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CHRISTINA IST FÜNF JAHRE – 1954/55
SIE BESINNT SICH AUF DEN SINN IHRES LEBENS

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Im Dezember 1954 fühlt sich Christina von Claudia und ihren Eltern verletzt. Sie hatte gemerkt, dass ihre Eltern nicht mehr so einverstanden waren damit, dass sich Claudia fast jeden Abend um sie kümmerte. Trotzdem sie durch ihre Freundin so schnell sprechen und noch vieles anderes gelernt hat. Als ob ihre Eltern eifersüchtig waren. „Warum ist Claudia nicht ehrlich zu mir?“, fragt sie sich. Christina spürt, dass sie etwas bedrückte. Aber was? Claudia kam jetzt nur noch einmal in der Woche.

Nach ihrer Arbeit. Diese Stunden waren dann immer besonders schön. Trotzdem vermisste sie Claudia an den anderen Tagen. Sie fühlt in sich eine tiefe Traurigkeit. Sie fragt sich:

„Was ist die Ursache dafür?“

Sie überlegt: „Gott hat versprochen, mir sofort ein SOS-Zeichen zu schicken, wenn ich von meinen gewünschten Weg abdrifte. Wenn also die Gefahr besteht, dass ich von meinem Kurs abweiche. Soll ich eventuell nicht mehr so viel mit meiner Freundin zusammen sein?“

Sie grübelte mehrere Tage.

Auf einmal bekommt Christina hohes Fieber. Sie liegt nicht im Bett, sondern auf dem Sofa. Ihr Blick fällt immer auf die Wand, wo ein Bild von ihr hängt. Sie hat einen Mantel, eine Mütze und Stiefel an. In der Hand hält sie einen Besen. Sie sieht sich nun im Bild bewegen. Sie fegt die Straße. Sie denkt: „Ja, das ist besser, als mit Fieber auf dem Sofa zu liegen.“

Es wird um sie herum dunkel. Auf einmal merkt Christina, dass sie sich wieder auf dem Sofa befindet. Sie spürt, dass ihr Vater sie berührt. Er prüft ihre Temperatur. Sie hört, wie er sich mit ihrer Mutter unterhält: „Sie hat immer noch Fieber.

Die Kleine muss sofort abgehärtet werden. Nur kalte Wickel können ihr helfen. Bringe mir kaltes Wasser und die Bandagen.“

Sie hört ihre Mutter antworten: „DU tötest sie noch mit DEINEN Männermethoden. Sie ist ein Mädchen. Nur, weil DU DIR immer einen Jungen gewünscht hast, ist das kein Grund, sie als Jungen zu behandeln. Ich helfe DIR ganz bestimmt nicht.“

Ihr Vater wird zornig. Wie so oft. „Was ist denn mit DIR los?

Ich glaube, ich werde nun andere Methoden aufziehen. DU bist doch zu nichts nütze. Hau bloß ab, sonst scheuer ich DIR noch eine. Gehe aus meinen Augen. Ich schaffe das auch allein.“

Er geht in die Küche. Die Mutter verschwindet ängstlich aus dem Wohnzimmer. Christina freut sich aber, dass die Mutter sich verbal, sprachlich, gewehrt hat. Sonst war sie immer stumm und gehorsam.

Der Vater kommt nun mit der Schüssel eiskaltem Wasser zurück. Er umwickelt Christinas Körper mehrmals mit den nassen Wickeln. Zwischendurch streichelt er Christina. Nun ist er mit dem Ergebnis zufrieden. Er zieht ihr einen warmen Schlafanzug an. Christina fühlt sich nicht mehr so fieberig und kann nun klarer denken: „Eigentlich meint mein Papa es doch gut.

Vielleicht mag er mich doch, trotzdem ich nur ein Mädchen bin.

Er freut sich doch immer, wenn ich mit ihm sein Motorrad putze. Aber warum meine Mutter sich nicht von ihm trennt, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Sie lässt sich alles von ihm gefallen und reagiert ja so ängstlich, als ob sie abhängig von ihrem Mann ist.“

Auf einmal merkt Christina ganz bewusst, was sie gerade gedacht hat. Als ob dieser Gedanke auf sie zugekommen ist. Sie denkt: „ABHÄNGIG. Das ist schon in allen meiner Leben auf der Erde mein Zauberwort gewesen. Nie von einem Lebewesen abhängig zu sein, habe ich mir stets als Aufgabe ausgesucht.

Leider habe ich dieses Ziel nie ganz erreicht.

Ganz bewusst spricht sie nun zu sich selbst: „Also, ich, Christina, bin nicht traurig, dass ich Claudia loslassen soll, sondern ich bin glücklich, das ich durch diese Freundin so viel lernen durfte.“

Sehr nachdenklich und dann vor sich hin nickend:

„Ja, nun ist es soweit, dass auch andere Menschen mich als Lehrer begleiten sollen. Das sollte mir das Warnsignal, das Fieber, sagen.“

Christina fühlt sich auf einmal gesund. Entschlossen verlässt sie das Sofa und sucht ihre Mutter. Ganz aufgeregt fragt sie diese: „Mutti, darf ich schnell Claudia besuchen? Ich habe ihr etwas ganz wichtiges zu sagen!“

„Christina, (sagt die Mutter entschieden) DU weißt doch, dass sie so beschäftigt ist. Wir haben DIR doch erklärt, dass sie wirklich nur einen Tag in der Woche noch für DICH Zeit hat.“

Sie empört sich. „Wieso bist DU überhaupt aufgestanden? Lege DICH sofort wieder hin.“

Christina denkt: „Jetzt werde ich ganz lieb sein.“

Sie schaut ihrer Mutter zärtlich in die Augen: „Liebste, liebste Mutti, DU hast mich so sehr umsorgt, dass ich mich wieder ganz gesund fühle. Gerade eben ist mir klar geworden, dass ich außer Claudia gar keine anderen Freunde habe. Weil ich zu oft mit ihr zusammen bin. Ich möchte Claudia fragen, ob sie nicht zu traurig ist, wenn wir uns nicht mehr jede Woche sehen. Jeder von uns hat dann Zeit, auch noch andere Freunde zu finden.“

Sie fängt an zu bitten: „Bitte, bitte, Muttilein, lass uns noch heute Claudia besuchen. Ich möchte mich bei Claudia für ihre jahrelange Liebe und Unterstützung bedanken. Sie wird mich bestimmt verstehen. Wir sind wirklich Seelen-Schwestern.“

Ihre Mutter schaut sie ganz erstaunt an. „Jetzt überrascht DU mich wirklich. Sonst war Claudia doch immer DEIN EIN und ALLES. DU wolltest Claudia nie loslassen, wenn sie gehen wollte.“

Christina nickt und sagt leise: „Ja, das ist mir erst heute klar geworden. Aber nun möchte ich sie loslassen und bereit sein für viele andere Menschen.“

Die Mutter ist freudig überrascht. „Claudia ist ab siebzehn Uhr zu Hause. Dann gehen wir bei ihr vorbei.“

Überlegend sagt sie: „Ich habe eine Idee. Bis dahin üben wir schon einmal die Rechtschreibung. Ich habe mich bei der Schulbehörde erkundigt. Da DU noch nicht im März sechs Jahre alt wirst, muss DU nun doch einen Eignungstest bestehen.“

Herausfordernd meint sie dann: „DU willst ja unbedingt schon mit sechs Jahren in die Schule gehen. Aber wenn DU die Prüfung nicht bestehst, dann solltest DU es wirklich akzeptieren, dass DU noch ein Jahr zu Hause bleiben musst.“

Christina sieht ihre Mutter ein bisschen ärgerlich an und denkt:

„Immer dieses muss. Ich muss überhaupt nichts.“

Doch dann meint sie siegessicher:

„Mutti, DU bist einfach die liebste Mutti auf der Erde. Jetzt haben wir noch Zeit zu üben. Ich schaffe die Prüfung ganz bestimmt. DU weißt ja, was mein Ziel ist.“

Bedeutungsvoll schaut sie ihre Mutter an. Diese wirkt auf einmal sehr unsicher. Christina hatte letzte Woche folgende Bitte ausgesprochen: „Muttilein, sage mir bitte, warum DU DICH nicht von Papa scheiden lässt. Er ist immer so zornig. Besonders, wenn er sein Bier trinkt. Dann schlägt er DICH und DU weinst die ganze Nacht.“

Die Mutter hatte bei Christinas Worten angefangen zu schluchzen. Sie hatte schniefend erwidert: „Wo sollen wir denn hin?

