Читать книгу Freu(n)de, Hoffnung, Malzkaffee - Christian Noack - Страница 5

1. Staunen

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Julia sitzt mit ihrer Freundin Maria in einem Café. In der Küche nebendran werden leckere Kuchen und frische Torten gebacken. Julia nutzt ihre Stunde Mittagspause, um sich mit Freunden zu treffen. Sie arbeitet in einer Kinderklinik als Fachärztin. Maria ist als erste da. Sie hat ganz in der Nähe einen gut gehenden Krempelshop. Mit ihrer Hilfe wurde das Café im Stil der 20er-Jahre ausgestattet.

Maria und Julia kennen sich seit ihrer Schulzeit und haben nun wieder engeren Kontakt. Sie warten noch auf Lukas und Stefan. Lukas ist Lehrer; er wollte Stefan nach seinem Unterricht auf dem Weg zum Café abholen. Stefan kann sich seine Zeit selbst einteilen, denn er ist freiberuflich als Klavierstimmer tätig.

Kurze Zeit später treffen die beiden ein. „Wir haben einen Parkplatz gesucht“, sagt Lukas.

„Bist du als Lehrer auch so unpünktlich?“, fragt Julia augenzwinkernd.

Bevor Lukas antworten kann, beschwichtigt Maria: „Wir haben die Zeit genutzt und Neuigkeiten ausgetauscht.“

„Du machst mich neugierig“, meint Stefan und macht es sich auf einem alten Sessel bequem.

„Julia war im Film ‚Deutschland von oben‘.“

„Und? Hat es sich gelohnt?“, fragt Lukas Julia.

„Nun ja – fast zwei Stunden Filmaufnahmen aus der Hubschrauberperspektive haben sich schon in die Länge gezogen. Aber ich hab‘ gestaunt, wie schön Deutschland ist. Von der Zugspitze bis zum Wattenmeer durch alle Jahreszeiten – ein Naturparadies für Mensch und Tier, auch wieder für seltene Tiere. Natur und Kultur scheinen bei uns harmonisch miteinander verbunden zu sein. Nach dem Film glaubt man, die hässlichen Seiten mittlerweile suchen zu müssen – wie zum Beispiel den Braunkohleabbau. Aber der wird auch sehr beeindruckend gezeigt. Im Sommer ist Deutschland ein bunter Teppich von Wäldern und Feldern, Seen und Siedlungen. Sogar viele Großstädte sind voller Grün.“

„Ja, über die Natur kann man wirklich staunen“, meint Lukas. „Wenn ich Physik unterrichte, bekomme ich manchmal selber eine Gänsehaut, wenn ich den Schülern die Größe des Universums beschreibe. Unsere Sonne ist 300 000 Mal so massereich wie die Erde und nur einer von 100 Milliarden Sternen in unserer Milchstraße. Und von denen gibt 100 Milliarden im bekannten Weltall. Alles unfassbar groß! Unfassbar klein sind hingegen die Bausteine, aus denen wir bestehen: Moleküle, Atome, Protonen, Elektronen, Neutronen, Quarks und Higgs-Teilchen. Geheimnisvoll sind auch die dunkle Energie, die dunkle Materie oder die Schwarzen Löcher im Zentrum einer Galaxie. Faszinierend, wie wir mit Hilfe wissenschaftlicher Beobachtung immer mehr entdecken und sich dabei weitere Geheimnisse der Natur auftun.“

„Und ich staune beim Musikhören und Klavierspielen“, hakt Stefan ein. „Dass wir Töne zu Harmonien verbinden oder ein Klavier so stimmen können, dass seine Klänge uns beruhigen, beleben oder anrühren – das finde ich erstaunlich! Und Rhythmen bringen uns in Bewegung. Wenn viele Instrumente zusammenspielen, entsteht für mich eine Schönheit, die mich verzaubert – manchmal sogar überwältigt.“

Maria hat beiden gespannt zugehört. „Beim Thema Physik und Musik fällt mir ein, wie meine beiden Kinder Ordnung schneller in Chaos verwandeln können, als es die Physik erlaubt, oder wie sie ihre Flöten fiepen lassen. Aber dass sie das können! Vor wenigen Jahren waren sie hilflose Säuglinge, davor Embryonen und ganz am Anfang winzige Eier.“

„Und Samenzellen“, ergänzt Julia.

