Читать книгу C'est la vie - Christina Geiselhart - Страница 3

Erika und Renate

Оглавление

Erika und Renate waren beide zehn Jahre und einige Monate alt, als sie der Klassenlehrer nebeneinandersetzte. Die blasse, schüchterne Renate kam aus der Großstadt, trug einen karierten Rock, das dazu passende Jäckchen und Stadtschuhe. Ihre Wimpern waren fast unsichtbar, ihre Lippen farblos, ihre Augen von einem wässrigen Blau. Sie redete wenig, lachte aber oft und über jede Belanglosigkeit. Daran störten sich ihre Kameradinnen und wandten sich ab, denn zu alledem trug Renate eine Zahnspange und riss ihren Mund beim Lachen weit auf. Ihr Haarschnitt sah aus, als hätte sie ihn selbst zurechtgeschnipselt. Ungleich und strähnig. Und oft schüttelte sie ihr dünnes Haar nach allen Himmelsrichtungen. Es fiel ihr schwer, Freundschaften zu schließen, weshalb sie froh über Erika war, die sich rührend um sie kümmerte.

Wie die meisten Mädchen ihrer Klasse trug Erika ihr Haar sorgfältig zu einem Zopf geflochten. Hin und wieder konnten es zwei Zöpfe sein und löste sie diese dann auf, fiel ihr Haar wunderschön gelockt bis zur Taille. In solchen Momenten kämpfte Renate mit ihrem Neid. Denn sie wollte keinesfalls neidisch sein. Sie hätte Erika ja um fast alles beneiden müssen. Erikas Haut war immer leicht gebräunt, ihre Augen strahlend blau, ihr Gesicht herzförmig, ihre Zähne gleichmäßig. Bald wurde sie zur guten Freundin und besuchte Renate jeden Tag im alten Haus am Ende der Kleinstadt, in das ihre Eltern in den ersten Monaten des Jahres 1982 gezogen waren.

Renates Eltern waren stille Menschen. Seit ihrem Umzug führten sie die Buchhandlung und das Schreibwarengeschäft im Ort. Sie verkauften Zeitschriften, Schreibutensilien, empfahlen Bücher, beschränkten sich dabei aber auf das dafür notwendige Vokabular. Sofort nach Ladenschluss eilten sie nach Hause, jeder in sein Zimmer, und verkrochen sich hinter Büchern und Schriften. Renates Mutter, Frau Groß, besorgte ihre Einkäufe in den Morgenstunden, während ihr Mann schon im Laden stand.

Frau Groß hatte wenig von einer Großstädterin, obwohl sie in Bonn aufgewachsen war. Sie trug das schwere dunkle Haar mit einer kräftigen Spange im Nacken gebunden, stets Kostüme in unterschiedlichen blassen Farben, flache Schuhe, einen goldenen Ehering und winzige Perlohrringe. Eine flüchtige Ähnlichkeit mit Simone Veil war zu erkennen. Dies war Absicht. Frau Emilie Groß verehrte Simone Veil, auch ihr Gatte, ein bebrillter schüchterner Mann mit hellen dünnen Haaren, war voller Bewunderung für die französische Politikerin. Die Eheleute verehrten auch Marthe Argerich, die geniale Pianistin, sowie Frida Kahlo und Simone de Beauvoir. Und insgeheim beneideten sie diese Künstler um ihren Ruhm und hätten es gerne nur annähernd so weit gebracht. Vermutlich mangelte es ihnen an Talent, vielleicht auch an Durchhaltevermögen, Gelegenheit oder Glück. Jedenfalls begnügten sie sich schließlich damit, in diese Welten zu flüchten, statt ihre Träume zu verwirklichen.

In Bonn hatten sie ein Musikgeschäft betrieben, das Partituren, kleine Instrumente und CDs anbot. Leider lief das Geschäft zunehmend schlecht. CDs verkauften sich noch gut, allerdings waren Partituren und kleine Instrumente nicht mehr gefragt. Das Ehepaar konnte kaum noch die Miete aufbringen, da starb überraschenderweise Herrn Groß’ Vater und vererbte dem Sohn sein Häuschen in Steinnach. Wenig später segnete auch der dortige Buch- und Schreibwarenhändler das Zeitliche und da dieser keine Nachkommen hatte, fackelte das Ehepaar nicht lange, nahm einen Kredit auf, was zur damaligen Zeit noch mit weniger Unannehmlichkeiten verbunden war, und kaufte den Laden. In kurzer Zeit bewährte sich ihre Schreibwarenhandlung und gewann durch den Verkauf und die kompetente Empfehlung interessanter Bücher an Ansehen.