Ich habe doch keine Arbeit. Wovon sollen wir denn leben?“

Christina konnte nicht antworten. Nach ein paar Schweige-Minuten sagte auf einmal die Mutter: „Aber eins verspreche ich DIR, wenn DU aus der Schule kommst, dann trenne ich mich von DEINEM Vater.“

Christina war sehr überrascht über dieses Angebot. Sie hatte überlegt: „Das kann ich nicht glauben.“

Darum hatte sie ganz entschlossen gesagt: „Also gut, versprochen ist versprochen. Das wird nicht gebrochen. Schwöre es.“

Die Mutter hatte ihr diesen Wunsch erfüllt. Doch Christina war bei diesem Gespräch nicht davon überzeugt, dass die Mutter wirklich den Schwur einhalten würde. IHR damaliger Gedanke:

„Wenn ich bald mein Wissen vergesse, hilft auch kein momentaner Schwur.“

Entschlossen hatte sie ein Blatt Papier und einen Bleistift geholt und ihre Mutter gebeten: „Mutti, schreibe bitte auf, dass DU DICH von Papa trennst, wenn ich meine Schule beende.

Mit Unterschrift.“

Ihre Mutter hatte sie ganz erschrocken und ängstlich angeschaut. Christina bekam Mitleid mit ihr und dachte: „Ich habe mir doch eine schwache und ängstliche Mutter gewünscht. Also beschwere DICH nicht. Sie wird bestimmt unterschreiben, weil sie glaubt, dass ich den Zettel verliere. Das wird mir aber nicht passieren.“

Dann hatte sie bittend in die Augen der Mutter geschaut.

„Bitte, bitte, allerliebste Mutti“, war ihr Ausruf.

Die Mutter war erst am Überlegen.. Aber dann hatte sie doch, wie gewünscht, das von IHR Gesagte auf den Zettel geschrieben. Mit ihrer Unterschrift. Aufatmend hatte Christina ihre Mutter umarmt und den Zettel schnell eingesteckt. Sie war sich ganz sicher:

„Ich werde den Zettel so verstecken, dass ich ihn finde, auch wenn ich mein Ziel vergesse. Wie sonst können Mutti und ich endlich unseren Frieden finden.“ So hatte sie noch einmal ganz intensiv in die die Augen der Mutter geblickt. Fast hypnotisierend.

Nun freut sie sich, dass ihre Mutter sich wirklich mit der Schulbehörde in Verbindung gesetzt hatte. Jetzt ist sie noch entschlossener, den Test so gut abzuschließen, dass sie ab ersten April ganz bestimmt eingeschult wird. Da ihre Mutter nun fast schuldbeladen wirkt, umarmt Christina ihre Taille und meint:

„Mutti, DU brauchst DIR keine Sorgen machen. Ich werde ganz schnell groß, und dann passe ich auf DICH auf.“

Die Mutter weint nun leise vor sich hin. Dann aber holt sie entschlossen ein Heft. Die Schreibübungen können beginnen.

Christina ist nicht ganz bei der Sache. Denn sie denkt an die Unterredung mit Claudia.

Endlich ist es so weit. Sie klingeln bei ihrer Freundin.

Diese schaut aus dem Fenster und winkt ihnen zu. „Mit „Kommt herauf“ werden sie begrüßt. Schnell eilt Christina die Treppe hoch und umarmt Claudia innig. Claudia streichelt Christinas Kopf. Sie wirkt sehr erstaunt. „Ist etwas passiert?

Hast DU einen besonderen Grund, mich heute zu besuchen“ fragt sie. Die Mutter begrüßt Claudia und entschuldigt sich: „Bitte, sei nicht böse. Christina hat ein ganz besonderes Anliegen an DICH. Sie hat einen erstaunlichen Entschluss gefasst. Sie möchte aber mit DIR selbst darüber reden.“

„Na gut, dann lass uns auf das Sofa setzen, damit ich nicht umfallen kann.“ meint Claudia.

Christina schüttelt den Kopf und sagt zu Claudia:

„Nein, bitte noch nicht. Was ich zu sagen habe, kann ich nur mit DIR besprechen.“

Sie schaut dann ihre Mutter an: „Bitte, bitte liebe Mutti, gehe nach Hause. Du wirst DICH nur langweilen. Claudia wird mich nach Hause bringen. Nicht wahr Claudia?“

Christinas bittender Blick sagt Claudia alles. Claudia nickt. Sie sieht erst die Tochter und dann die Mutter an: „Uschi, vielleicht hat DEINE Tochter Recht. Dieses Gespräch wird aus meiner Sicht wirklich lange dauern. DEIN Mann kommt jetzt auch gleich nach Hause. Es ist besser, wenn DU ihm dann sein Essen auftischen kannst. Sonst gibt es nur Ärger.“

Sie umarmt die Mutter. Diese windet sich aus der Umarmung.

Wortlos geht die Mutter zur Tür, nickt den BEIDEN zu und verlässt das Haus.

Christina atmet erleichtert aus. „Danke Claudia, wie immer verstehst DU mich.“

Nun setzen sich BEIDE auf das kuschelige Sofa. Erwartungsvoll schaut Claudia Christina an. Christina zögert einen Moment.

Daraufhin springt Claudia auf. „Ich werde uns erst einmal Pfefferminz-Tee aufbrühen. Entspanne DICH. Ich bin gleich wieder da.“

Sie geht in die Küche. Christina hat Zeit, ihre Entscheidungen noch einmal zu überprüfen. Sie ist davon überzeugt, dass Gott ihr dabei geholfen hat. Also ist alles gut.

Claudia erscheint mit der Teekanne und den zwei Tassen. Doch Christina will sich nicht ablenken lassen. Als Claudia sich hinsetzt, atmet sie noch einmal tief durch. Sofort beginnt sie mutig mit ihrer voraussichtlich langen Rede:

„Meine wunderbare Seelenschwester Claudia. Gott hat DICH schon sehr früh zu mir geschickt. Damit ich mich nicht so allein fühle, und weil ich viel von DIR lernen soll. Doch erst heute ist mir klar geworden, dass ich schon abhängig von DIR geworden bin. Ich war bis heute sehr traurig, DICH nur noch einmal in der Woche zu sehen. Es ist nicht leicht für mich.“

In ihren Augen glitzern Tränen. Christina beugt sich zu Claudia vor: „Da ich DICH also nicht freiwillig in Liebe losgelassen habe, erhielt ich von Gott durch Fieberanfälle die Chance, mich wieder auf meinen Lebensplan zu besinnen. In den nächsten Monaten werde ich bestimmt mein Ursprungswissen verlieren.“

Sie schaut Claudia prüfend an.

„Darum bleibt mir nicht mehr viel Zeit, alles so zu planen, damit ich die Chance erhalte, als junge Erwachsene wieder mein Ursprungswissen zu aktivieren. Dafür benötige ich aber DEINE Hilfe.“

Nun kommen ihr doch die Tränen. Sie hatte sie so tapfer unterdrückt. Claudia springt auf und wollte etwas sagen. Aber Christina lässt sich nicht beirren. „Bitte, liebe Seelenschwester, lass mich ausreden. Sonst schaffe ich es nicht.“

Claudia nickt ergeben und setzt sich wieder hin.

Christina bittet nun Claudia um ihr Verständnis.

„Ich werde DCH in der nächsten Zeit loslassen, damit ich erst einmal unabhängig von DIR mich endlich allen Menschen zuwende, die auf mich zukommen. Jetzt weiß ich noch, dass sie mir von Gott als Lehrer geschickt werden. Die mir zeigen sollen, mit welchen Voraussetzungen ich es schaffe, den Weg zu finden, der mich in das Paradies auf Erden führt.“

Christina verdeutlicht ihre Aussagen: „Ohne mein jetziges Wissen werde ich bald meine Eltern und allen Menschen in der Umgebung nachahmen. Auch werden meine Eltern und die Menschen in meinem Umfeld mich davon überzeugen, dass meine Erinnerungen nur Fantasie-Gebilde sind, welche ich durch meine Träume erhalte.“

Christina atmet erleichtert auf. Sie meint:

„Puuuuh, geschafft. Aber kürzer ging es leider nicht.“

Aufmunternd: „So, Claudia, jetzt darfst DU antworten.“

Christina wartet gespannt auf die Antwort. Sie atmet immer wieder tief ein und tief aus. Sie denkt ein klein wenig ängstlich:

„Wie hat Claudia diese Rede aufgenommen? Wird sie mir die Freundschaft kündigen? Fühlt sie sich von mir enttäuscht? Hat sie mich überhaupt verstanden?“

Sie beantwortet sich aber gleich selbst diese Fragen: „Sie wird mich immer verstehen. Sie wird nie von mir enttäuscht sein.

