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Hastenraths Will stöhnte. Mit dem Ärmel seines karierten Baumwollhemdes wischte er sich über die feuchte Stirn. Seine Knochen schmerzten, als er die Küche seines Bauernhofes betrat. Die Arbeit im Stall machte dem Landwirt von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. Wie lange würde er sich noch um seine geliebten Kühe und Schweine kümmern können? Waren die zunehmenden Gelenkschmerzen ein erstes Anzeichen dafür, dass er sich so langsam mit dem Ruhestand würde beschäftigen müssen? Für Will ein unvorstellbarer Gedanke – und dennoch: Einen Nachfolger für den prächtigen Hof gab es nicht. Seine einzige Tochter Sabine hatte einen Computerspezialisten geheiratet, der zwar seine bedingte Tauglichkeit unter Beweis gestellt hatte, als er die Melkmaschine neu programmiert hatte, aber ganz sicher keine Lust hatte, etwas derart aus der Zeit Gefallenes wie einen Bauernhof mit klassischer Tierhaltung zu bewirtschaften. Schon mal gar nicht in seinen gebügelten Bundfaltenjeans und den um den Hals geknoteten Pullovern mit aufgestickten Krokodilen, die er so gerne trug. Will streifte seinen verwaschenen Bundeswehrparka ab und hängte ihn über den Küchenstuhl. Nachdenklich kratzte er sich am Hinterkopf, wobei ihm seine grüne Schirmmütze leicht nach vorne rutschte und den oberen Rand seiner Brille berührte. War er – Hastenraths Will, der erfolgreichste Bauer von ganz Saffelen – etwa auch bereits aus der Zeit gefallen? Unsinn. Männer wie er wurden immer gebraucht. Also verwarf er den Gedanken und goss sich einen frischen Filterkaffee in eine große Keramiktasse mit der Aufschrift „Deuka – das Kraftfutter“. Der Kaffee verströmte im ganzen Raum den herrlichen Duft der Arabicabohne. Er war tiefschwarz und sehr heiß, wie Will bei seinem etwas zu hastigen ersten Schluck feststellen musste. Fluchend wischte er sich die Spritzer vom Hemd. Seine Frau Marlene hatte den Kaffee offensichtlich noch schnell frisch aufgeschüttet, bevor sie mit ihrem neuen Liebling das Haus verlassen hatte. Vor einem halben Jahr hatte Will ihrem Drängen nachgegeben und ihr einen kleinen Jack-Russell-Rüden geschenkt, der auf den verharmlosenden Namen „Knuffi“ hörte. Knuffi war ein typischer Vertreter seiner Rasse: furchtlos, lebhaft und trotz einer Größe von gerade mal 25 Zentimetern mit deutlich zu viel Selbstvertrauen ausgestattet. Letzteres war allerdings auch kein Wunder, schließlich las ihm sein Frauchen jeden Wunsch von den kleinen braunen Knopfaugen ab, vor allem, wenn das dazugehörige Köpfchen schief auf ihrem Oberschenkel lag, während sie am Tisch saß, um zu essen. Hinzu kam, dass die beiden Enkelkinder, Kevin-Marcel und Justin-Dustin, in das neue Familienmitglied ganz vernarrt waren und dessen Abenteuerlust immer wieder aufs Neue anstachelten. Nun, da Marlene mit Knuffi einen Verdauungsspaziergang machte, den der nach dem Frühstück und vielen heimlich vom Tisch gefallenen Wurstresten sicher sehr nötig hatte, hatte Will wenigstens etwas Muße, um seinen Gedanken nachzuhängen.

In den letzten Monaten war sehr viel passiert. Einer seiner wenigen Freunde von auswärts, Hauptkommissar Peter Kleinheinz, der ihm schon bei verschiedenen Kriminalfällen, in denen Will hobbymäßig ermittelt hatte, hilfreich zur Seite gestanden hatte, war doch tatsächlich vor einer Woche in das kleine Dorf Saffelen gezogen. In Wills geliebtes Heimatdorf, in dem er bereits sein ganzes Leben zugebracht hatte und das dem Kommissar bislang aufgrund angeblichen Hinterwäldlertums lediglich als Zielscheibe mehr oder weniger offenen Spotts gedient hatte. Will war allerdings klar, dass es Kleinheinz weder aus Zuneigung zum Landleben noch aufgrund ihrer Männerfreundschaft in den kleinen Ort an der holländischen Grenze verschlagen hatte, sondern schlicht aus Liebe. Und zwar aus Liebe zu Bettina Hebbel, die, und das machte die Sache nicht unbedingt besser, selbst eine Zugezogene war. Vor ein paar Monaten war sie aus Norddeutschland gekommen und hatte eine frei gewordene Stelle als Lehrerin in der Saffelener Grundschule angetreten. Zurzeit richteten sich Peter Kleinheinz und Bettina Hebbel voll überbordenden Glücks ihr neues Heim im Saffelener Neubaugebiet ein. Ausgerechnet im Neubaugebiet, dachte Will. Das stetige Anwachsen dieses neuen Ortsteils war dem streitbaren Ortsvorsteher schon lange ein Dorn im Auge, weil er dadurch die über Jahrhunderte gewachsene Infrastruktur seines Reiches bedroht sah. Aber gegen den Einzug der Moderne war manchmal schwer anzukommen, das musste selbst Will sich hin und wieder eingestehen.