Darüber vergaßen Herr und Frau Groß allerdings nicht ihre Träume. Und eine Verwirklichung derselben rückte dank der kleinen Tochter Renate in greifbare Nähe. In Bonn hatten sie Renate schon mit Tanz- und Klavierunterricht konfrontiert. Anfangs fand Renate an den Übungen an der Stange noch Gefallen - sie war damals sechs –, doch bald störten sie die Strenge der Lehrerin, das ständige Zurechtrücken ihrer Gliedmaßen, der missbilligende Ausdruck im Gesicht der älteren Tänzerin, wenn sie Renate musterte.

»Du wirst immer größer. Man könnte meinen, du wächst jeden Tag fünf Zentimeter.«

Es stellte sich heraus, dass Renate für eine Weiterbildung im Tanz zu dünn und zu lang war. Große Mädchen avancierten nicht zu Spitzentänzerinnen. Sie landeten in Nachtclubs oder Varietétheatern, erfuhr Frau Groß. Davon wollte sie natürlich nichts wissen und fokussierte Renate auf das Klavier. Renate spielte gern und übte täglich, was in Mutter Emilie die Hoffnung nährte, eine geniale Pianistin heranzuziehen. Nach ihrem Umzug erkundigte sie sich dann auch sofort am Konservatorium Stuttgart nach dem besten Lehrer und ließ ihn einmal wöchentlich kommen. Der tat es gern, denn Familie Groß besaß aus der Erbschaft des alten Groß ein Steinway Piano.

»Renate hat mit vier Jahren angefangen, sie kann es noch zu etwas bringen!«, empfing sie den Lehrer.

»Es ist löblich, früh anzufangen und auch daran Spaß zu haben. Aber Übung macht den Meister. Zehn Prozent Talent und neunzig Prozent Schweiß, sagen die Kenner und Könner.«

Daran soll es nicht scheitern, dachte Frau Groß und vergaß in ihrer Vorfreude vollkommen die liebe Freundin Erika.

Im ersten halben Jahr in Steinnach übte Renate fleißig täglich zwei bis drei Stunden am Klavier. Sie war strebsam, wollte hoch hinaus, hatte aber bald genug von Sonatinen, Sonaten, Etüden und orientierte sich an Konzerten. Das gefiel ihrem Lehrer. Bald brachte er Chopins Nocturne Nummer 20 in cis-moll, bald das Andante des Impromptu Opus 90 von Schubert, dann Beethovens Mondscheinsonate. Begeistert verfolgte er Renates Fortschritte und als sie nach einem Konzert von Chopin lechzte, entschied er sich für das Larghetto aus Chopins Klavierkonzert Nummer 2. Als größte Schwierigkeit erschienen ihm die Triller, die sollte Renate täglich viele Male trainieren.

Das Mädchen spielte vielversprechend, der Lehrer nickte anerkennend, Frau Groß frohlockte, doch niemand rechnete mit Erika.

Ab dem Sommer des Jahres 1983 besuchte Erika ihre Schulkameradin Renate einmal die Woche, nach den Sommerferien kam sie schon zweimal. Vom Spätherbst an bis nach Weihnachten allerdings machte sie sich rar, um dann ganz plötzlich im Frühjahr 1984 jeden Tag zu erscheinen. Sie kam immer dann, wenn Renate mit ihren Übungen angefangen hatte. Sie hatte zu Mittag gegessen, ihre Schulaufgaben gemacht, sich sorgfältig die Hände gewaschen und sich an den Steinway gesetzt.

Nach fünfzehnminütiger Übungszeit klingelte Erika. Frau Groß ging an die Tür, schaute erbost und schickte die Freundin ohne Begründung fort. Wenig später, Frau Groß war mittlerweile zur Arbeit geeilt, klingelte Erika erneut.

Renate öffnete und sagte, sie müsse üben.

»Macht nichts, ich warte!«, antwortete Erika.