Denn sie nimmt mich so wie ich bin.“

Sie schaut nun direkt in die Augen von Claudia. Was sie darin sieht, bringt sie wieder zum Weinen. Doch diesmal sind es Freudentränen.

Claudia steht nun auf, hebt Christina vom Sofa und wirbelt sie herum. Sie jauchzt und lacht. Auch bei ihr laufen die Freudentränen. Dann setzt sie sich wieder auf den Stuhl und nimmt Christina auf den Schoß. Endlich hat Claudia ihre Sprache wiedergefunden und strahlt Christina an: „Meine süße Christina, ich möchte DIR jetzt ganz ehrlich etwas erzählen. DEINE Mutter und ich hatten Angst, dass DU leidest, wenn wir DIR erzählen, warum ich keine Zeit mehr für DICH habe.“

Ganz entspannt meint sie dann: „DU hast Recht. DU warst wirklich abhängig von mir. DU wolltest mit keinen Kindern in der Nachbarschaft und auch nicht hier im Haus spielen. DU interessiertes DICH nicht für andere Menschen, sondern von Anfang an war ich DEINE einzige Bezugsperson.“

Christina möchte etwas dazu sagen. Aber Claudia redet ohne Pause weiter. „Ja, ich weiß, DU hast DICH von keinem anderen Menschen verstanden gefühlt. Am Anfang haben wir uns auch nur mit Zeichen verständigt. Aber sehr schnell konntest DU DICH schon mit einem so großen Wortschatz verständigen, dass DU für alle Menschen in der Umgebung unheimlich wurdest. Sie nannten DICH Hexenkind und DEINE Mutter wurde eine Hexe genannt. Wenn ich es nicht immer geschafft hätte, die aufbrausenden und angstvollen Gemüter zu beruhigen, dann würdet ihr BEIDE vielleicht nicht mehr leben. Das konnte ich DIR wirklich nicht erzählen. Ich wollte nicht, dass DU DICH zu fürchten beginnst.“

Christina ist von dem Gehörten so erschrocken, dass ihre Lach-Tränen sich in Leidens-Tränen verwandeln. Claudia nimmt ein Taschentuch und trocknet Christinas Tränen. Energisch meint sie: „Nun Schluss mit unserer Heulerei. Jetzt werde ich DIR erst einmal berichten, warum ich DICH nur noch einmal in der Woche besucht habe. Aber bitte unterbreche mich nicht. Es fällt mir schwer genug, DICH eventuell zu enttäuschen.“

Sie setzt sich gegenüber von Christina und legt ihre Hände auf Christinas Hände. Christinas Neugierde ist nicht zu übersehen.

Mit erwartungsvollem Blick wartet sie auf eine spannende Geschichte. Sie räkelt sich und fühlt sich bei Claudia, wie immer, himmlisch geborgen. Sie denkt: „Ach, lieber Gott, danke, danke für diese wunderbare Freundin. Wie wunderschön ist es für mich, mit Claudia zusammen zu sein.“

Claudia beginnt: „Also, meine wunderbare Christina, eben habe ich mich in Gedanken bei Gott für unsere Freundschaft bedankt.“

Christina steht auf und klatscht begeistert in ihre Hände und ruft aus: „Ja, meine Seelenschwester, ich doch auch.“

Überlegend nickt sie nun: „Juchuuu, das wird nun unser Brauch.“

Schnell setzt sie sich aber wieder hin. Damit ihre Freundin endlich zu Wort kommen kann.

Diese freut sich und lacht Christina an. „DU siehst, auch wenn wir getrennt sind, werden wir uns immer verbunden fühlen.

Auch wenn DU bald unser intensives Miteinander vergessen wirst. Aber irgendwie wirst DU es trotzdem spüren.“

Sie greift wieder zu Christinas Händen. „Aber nun höre zu, wie sich mein Leben verändert hat. Es ist wie in einem Märchen.“

Stille. Claudia schwelgt in ihren Gedanken. Dann platzt es aus ihr heraus: „Ach, Christina. Ich habe meinen Traummann kennen gelernt. Er liebt alles, was ich liebe. Alle Tiere, alle Menschen und er liebt Gott. Ich habe ihn im Kurpark kennen gelernt. Er war sooooooooo galant, und wir haben uns stundenlang unterhalten.“

Claudia schaut Christina liebreizend an.

„Er ist evangelischer Pastor. Aber als er es mir sagte, habe ich ihn gleich gefragt, in welcher Kirche ich mir seine Predigt anhören kann. Dadurch erfuhr ich, dass er hier nur einige Tage verbringt.“

Claudia sieht bei dieser Rückschau Christina traurig an.

„Christina, mir war gleich klar, dass ich mich nicht in ihn verlieben darf. Aus meiner damaligen Sicht konnte ich niemals seine Prinzessin werden. Denn dann müsste ich DICH verlassen. Als Pastor hat er eine feste Gemeinde, die er niemals verlassen wird.“

Claudia nickt Christina zu. „Ja, darum bin ich dann sofort aufgestanden. Ich habe mich schnell von ihm verabschiedet und bin dann sofort weggelaufen. Zum Glück war er viel zu verdutzt, um mir nachzulaufen. An unserem Lieblingsplatz am Deich habe ich mit Gott gesprochen. Ich habe ihm gesagt: (sie faltet ihre Hände)

„Mein wunderbarer Gott, DEIN Wille geschehe, nicht mein Wille. Mein Glück kann nur vollkommen sein, wenn ich dadurch keinem Lebewesen geistige und körperliche Schmerzen zufüge. Christina ist meine beste Freundin. Nie soll sie durch mich leiden. Ich bitte DICH, zeige mir, was DEIN Wille ist.

Wenn dieser Traumprinz nicht mehr meinen Weg kreuzt, dann weiß ich genau, dass er nicht für mich bestimmt ist.“

Claudia holt tief Luft: „Aber wenn er auf mich zukommt, dann ist es DEIN Wille, dass ich einen Weg finden soll, diesem Traummann, Christina und mir gerecht zu werden. Ich danke DIR für DEINE absolute Liebe. AMEN!“

Christina schaut Claudia mit großen Augen an. Sie fragt:

„Nun sag schnell. Was ist dann passiert?“

„Meine liebste Christina, ich bin nicht mehr in den Kurpark gegangen. War nicht mehr in Döse und nicht mehr in Duhnen.

Nicht mehr am Deich und nicht mehr am Strand. Ich war nur im Büro. Nach Feierabend bin ich gleich nach Hause gegangen und habe DICH dann anschließend besucht.“

Stille. Christina sagt vorwurfsvoll: „Mache es doch nicht so spannend. Ich denke, Du magst mich nicht leiiiiden sehen.“

Claudia grinst Christina an. „Also gut. Im Büro bekam ich einen Anruf und erfuhr, dass meine Freundin Sybille im Krankenhaus ist. Ihr Baby wollte uns wohl unbedingt früher kennen lernen. Wir haben doch noch darüber gesprochen, dass Sybille mehr liegen als laufen sollte. Weil die Gefahr besteht, dass ihr Kind zu früh geboren wird. Weißt DU es noch?“

Christina nickt und entgegnet: „Oh ja. Wir haben sie doch zu Hause besucht, und ich durfte ihren Bauch streicheln. Dann habe ich gespürt, wie sich das Baby bewegt. Es war für mich wie ein Wunder. Aber warum hast DU mir gar nicht gesagt, dass die Kleine nun schon auf der Erde ist, wo sie niemand versteht? Hast DU ihr schon unsere Geheimsprache beigebracht?“

Claudia schüttelt den Kopf. „Nein, denn es passierte etwas, was ich niemals erwartet habe. Was mich so verwirrt hat, dass ich gar nicht mehr klar denken konnte. Darum habe ich DIR auch nichts von der Geburt erzählt. Bitte verzeihe mir.“

Sie stockt.

„Ooooooooooooooooh, jetzt wird es richtig spannend. Erzähl schon. Spann mich nicht auf die Folter.“ drängelt Christina. Claudia spricht weiter:

„Ich wusste nicht mehr, auf welchem Zimmer Sybille liegt.

Darum bin ich zum Empfang gegangen. Kannst DU DIR vorstellen, wer dort stand?“

Christina überlegt kurz und macht dann ein verdutztes Gesicht.

