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2. Freude

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Maria nippt an einem leckeren Milchkakao. Etwas verträumt schweift ihr Blick durch ein Fenster des Cafés in den gegenüberliegenden sonnigen Park. Sie sieht Julia zügigen Schrittes kommen. Da tippt ihr Stefan auf die Schulter. Bald sitzen die drei gemütlich zusammen. Dann kommt auch Lukas dazu – wieder etwas verspätet.

„Die Klassenkonferenz hat sich leider in die Länge gezogen“, berichtet er. „Sorry!“

Die drei schmunzeln; Julia verkneift sich eine erneute Bemerkung zu seiner Verspätung. Sie bestellt sich einen Espresso, Stefan einen Cappuccino und Lukas einen Malzkaffee.

„Malzkaffee? So etwas haben wir nicht!“, entgegnet die Kellnerin.

„Ich meine so etwas wie Caro- oder Getreidekaffee“, erklärt Lukas.

„Es tut mir leid! Wir haben als Heißgetränke nur Kaffee, Tee und Kakao.“

„Dann bitte einfach heißes Wasser in einer Tasse!“ schlägt Lukas ihr vor.

„Das geht nur mit Teebeutel“, sagt die Kellnerin – schon etwas ungeduldig.

„Okay, dann legen Sie ihn dazu, aber ihn bitte nicht hineintunken!“

Nachdem sie gegangen ist, holt Lukas aus seinem Rucksack eine Dose mit Malzkaffee. „Der kommt ins heiße Wasser“, verrät er den Anderen leise.

Die grinsen amüsiert, sagen aber nichts dazu. Während sie auf die Getränke warten, erzählen sie sich, wie es ihnen geht. Dann fordert Julia Stefan auf: „Nun verrat‘ uns mal, welches Thema du dir ausgedacht hast!“

„Ein ganz schlichtes, aber grundlegendes: Freude“, erwidert er. „Erst dachte ich an Glück. Es gibt ja diese Ratgeber wie Wege zum Glück. Ich wollte euch ursprünglich fragen: Was macht euch glücklich? Gestern Nachmittag sollte ich einen Steinway-Flügel in einer Villa stimmen. Da war Finetuning angesagt. Er klang schon wunderbar, aber mit Hilfe einiger Kunstgriffe gelang es mir, dass die Klänge geradezu im Raum schwebten. Ich war glücklich. Dieses Glück bedeutet für mich Freude – eine tiefe Freude darüber, etwas in gelungener Weise schön zu machen. Bei dieser Arbeit bin ich hochkonzentriert, ganz bei der Sache. Ich vergesse dann die Zeit. Es ist fast so, als ob ich eins werde mit den Tönen und Klängen. Danach kommt große Freude in mir auf! Kennt ihr Ähnliches auch?“

Maria reagiert als erste auf Stefans Erlebnis: „Freude beobachte ich besonders bei meinen Kindern. Ich sehe ihre Neugier, ihre Freude am Spielen, wenn sie darin ganz versunken sind. Jan springt, hopst oder läuft ständig herum. Er hat so viel Energie und Lebenslust. Vor einigen Tagen zählte er auf, worüber er sich freut: über das Kinderzimmer, all seine Spielsachen, den schönen Sandkasten im Garten, den Fernseher, dass wir so reich sind – wenn er wüsste! –, dass er Arme und Beine hat, eine Schwester und eine Mami. Vor allem aber freut er sich, dass er selbst da ist, meinte er zum Schluss.“

„Kindermund tut Wahrheit kund“, zitiert Lukas ein Sprichwort. „Es ist natürlich besser zu leben, als gar nicht zu existieren. Denn wir sind nicht in ein furchtbares oder sinnloses Leben hineingeworfen. Es ist doch vielmehr so: Erst sind wir neun Monate im Mutterleib geborgen. Nach der Geburt können wir selbst atmen. Danach wachsen wir – hoffentlich behütet – in einer Welt auf, deren Atmosphäre uns vor tödlicher Strahlung schützt. Dazu das klare Wasser, die Wärme der Sonne, die fruchtbare Erde, die Pflanzen und Tiere. Ist es nicht einfach eine Freude zu leben – gerade jetzt im Sommer?“

„Die Winterzeit gefällt mir genauso gut“, bekennt Julia. „Skifahren in den Bergen im glitzernden Sonnenlicht, durch Neuschnee wedeln oder eine Schussfahrt riskieren. Ich erlebe Freude sehr intensiv im Winterurlaub.“