Sie wartete zehn Minuten und klingelte von Neuem. »Findest Du nicht, dass es nun reicht, Renate? Du hast fast eine halbe Stunde gespielt. Das ist doch genug. Man soll nicht zu lange an einem Instrument üben, sagt mein Vater, weil man es sonst verabscheut!«

»Vielleicht hast du recht, aber ich muss eben üben!« Renate lächelte verkrampft.

»Du Arme, bei dem Wetter hockst du in der Stube. Das ist doch blöde!« Erika machte keine Anstalten, zu gehen.

Renate zögerte. »Dann warte wenigstens nochmal zehn Minuten.«

»Gut, aber dann gehe ich. In der Eisdiele gibt es wieder das besonders tolle Stracciatella. Hmmm, so lecker! »

Renate beeilte sich und arbeitete nur an den ersten zehn Takten des Larghetto von Chopin. Die fielen ihr ohnehin am leichtesten und sie konnte sie heute Abend sorglos den Eltern vorspielen.

Die Mädchen amüsierten sich in der Eisdiele, deshalb machte Erika ihrer Freundin Renate den Vorschlag, das Treffen am nächsten Tag zu wiederholen. Am übernächsten Tag ebenfalls und am dritten und vierten Tag erneut, doch dann ging Renate das Geld aus. Sie hatte nicht viel in ihrem Sparschwein. Da blitzte in Erika die wunderbare Idee, einen Besuch im Pferdestall einer Klassenkameradin zu machen, die Woche darauf abwechselnd den Tennis– oder Golfspielern zuzuschauen und auch mal ins Kino zu gehen. Dafür benötigten die Mädchen kein Geld, denn Erikas Onkel war dort Platzanweiser und ließ sie umsonst ganz hinten sitzen, sobald der Film begonnen hatte.

Als Erika nach drei Wochen nicht mehr wusste, womit sie sich nachmittags die Zeit vertreiben könnten, kam sie auf die Idee, Film- und Schlagergrößen nachzuahmen. Sie studierten die Schlager »99 Luftballons«, »Ich hab dich doch lieb«, »Ich will alles« und »Lampenfieber« von Gitte ein, die Erika besonders verehrte. Um Renates Eltern nicht hellhörig zu machen, kleideten sich die Mädchen für ihre Auftritte in Erikas Zuhause um, bastelten Mikrophone und profilierten sich singend auf der Terrasse vor Blumentöpfen, Gießkannen und einzelnen Passanten.

Auf diese Weise vergingen mehrere Monate des Jahres 1983, dann kam Frau Groß dahinter. Schon einige Zeit schwante ihr Übles, was die Umtriebe ihrer Tochter betraf. Die Rückmeldungen des Klavierlehrers verschlechterten sich zusehends, bis er schließlich völlig die Lust am Unterrichten verlor.

»Ich hatte anfangs viel Freude, denn Ihre Tochter zeigte reges Interesse und hatte den Willen, täglich zwei Stunden zu üben, aber jetzt …«

»Ich habe sie zur Rede gestellt und sie versicherte mir, dass sie täglich fast zwei Stunden übe!«

»Das ist ausgeschlossen! Meiner Meinung nach übt sie so gut wie gar nicht!«

»Ausgeschlossen!«, schrie nun Frau Groß.

Das unglückliche Debakel endete mit der Kündigung des Lehrers und Hausarrest für Renate. Diese Maßnahme schwor in Renate furchterregenden Zorn gegen die Eltern herauf. Plötzlich waren sie engstirnig, kleinkariert, wollten Renate keine Freude gönnen, wollten ihr gar das Leben vermiesen, indem sie nur ans Arbeiten und Üben dachten. Dem Klavierspiel konnte sie immer weniger abgewinnen und je weniger sie übte, desto schlechter spielte sie, bis sie herausfand, dass sie überhaupt keine Begabung dafür besaß, sondern nur dem Wunschdenken der Eltern zum Opfer gefallen war. Ähnlich verhielt es sich mit den Schularbeiten. Je mehr die Eltern sie drängten, ihre Tests konzentriert und sorgfältig vorzubereiten, desto verhasster wurde ihr diese Tätigkeit. Als die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium anstand, wehrte sich Renate dagegen. Erika gehe auf die Realschule und das reiche vollkommen aus. Es gebe viel zu viele Abiturienten, hingegen suche man händeringend nach Arbeitskräften in Drogerien, Bäckereien und an Rezeptionen.