„Wenn das stimmt, was ich glaube, dann hat Gott seinen Willen sprechen lassen. Stand dort wirklich DEIN Traummann?“

Claudia lacht laut auf und sagt: „Was bist DU doch für ein kluges Kind. Ja, er stand in einem Priestergewand an der Auskunft.

Ich wollte mich an ihm vorbei schleichen. Doch als ob er gezwungen wurde, drehte er sich um und schaute mir direkt in die Augen. Er erkannte mich sofort, und dann war es wohl um uns BEIDE geschehen. Er blickte mich mit so liebevollen Augen an, wie mich noch nie ein Mann angesehen hat. Er kam sofort auf mich zu. Ich bemerkte, dass er eigentlich den Wunsch hatte, mich zu umarmen. Aber er traute sich nicht. Er erzählte mir später, dass er angenommen hatte, dass eine Umarmung mich gleich wieder vertreiben würde.“

Claudia schaut sehnsüchtig vor sich hin. Dann schmunzelt sie und redet weiter: „Er nahm aber meine Hand und küsste sie.

Er sprach leise und sagte: „Nie wieder dürfen Sie von mir weglaufen. Ich verspreche Ihnen, dass ich so lange auf sie warte, bis auch Sie die absolute Liebe für mich empfinden. Ich habe mich schon auf den ersten Blick auf der Bank im Kurpark in Sie verliebt. Darum habe ich Sie überall gesucht.“

Claudias aufleuchtender Blick zeigt Christina, dass dieser Mann nun wirklich ihre große Liebe ist.

Christina klatscht in ihre Hände und meint: „Ist das romantisch.“

Sie hört gebannt weiter zu. „Christina, jedes Wort von ihm werde ich immer in meinem Herzen tragen. Kannst DU DIR nun vorstellen, warum ich mich in dem Moment wie in einem Film gefühlt habe? Ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden. Aber dann schaffte ich es doch, die für mich wichtige Frage zu stellen:

„Wie lange bleiben Sie denn noch in Cuxhaven?“

Ich habe die Antwort auswendig gelernt, Christina, ich werde sie nie vergessen. Darf ich sie DIR vortragen?“

Christina nickt nur mit leuchtenden Augen.

Mit einem seligen Blick erinnert sich Claudia an die Worte:

„Heute ist leider mein letzter Tag in Cuxhaven. Ich bin hierhergekommen, weil ein Gemeindemitglied von mir hier im Urlaub einen zweiten Schlaganfall erlitten hat. Seine Frau hat mich daraufhin gebeten, ihm beim Sterben zu begleiten. Dies war eine große Ehre für mich. Heute durfte er in Frieden seinen Körper verlassen und im Jenseits wieder als Seele mit Gott verbunden sein. Endlich darf er wieder das Paradies im Himmel genießen.

Ich achte seine Frau sehr. Sie hat die Größe, nicht an den Verlust ihres Mannes zu denken. Sie fühlt sich so mit ihm verbunden, dass sie sich für ihn freut, dass er nun nicht mehr leiden muss. Leider leben zu viele Menschen noch nicht so bewusst wie diese wunderbare Frau. Verstehen Sie meine Sichtweise?“

Claudia schaut nun Christina direkt an.

„Christina, DU wirst verstehen, dass mein Herz ihm zugeflogen ist. Alles, was auch DEIN Wissen ist, wurde mir durch seine Worte bestätigt. Ich bin nun überzeugt, dass Gott mir diesen Mann geschickt hat, damit das LOSLASSEN von DIR für mich leichter wird. Wir haben uns wohl beide in eine Abhängigkeit verstrickt. Allein wären wir nicht daraus gekommen.“

Claudia ergreift Christinas beide Hände und zieht sie hoch. Sie tanzen lachend und fröhlich in einem Kreis herum. Christina ist aber viel zu neugierig, um diesen Tanz noch länger zu genießen. Sie bedrängt Claudia: „Meine wunderbare Claudia, bitte erzähle weiter. Es ist für mich wirklich wie ein Märchen.“

Claudia lächelt verständnisvoll Christina zu. Sie nickt:

„Ja, so empfinde ich es auch.“

Dann erzählt sie weiter: „Ich konnte nicht anders. Ich habe ihm sofort von unserer Freundschaft erzählt. Dass DU immer noch den größten Teil davon weißt, was DU mit Gott vor DEINER Zeugung besprochen hast. Wie wir uns kennen gelernt haben.

Wie sehr ich DICH liebe, und ich DICH darum nicht verlassen kann. Weil DU DICH ohne mich nicht verstanden fühlst. Weil DU Eltern hast, die sich nicht lieben, die nicht bewusst leben.

Die DICH nie verstehen werden.“

Christina blickt Claudia dankbar an. Sie sagt:

„Ich danke DIR für diesen Liebesbeweis. Aber wenn DU mir dieses Treffen gleich so geschildert hättest, wäre ich eventuell sofort aufgerüttelt worden. Aber ich verstehe nun, dass auch DEIN menschliches Pflichtgefühl dabei eine Rolle spielte, mir nicht gleich diese wunderbare Wahrheit zu erzählen.“

Sie überlegt und meint: „Wie klug von DIR, dass DU DICH an den lieben Gott gewandt hast. So hat er DIR seinen Willen zeigen können.“ Sie schlägt sich an den Kopf.

„Ach so. Nun ist mir allllles klar. Darum habe ich also die Fieberschübe als Warnsignal erhalten. Damit ich es DIR endlich ersparen kann, noch länger in diesem Zwiespalt zu bleiben.

Eigentlich können wir nun sagen“ „Ende gut, alles gut.“

Aber wie ist es dann weiter gegangen? Aus welchem Grund hast DU mich dann nur noch einmal in der Woche besucht?“

Claudia drückt Christina fest an ihren Körper und entgegnet:

„Warte, sei nicht so ungeduldig.“

Einen Moment sieht es für Christina so aus, also ob Claudia erst einmal das Gespräch abbrechen wollte. Doch dann hört sie doch wieder die begeisterte Stimme von ihrer Freundin:

„Also. Mein Traummann heißt Josef. Josef hat mich sofort verstanden. Er fragte mich dann, ob er seine Sichtweise dazu ausbreiten dürfte. Ich habe sofort zugestimmt. Denn, meine Christina, ich war und bin auch jetzt überzeugt, dass er durch Gott immer Worte finden wird, die innig und weise sind. Entscheide DU, wie DU seine Worte auslegst.“

Sie schaut Christina forschend an. „Oder bist DU zu müde?

Dann bringe ich DICH nach Hause. Wir können dann morgen weiter sprechen.“

Christina windet sich aus der Umarmung und springt entrüstet auf. „Glaubst DU wirklich, dass ich jetzt schlafen könnte?

Dann müsstest DU mir erst einen Hammer auf den Kopf schlagen. DU erzählst mir ein wunderbares Märchen, und ich soll erst morgen erfahren, wie das Märchen ausgeht? So eine Quälerei habe ich wirklich nicht verdient. Oder?“

Claudia lacht laut auf. Sie knickst vor Christina und bittet um Entschuldigung: „Sehr geehrtes Fräulein Schön. Ich möchte mich hiermit entschuldigen, dass ich Ihnen eine Quälerei zumuten wollte. Aber das war mir nicht bewusst. Ich bedanke mich für diese Aufklärung. Sie dürfen sich wieder hinsetzen und meinen Worten lauschen.“

Lachend setzen sich BEIDE wieder.

„Christina, hör genau zu, mit welchen Worten er mich so glücklich gemacht hat. Er sprach mich mit DU an:

„Jetzt weiß ich, warum ich DICH sofort geliebt habe. Auch DU gehst schon auf den Weg der absoluten Liebe. Ich vermute, dass es Gottes Wille war, dass DU sofort, als Christina noch ein Baby war, sie kennen lernen durftest. Denn sie wusste doch noch, dass sie DICH nicht ausgesucht hat. Also half Gott EUCH, durch EUER Miteinander, früher als andere Menschen, EUREN gewünschten Weg auf der Erde zu finden.“

Claudia beugt sich vor.

„Christina, dann wurde Josef sehr nachdenklich. Er sagte dann:

„Liebste, eventuell sollen wir oder unsere Kinder gemeinsam mit Christina den Schlüssel für das Tor zum Paradies finden.

Weil sie im Paradies nicht allein leben soll. Aber ich bin überzeugt, dass sie jetzt erst einmal in den nächsten Kinder- und Jugend-Jahren ihren Weg ohne uns gehen soll. Gott wird Christina als Erwachsene durch ein Warnsignal das Bewusstsein wieder geben, was wirklich ihre Aufgabe ist.““

Claudia blickt nun Christina traurig an.