Trotz aller Vorbehalte gegenüber Fremden war sich Will seiner diplomatischen Verpflichtungen als Ortsvorsteher jedoch bewusst. Und so holte er zwei große Präsentkörbe aus der Vorratskammer, die seine Frau bereits üppig mit Landwirtschaftsprodukten aus eigener Herstellung gefüllt hatte. Wills Aufgabe war es nun, sie mit persönlichen Dingen anzureichern, die mit dem Beschenkten in Zusammenhang standen. Der eine Korb war für Peter Kleinheinz bestimmt und der zweite für eine ganz besondere Person, die ebenfalls in den nächsten Tagen nach Saffelen ziehen würde. Streng genommen hätte dieser Person zwar kein Präsentkorb zugestanden, da es sich bei ihr nicht wirklich um einen Neubürger handelte. Doch um seine Freude zu dokumentieren, machte Will in diesem Fall gerne eine Ausnahme, und da er als Ortsvorsteher niemandem Rechenschaft schuldig war, hatte er das einfach so bestimmt. Fredi Jaspers, der verlorene Sohn, kehrte nach fast drei Jahren, die er aus mehr oder weniger privaten Gründen in Berlin verbracht hatte, wieder in seinen Geburtsort zurück. Die genauen Beweggründe hatte Will noch nicht in Erfahrung gebracht. Er wusste lediglich, dass Fredi plante, seine Berliner Lebensgefährtin nachkommen zu lassen, sobald er mit seinem Kumpel Richard Borowka das elterliche Haus renoviert hatte. Nach dem Tod von Fredis Vater im letzten Jahr hatte seine Mutter sich entschieden, zu ihrer ebenfalls verwitweten Schwester nach Uetterath zu ziehen und Fredi das Haus zu überschreiben. Die weiteren Hintergründe würde Will sicher auch noch in Erfahrung bringen, schließlich war er nicht nur ein erfahrener Hobbykriminologe, sondern wusste mit seiner Frau Marlene auch eine der besten Informationsbeschafferinnen des gesamten Dorfes in seinen Reihen.

Mit den persönlichen Dingen für Fredi Jaspers hatte Will überhaupt keine Probleme gehabt, schließlich kannte er den Jungen von Geburt an und wusste alles über dessen Neigungen und Schwächen. Die Überlegungen zu Peter Kleinheinz hingegen waren noch nicht ganz abgeschlossen, da er über die Vorlieben des Kommissars noch nicht allzu viel wusste. Aber auch da würde ihm sicher noch etwas Originelles einfallen. Will nahm zufrieden einen weiteren Schluck Kaffee, der mittlerweile auf ein erträgliches Maß abgekühlt war. Dennoch verschüttete er wieder die Hälfte – diesmal jedoch vor Schreck, weil es an der Haustür klingelte. Der schrille Ton war extralaut eingestellt, damit man ihn über den Hof hinweg bis in den Kuhstall hören konnte. Will zuckte jedes Mal zusammen, wenn er sich im Haus befand. Entsprechend schlecht gelaunt ging er durch den Flur zur Tür. Um diese frühe Zeit klingelte selten jemand, um etwas am Hofverkauf zu erwerben, und wenn, war das etwas, das in Marlenes Aufgabenbereich fiel. Doch die hatte ja auf einmal neue Hobbys, mit denen sie ihre Arbeitszeit verbrachte.

