Читать книгу Ebbas Geschichte - Christina Herrström - Страница 3
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Оглавление»Hallo! Hier bin ich!« verkündet Ebba, während sie die Haustür aufreißt.
In der Küche sitzen Mama, Papa und Didrik und essen merkwürdig still ihr Abendessen. Mama schaut auf die Uhr. Es ist zehn nach sechs.
»Wirf die Tür nicht ins Schloß«, ruft Papa genau in dem Moment, als Ebba die Tür zuschmeißt, daß der Flurspiegel wackelt.
»Hallo, Papa! Hallo, Mama! Hallo, Didrik!« Ebba stürzt in die Küche.
»Zieh deine Schuhe aus«, sagt Papa.
»Setz dich und iß«, sagt Mama und rückt Ebbas Stuhl zurecht.
»Ich muß aber erst meine Schuhe ausziehen, das hat er nämlich gesagt.«
»Welcher er?« fragt Papa.
»Na er, der da sitzt«, sagt Ebba, deutet mit dem Kopf auf ihren Vater und läuft in den Flur, wo sie die Schuhe von den Füßen schüttelt, daß sie in verschiedene Richtungen fliegen.
»Man sagt nicht ›er‹ von jemandem, der anwesend ist! Das ist äußerst unhöflich. Man nennt den Namen des Betreffenden, oder in meinem Fall heißt es ›Papa‹.«
Mama und Didrik gucken Papa amüsiert an.
»Jawohl, Herr Papa Reng, Blubber Klapper Plopper Papper!« ruft Ebba und läßt ihre Jacke auf den Boden fallen.
»Mach aus dem Flur keine Rumpelkammer, sei so gut«, verlangt Papa. Inzwischen schüttelt Ebba ein paar Zweige ab, die sich in ihrem Haar verfangen hatten, und tritt nach einem Schuh, der daraufhin unter den Schrank rutscht.
»Häng deine Jacke auf und stell die Schuhe in die Garderobe«, spricht Papa weiter. »Du weißt, was wir wegen der Schuhe vereinbart haben. Schuhe – «
»Schuhe gehören in die Garderobe, jawohl«, fällt Didrik ein. Papa verstummt erstaunt.
»Das kannst du selber machen! Mensch, was bist du immer schlaff!« tönt Ebba aus dem Flur.
»Ich habe den ganzen Tag gearbeitet«, antwortet Papa.
»Und ich war den ganzen Tag Kind – wenn du meinst, das wäre so unheimlich erholsam . . .«
Papa seufzt tief. Niemand kümmert sich darum, was er sagt. Seine Familie hat keinen Sinn für Ordnung. Den hat er selbst eigentlich auch nicht, aber zwischendurch packt ihn doch immer mal das Gefühl, daß er die Kontrolle über sein Dasein verloren hat. Das Haus ist ein ewiges Durcheinander, die Kinder kommen und gehen, wie es ihnen paßt, und niemand findet das, was er gerade braucht. Papa sehnt sich nach Ordnung, danach, das Leben in den Griff zu bekommen und sich nicht mehr um verlorengegangene Dinge sorgen zu müssen.
Deshalb hat er einen sehr teuren Kursus angefangen, der heißt »Efficient-Life-Energy-Mobilizer-Planning« oder auf deutsch so ungefähr »Plane-dein-Lebenund-werde-glücklich«. Dort lernt er, was er tun muß, um die Kontrolle über sein Leben wiederzuerlangen. Jeden Tag kommt er aufgekratzt und voller Ideen nach Hause, zeichnet Tabellen und stellt Pläne für sein Leben auf. Er lernt, daß man das Beste aus allem machen kann, wenn man seine Zeit exakt plant. Man verschwendet niemals Zeit und Energie damit, nach Sachen zu suchen, oder mit dem Versuch, sich daran zu erinnern, was man eigentlich machen sollte. Alles wird durchgeplant, und alles steht auf seinem richtigen Platz. Dadurch wird man viel ausgeglichener, abgesehen davon, daß man sowieso viel mehr vom Leben hat. Man wird entdecken, daß man Zeit hat, seinen Mitmenschen zuzuhören, besonders wenn man eingeplant hat, ihnen zuzuhören. Mit Hilfe von Kalender und Uhr wird man ein ganzer, glücklicher Mensch. Papa Reng ist überzeugt, daß er die Lösung für die Probleme des Lebens gefunden hat, aber seine Familie lacht nur darüber und verspottet ihn.
Ebba kommt wieder in die Küche. »Jetzt war ich so tüchtig, krieg’ ich nun was zu essen?« Sie läßt sich am Tisch nieder und reckt hungrig den Hals nach den Schüsseln.
»Wo bist du gewesen?« fragt Mama.
»Mit Philip«, antwortet Ebba.
»Ich habe gefragt, wo ihr wart«, sagt Mama, und ihre grünen Augen werden streng. Ebba antwortet nicht.