„Christina, dann sprach er die Worte, die wohl vernünftig sind, aber für mich sehr schmerzlich waren:

„Claudia, verstehe mich bitte nicht falsch. Aber nun solltest DU konsequent den Prozess der Abnabelung beschleunigen.

Gehe nur einmal in der Woche nach Feierabend zu Christina.

Genießt EUER Miteinander, aber sage ihr ehrlich, dass sich DEIN Leben so verändert hat, dass es nicht anders möglich ist.

Erzähle ihr von uns. Sage ihr, dass die gemeinsamen Stunden an diesem einen Tag noch intensiver erlebt werden können.

Denn die Vorfreude ist die schönste Freude.“

Claudia blickt nun mit leuchtenden Augen auf Christina.

„Merkst DU, wie weise mein Josef ist. Er hat so ein Vertrauen zu Gott, dass er schon damals wusste, dass Gott DIR immer wieder Warnzeichen schicken wird. Wie auch jetzt. Damit wir endlich gezwungen werden, uns LOSZULASSEN.“

Sie meint dann entschuldigend: „Aber ich wagte trotzdem noch nicht, DIR die Wahrheit zu sagen.“

Claudia nimmt nun das Gesicht von Christina in den Händen und sagt betreten:

„Christina, darum habe ich mich dann mit Deiner Mutter unterhalten. Sie war richtig froh, dass ich bereit war, DICH nur noch einmal in der Woche zu besuchen. Sie wollte aber auch nicht, dass ich DIR den Grund dafür sage. Darum meine Lügen. Ich habe dann oft Josef am Wochenende besucht. Durch seine Vorbereitung für den Gottesdienst und natürlich durch den eigentlichen Gottesdienst am Sonntag, hatte er ja nie Zeit, mich hier zu besuchen. Aber nun kann er auch an seinem freien Tag hierher kommen. Damit DU ihn kennen lernst.“

Claudia schaut Christina zärtlich an: „Weißt DU, was mir besonders hilft, DICH loszulassen?“

Christina überlegt und sagt dann:

„Weil DU für mich die absolute Liebe empfindest. Die nie vergehen wird. Du bist DIR jetzt sicher, dass nur das Loslassen von mir die Chance für mich ist, selbstverantwortlich meinen eigenen Weg zu finden. Stimmt es?“

Claudia nickt begeistert.

„Ja. Aber nur durch die zweite Begegnung mit Josef habe ich das verstanden. Jetzt bin ich noch fester davon überzeugt, dass wir uns in den späteren Jahren wirklich im Paradies auf Erden treffen werden. Diese Überzeugung hilft mir auch, DICH loszulassen. Ich werde mich nun oft mit Josef treffen. Bevor wir uns für ewig binden. Erst nach unserer Hochzeit ziehe ich als Ehefrau und Gemeinde-Helferin im Pfarrhaus ein. Wenn uns Kinder geschenkt werden, wird mein erstes Kind entweder Christina oder Christian genannt. Sie sollen gleich mit dem Wissen aufwachsen, dass DU ihre Schwester bist. Ich bin überzeugt, dass Gott sich darüber freut.“

Dann überlegend: „Aus meiner Sicht benötigst DU kaum mehr das Leid zum Aufwachen. DU wendest nun selbst schon ganz bewusst DEINE geschenkte Gotteskraft an. Oder?“

Christina lächelt entzückt: „Wie gut DU mich kennst.“

Doch Claudia seufzt. „Ich war so dumm und egoistisch. Dieses ganze Lügengebäude ist eigentlich unverzeihlich. Ach, ich hätte es besser wissen müssen. Ich war einfach zu feige. Aber glaube mir, das Lügen war eine Tortur, eine Qual für mich. Kannst DU mir trotzdem verzeihen?“

Christina neckt sie: „Ich vermute, dass ich DIR verzeihen kann.

Denn ich bin auch egoistisch. Ich wünsche mir, DEINEN Josef kennen zu lernen. Ich möchte bei EURER Hochzeit dabei sein. Durch meine Verzeihung werde ich eventuell EURE Kinder, DEINEN Mann und DICH in unserem Paradies begrüßen dürfen. Wenn das kein Grund ist, gnädig zu DIR zu sein!“

Christina lacht so laut, dass sie kaum mehr atmen kann. Auch ein Schluckauf sorgt für ihre Heiterkeit. Endlich kann Christina wieder mit einer neutralen Stimme sprechen:

„Jetzt denkt Gott und auch DEIN Josef an uns. Weil DU noch glaubst, dass Gott Verzeihung erwartet. Aber für was möchtest DU DICH bei mir entschuldigen? Was sollen wir einem anderen Menschen und uns selbst verzeihen?“

Claudia sitzt wie versteinert auf ihren Platz. Dann kam sie endlich zu sich.

„Christina, jetzt hast DU es mir aber wirklich gegeben. Ich fühle mich überfordert. Ich wollte mich bei DIR entschuldigen, weil ich mich schäme. Denn durch meine Unehrlichkeit habe ich DEIN Vertrauen verletzt. DU sagst doch immer, dass nur mit dem absoluten Vertrauen eine Freundschaft und Partnerschaft möglich ist. Ich wollte DIR damit sagen, dass ich das jetzt begriffen habe.“

Christina setzt sich auf Claudias Schoß und schaut sie zärtlich an. „DU siehst es richtig. Vertrauen ist die Grundlage für jedes inniges Miteinander. Doch es sollte gepaart werden mit der grenzenlosen Liebe. Beantworte mir folgende Frage: Aus welchen Gründen hast DU mir die Wahrheit unterschlagen?“

Spontan antwortet Claudia: „Weil ich DICH schützen wollte.

Ich hatte Angst, dass DU ohne mich nicht mehr leben möchtest.“

Christina nickt. „Aha. DU möchtest DICH also bei mir entschuldigen, weil DU mich schützen wolltest. Verstehe ich das richtig? DU schämst DICH also dafür, dass DU mich so liebst, dass DU die Qual einer Lüge auf DICH genommen hast, um mich zu schützen?“

Claudia steht abrupt auf, so dass Christina von ihrem Schoß auf dem Boden rutscht. Empört sagt sie zu Christina:

„DU bist gemein. Du drehst mir die Wörter im Mund herum.“

Doch dann muss sie doch lachen.

„DU bist raffiniert. Einfach genial.“

Sie nimmt Christina auf den Arm und schaut sie mit leuchtenden Augen an: „Also habe ich gar keinen Grund, mich bei DIR zu entschuldigen und DU hast keinen Grund, mir zu verzeihen!

Danke, meine Lehrerin.“

Sie denkt nach. „So, jetzt werden wir die ideale Sofa-Kuschelhaltung ausprobieren.“

Mehrere Male wird die Stellung gewechselt. Dann endlich sind sie BEIDE zufrieden. Behaglich strecken sie sich noch ein kleines bisschen. „Oh, soooo ist es schön“ sind sie sich einig.

„So, meine süße Christina, nun können meine Gedanken fließen. Ich muss sie nur noch in verständlichen Worten packen.

Habe bitte Geduld mit mir.“

Christina nickt und wagt nichts zu sagen. Stille. Dann doch drängend: „Claudia, worüber denkst DU nach?“

Noch nachdenklich erwidert Claudia: „Christina, es ist wirklich fast alles, was DU gesagt hast, für mich verständlich. Doch mit welchen Gedanken kann ich allen Menschen verzeihen? Wie könnte ich zum Beispiel dem Mörder meiner Tochter verzeihen?

Wie ist das möglich?