Herrn und Frau Groß standen angesichts dieser Erklärungen die Haare zu Berge. Hilflos mussten sie zusehen, wie ihre Träume zum zweiten Mal zerrannen. Weder auf der Bühne noch im täglichen Leben würde Renate nun Karriere machen. Ohne Abitur kein Studium, ohne Studium keine Aussichten auf einen Titel oder hohe Verdienste.

»Sie wird in einer Buchhandlung als Verkäuferin landen und das alles wegen dieser verdammten Erika!«, klagte Frau Groß mit weinerlicher Stimme.

»Erika hat damit nichts zu tun. Das ist meine Entscheidung!«, verteidigte Renate ihre Freundin.

Fortan wurde Erika das Haus und Renate der Umgang mit ihr verboten. Ihr Vater brachte sie morgens zur Schule – obwohl es nur die Realschule war - und holte sie bei Schulschluss ab. Erika gelang es dennoch immer wieder, Renate zu treffen, um mit ihr - nun da die beiden fast vierzehn waren – kleine Abenteuer zu unternehmen.

Eines Tages ging Erika von der Schule ab, machte eine Drogistenlehre und heiratete mit sechzehn Jahren einen Klempner. Sie bekam zwei Kinder, zog in den Nachbarort und hatte keine Zeit mehr für Renate. Diese absolvierte unterdessen eine Buchhändlerlehre und ging zunächst ihren Eltern in der örtlichen Buchhandlung zur Hand.

Einige Jahre später wurde Herr Groß von einem Herzinfarkt niedergestreckt, was Renate daran hinderte, das Angebot einer Buchhandlung in Stuttgart anzunehmen. Emilie Groß führte den frühen Tod ihres Gatten auf dessen Kummer zurück, seine Träume niemals verwirklicht zu haben und von der Tochter hintergangen worden zu sein.

Über diesen doppelten Kummer alterte Frau Groß frühzeitig. Hatte sie mit fünfunddreißig Simone Veil ähnlich gesehen, so dachte man nun bei ihrem Anblick an Emma Morano. Täglich ließ sie die Tochter ihre Bitterkeit über verschüttete Träume und verfehltes Leben spüren. Gleichzeitig kränkelte sie, gab das Autofahren auf, delegierte die Einkäufe an ihre Tochter, haderte mit dem Leben, konsultierte häufig die Uhr, als wartete sie auf etwas.

Allmählich spann sich um Renate ein Netz, aus dem sie nicht mehr entrinnen konnte und auch nicht mehr zu entrinnen wagte.

Die Zeit verging träge. Immer häufiger stand Renate ohne Mutter im Laden und fürchtete zunehmend, die Regale würden über ihr einstürzen und sie ein für alle Mal begraben.

Männerbekanntschaften gingen in die Brüche, Freundinnen sagten sich von ihr los, eine Fehlgeburt bestätigte sie in ihrem Glauben, als Pechvogel geboren zu sein. Hin und wieder setzte sie sich an den total verstimmten Steinway und spielte die alten Stücke. Allerdings wollten sie ihr nicht gelingen. Ihre Finger verkrampften sich, ihre Handgelenke wurden steif und so meinte sie, auch daran zu erkennen, wie talentlos sie sei.

Weder zum Leben noch zum Spielen habe ich Talent, ich versage auf der ganzen Linie, sagte sie sich. Immer öfter zog sie sich nun mit einem Buch aus der Buchhandlung zurück, machte schon vor sechs Uhr abends den Laden dicht und verschwand in das Land der Träume.

Zu allem Überfluss starb ganz plötzlich Frau Groß, was Renate so sehr erschütterte, dass sie in der Buchhandlung schließlich keinen Finger mehr rührte und diese für unbestimmte Zeit schloss.

An einem dieser trostlosen Tage klingelte bei ihr ein älterer Herr. Er trug eine Hell’s Angels Lederjacke, Stiefel mit Nieten, das kümmerliche graue Haar zum Zopf gebunden und ein geöffnetes Hemd, das die grauen Brusthaare sehen ließ.