„Was ihr beschreibt, ist Schönheit“, meint Maria. „Auch wenn uns etwas bei der Arbeit oder beim Sport gelingt, hat das mit Schönheit zu tun. Freude ist das entsprechende Gefühl dabei. In meinem Laden verkaufe ich, was man Krempel nennt, aber wenn man genau hinschaut, sind diese Gegenstände schön: kleine Schränkchen, ein altes Radio mit Holzgehäuse, fein gestickte Kissen, selbstgeflochtene Körbe, bunte Vasen, verzierte Gläser. So etwas verschönert eine Wohnung und erfreut die Kunden.“

Lukas lächelt: „Ja, die Wohnung als kleine Welt für sich!“

„Genau!“, stimmt Maria zu. „Nicht nur die Natur, sondern auch unsere menschliche Kultur ist in der Regel schön und macht uns Freude.“

„Deshalb finde ich die Architektur im Krankenhaus so unangenehm“, sagt Julia. „Neonlicht, lange Flure, gestrichene Wände – das können die Reproduktionen moderner Malerei an ihnen nicht ausgleichen. Doch Funktionalität kann auch schön aussehen. Ich denke dabei an die Linienführung meines Cabrios. ‚Freude am Fahren‘ – dieser Werbespruch trifft zu.“

„Jetzt aber mal weg von der Oberfläche des Designs zur Tiefe des Wortes“, fordert Stefan. „Lukas, sag’ du als Religionslehrer mal etwas zum Thema.“

„Gerne“, erwidert Lukas, „wenn ihr erlaubt, dass ich Gott dabei ins Spiel bringe.“

„Nur zu, wenn es mehr Tiefgang bringt!“, ermutigt ihn Stefan.

„Ich will es versuchen. Am Beginn der Bibel steht ein Text, der sagt, dass die ganze Natur und wir Menschen als eine Schöpfung Gottes zu verstehen sind. Faszinierend ist für mich, wie und auf welche Weise Gott geschaffen hat. Es geschah nämlich durch sein kraftvolles Wort: ‚Gott sprach: ‚Es werde Licht.‘ Und es ward Licht.‘1 Danach betrachtete er das Geschaffene und sagte: ‚Gut!‘ Das hebräische Wort könnte man auch mit ‚schön‘ übersetzen. Zum Abschluss der Schöpfungswerke sagte Gott sogar ‚sehr gut‘2 – sehr schön! Das bedeutet: Nicht nur aus unserer, sondern auch aus Gottes Sicht leben wir in einer Welt, deren Schönheit uns veranlassen möchte, uns zu freuen. Ich glaube, dass es Gott Freude macht, das Dasein aller Geschöpfe und des ganzen Universums zu ermöglichen. Was wir als Schönheit in der Natur erleben, verdanken wir Gott.“

„Genau dafür bin ich Gott dankbar“, knüpft Maria an. „Wenn ich bete, danke ich Gott zunächst für all das Schöne, was er geschaffen hat, und für die Freude im Leben. Und ich danke ihm auch für positive Erlebnisse und seine Hilfe.“

„‚Danke, Gott, dass ich lebe‘ – so beginnt mein Glaube“, berichtet Lukas.

„Langsam wird mir das zu positiv und zu verklärt“, meint Julia. „Das Leben ist doch auch hart: Krankheiten, Bosheit, Tod – um nur mal drei Übel zu nennen.“

„Natürlich, aber heute stand die Freude im Mittelpunkt des Gesprächs“, stellt Stefan fest. „Mit ihr sehen wir unser Leben in einem freundlichen Licht.“

„Zu Recht!“, meint Maria.

„Ich möchte ein anderes Mal aber auch die dunkle Seite beleuchten“, beharrt Julia. „Und die bleibt trotz des Lichtes dunkel.“

„Das Leid oder das Böse als Thema?“, fragt Lukas sie, darauf eingehend.

„Eher das Leiden, denn das ist mein Alltag.“ Eine Traurigkeit huscht über ihr Gesicht. Auch ihre drei Freunde wirken mit einem Mal etwas bedrückt. Erinnerungen an schwierige Zeiten und schmerzhafte Erlebnisse werden in ihnen wach.

Dann lächelt Julia wieder. „Ich wollte euch nicht die Laune verderben. Ich freue mich sogar, jetzt wieder zur Arbeit zu gehen.“

Sie möchte noch das nächste Treffen festmachen. „Passt es euch kommende Woche zur gleichen Uhrzeit? Dann aber in der Cafeteria der Klinik, in der ich arbeite; dann hätte ich mehr Zeit. Seid ihr einverstanden?“

„Von mir aus gern“, sagt Maria.

Stefan und Lukas nicken zustimmend.

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