Missmutig riss Will die Tür auf und wollte dem Besucher gerade seine obligatorische Begrüßungsformel „Wer zum Teufel …?“ entgegenschleudern, als er mitten im Satz überrascht abbrach. Vor ihm stand ein Clown. Und zwar ein echter – mit einem runden, geblümten Filzhut auf einer roten Perücke, deren Haare zu allen Seiten abstanden. Er trug ein quietschgelbes T-Shirt und eine sehr weite, karierte Pumphose, die von ebenfalls karierten Hosenträgern gehalten wurde. Darunter steckten rote Socken in übergroßen, abgetragenen schwarzen Schuhen, die bis über die Türschwelle ragten und fast schon im Flur standen. Das Gesicht des Clowns war komplett geschminkt. Während die Augen großflächig weiß umrandet waren, bestand der Mund aus einem einzigen grotesken Dauergrinsen. Um den üppigen roten Lippenstift war ebenfalls eine weiße Fläche aufgemalt, die die Mundwinkel optisch bis auf die Höhe der Wangenknochen hochzog. Die Mitte des Gesichts zierte eine dicke rote Plastiknase, die mit Gummibändern am Kopf befestigt war. Diese Nase zog der Clown nach vorne und setzte sie sich auf die Stirn, bevor er anfing zu sprechen: „Entschuldigen Sie die frühe Störung. Aber ich habe ein Problem.“

Will musterte den Mann von oben bis unten und antwortete: „Ja, das seh ich wohl. Wodrum geht es sich denn? Das eine kann ich Sie aber direkt sagen: Ich habe keine Zeit. Und … Geld schon mal gar nicht.“ Erst jetzt, als der Clown wieder anhob, fiel Will auf, dass das Gesicht unter der aufgemalten Fröhlichkeit sehr ernst und verunsichert wirkte. Auch die Stirn lag in tiefen Falten. Für einen Moment überkam Will ein Hauch von Unbehagen, denn als Kind war er ein großer Zirkusfreund gewesen. Und die Clowns hatten es ihm dabei immer besonders angetan. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er die Haustür nicht schon längst zugeschlagen hatte.

„Mein Name ist Francesco Baldini“, sagte der Clown. „Ich bin der Direktor und zugleich Clown vom Zirkus Baldini. Eigentlich sollten wir nächste Woche in Ihrem Nachbarort Brüggelchen gastieren. Es war auch alles geklärt und besprochen. Die Gemeinde hatte uns eine Wiese zugeteilt und seit gestern sind wir mit dem Aufbau beschäftigt. Unsere Plakate sind aufgehängt, die Stromund Wasseranschlüsse liegen. Aber vor etwa einer Stunde, ich war gerade mitten in der Probe, kommt jemand mit einem amtlichen Schreiben vorbei und teilt uns mit, dass alle Genehmigungen aufgehoben wurden und wir innerhalb von fünf Stunden verschwunden sein müssen.“

Will räusperte sich und fragte nicht gerade freundlich: „Ja, und was wollen Sie jetzt von mir?“ Bevor der Clown antwortete, warf er einen kurzen Seitenblick auf die große eingezäunte Weide neben dem Bauernhof und Will ahnte plötzlich, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. Er sollte dem Wanderzirkus aus der Patsche helfen und ihm am Ende wahrscheinlich auch noch kostenlos seine Wiese zur Verfügung stellen. Und anschließend konnte er dann sehen, wie er den Müll entsorgen sollte. So weit kommt es noch, dachte der Landwirt und umfasste den Türknauf mit entschlossenem Griff.

Dann sagte der Clown: „Der Mann, der uns verjagen will, heißt Willibert Dahmen. Er ist wohl der Ortsvorsteher von Brüggelchen. Und einer der Anwohner hat mir gesagt, ich sollte es deshalb am besten mal bei Ihnen versuchen.“

Hastenraths Will stieg die Zornesröte ins Gesicht. Was für eine Unverschämtheit! Augenblicklich begann seine Halsschlagader zu pochen. Mit kaum unterdrückter Wut in der Stimme brüllte er: „Willibert Dahmen?! Kommen Sie bitte rein. Dann geb ich Sie erst mal ein Kaffee. Sie sehen aus, als könnten Sie einen gebrauchen.“

Clown Pippo, so sein Zirkusname, saß noch immer in voller Montur am Küchentisch und hielt die Kaffeetasse mit beiden Händen fest umklammert. „Die Nächte sind schon noch sehr kalt im Wohnwagen“, sagte er. „Erst heute Morgen mussten ein paar Mitarbeiter losfahren, um neue Gasflaschen zu holen.

Aber was sagten Sie noch, was dieser Willibert Dahmen ist?“

„Ein Arschloch vor dem Herrn“, ereiferte sich Will.

