Читать книгу Und keiner hat’s gemerkt - Christina Conradin - Страница 8

Die Party

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Wie gelähmt stehe ich am Morgen nach dem Volksfestbesuch auf und gehe ins Bad. Hübsch zu machen brauche ich mich nicht, oder? Ich will nur den einen und bei dem habe ich keine Chance. Wenn ich ihm allerdings doch begegne? Da das aber sehr unwahrscheinlich ist, nehme ich mir lediglich eine frische Sommerhose aus dem Schrank und kombiniere dazu eine Bluse, immerhin! Bevor ich hinuntergehe, hat mich mein Bett noch einmal zurück, um darin den unglaublichen Moment von gestern erneut zu durchleben. Galt sein Lächeln doch mir? Vermutlich strahlen diese Augen einfach immer, ohne einen konkreten Anlass zu benötigen. Wieder wird mir ganz kribbelig im Bauchraum. Wie gerne würde ich an seinem Hals riechen und seine Hand spüren. Allerdings ist mir durchaus klar, dass ich wie ein Idiot vor ihm stünde, sollte ich ihm tatsächlich erneut begegnen. Alleine deshalb sind jegliche Gedanken eigentlich umsonst. Trotzdem kreist alles, was sich in meinem Kopf bewegt, nur noch um ihn, den wunderschönen Jungen. Ich schwebe durch den Tag hindurch.

Am späten Nachmittag kommt Annie über den Zaun in unserem Garten und ruft mir aufgeregt entgegen: „Stell dir vor, er kommt!“ Meine Augenbrauen ziehen sich automatisch nach oben, sodass sich die Stirn in Falten legt. „Max!“, schreit sie. Sofort setze ich mich auf die Treppe, sie sich neben mich. Leise frage ich: „Was meinst du?“ Annie drosselt ihre Stimme und fügt hinzu: „Heute feiert Manu eine Party, du weißt schon, die Nette aus meiner Klasse, die wir gestern getroffen haben, und Max übernachtet heute bei ihrem Bruder Jens“. Mein Herz klopft nun so, dass ich es bis zum Hals spüre, allein, weil ich ihn mir vorstelle und Annie mir bestimmt dann etwas berichten kann. Ich werde sterben vor Neugierde und Sehnsucht, während ich alleine zu Hause auf ihren Bericht warte. Aber dann sagt sie das, was mich tatsächlich umhaut: „Ich nehme dich heute mit, habe Manu schon gefragt!“, lächelt sie.

„Du meinst, ich sehe Max heute?“, frage ich verblüfft und total überfordert zurück.

„Ja, Jens wird mit Max bestimmt auf der Party vorbeischauen! Wir müssen nur noch deine Mama herumkriegen!“

Sofort falle ich Annie in die Arme: „Du bist der Wahnsinn, danke!“ Gleichzeitig läuft mir ein Schauer über den Rücken und Angstschweiß setzt sich frei.

„Also machen wir dich ein bisschen hübsch und schon wirst du ihn umhauen!“, versucht mich Annie zu beruhigen.

„Sehr netter Versuch!“, erwidere ich lächelnd und etwas verzögert, da ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann.

Irgendwie ist mir sofort klar, was ich anziehe: den bodenlangen, roten Rock mit großen Blumen darauf, den mir meine Oma einmal genäht hat. Als Oberteil passt natürlich am besten das schöne schwarze T-Shirt mit dem etwas langgezogenen Ausschnitt zwischen den Schulterblättern dazu.

Besser wird es nicht mehr, äußere ich mich zufrieden, als ich schließlich fertig umgezogen bin.

Später treffen wir uns bei Annie, um uns dort zu schminken. Annie verwendet die Tusche ihrer Mum, Lynn. Annies Mama stammt eigentlich aus Kalifornien, blieb aber in Deutschland, als sie ihre große Liebe, Fritz, kennenlernte. Deshalb hat Annie auch einen englischen Namen. „Bin fertig!“, freut sich diese. Ich zucke kurz, als mir klar wird, dass es nun soweit ist. „Wie hast du nur wieder meine Mama so schnell überredet?“, frage ich Annie voller Erstaunen und vor allem Dankbarkeit! Aber Mama vertraut Annie blind, da sie sie noch nie enttäuscht hat.