Was ist denn nun die Wahrheit, Christina?“

Sie nimmt Claudias Hand: „Die Wahrheit ist, dass kein Mensch bewusst böse ist. Er gibt keine Sünder. Keine Opfer. Wann würde ein Mensch wirklich sündigen, Claudia?“

Claudia hebt nur die Hände und rollt ihre Augen mit dem Ausspruch: „Wieder bin ich überfordert. Sag es mir, meine Lehrerin.“

Christina fragt: „Könntest DU Gründe nennen warum ein Mensch bereit ist, zu töten?“

Stille. „Mmmmeee“ (Claudia denkt noch nach) Dann spricht sie ganz langsam ihre Gedanken aus:

„Wenn ein Mensch so von einem Menschen gepeinigt wird, dass er es nicht mehr aushalten kann. Wenn er glaubt, dass ein anderer Mensch es wirklich verdient hat. Wenn er glaubt, dass es seinem Kind, seinem Partner, ihm, anderen Menschen oder auch Tiere dann besser geht, wenn dieser Mensch nicht mehr auf der Erde ist. Aus Rache. Oder, wenn er mit einer Pistole versucht, eine Bank zu überfallen. Auch wenn er es nicht vorhat, sie zu benutzen, kann es passieren. Natürlich auch, wenn ein Mensch überfallen wird, und er sich aus seiner Sicht nur noch mit einer Waffe wehren kann. Mmmmeee. Nee, jetzt fällt mir nichts mehr ein.“

„Gut“, bewertet Christina die Aufzählung. Aber es gibt doch nur ein Gedanke, der all diesen Menschen aus seiner Sicht die Genehmigung gibt, zu töten. Kannst DU DIR denken, welcher Gedanke es sein könnte?“

Da kommt ganz spontan die Antwort von Claudia: „Weil sie sich verletzt fühlen und dadurch zornig und wütend sind.“

„Eben. Glaubst DU, dass die Menschen mit meinem jetzigen Bewusstsein töten könnten?“

Claudia lacht. „Natürlich nicht!“

Christina fragt: „Warum nicht?“

Claudia antwortet mit fester Stimme: „Weil diese Menschen ja nie zornig und wütend auf andere Menschen sind.“

„Warum kann ich alle Menschen so nehmen wie sie sind?“

„Na ja, das ist doch klar. Weil DU mit dem Wissen lebst, dass nur DU allein verantwortlich bist für DEIN Leid. Nie ein Opfer bist.“

„Eben“ antwortet Christina. Sie schaut liebevoll Claudia an.

„Jetzt hast DU doch die Antwort auf DEINE Fragen. Ich fasse noch einmal zusammen. Ein Mensch tötet nur, weil sein Zorn alle seine Sinne ausschaltet. Er kann nicht mehr denken und fühlen. Nicht, weil er böse ist. Ohne Zorn ist er ein Mensch, der sich klein und ohnmächtig fühlt. Der sich nicht als wertvollen Menschen sieht. Darum ist die Eifersucht sein Begleiter und auch oft der Alkohol, der ihm für kurze Zeit das Vergessen schenkt. Sein Geist ist so krank, dass er ALLE Menschen vernichten möchte, die aus seiner Sicht Schuld an seinem Leid haben.

Nie hat er mit Vorbilder gelebt, die für sich die absolute Verantwortung angenommen haben. Wie soll er also wissen, dass nur er der Verursacher für sein Leid ist? Ich kann doch nicht zornig auf einen Menschen sein, der gar nicht mit diesem Bewusstsein lebt. Doch das ist fast für jeden Menschen unverständlich.“

Christina fragt nun Claudia: „Sind diese Antworten trotzdem für DICH akzeptabel, mein großer Schatz?“

Claudia kann im Moment noch nicht antworten.

Sie schaut Christina mit großen Augen nachdenklich an. Auf einmal nimmt sie Christina wieder auf den Arm und tanzt mit ihr im Walzertakt herum. Dabei singt sie eine Strophe aus ihrem Lieblings-Kirchenlied:

„Danke, dass ich DEIN Wort verstehe, danke, dass DEINEN Geist DU gibst. Danke, dass in der Ferne und Nähe DU die Menschen liebst. Danke, DEIN Heil kennt keine Grenzen, danke, ich halt mich fest daran. Danke, ach Herr, ich will DIR danken, dass ich danken kann.“

Claudia lässt sich nun mit Christina - auf- und ausatmend - auf den Sofa plumpsen. Es ist wieder ein Kuscheln angesagt. Endlich hat Claudia genug Luft, um Christina ihre Gedanken weiter auszubreiten:

„Wenn ich DICH richtig verstanden habe, dann gibt es wirklich keine bösen Menschen. Denn ein Mensch, der so bewusst wie DU im Moment lebst, der kann sich überhaupt nie, nie, nie versündigen.“

Sie grübelt. Dann leuchten wieder ihre Augen auf:

„Halleluja, lieber Gott. Ich werde nie mehr krank werden, weil ich für alle Menschen Verständnis habe. Weil ich nie mehr einen Menschen beurteilen und verurteilen werde. Ich nehme ab sofort die absolute Verantwortung für mein Leben an!“

Christina fängt an zu schluchzen, wird dann immer lauter.

Erschrocken schaut Claudia sie an. Dann erkennt sie, dass diese Tränen nur Freudentränen sein können. Das bestätigt ihr Christina sofort freudig: „Ach, das Lied war ja sooooooooooooooo schön. Aber zu wissen, dass DU mich wirklich verstehst, ist für mich ein Höhepunkt in meinem bisherigen Leben.“

Claudia freut sich riesig über diese Worte. Auch sie fängt an zu weinen. Ihre Tränen und die Tränen, die jetzt auch wieder bei Christina fließen, vereinen sich. Denn Claudia hat Christina wieder hoch gehoben und Wange an Wange genießen sie die Nähe.

Christina fängt unter Tränen an zu lachen.

„Wir sind keine ‚Bluts-Schwestern‘ sondern ‚Tränen-Schwestern‘“, meint sie. „Aber bitte, lass mich nun runter. Ich möchte mit DIR über die entsprechenden Konsequenzen sprechen. Ich benötige wirklich DEINE Hilfe.“

Auf einmal ist BEIDEN das Lachen vergangen.

Sie gehen wieder in die Küche und nehmen die Kanne mit dem Pfefferminz-Tee und die Tassen mit.

Christina hat sich nun gefasst und redet mit leiser aber verständlichen Stimme: (ohne Claudia in die Augen zu sehen) „Wir werden uns also nach DEINER Hochzeit für eine lange Zeit in Liebe loslassen. Ohne mein Ursprungswissen, was ich nun bald verliere, bin ich nicht fähig, mich an meine Baby-Zeit und an unser spirituelles Miteinander zu erinnern. Vielleicht in meinen Träumen. Ich werde mich an DEINE Hochzeit erinnern. Ich werde mich an eine liebe Tante erinnern. Aber nicht an unser gemeinsames Ziel.“

Nun schaut sie Claudia bittend in die Augen.

„Ich bitte DICH, über unser Miteinander bis zu meinem sechsten Lebensjahr ein Manuskript zu verfassen. Dieses sollte bei einem Notar hinterlegt werden. Dieser verpflichtet sich, regelmäßig meinen Werdegang zu verfolgen. Wenn er sich zur Ruhe setzt oder verstirbt, sollte ein anderer Notar diese Aufgabe erfüllen. Diese Berichte werden EUCH geschickt.“

Christina blickt Claudia tief in die Augen.

„Dann ist es auch möglich, dass ich von diesem Notar Nachricht erhalte, wenn jemand von DEINER Familie mit mir einen gemeinsamen Weg zu unserem Ziel antreten möchte. Denn der Notar wird durch die Berichte erfahren, wo und wie ich lebe.

Ob ich das Paradies fast oder schon gefunden habe. Wenn DU nicht mit mir gehen möchtest oder es DIR nicht mehr möglich ist, wird aber ein Mensch auf DICH und DEINER Familie zukommen, den IHR mir dann schicken wird.“

Christinas Augen glitzern. Sie beugt sich zu Claudia.

„Darum habe ich mir folgendes überlegt. Es müsste eine Lebensversicherung auf meinen Namen abgeschlossen werden.

Bei einer sechsjährigen Person wird der Beitrag nicht so hoch sein. Dann kann der entsprechende Name von dem Notar als Nutznießer eingetragen werden. Er weiß dann genau, dass er sicher sein kann, das Geld für seine Mühe zu erhalten.“

Nun hat Christina den Mut, Claudia doch noch intensiver in die Augen zu schauen:

„Claudia, wärst DU bereit, mir das Manuskript über mein jetziges Wissen zu schreiben? Könnten wir noch vor DEINER Hochzeit zusammen einen entsprechenden Notar finden? Der sollte uns beide schon vor dem Vertragsentwurf kennenlernen.“

Christina hat schon einen trockenen Mund vom vielen Reden.

Sie schenkt sich eine Tasse Tee ein und trinkt sie in einem Zug aus.

Claudia nickt ermutigend und ernst. Sie nimmt eine Hand von Christina in ihre warme Hand.

