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Willensfreiheit und ihre Ausübung

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Wie bereits bemerkt, richtet sich mein primäres Interesse in diesem Buch auf den freien Willen als einer Fähigkeit des Handelnden. Einen freien Willen zu haben, ist also eine Eigenschaft einer Person, einer anderen Entität oder eines Organismus, die oder der sich als Akteur eignet. Sie ist nicht an eine bestimmte Handlung gebunden. Gleichzeitig ist es durchaus sinnvoll, hinsichtlich einer jeden Handlung zu fragen, ob diese Handlung auf den freien Willen des Handelnden zurückzuführen ist. War diese Handlung frei?

Ich werde sagen, dass eine Handlung genau dann „frei ausgeführt“ ist, wenn

•sie eine intentionale Handlung ist, das heißt, wenn sie in geeigneter Weise durch die Intentionen des Handelnden gestützt wird;

•es dem Handelnden möglich ist, anders zu handeln; und

•die Handlung unter der Kontrolle des Handelnden ist.

Die Frage, ob eine bestimmte Handlung diese Eigenschaften hat, ist offensichtlich eine andere als die Frage, ob der betreffende Akteur einen freien Willen qua allgemeiner Fähigkeit hat. Ein Schlafwandelnder mag unter normalen Umständen durchaus einen freien Willen haben und dennoch während des Schlafs unberechenbare Dinge tun, die mit dieser Fähigkeit nichts zu tun haben. Ebenso mag ein Betrunkener nicht länger imstande sein, von seinem freien Willen Gebrauch zu machen, wenn er einmal berauscht ist, obschon er die freie Wahl getroffen hat, die entsprechenden Getränke zu sich zu nehmen.

Wenn wir beweisen wollen, dass man jemanden für etwas, das er oder sie getan hat, verantwortlich machen kann, müssen wir nicht nur wissen, ob die betreffende Person die Fähigkeit eines freien Willens im Allgemeinen hat, sondern ob das, was sie tat, aus der Ausübung dieser Fähigkeit resultierte. Wir müssen insbesondere wissen, ob das, was die Person tat, frei ausgeführt wurde, und zwar in dem durch die obigen Bedingungen charakterisierten Sinn. War es eine intentionale Handlung? Hätte die Person anders handeln können? Hatte sie die Kontrolle über ihre Handlung? Wenn hingegen das, was sie tat, nicht frei ausgeführt wurde, müssen wir wissen, ob der freie Wille der Person zumindest im Vorfeld ihrer Tat präsent war: Gab es beispielsweise zunächst eine freie Entscheidung der Person, sich zu betrinken? Für ihre moralische Verantwortung mag zwar durchaus mehr erforderlich sein (was ihrerseits eine schwierige philosophische Frage ist), aber ich halte die Präsenz des freien Willens irgendwo in der fraglichen Kette von Ereignissen für eine notwendige Bedingung einer markanten Form von moralischer Verantwortung.

Obschon es schwierig sein mag, genau zu sagen, wieviel Willensfreiheit für die moralische Verantwortung erforderlich ist, sollte der grundlegende Gedanke doch klar sein. Die erratische Bewegung des Schlafwandlers zum Beispiel ist als solche keine freie Handlung; genauso wenig ist sein freier Wille in relevanter Weise im Vorfeld seiner Bewegung beteiligt. Deshalb kann er für das, was er beim Schlafwandeln tut, nicht verantwortlich gemacht werden. Falls er dagegen weiß, dass er eine Neigung zum Schlafwandeln hat, und es dazu kommt, dass er während einer solchen Episode jemanden erschießt, können wir ihn dafür verantwortlich halten, dass er keine vernünftigen Vorkehrungen dagegen getroffen hat. Er sollte beispielsweise keine Pistole auf seinem Nachttisch liegen lassen. Ebenso wenig mag die betrunkene Person frei handeln, sobald sie einmal stark berauscht ist, weshalb ihre Autofahrt im betrunkenen Zustand nicht als mit freiem Willen ausgeführt gelten mag. In dem Maße aber, in dem ihre ursprüngliche Entscheidung zu trinken von ihr kontrolliert wurde und sie keine Vorkehrungen dagegen traf, im angetrunkenen Zustand zu fahren (indem sie beispielsweise den Wagen zuhause ließ oder den Autoschlüssel einer anderen Person gab), war ihr freier Wille im Vorfeld dessen, was sie tat, beteiligt, und sie könnte deshalb dafür verantwortlich gemacht werden. Wie die Prozessanwältin Deborah C. England schreibt: „Trunkenheit ist keine Entschuldigung für kriminelles Verhalten, aber sie kann die angetrunkene Person des geistigen Vermögens berauben, diejenige Absicht auszubilden, die rechtlich erforderlich ist, um sie bestimmter Verbrechen für schuldig zu befinden.“ Sie fügt jedoch hinzu: „[S]ofern ein Verbrechen durch rücksichtsloses Verhalten oder Fahrlässigkeit definiert ist, wird Trunkenheit wahrscheinlich kein Verteidigungsgrund sein, weil vorhersehbar ist, dass der Genuss von Alkohol zu rücksichtslosem oder fahrlässigem Verhalten führt.“36

Verantwortung ist selbstverständlich ein kompliziertes Problem (und auf jeden Fall ein anderes Thema), ebenso wie die Zuschreibung von Handlungen: Was genau bedeutet es, dass ein vorliegendes Ereignis oder Verhalten die intentionale Handlung eines bestimmten Akteurs ist?37 Mit diesen Problemen werde ich mich hier nicht im Detail auseinandersetzen können. Meine Anmerkungen sollten aber genügen, um die Unterscheidung zwischen der Willensfreiheit als einer Fähigkeit und der Ausübung dieser Fähigkeit anschaulich herauszustellen.

Warum der freie Wille existiert

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