Auf der Party eingetroffen, bleibe ich anfangs in Annies Nähe und versuche mich innerlich zu beruhigen, was mir vor freudiger Erwartung aber überhaupt nicht gelingt. Die Leute dort sind freundlich zu mir, lassen mich aber zum Glück ganz einfach nur neben Annie stehen und zuhören, oder zumindest den Anschein dazu machen. In einer Ecke setzt sich die Gruppe rund um Annie und mich. Ich beobachte das Geschehen. Vorne legt ein Freund von Jens Musik auf, erklärt mir ein sympathisches Mädchen namens Mara. Mein Platz erlaubt eine gute Sicht auf die Türe. Ich warte. Die einzig entscheidende Zielperson ist nirgends zu sehen. Zwei Stunden sind bereits vergangen, in denen ich Getränke schlürfend warte.

Dann ertönt eines meiner Lieblingslieder. Ohne nachzudenken springe ich auf und drücke mich zur Tanzfläche durch. Ganz versunken genieße ich es, mich zur Musik zu bewegen. Ein schönes Lied nach dem anderen ertönt. Ich tanze.

Irgendwann, ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, blicke ich auf die Uhr und erschrecke. Es ist schon sehr spät. Längst hätte ich zu Hause sein sollen. Ich suche meine Jacke.

Schock! Seine Augen! Meine Jacke hängt direkt hinter ihm. Lässig lehnt er an einem Tisch, ein Bein über das andere gelegt. Was soll ich tun? Langsam gehe ich auf ihn zu. Er blickt mich an, als hätte er mir die ganze Zeit beim Tanzen zugesehen. Immer weiter tragen mich meine Beine voller Ohnmacht in seine Richtung. Mir ist schlecht vor lauter Anspannung. Soll ich was sagen? Was?, schießt es mir nur so durch den Kopf.

Jetzt stehe ich direkt vor ihm. Sein Blick ruht immer noch in meinem. Ich neige meinen Oberkörper ein wenig zur Seite, um meiner Jacke näher zu kommen. „Du bist doch das Mädchen vom Volksfest?“, stellt er die für mich lebenswichtige Frage. Er kann sich an mich erinnern? „Ja, ich heiße Klara“

„Ich bin …“, beginnt er.

„Max!“, schießt es aus mir heraus. Er lächelt ein breites, liebevolles Lächeln. Wie peinlich!, schäme ich mich leise. Offensichtlicher hätte ich ihm nicht sagen können, dass er mir gefällt. Unsicher greife ich nach meiner Jacke. Ich bin ihm so nah, dass ich seinen Atem spüre. Meine Beine beginnen nachzugeben. Ich habe das Gefühl, als würde ich einfach in mir zusammenfallen. In diesem Moment steht er aus seiner angelehnten Haltung auf. Ein Arm umklammert mich, der zweite folgt. Es fühlt sich so an, als ob ich fliege. Aber tatsächlich. Max hebt mich hoch. Er flüstert mir ins Ohr: „Seh ich dich wieder?“

Komplett aus der Bahn geworfen und verzaubert von seinem Geruch, hauche ich nur fast lautlos: „Oh ja!“

Max lässt mich wieder los. Ich drehe mich um und gehe zur Zimmertüre hinaus, einfach so.

Dort erwartet mich Annie bereits, die die Szene scheinbar beobachtet hat: „Es tut mir leid, Klara, ich war die ganze Zeit in der Küche und hab ihn gar nicht kommen sehen. Aber scheinbar lief es ja eh gut!“

An der frischen Luft komme ich erst langsam wieder zum Durchatmen.

„Ich wurde geflogen“, sage ich leise. Annie lächelt und nimmt meine Hand. Sie lässt mich schweigen – und genießen.

Und keiner hat’s gemerkt

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