Читать книгу Endlichkeit und Vergänglichkeit - Christian Walther - Страница 7
ОглавлениеHerbst
Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder,
und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.
Johann Gaudenz
von Salis-Seewis
SEPTEMBERMORGEN
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
Eduard Mörike
VERKLÄRTER HERBST
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldenem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl
HERBSTTAG
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke
HERBSTGEDANKE
Mach mich, o Herr, doch jenen Blättern gleich,
Die ich verwelkend heut im Sonnenlicht
Auf einer Ulme Gipfel zittern seh'.
Sie zittern, ja, doch nicht aus Furcht, so klar
Erscheint das Licht, und süß, sich von dem Zweig
Zu lösen und sich der Erde zu vereinen.
Sie leuchten auf im letzten Strahl, die Herzen
Schon ganz bereit; es hat der Tod für sie
Die Milde einer sanften Abendröte.
Lass mich wie sie vom höchsten Zweig mich lösen
Des Erdenlebens, ohne Klagelaut,
Erfüllt von dir, wie von dem Sonnenlicht.
Ada Negri
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade -
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb – das weiche grau
Von birken und von buchs – der wind ist lau
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz -
Vergiss auch diese letzten astern nicht-
Den purpur um die ranken wilder reben -
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Stefan George
In doppelter Ährenhöhe
schweben die Engel der Unkrautsamen
langsam zum Friedhof hinüber.
Verlöscht sind die heurigen Kerzen
der goldenen Löwenzähne,
feurig werden sie aufgehen
über den Leibern der Toten
und mir im Herzen schon bald.
Christine Lavant
Fallt, Blätter, fallt! Sterbt, Blumen, dahin!
Nacht, werde länger, und kürzer, Tag!
Jedes Blatt, vom Herbstbaum flatternd,
spricht zu mir Seligkeit.
Ich werde lächeln, wenn Kränze aus Schnee
blühen, wo sonst die Rose wächst;
singen werd' ich, wenn ausklingend die Nacht
trüberen Tag führt herauf.
Emily Jane Brontë
VERFRÜHTER HERBST
Schon riecht es scharf nach angewelkten Blättern,
Kornfelder stehen leer und ohne Blick;
Wir wissen: eines von den nächsten Wettern
Bricht unserm müden Sommer das Genick.
Die Ginsterschoten knistern. Plötzlich wird
Uns das fern und sagenhaft erscheinen,
Was heut wir in der Hand zu halten meinen,
Und jede Blume wunderbar verirrt.
Bang wächst ein Wunsch in der erschreckten Seele:
Dass sie nicht allzusehr am Dasein klebe,
Dass sie das Welken wie ein Baum erlebe,
Dass Fest und Farbe ihrem Herbst nicht fehle.
Hermann Hesse
DIE TAGE FALLEN
Die Ernten sind eingebracht.
Nur noch die Flüsse wachsen
und flicken die zerrissene Erde.
Die Tage fallen mit dem Laub
ins Dunkle,
verlöschen in schwebenden Feuern
und steigen als Rauch in die Nacht.
Die Glocken erschrecken den Himmel,
läuten die Kälte ein.
Wolfgang Bächler
HERBST
O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.
Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag
Dass so die Stunde wiederkehrt.
Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz.
Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz -
O sorge, dass uns keine fehlt,
Und gönn uns jede Stunde ganz.
Theodor Fontane
ASTERN
Astern -, schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.
Noch einmal die goldenen Herden
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?
Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du -
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,
noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht:
die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.
Gottfried Benn
HERBSTBILD
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel
Alles zusammen,
der erlittenen Schmerzen
ungekannte Zahl,
taucht in tiefere Farben
zur Abendstunde im Herbst.
Yoshitsune
DER HERBST
Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen,
Wo sich der Tag mit vielen Freuden endet,
Es ist das Jahr, das sich mit Pracht vollendet,
Wo Früchte sich mit frohem Glanz vereinen.
Das Erdenrund ist so geschmückt, und selten lärmet
Der Schall durchs offene Feld, die Sonne wärmet
Den Tag des Herbstes mild, die Felder stehen
Als eine Aussicht weit, die Lüfte wehen
Die Zweig und Äste durch mit frohem Rauschen,
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebet
Als wie ein Bild, das goldene Pracht umschwebet.
Friedrich Hölderlin
HERBST
Der du die Wälder färbst,
Sonniger, milder Herbst,
Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.
Nimmermehr Sturm und Drang,
Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur atmest du
Tiefer Erfüllung Ruh.
Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch,
Der durch die Blätter weht,
Dass es zu Ende geht.
Ferdinand von Saar
HÄLFTE DES LEBENS
Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Friedrich Hölderlin
BLUMEN UND WILDER KLEE
Schnee tut allen Vögeln weh!
Hört ihr sie noch singen? -
Doch sicher wird wie eh und je,
wie Blumen und wie wilder Klee,
dem Tod ein Lied entspringen.
Winter nimmt auch mir das Brot,
läßt mir nur das Leid.
Er löscht mir aus das Lippenrot,
jede Maid hält mich für tot
und färbt sich schwarz das Kleid.
Doch sicher läßt ein neuer Tanz
mich auferstehn und es wird ganz
in Minne und wie eh und je
bei Blumen und bei wildem Klee
dem Tod mein Lied entspringen.
Walther von der Vogelweide