„Alle Achtung, Christina, DEIN Plan ist das Werk von unserem Vater im Himmel. Er wird uns auch helfen, den richtigen Notar zu finden. Ich werde nun bis zur unserer Trennung alles aufschreiben, wie ich unser Miteinander erlebt habe. Mit welchem Wissen DU geboren worden bist. Auch ist es nötig, dass ich DEINEM Vater einen entsprechenden Brief von mir gebe, den DU dann von ihm zum einundzwanzigsten Geburtstag erhältst. Damit DU den Namen des Notars erfährst. Dann kannst DU DICH mit ihm in Verbindung setzen.“

Claudia steht auf. „Ich werde DEINEM Vater schon ein paar Informationen geben müssen. Doch ich weiß ja schon, wie er tickt. Ich werde mir etwas einfallen lassen. Aber nun lass uns wieder fröhlich sein.“

Sie spricht nun mit fester Stimme: „Ich bin mir sicher, wir werden uns, wenn Gott es will, im Garten Eden wieder treffen. Bis dahin werde ich DICH nach meiner Hochzeit in Liebe loslassen.“

Beim Umarmen drücken sich BEIDE so fest, dass es schmerzt.

Christina sieht aber nun nicht mehr traurig aus. Sie hat ihre innere Harmonie wieder gefunden. Sie löst sich aus der Umarmung. Mit zärtlichem und bittendem Blick schaut sie Claudia an:

„Meine Seelenschwester, bevor DU mich in Liebe loslässt, bitte ich DICH, mir meinen größten Wunsch zu erfüllen. Ich möchte unbedingt mit DIR, als meine beste Freundin, auf DEINER Hochzeit tanzen.“

„Ja, das verspreche ich DIR“, bestätigt Claudia. „Ich lade DICH nun höchst persönlich als mein Blumenkind zu meiner Trauung ein. Bist DU damit einverstanden?“

Christina jubelt: „Oh ja. Ich bin nun das glücklichste bald unwissendste Kind auf dieser Erde. Juchuuuuuuuuuuuu.“

Claudia kann nicht anders. Sie lacht so schallend, dass unten der Besen von einer Hausbewohnerin zum Einsatz kommt.

Claudia wird jetzt energisch.

„Christina, DU gehörst jetzt wirklich ins Bett. Ich verspreche DIR, dass wir uns erst im April frühestens trennen. Ich möchte jetzt noch sehr viel von DIR lernen. Hier, ziehe DEINEN Mantel an.“

Christina kann vor lauter Müdigkeit kaum laufen. Auf dem Rücken von Claudia, also „Huckepack“, erreichen sie das Auto.

Die Eltern von Christina warteten schon ungeduldig. Claudia entschuldigt sich mit den Worten:

„Bitte, seid nicht böse. Wir haben einfach die Zeit vergessen.“

Dann sagt sie strahlend: „Stellt EUCH vor, Christina ist mir gar nicht böse, dass ich sie angelogen habe. Aber ab April werden wir wirklich getrennte Wege gehen.“

Sie fragt bittend: „Darf ich schnell Christina ins Bett bringen?“

Ein zustimmendes Brummen vom Vater ist die Antwort. Nach einem kleinen Lied und einem Gute Nacht Kuss schläft Christina sofort ein.

Nun kann Claudia mit den Eltern über ihre Wünsche sprechen.

Mit dem Satz: „So, unser Schatz ist sofort eingeschlafen“, kommt sie zurück in die Küche. Die Eltern von Christina waren noch am Flüstern. Nun nickt Carl seiner Frau zu. Damit erlaubt er ihr, das Gespräch zu beginnen.

„Claudia, wir finden es hochanständig von DIR, dass DU ab April nicht mehr kommst. Dann erhält unsere Kleine endlich die Chance, als ganz normales Kind aufzuwachsen. Ich möchte DICH nicht verletzen, aber mit DIR zusammen benimmt sie sich nie wie ein Kind. Sie ist zwar manchmal mit der Martina von gegenüber zusammen. Aber auch nur, um mit ihr über den Ballett-Unterricht zu sprechen. Dadurch werden ihr nur Flausen in den Kopf gesetzt. Für diesen Unterricht haben wir ganz bestimmt kein Geld.“

„Ja, DU hast Recht“ antwortet Claudia.

„Jetzt ist die Zeit gekommen, wo sie als normales Kind ohne dieses Ursprungswissen leben und lernen darf.“

Die Stirne runzelnd schaut Uschi Claudia an. „Claudia, DU sagst wirklich immer komische Sachen. Wie auch meine Tochter. Carl und ich wissen oft nicht, worüber IHR redet. Darum sind wir auch nicht traurig, dass DU nun heiratest und wegziehst. Trotzdem danken wir DIR, dass durch DICH Christina das Laufen und das Sprechen so früh lernen konnte.“

Claudia lächelt überrascht und meint: „Bitte, es war für mich ein Vergnügen.“

Sie steht auf und verbeugt sich:

„Wird mir aus diesem Grund zwei Wünsche von EUCH gewährt?“

Uschi kichert und schaut ihren Mann an. Der zieht zwar seine Augenbrauen hoch, aber dann nickt er.

„Was sind denn DEINE Wünsche?“, fragt Uschi.

Claudia erklärt: „Ich wollte Christina zum Geburtstag eine Wattwagen-Fahrt nach Neuwerk schenken. Mit mir zusammen.

Ich habe schon lange dafür gespart. Seid ihr damit einverstanden?“

„Und was ist DEIN zweiter Wunsch, Claudia.“

Claudia denkt: „Nun kommt es darauf an, ob Christinas und meine Wünsche in Erfüllung gehen.“ Sie drückt ihre „beiden Daumen“ und meint dann „herunterrasselnd“:

„Ach, das hätte ich fast vergessen. Als Dank an EUCH und auch zum Abschied möchte ich EUCH gern zu meiner Hochzeit einladen. Wenn ihr erlaubt, könnte mich Christina als Blumenkind zum Altar begleiten. Ich werde ihr dafür ein neues Kleid kaufen. Dann hat sie gleich ein Kleid für die Einschulung und ein neues Sonntagskleid. Ihr würdet mir mit EURER Einwilligung eine letzte Freude schenken. Es wäre dann ja auch unser Abschiedstag. Wir werden uns also nicht mehr wiedersehen.“

Aufatmend und erleichtert setzt sie sich wieder hin und schaut fragend die Eltern an. Sie hofft, dass die BEIDEN nicht zugeben werden, wenn sie nicht alles verstanden zu haben.

„Habt IHR dafür Verständnis?“

Claudia beobachtet das Minenspiel von Carl, Christinas Vater.

Sie denkt: „Uschi wird sich sowieso daraus halten, und das mit dem neuen Kleid wird er verstanden haben. Das wird Anreiz genug für ihn sein, mir meine Wünsche zu erfüllen. Auch wenn er gar nicht begeistert ist.“

Sie wartet angespannt. Das Wunder geschieht. Endlich macht der Hausherr seinen Mund auf: „Also gut. Ich erfülle DIR beide Wünsche. Ich gebe DIR also auch die Einwilligung, Christina ein neues Kleid für die Kirche zu schenken. Auch werden wir unsere Tochter begleiten. Aber wenn DU nun doch noch öfters mit meiner Tochter zusammen bist, dann habe ich auch eine Bitte an DICH.“

Claudia wundert sich, dass er doch richtig zugehört hat. Sie nickt erwartungsvoll.

Der Vater fordert: „Erkläre Christina, dass sie mit ihrem Dickkopf, mit ihrer Sturheit nie etwas zu lachen hat.“

Claudia versucht, ihren Ärger nicht zu zeigen. Mit der Wahrheit würde sie Christina nur schaden. Also sagt sie höflich:

„Ich danke DIR für DEINE Erlaubnis. Wir werden ganz bestimmt über Christinas Pläne und Wünsche sprechen. Dann werde ich sie bitten, sich nicht so ungeduldig und stur zu verhalten.“

Claudia sieht, dass sie durch ihre Worte den Vater milde gestimmt hat. Er steht auf und meint: „Aber nun ist es wirklich für uns Zeit, ins Bett zu gehen. Nacht allerseits.“

Er schaut seine Frau streng an und verschwindet.

Claudia umarmt Uschi erleichtert und spricht noch eine Bitte aus:

„Uschi, bitte akzeptiere, dass ich noch bis zu meiner Hochzeit Christina einmal pro Woche abholen werde. Erst wenn ich weggezogen bin, dann ist es für uns beide leichter, uns nicht mehr zu sehen.“ Uschi ist kurz angebunden:

„Ich werde mit Carl darüber sprechen. Also, gute Nacht.“

Die Eltern von Christina hatten nun doch erlaubt, dass ihre Tochter einmal in der Woche von dem Liebespaar abgeholt wird.

Christina verliebt sich schon am ersten Tag sofort in Josef. Er ist davon entzückt, mit einem fünfjährigen Kind philosophische Gespräche zu führen, wo er sich als Schüler wieder fand.