„Ja. Was aus ihnen geworden ist – und noch wird! Sie fragen, lernen, üben – obwohl sie noch nicht zur Schule gehen! Wie lange Lena geübt hat, bis sie aufrecht gehen und schließlich rennen konnte. Und Jan ist ein einziger Fragenkatalog. Ich staune jeden Tag über meine Beiden.“

„Das kann ich gut nachempfinden“, sagt Julia. „Ich arbeite ja zurzeit auf der Kinderkrebsstation. Von den Tragödien, die sich da ereignen, lieber ein anderes Mal. Aber viele Kinder werden doch wieder gesund. Die moderne Medizin hat enorme Fortschritte gebracht. Todkranke Kinder können wieder gesund werden. Ich staune immer wieder, wie das möglich ist – und nicht nur über unsere ärztlichen Fähigkeiten, sondern auch über die Selbstheilungskräfte des Körpers. Überhaupt finde ich das Phänomen Leben erstaunlich. Leben erzeugt Leben; was aber das Leben letztlich ist, kann bisher kein Wissenschaftler erklären.“

„Und wir leben ja nicht bloß einfach“, meint Lukas. „Als Menschen wissen wir, dass wir leben. Wir denken darüber nach; wir sind uns bewusst, dass wir in einer Welt zum Staunen leben und sie genießen können. Wir sehen nicht einfach nur eine Rose, sondern zeigen sie auch jemandem und sagen: ‚Sieh nur, wie schön! Dieses tiefe Rot!“

„Oder wir schauen einer Person tief in die Augen und schmachten: ‚Deine blauen Augen … ‘“, sagt Stefan fast schwärmerisch.

„Die Liebe ist auch zum Staunen“, meint Maria. „Ich muss zum Beispiel meine Kinder nicht lieben. Ich liebe sie einfach – auch wenn beide braune statt blaue Augen haben.“

„Überhaupt das Auge!“, knüpft Lukas an. „Für mich als Naturwissenschaftler absolut staunenswert. Aber das lässt sich in jedem Biologiebuch nachlesen.“

„Willst du vom Thema Liebe ablenken?“, fragt Julia lächelnd.

„Nein, aber als Lehrer bin ich bestrebt, beim Thema zu bleiben. Und heute sind wir über deinen Bericht vom Film zum Stichwort Staunen gekommen.“

„Mit meinen Kindern lerne ich ganz neu das Staunen“, berichtet Maria. „Wenn ich sie abends zu Bett bringe, bete ich auch mit ihnen. Ich frage sie, wofür sie dankbar sind, was sie Schönes den Tag über erlebt haben. Oft beschreiben sie etwas in der Natur, was ich übersehen habe, sie aber begeistert und erstaunt hat.

„Ist das nicht eigentlich auch ein Thema in deinem Religionsunterricht?“, fragt Stefan.

„Ja, im Reliunterricht lese ich mit den Schülern Psalmen aus der Bibel“, antwortet Lukas. „Einige von ihnen loben die Schönheit und Zweckmäßigkeit der Welt, um Gott als Schöpfer zu danken. Ich erkläre den Schülern dann, dass wir in einem erstaunlichen Universum leben. Die Möglichkeit von Leben beruht nämlich auf einem genau abgestimmten Zusammenspiel von fundamentalen Naturkonstanten. Die Feinstrukturkonstante zum Beispiel – eine Kombination von vier anderen Konstanten – ermöglicht die lebensförderliche Wirkung von Wasser. Es besteht – wie ihr wisst – aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Aufgrund der gewinkelten Anordnung der beiden Wasserstoffatome und des Sauerstoffatoms entsteht die Eigenschaft eines elektrischen Dipols. Hätte die Feinstrukturkonstante einen geringfügig anderen Wert, könnte die Dipoleigenschaft der Wassermoleküle überhaupt nicht auftreten. Dann würden alle biologischen Funktionen des Wassers unmöglich sein. Die Feinstrukturkonstante hat aber im Zusammenspiel mit etwa 50 anderen Naturkonstanten genau die Größenordnung, die Leben auf der Erde ermöglicht. Ich führe das nicht auf einen Zufall, sondern auf Gott zurück. Für mich ist Gott derjenige, der all dieses Staunenswerte umfasst. Die Schönheit unserer Welt – und auch ihre Geheimnisse – weisen auf Gott zurück, der all das ermöglicht hat.“

„Der Naturwissenschaftler und Theologe hat gesprochen“, stellt Stefan fest.

„Ich muss jetzt leider zurück in die Klinik“, sagt Julia und steht auf.

Auch Maria ist in Aufbruchsstimmung: „Und ich muss meinen Laden nach der Mittagspause wieder öffnen.“

„Schade!“, meint Stefan. „So ein angeregtes Gespräch über Gott und die Welt habe ich schon lange nicht mehr erlebt.“

„Dann können wir uns doch einfach nächste Woche wieder hier treffen“, schlägt Maria vor. „Gleiche Uhrzeit?“

Die Männer sagen gleichzeitig: „Gute Idee!“

„Stefan, bringst du das nächste Thema mit?“, fragt Julia noch schnell.

„Einverstanden! Lasst euch überraschen!“

Die vier Freunde verabschieden sich schnell voneinander.

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