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AKADEMIKER UNTER SICH

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Als ich vor einigen Jahren einen Vortrag an einer Universität einer österreichischen Großstadt hielt, hatten meine Begleitung – bestehend aus meiner Frau und einem befreundeten Ehepaar (wir waren insgesamt drei vortragsgeübte Akademiker, darunter eine Universitätsdozentin in Person meiner Gattin sowie die mit einem unbestechlichen, erdverbundenen Hausverstand gesegnete Ehefrau unseres Freundes) – und ich das Vergnügen, den Ausführungen eines Vorredners zu lauschen. Dieser junge Mann sprach mit großer Selbstsicherheit und Ausdauer von irgendwelchen für uns vier geheimnisumwobenen Dingen. Es war unmöglich, ihm auch nur einigermaßen zu folgen, denn wie sollte man das können, wenn man nicht einmal herausfinden kann, wovon er denn überhaupt sprach?! Es war wissenschaftlich, so viel stand fest. Aber wovon war die wissenschaftliche Rede?

Ein Blick ins Tagungsprogramm kündigte zwar ein Referat über eine bestimmte Form italienischer Literatur zu Ende des 19. Jahrhunderts an, jedoch war den hektisch vorgetragenen, mit phonetisch nicht ganz einwandfreien italienischen Einsprengseln ausgestatteten Emanationen überhaupt nicht zu entnehmen, ob sie etwas mit dem Thema des Vortrags zu tun hatten, und wenn ja, was. Wir begnügten uns also damit, die Hervorbringungen des akademischen Jünglings als akustisches Erlebnis über uns ergehen zu lassen, das in Form variabler Klangereignisse aus der Beschallungsanlage auf uns einströmte. Sie blieben für uns inhalts- und somit bedeutungslos.

Nachdem ich meinen eigenen Vortrag absolviert hatte, holte ich Informationen ein und erfuhr, dass es sich um einen begabten Doktoranden handelte, der so klug aus seinem Munde gesprochen hatte, dass nicht nur wir, sondern viele andere, die dem Vortrag gelauscht hatten, diesem nicht folgen konnten. Abzulesen war das an den glasigen Blicken der Zuhörerschaft, aus der am Ende seiner Ausführungen pflichtgemäß ein paar Fragen gestellt wurden. Sie hatten, wie sich zeigte, mit dem Vortrag nichts zu tun, verfehlten also das Thema. Die Treffsicherheit der Fragen wurde durch die Ungewissheit des Ziels verhindert. Offenbar waren die Fragesteller nach Abreissen des Klanggeschehens aus ihrem komatoiden Zustand nur erwacht, um sich in einem antrainierten, reflexartigen Automatismus akademisch zu gerieren.

Auf meine Frage an die Symposiumsveranstalterin, worum es sich eigentlich gehandelt hatte und warum das alles so unverständlich war, dass selbst Menschen mit akademischer Ausbildung, anständigem IQ und jahrzehntelanger Berufserfahrung nicht zu folgen vermochten, wurde mir beschieden, dass das so sein müsse und dass das unter hochqualifizierten Akademikern eben so sei.

Aha.

Die befremdliche Angelegenheit ließ mir keine Ruhe, weshalb ich mich an einen befreundeten Sprachwissenschafter einer anderen österreichischen Universität wandte, seines Zeichens Univ.-Prof., der seinerzeit sub auspiciis praesidentis promoviert hatte, also nicht zu den Minderbegabten zählt. Er teilte mir lapidar mit: „Das Problem mit der akademischen Inzucht kenne ich, es gibt vor allem bei den Soziologen und Literaturwissenschaftlern mittlerweile einen Jargon, der völlig unverständlich ist – vermutlich verstehen ihn die Urheber selbst auch nicht (mehr).“

Zwar ist, wie seit langem bekannt, jede Fachsprache mit Gruppenbildung, Geheimhaltung von Inhalten gegenüber Aussenstehenden, Abschottung von diesen zwecks Verteidigung einer Position in der akademischen Rangordnung (Motto: „Die Idioten von der XY-istik verstehen ja nicht einmal, wovon wir reden.“) und so weiter erklärbar, doch darf sich niemand wundern, dass manche Teilnehmer am wirklichen Leben im Zusammenhang mit solchen Erlebnissen die involvierten Studenten und Professoren in ihren entlegenen Elfenbeinturmdörfern belächeln und nicht ernst nehmen.

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