Читать книгу Das Erbe von Grüenlant. Band 3: Schwarzes Land - Christina Kunz - Страница 11

Die Vârburg

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Die rotgelbe Landschaft der Brandwüste ging fast nahtlos in eine schwarzgraue Gegend aus Basaltgestein über. Der dunkle Kies knirschte unter den Pferdehufen, zwar befanden sie sich auf einer gepflasterten Straße, aber die kleinen Steinchen waren überall. Auch hier wuchsen keine Pflanzen, und bis auf die Farbe und die wesentlich angenehmere Temperatur gab es kaum Unterschiede. Es war genauso trostlos hier und trug nicht zur Verbesserung von Keirans Stimmung bei.

Im Gegenteil – je näher sie der Vârburg kamen, desto schlechter fühlte sich Keiran. Auch die zunehmenden Felsen, die sich scharfkantig gegen den grauen Himmel abhoben, wirkten bedrohlich und schienen ihm mehr und mehr den Ausweg zu versperren. Die Straße wand sich jetzt leicht bergauf. Spätestens auf der Vârburg würde er keine Ausflüchte mehr finden können, dann musste er sich Magna stellen. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde, und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Als Soldat war er es gewohnt, in den Kampf zu ziehen und dem Tod ins Auge zu sehen, aber das hier war etwas anderes. Würde er es schaffen? Außerdem machte er sich Sorgen um Natalie. Was würde Magna gegen sie unternehmen? Konnte er sie schützen? Zum ersten Mal zweifelte er ernsthaft an seiner Mission. Warum hatte er überhaupt auf Gerbin gehört? Er hätte bei Natalie bleiben sollen. Gemeinsam hätten sie eine Möglichkeit gefunden, gegen Magna zu bestehen. Hoffentlich machte sie jetzt keine Dummheiten! Sie wollte durch den Blinden Fleck zur Vârburg kommen – diesen Weg hatte noch nie jemand geschafft. Warum hatte er sie nicht davon abhalten können?

Er erinnerte sich an ihren Übertritt nach Grüenlant, als Mallister sie „starrköpfiges Weib“ geschimpft hatte … Unwillkürlich musste Keiran schmunzeln. Nun ja, so ganz unrecht hatte er ja nicht gehabt … Sie tat, was sie für richtig hielt. Er musste ihr vertrauen.


Es war später Nachmittag, als sich am Horizont dunkel die Vârburg gegen den Himmel abhob. Keirans Stimmung verdüsterte sich noch mehr. Er dachte an Grüenlant und Mulinberc, wie anders war es doch hier! Zwar stand die Vârburg auch erhöht wie die Burg der Zauberer, das war aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Sie war eine gewaltige Zwingburg, die auf einem hohen Felsen aus Vulkangestein errichtet worden war. Zum Norden, Westen und Süden hin fielen die Klippen steil ab, während sie im Osten von einem breiten Graben begrenzt wurde. Sie war in Form eines Quadrats gebaut, die vier Ecken markierten gewaltige Türme, die von einer doppelten Wehrmauer verbunden wurden. Auch der Eingang wurde flankiert von zwei Türmen, zwischen denen sich das Tor befand. Es war erreichbar über eine relativ schmale Brücke, die von den Schießscharten in den Tortürmen leicht unter Beschuss genommen werden konnte.

Hier gab es keine Stadt, die sich an die Burg schmiegte wie Mulinberc an die Burg der Zauberer. Die Vârburg ragte aus dem kargen Land heraus wie ein Mahnmal oder ein Tempel für den dunklen Gott Laeton. Wahrscheinlich war sie genau das …

Keiran lief ein Schauder über den Rücken, als sie den langen, nur spärlich beleuchteten Gang durch das Tor und unter dem die beiden Tortürme verbindenden Torhaus durchquerten und den überraschend kleinen Innenhof erreichten. Dieser wirkte bedrückend und Keiran fühlte sich erschlagen von den dunklen Mauern und Gebäuden, die ihn umsäumten.

Gegenüber dem Tor befand sich auf der rechten Seite der Palas, links davon schloss sich der etwas kleinere Küchentrakt an. Im südöstlichen Eckturm war das Verlies untergebracht. Pferdeställe, ein Gesindehaus und eine große Schmiede säumten den Hof. Keiran sank der Mut. Selbst wenn Natalie die Vârburg erreichte, so wäre sie nicht in der Lage, diese ungesehen zu betreten.

Im Hof wurden sie von ein paar Soldaten und Bediensteten empfangen. Keiran hatte nicht den Eindruck, dass die Dienerschaft sehr glücklich aussah. Sie wirkte verängstigt und stets darauf bedacht, nicht aufzufallen. Keiran stieg ab und überließ sein Pferd dem Burschen. Er strich Perseus zum Abschied zärtlich über die Blesse, nicht sicher, ob er ihn jemals wiedersehen würde, und nickte dem Burschen freundlich, aber resigniert zu. Wenn schon er diesen Menschen keine Hoffnung bringen konnte, wer sollte es dann tun?

Plötzlich kam ein Mann über den Hof geeilt, ganz in Schwarz gekleidet, mit schwarzen schulterlangen Haaren und schwarzen Augen, von denen sich seine helle, fast weiße Haut unnatürlich abhob. Trotzdem war er nicht unansehnlich. Seine hohen Wangenknochen und seine gerade Nase verliehen seinem Gesicht etwas Majestätisches, was durch das unsichere Flackern seiner Augen jedoch wieder aufgehoben wurde. Die Bediensteten sahen furchtsam zu ihm auf.

„Vâkon!“ Magna begrüßte den jungen Mann mit zwei Küsschen auf die Wangen. „Gibt es etwas Neues?“

„Nein, hier ist alles ruhig. Wie immer.“

Das musste Magnas verdorbener Sohn sein. Keiran bedachte ihn mit einem kühlen Blick.

„Und wer ist das?“ Vâkon musterte ihn neugierig und ignorierte dabei unbehaglich dessen eisblaue Augen.

„Das, mein lieber Sohn, ist Keiran Lasalle. Mein – Zukünftiger. Sei nett zu ihm!“ Magna bedachte ihren Sohn mit einem falschen Lächeln.

Die Neugierde in Vâkons Blick verwandelte sich in Verachtung. Keiran fragte sich, warum – verachtete Magnas Sohn ihn oder seine Mutter? Sicher war er nicht erfreut darüber, dass sie ihm einfach so einen Mann präsentierte und Keiran war sich fast sicher, dass sie ihren Sohn nicht über ihre Pläne informiert hatte. Er warf Vâkon einen mitleidigen Blick zu.

„Ihr müsst nicht nett zu mir sein. Gebt Euch keine Mühe. Und bevor Ihr das vermutet – ich bin nicht freiwillig hier.“

Magna lachte schrill. „Ach, Keiran Lasalle, macht Euch nichts vor! Ihr seid mir doch gerne gefolgt.“ Und zu Vâkon gewandt fügte sie verschwörerisch hinzu: „Und auch für dich habe ich bald eine Überraschung parat.“

Keiran schnürte sich der Magen zu.

Das Erbe von Grüenlant. Band 3: Schwarzes Land

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