„Nein, das andere, was Sie sagten.“

„Ach so“, Will beruhigte sich wieder ein wenig. „Ja, der Mann arbeitet in der Kreisverwaltung als Dezernent für irgend so ein Quatsch wie ‚Ordnungsamt‘. Auf jeden Fall hält der sich für was Besseres. Wenn wir die alljährliche Versammlung aller Ortsvorsteher haben, ist der ständig am quertreiben. Alles, was ich sag, ist der am kritisieren. Dann kommt der immer mit irgendswelche Verordnungen oder Gesetze um die Ecke. Oder ist davon dran, dass wir für gemeinsame Anschaffungen ordentliche Rechnungsbelege brauchen, statt, dass wir das für kleines Geld unter der Hand machen, wie das normalerweise unter Ehrenleute läuft. Dieser Korinthenkacker hat mich sogar einmal angezeigt wegen Beleidigung. Dabei hatte ich bloß die Wahrheit gesagt.“

„Verstehe.“ Baldini nickte. Zum ersten Mal huschte ein echtes Lächeln über sein aufgemaltes Lächeln. „Mit solchen Typen haben wir ständig zu tun. Sie können sich sicher vorstellen, wie wir Zirkusleute von den Behörden drangsaliert werden. Aber dieser Anwohner, der mir Ihre Adresse gegeben hat, der hat erzählt, dass Ihre Rivalität noch aus der Zeit herrührt, bevor der Mann Ortsvorsteher von Brüggelchen wurde?!“

Will legte die Stirn in Falten und überlegte kurz. „Ach so, das meint der. Das hatte ich schon fast vergessen. Aber stimmt, der Willibert Dahmen hat mich mal vor andere Leute auf das Übelste beleidigt. Das war vor über 20 Jahre. Da standen wir im Supermarkt an der Kasse, da sagt der plötzlich für mich, ich hätte die dickste Frau von ganz Saffelen und ich hätte die bloß wegen der Erbschaft geheiratet.“

Baldini schüttelte bestürzt den Kopf. „Das haben Sie aber nicht auf sich sitzen lassen, oder?“

„Natürlich nicht“, entrüstete sich Will. „Ich habe direkt für dem gesagt: Das stimmt doch überhaupt nicht … das mit die Erbschaft.“

Baldini war für einen kurzen Moment irritiert, nahm sich dann aber den Teller mit der dicken Brotscheibe, den Will ihm hingestellt hatte, und begann, das Graubrot mit frischer Erdbeermarmelade zu bestreichen. „Sehr lecker übrigens, die selbst gemachte Marmelade“, schmatzte er, nachdem er herzhaft hineingebissen hatte.

„Nehmen Sie, so viel Sie wollen“, bot Will großzügig an, „davon haben wir der ganze Keller vollstehen. Oh, ich glaube, da kommt meine Frau. Dann können wir das schnell abklären mit der Wiese.“

Sekunden, nachdem die Haustür geöffnet worden war, schoss ein kleiner, braun-weiß gescheckter Hund um die Ecke und bellte aus Leibeskräften. Er hielt kurz inne, als er den seltsamen bunten Mann sah, aber nur, um danach noch lauter zu bellen. Als Marlene nichtsahnend die Küche betrat, stieß sie einen spitzen Schreckensschrei aus und fasste sich mit der Hand ans Herz. Dabei bebte ihr massiger Körper, der in einen blauen Kittel gezwängt war. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, starrte sie abwechselnd den Clown und Will an und wartete offensichtlich auf eine Erklärung. Erst jetzt verstand Will Marlenes heftige Reaktion. Schließlich musste der Clown furchteinflößend auf sie wirken, wie er dasaß mit einem Messer in der Hand, von dem rote Flüssigkeit tropfte. Marlene war nämlich begeisterte Krimileserin. Und Will hatte gesehen, dass auf ihrem Nachttisch im Moment der neueste Band aus ihrer Lieblingsreihe „Gerichtsmedizinerin Maria Schneider“ lag. Auf dem Cover war ein Clown mit einem Messer abgebildet und der Titel lautete: „Der irre Killerclown mit der scharfen Klinge“. Was für ein lustiger Zufall. Will musste lachen.