Er sei Rentner und suche eine Nebenbeschäftigung. Vor zwei Wochen habe er die bescheidene Buchhandlung im Zentrum des Ortes entdeckt und überlegt, ob man daraus nicht eine Goldgrube machen könne. Einen zeitgemäßen Laden, in dem es vom Kinder- und Jugendbuch über die Zeitschrift bis hin zu Geschenkartikeln aus wiederverwertetem Material und Schulzubehör einfach alles gebe, was der moderne Mensch brauche und das Herz begehre, so etwas stelle er sich vor. Und als er hinter der Theke eine nette Dame gesehen habe, habe er seiner Idee unbedingt eine Chance geben wollen.

Zu diesem Zeitpunkt war Renate noch nicht fünfzig.

Im Grunde ist das doch nur Gefasel, dachte sie. Wer kauft in digitalen Zeiten in einem stupiden, altmodischen auf neu getrimmten Geschäft ein? Doch nach einem langen Blick in seine Augen dachte sie: Eigentlich ist es für Veränderungen nie zu spät.

»Kommen Sie bitte in zwei Tagen wieder vorbei«, sagte sie laut. »Dann besprechen wir, wie wir vorgehen könnten.« Sie wollte die Tür schließen, doch der Herr stellte den Schuh dazwischen.

»Entschuldigen Sie vielmals mein forsches Benehmen, Frau Groß, aber so ein Vorhaben duldet keinen Aufschub. Wir müssen sofort beginnen und der Laden muss schnellstens wieder geöffnet werden. Sonst laufen Ihnen die Kunden davon. Glauben Sie mir: Das geht heutzutage rasend schnell.«

Das sah Renate ein und doch … Der Mann war ein Fremder. Durfte sie sich mit ihm einlassen? Nun, warum nicht? Vielleicht bietet sich die Chance für einen Neuanfang, dachte sie ermutigt.

Sie ließ den Herrn, er hieß Kasimir Warmbold, eintreten und am selben Tag tüftelten die beiden einen Plan für das zukünftige Geschäft aus.

Am nächsten Tag allerdings kam nach langer Zeit ganz überraschend Erika zu Besuch. Ihre Kinder waren erwachsen, ihr Mann dement und sie gelangweilt.

Voller Freude über das Wiedersehen erzählte Renate mit leuchtenden Augen von ihrem neuen Plan.

Erika hörte geduldig zu, blickte sie lange an und schöpfte schließlich Atem. »Mein Gott, Renate. Ich fasse es nicht. Was ist nur mit dir passiert? Einem Fremden und noch dazu dem ersten besten Fremden lieferst du dich aus. Was glaubst du, was dich erwartet? Eine Goldgrube? Sollte dieser Fremde sie mit dir gemeinsam buddeln, wird er am Ende alles für sich allein beanspruchen. Innerhalb kurzer Zeit hätte er dich soweit und er wäre der Ladenbesitzer und du nur eine alternde Verkäuferin.«

Lange saß Renate in dieser Nacht in ihrem Bett und dachte über Erikas Worte nach. Am nächsten Tag öffnete sie Herrn Kasimir Warmbold nicht wie verabredet die Tür. Auch ihr Laden blieb vorerst geschlossen. Das war er auch eine Woche später und die Woche darauf.

Gegen Mitte des Jahres 2017 wurde die Buchhandlung in ein Friseurgeschäft mit integriertem Kosmetikinstitut umgebaut. Auf Anraten und mit Erikas Hilfe hatte Renate das Gebäude zu einem guten Preis verkaufen können. Vom Erlös bekam Erika wie verabredet 10 Prozent (ein Makler würde das doppelte verlangen, sagte Erika).

Die angelegte Summe brachte kaum Zinsen, doch Renate würde davon zehn Jahre leben können, wenn sie bescheiden blieb. Fünf Jahre, wenn sie nicht bescheiden blieb.

»In jedem Fall bekommst du dann deine Rente und hast noch dieses Haus. Das ist besser, als noch jahrelang hinter der Theke zu stehen oder sich von einem Fremden ausbeuten zu lassen.«

Von nun an saß Renate allein in dem alten Haus am Ende des Ortes und schaute auf die Uhr. Ganz so, als ob sie auf etwas wartete.

Fin

C'est la vie

Подняться наверх