Er neckt seine BEIDEN „Frauen“ öfters.

„Christina, wenn DU erwachsen bist, dann werde ich mich von Claudia scheiden lassen und DICH heiraten.“

Er schaut seine Liebste schelmisch an: „Außer, meine wunderbare Claudia ist immer ganz brav zu mir. Ich schätze keine Widerworte und keine eigenen Gedanken. Sondern sie sollte bereit sein, mir die Füße zu küssen.“

Claudia boxt ihn mit ganz ernstem und empörten Gesicht auf die Brust.

Christina kann nicht aufhören, darüber zu lachen. Josef küsste sogar oft die Füße seiner Claudia. Er betet sie als Engel an. Es ist für sie wirklich zu komisch, wenn er sich als „Macho“ tarnt.

Zwischen Claudia, Josef und einem Notar, den Claudia von einer langjährigen Freundin empfohlen bekam, wurde der von Christina gewünschte Vertrag urkundlich bestätigt. Claudia und Josef hatten sich nun auch bereit erklärt, den Jahresbeitrag für Christinas Lebensversicherung zu bezahlen. Den jährlichen Bericht von dem Notar würde Claudia in den Jahren ohne Christina stets als ein heiliges, nie zerstörendes, Band zu Christina in Empfang nehmen. Sie würde sie als ihre „erste Tochter“ und als ihre Glücksbringerin in Erinnerung behalten. Bis die Zeit reif sein wird, um zusammen mit Christina in dem „Paradies auf Erden“ als Vorbilder zu leben.

Weihnachten und Silvester gehen vorüber. Das Neue Jahr ist für Christina ein verheißungsvolles Jahr. Am dritten April wird sie ihren sechsten Geburtstag feiern. Jeden Tag wartet Christina auf den Briefträger. Sie kennt immer noch nicht den Termin für den Schultest. Christina hatte dafür sehr viel gelernt. Sie kann sogar in lateinischer Schreibschrift ihren Namen schreiben. Auch zählen kann sie jetzt schon sehr gut. Am Freitag bringt der Vater immer seinen Wochenlohn nach Hause. Darauf freut sich Christina schon die ganze Woche. Dann ist sie auch bereit, ihre Mutter zum Einkaufen im Lebensmittelgeschäft Steffens zu begleiten.

Für Christina ist es ein besonderes Vergnügen zu sehen, wie ihre Mutter die Schulden bezahlt. Das Rück-Geld darf Christina dann zählen. Auch erhält sie immer von Herrn Steffens einen Lolly. Sie sollte eigentlich auf Wunsch ihrer Mutter täglich bei Steffens einkaufen und dann anschreiben lassen. Aber Christina sagt immer ganz entschieden: „Mutti, ich selbst werde nie im Leben Schulden machen. Nur, wenn DU mir Geld mitgeben kannst, gehe ich einkaufen.“

Zum Glück hatte ihre Mutter viel zu viel Angst vor ihrem Mann. Darum erfährt der Vater nichts von der Starrköpfigkeit seiner Tochter.

Endlich, endlich kommt der gewünschte Brief.

Schon Mitte Februar wird sie nach dem Test erfahren, ob sie wirklich eingeschult wird. Sie betet zum lieben Gott und bittet ihn, ihr bei dem Test zu helfen. So geht sie zuversichtlich zu der Prüfung. Die Mutter wartet draußen. Strahlend kommt Christina wieder heraus. „Mutti, Mutti, ich habe es geschafft.

Ich musste wirklich meinen Namen in Schreibschrift und nicht in Druckschrift schreiben. Im Zählen war ich auch sehr gut.

Ich habe mit Auszeichnung bestanden.“

Sie nimmt ihre sehr kleine Mutter an die Hände und tanzt mit ihr herum und singt: „Am ersten April ist der Schulanfang, dann dauert es nicht mehr lang, dann dauert es nicht mehr lang, dass ich alles, alles, alles lerne, das mache ich von ganz Herzen gerne.“

Sie lässt ihre Mutter los und schaut sie strahlend an.

„Ach, Mutti, ich bin so glücklich. Jetzt werde ich endlich viele Menschen als Lehrer kennen lernen. Dadurch werde ich noch stärker und ganz schnell erwachsen. Dann brauchst DU nie mehr Angst vor Papa haben.“

Der Mutter von Christina kommen die Tränen. Sie ist überfordert. Sie versteht ihre Tochter nicht. Sie denkt: „Wieso glaubt Christina, mir helfen zu können? Sie ist doch noch ein kleines Kind. Aber ein Kind braucht auch einen Vater. Nein, ich darf und kann mich nicht von meinem Mann trennen. Ohne Vater wird Christina noch mehr leiden.“

Christina hat noch nicht ihr Ursprungswissen verloren. Darum schreibt Claudia jede Woche alles auf, was Christina ihr noch vermitteln kann. Sie ist fest davon überzeugt, dass Gott sich von Josef und von ihr wünscht, dieses Wissen in ihrem gemeinsamen Leben umzusetzen. Claudia bittet Christina, ihr eine ganz besondere Weisheit auf den Weg mitzugeben. Christina überlegt.

Dann sprudelt es aus ihr heraus:

„Erst, wenn DU nie mehr um ein Lebewesen auf der Erde trauerst, auch nicht um DEINE Kinder und DEINEM Partner, sondern sie in Liebe loslässt, dann wandelst DU auf den Weg der bedingungslosen Liebe.

Claudia schaut Christina fragend an. Doch sie erkennt, dass es ihr gar nicht bewusst ist, was sie gerade ausgesprochen hat. Sie denkt: „Gott benutzt Christina bestimmt als Sprachrohr. Aber mit welchen Gedanken schaffe ich es, meinen Josef und unsere Kinder ohne Trauer loszulassen? Bitte, bitte lieber Gott, gebe mir durch Christina diese Antwort.“

Claudia sieht Christina forschend an. Ihr wird sofort klar, dass sie wohl noch lange auf diese Antwort warten muss.

Denn Christina war auf einmal wieder das Kind und nicht die Vermittlerin. In ihren Augen blitzt nun der Schalk auf. Laut posaunt Christina heraus:

„Aber nun ist Schluss mit lustig. Jetzt lass uns endlich DEINE Hochzeit planen, damit es eine wunderbare Feier wird. Sonst kann ich DICH ja nicht in Liebe loslassen. Ich werde DEINEM Josef noch einige Tipps geben, wie DU gern mit ihm zusammen leben möchtest. Sonst verlässt DU ihn, und ich werde DICH niiiiie los.“

Claudia versucht lachend, furchtbar wütend auszusehen. Dann nimmt sie zwei Kissen und wirft auch Christina zwei Kissen zu.

Die Kissenschlacht endet erst, als das laute Lachen und Schreien der BEIDEN der Hausmitbewohnerin so nervt, dass sie wieder einmal ihren Besen nimmt und an die Decke klopft.

Der Geburtstagsgutschein von Claudia über eine Wattwagen-Fahrt wird schon vor der Hochzeit eingelöst. Also noch vor Christinas Geburtstag. Diese Fahrt zur Insel Neuwerk, da ist sich Christina ganz sicher, würde für sie immer ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Sie wurden auch fotografiert. Diese Bilder und die schriftliche Bestätigung ihrer Mutter - ihr kostbarstes Gut - liegen in einem sicheren Versteck. Sie weiß noch nicht, ob das Versteck in ihrer Erinnerungen verblassen wird. Aber sie ist davon überzeugt, dass Gott sie dahin führen würde, wenn es nötig ist.

Ende März wird dann doch schon die Hochzeit gefeiert. Das Fest ist für Christina wirklich wie ein Traum. Sie bekommt ein wunderschönes Kleid geschenkt und darf in der Kirche Blumen streuen.

Auch ihre Eltern vergnügen sich auf diesem Hochzeitsfest.

Christina hat aber den Verdacht, dass diese Fröhlichkeit durch den endgültigen Abschied von Claudia hervorgerufen wird.

Dieses letzte gemeinsame spirituelle Miteinander zwischen dem Brautpaar und Christina wird mit sehr viel Tränen beendet.

Claudia wird noch an diesem Abend als Ehefrau, als Frau Rode, in das Pfarrhaus einziehen.

Das bedeutet für Claudia und Christina, sich ein neues Leben ohne der geliebten Freundin zu formen.

Aber alle DREI sind beim Abschied fest davon überzeugt, dass noch in diesem Leben, als DANK für dieses LOSLASSEN, sich für sie gemeinsam das Paradies auf Erden erschließen wird.

Christina sucht das Paradies auf Erden

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