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Reeperbahn - Mein erster Eindruck

Reeperbahn - Mein erster Eindruck

Bitterkalt, der Gehweg war rutschig.

Kein Wetter eigentlich, um ständig auf der selben Strasse auf und ab zu laufen. Ich weiß nicht, zum wievielten Male schon, aber so langsam konnte ich die Reihenfolge der Läden auswendig. Wieder kam ich an einem vorbei, schaute flüchtig, wie zufällig hin und versuchte mit diesem kurzen Blick soviel Informationen wie möglich zu sammeln, die mir in etwa Aufschluß darüber geben konnten, was mich drinnen erwarten würde, wenn ich erstmal drin wäre.

Zwei ältere Männer, die anscheinend irgendwas mit dem Laden zu tun haben mußten, gingen vor der Tür auf und ab, sprachen ab und zu –mal kürzer und mal länger- mit Männern, die vorüber gingen, seltener mit Pärchen, nie mit Frauen. Die meisten der Passanten gingen weiter, manchmal gingen die beiden Männer auch zusammen mit Leuten, mit denen sie gerade vorher gesprochen hatten, in den Laden hinein. Dann öffnete sich für einen kurzen Moment die elektrische Schiebetür aus Glas, mit den bunten Bildern darauf, wie von Geisterhand. Hinter der Tür kam dann noch ein schwerer Samtvorhang, der sich ebenfalls durch den geübten, sicheren griff der besagten Männer kurz in der Mitte öffnete und den Blick freigab auf flackerndes Licht und Rauch - oder Nebel. In diesem Moment wurde auch die Musik, die man dumpf und leise draußen hörte, für einen kurzen Moment lauter. Dann schloß sich erst der rote Vorhang wieder hinter den Leuten, die Glasschiebetür schloss sich wie von Geisterhand.

Beide Männer waren nun drinnen. Keine Gefahr mehr, daß mich einer von ihnen ansprach. Ich konnte in Ruhe den Laden beobachten und betrachten.

Der Eingang lag in der Mitte des Gebäudes und war trichterförmig zurückgebaut. Links und rechts neben dem Eingang waren Glasscheiben, durch die man aber nicht hindurchsehen konnte, weil riesige Fotos von spärlich bekleideten Frauen, die an einer Bar saßen, darauf geklebt waren. Über dem Eingangsbereich, über die gesamte Breite des Hauses verteilt, hingen fünf Fernseher, auf denen –ebenfalls spärlich bekleidete- Tänzerinnen zu sehen waren.

Die Glastür rutschte wieder zur Seite, die beiden Männer, die zum Laden gehörten kamen wieder heraus!

Jetzt unauffällig verhalten! Weggucken, ich bin nur ein zufälliger Passant.

Keineswegs dürfen sie merken, was ich tatsächlich im Schilde führe! Ruhig weitergehen! Irgendwas hält mich fest, für eine kurze Sekunde merke ich nicht, das es die Hand eines der Männer ist! Ich drehe mich erschrocken und ruckartig um! Ich war noch nie ein Held! Ich weiche einen Schritt zurück, da passiert’s auch schon:

„He junger Mann, Du läufst doch schon den ganzen Abend hier um! Komm doch mal rein, drinnen is’ schön warm und Haufen netter Mädchen gibt’s auch! Die haben alle Lust auf nen jungen strammen Riemen! Komm mal rein, komm mit, ich zeigs Dir mal!“

„Ausgaang bis Zapfenströich, Kameroden! Wehee, um zeeehn is nich wieder jeeder in seiner Kojää!“ höre ich noch heute die langgezogene, rauhe und durchdringende Stimme des Stuffz vor unserem ersten Ausgang aus der Kaserne, Pinneberg, Luftwaffengrundausbildung. Die Wehrpflicht hatte mich ins Hamburger Umland gebracht – und endlich auf die Reeperbahn, von der ich als Kind, beim Fernsehen mit meiner Mutter, zum ersten Male hörte.

Ich war um zehn wieder in der Koje.

Mit klopfendem Herzen. Ich hab’s getan. Ja! Ich war drin! Auch wenn die beiden Männer vor der Tür recht schnell rausgefunden hatten, was ich wirklich im Schilde führte. Ich wollte ja auch rein! Und ich bin drin gewesen. Ich war noch nie ein Held. Aber ich wollte einer werden.

So begann sie dann, meine große Liebe. Im bitterkalten Winter neunzehnhundertfünfundachtzig in Hamburg.

Meine Liebe zu dieser Stadt – und besonders zur Reeperbahn, an die ich heute noch fast täglich denke.

Mit Blaulicht durchs Rotlichtviertel

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