nur durch ihre Hauptakteure – die Heiligen – von den Sagen unterscheiden. Neben den Heiligenlegenden zählen dazu Geschichten, die sich um einzelne, mit Mainz auf unterschiedliche Weise verbundene Herrschergestalten und auch Herrscherinnen ranken. Nicht zu vergessen sind die Erzählungen über die Ursprünge und die Gründung der Stadt Mainz. Einer solchen, nämlich der Pilatussage in einer lateinischen Fassung des 12. Jahrhunderts, entstammt im Übrigen das Titelzitat „Es war eine berühmte Stadt“. Einbezogen wurde schließlich auch der bedeutende Mainzer jüdische Sagenkreis. Die ausgewählten Erzählungen spielen alle in der Zeit vor dem Jahr 1100. Bis auf zwei Ausnahmen sind sie im Laufe des Mittelalters entstanden.

Wer jedoch erwartet, in den einzelnen Beiträgen über den „historischen Kern“ dieser Erzählungen aufgeklärt zu werden, muss enttäuscht werden. Denn durch das Entfernen alles „Geheimnisvollen“ lässt sich dieser nicht entdecken. Zwar wird die Historizität der einzelnen Personen, Ereignisse und Monumente, von denen in den Erzählungen die Rede ist, durchaus thematisiert. Das Erkenntnisinteresse wird jedoch nicht von der Frage bestimmt, was an einer Sage oder Legende wahr oder falsch ist. Gezeigt werden soll vielmehr, warum diese Erzählungen im Mittelalter entstanden sind, wie sie im Laufe der Jahrhunderte verändert worden sind und welche Funktionen sie dabei erfüllt haben. Dass sich nicht selten Traditionslinien bis in unsere heutige Zeit ergeben, unterstreicht die Aktualität dieser Erzählungen. So gelesen, erfährt man von ihnen vor allem etwas über die Zeit, in der sie kursierten, und über die Vorstellungen derer, die sie rezipierten und verwendeten. Nach einem vorangestellten zentralen Quellenzitat werden daher in den einzelnen Beiträgen Entstehung, Wandel und Funktion der Sagen und Legenden vom Mittelalter bis in die Gegenwart analysiert.

Für die Idee, sich unter diesem Aspekt mit den Mainzer mittelalterlichen Sagen und Legenden intensiver zu beschäftigen, konnten elf Autorinnen und Autoren gewonnen werden, denen mein großer Dank für ihre Unterstützung und Geduld gilt. In der Mehrzahl handelt es sich um Erstveröffentlichungen; bereits an einem anderen Ort publizierte Beiträge sind für diesen Band entsprechend überarbeitet worden. Dass die Beiträge im „Neuen Jahrbuch für das Bistum Mainz“ einen idealen Erscheinungsort gefunden haben, freut mich ganz besonders. Für die Aufnahme danke ich recht herzlich der Herausgeberin der Reihe, Frau Dr. Barbara Nichtweiß, die zusammen mit Frau Gabriela Hart auch die Arbeit der Endredaktion und des Layouts der Beiträge übernommen hat. Wichtige Unterstützung bei den bibliographischen Korrekturen leistete außerdem Frau Susanne Speth. Last, but not least habe ich den „Rebläusen“ zu danken: In diesem der Mainzer Geschichte verpflichteten Kreis von Theologen, Historikern und Kunstwissenschaftlern, der nun schon seit 75 Jahren existiert, wurde so manches vordiskutiert. Zum Schluss bleibt nur zu wünschen, dass das Buch zum Verständnis von Sagen und Legenden als bedeutendem Phänomen der Mainzer Erinnerungskultur Wesentliches beitragen möge.

Mainz, im Juli 2016

Wolfgang Dobras

Es war eine berühmte Stadt ...

Подняться наверх