»Philips Mutter wußte auch nicht, wo ihr steckt«, bohrt Mama weiter.
»Stimmt, sie wußte es auch nicht.«
»Meinst du nicht, daß wir erfahren sollten, wo ihr den ganzen Tag seid?«
»Nein, das finde ich nicht! Und ich will nach dem Essen wieder hin!« Ebba füllt sich ihren Teller mit einem orientalischen Gericht. »Was riecht denn da so komisch?« entfährt es ihr.
»Mein Gott, ihr fehlt wirklich jegliche Erziehung«, sagt Papa empört.
»Von wem spricht er?« fragt Ebba.
»Von dir«, antwortet Didrik.
»Sie sollte langsam gelernt haben, sich besser auszudrücken. Nicht ›Was riecht denn da so komisch‹. Und außerdem sollte sie lernen, pünktlich nach Hause zu kommen und zu erzählen, was sie macht und wie lange sie fortbleiben will«, sagt Papa zu Mama.
»Redet er immer noch von mir?« fragt Ebba und schüttet dabei einen Teil der Milch neben ihr Glas.
»Ja«, antwortet Didrik.
»Und sie sollte lernen, hinzugucken, was sie tut!« fährt Papa aufgebracht fort. »Sie sollte sich bewußt darüber sein, was ihre herumwirbelnden Arme treiben!«
»Ebba heiße ich«, macht Ebba ihn aufmerksam und öffnet den Mund, um einen Bissen hineinzuschieben. Didrik beobachtet sie gespannt. Prustend spuckt sie ihr Essen auf den Teller zurück.
»Was ist das denn? Was hast du damit gemacht?« Anklagend guckt Ebba Mama an.
»Das war ich nicht. Das war Papa. Papa hat das Rezept in seinem Kurs bekommen und eine Menge Zeit darauf verwendet, exotische Kräuter zu mischen, Fleisch, Gemüse und Pilze in dünne Fetzen zu schneiden und alles zusammen in besondere Marinaden zu legen.«
»O nein«, stöhnt Ebba. »Und ich habe doch so einen Hunger. Du darfst ihn nicht an den Herd lassen!«
»Nein, das ist ein Verbrechen an uns Kindern«, sagt Didrik.
Papa stopft beleidigt sein Essen in sich hinein.
»Vielen Dank, Fredrik«, sagt Mama.
»Wieso?«
»Denkst du, ich merke nicht, daß du dieses Zeug gemacht hast, damit die Kinder mich bitten, das Essen zu kochen?«
»Ja, jeden Tag«, sagt Ebba.
»Du tust das nur, damit du dich drücken kannst«, zischt Mama.
»Das ist eine Verleumdung!« verteidigt Papa sich.
»Ich habe wie ein Wilder an diesem Essen gearbeitet! Ich habe meine ganze Seele hineingelegt!«
»Was für eine Seele?« grinst Ebba.
»Du bist aber auch zu abgestumpft. Das ist die ganze Wahrheit«, schimpft Mama und wirft ihre Serviette auf das wirklich ungenießbare Essen. Papa schaut verschreckt auf.
»Er hat absolut keine Technik. Mangelnde Feinmotorik. Total unbegabt«, sagt Didrik und kratzt seine Portion vom Teller in den Mülleimer. Ebba tut es ihm sofort nach: »Denk doch, wenn wir jetzt einen Hund hätten – wie froh der wäre . . .«
»Der arme Hund«, stöhnt Didrik und geht.
»Kinder, wollt ihr mir nicht helfen, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen?« fragt Mama.
»Nein, ich habe wichtigere Dinge zu tun. Die Schule.« Didrik entschlüpft in sein Zimmer.
»Ich gehe Pizza kaufen!« Papa verschwindet, immer noch beleidigt.
»Ebba«, sagt Mama scharf, als Ebba ebenfalls versucht, sich auf Zehenspitzen davonzuschleichen.
»Aber ich habe keine Zeit! Ich bin mit Philip verabredet!«
»Ebba«, wiederholt Mama scharf.
»Warum läßt du Didrik immer weg?«
»Er hat Wichtigeres zu tun«, antwortet Mama, während sie das schmutzige Geschirr zusammenstellt.
»Meine Sachen sind auch wichtig!«
Aber Mama hört nicht zu. Sie kratzt die Spuren von Angebranntem vom Herd ab.
»Mama!«
»Bring bitte den Abfall raus«, sagt Mama müde.
Ebba seufzt und knotet den Müllbeutel zu. »Aber dann gehe ich.«
»Und wohin?« ruft Mama ihr nach.
»Das darf niemand außer Philip und mir wissen!«
»Aber denk daran, daß du um acht zu Hause bist!«
»Tschüs«, sagt Ebba und wirft die Tür hinter sich zu. Mama bleibt allein in der unaufgeräumten Küche zurück.