„Marlene, komm mal wieder runter. Der Mann ist nicht hier, für dich umzubringen. Der braucht unsere Hilfe.“

Marlene schenkte sich auf den Schreck erst mal einen Kaffee ein, setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch und ließ sich dann von ihnen alles erklären. Zwischendurch musste sie ihrem Mann immer wieder beschwichtigend die Hand auf den Arm legen, wenn er sich zu sehr über Willibert Dahmen aufregte. Sie überlegte eine Weile, weil es ihr im ersten Moment nicht gerade behagte, irgendwelche fremden Schausteller in ihrer Nähe zu beherbergen. „Was würden Sie denn machen, wenn Sie keinen Platz finden?“, fragte sie.

Baldini seufzte kurz, bevor er antwortete: „Ich habe hier in der Gegend ein paar Güterwaggons angemietet, wo wir in den vergangenen Monaten unsere Sachen zum Überwintern eingelagert hatten. Notfalls müsste ich das dann auch wieder machen und meine Leute entlassen oder an befreundete Unternehmen vermitteln.“

Da der Mann Marlene leid tat und ihr auch Wills Vorliebe für den Zirkus in 30 Ehejahren nicht verborgen geblieben war, stimmte sie den Plänen mit leichtem Magengrummeln zu. Baldini, der Clown, strahlte übers ganze Gesicht. Diesmal sogar in echt. Er schüttelte Marlene erleichtert die Hand.

„Vielen Dank. Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie uns damit helfen! Ich werde sofort veranlassen, dass wir alles hierher schaffen. Wir werden Ihnen auch keine Umstände machen. Und ich kann Ihrem kleinen Hund gerne ein paar Tricks beibringen, wenn Sie wollen. Wir haben nämlich auch so einen Jack Russell im Programm – Pippolino. Der ist immer einer der Höhepunkte unserer Vorstellung.“

Will nickte erfreut. „Das wär nicht schlecht, wenn Sie der Knuffi mal was beibringen würden – am besten ‚hören‘.“ Den bösen Seitenblick von Marlene ignorierte er und begleitete Baldini nach draußen.

Als er in die Küche zurückkam, räumte Marlene gerade den Tisch ab. „Weißt du, wer wieder zurück kommt nach Saffelen?“, fragte sie aufgeregt.

„Ja klar, Fredi Jaspers.“

„Nee, den mein ich nicht. Die Frau Zielowski hat mir erzählt, dass der Juppi Schrammen morgen auf Besuch kommt.“

„Nein!“ Will war baff. „Juppi Schrammen? Das gibt es doch gar nicht!“

Juppi Schrammen genoss in Saffelen eine Art Heldenstatus. Er war der Bruder von Theo Schrammen, einem Schreiner im Vorruhestand. Im Jahr 2002 hatte Juppi mit Anfang dreißig Saffelen verlassen und war einfach auf Weltreise gegangen. Immer wieder erreichten die Daheimgebliebenen Postkarten oder E-Mails aus allen Teilen der Erde. Juppi hatte das erste Jahr in Thailand und Indien verbracht, dann in einem Kibbuz in Israel gearbeitet und anschließend bei einem Brunnenbauprojekt in Somalia geholfen. Er sollte auch mal Skilehrer in den

Rocky Mountains gewesen sein. Legenden rankten sich um seine Reisen und viele Saffelener bewunderten ihn für seinen Mut, den sicheren Heimathafen verlassen zu haben. Hinzu kam, dass Juppi auch schon als Kind und Jugendlicher ein überaus beliebter Mensch gewesen war. Und deshalb freute sich Will sehr über diese Nachricht. „Der kommt bestimmt zurück, weil letztens die Mutter gestorben ist, oder?“ fragte er.

Marlene nickte. „Ja genau. Und die hat der Theo und der Juppi das Haus vererbt, wo Theo mit seine Frau drin wohnt. Und jetzt kommt der Juppi für ein paar Tage nach hier, für der Nachlass zu regeln. Danach fährt der aber direkt wieder weiter. Ich glaube, dann geht es nach Kanada. Ach so, am Samstag gibt es übrigens beim Theo eine große Garagenparty zu Ehren von Juppi. Da sind wir auch zu eingeladen.“

Will strich sich zufrieden über den Bauch. „Schön, da freu ich mich. Ach, der Juppi ist schon ein verrückter Hund“, sinnierte er, bevor er Marlene scharf ansah. „Apropos verrückter Hund. Ich habe gerade genau gesehen, wie du der Knuffi unterm Tisch heimlich ein Leberwurstbrot mit Petersilie zugesteckt hast. Lass das endlich mal sein, sonst ist der nachher noch zu dick für durch ein brennender Reifen zu springen.“

Der Tango des Todes

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