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Kapitel 6

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Wir saßen noch recht lange da und unterhielten uns über allgemeine Dinge, wie zum Beispiel Pflanzen, bis Luno es auf einmal eilig zu haben schien und meinte: „Komm, Lillian, gehen wir. Astor muss dich verpasst haben.“

„Aber ich muss ihn unbedingt treffen!“, wandte ich ein.

„Morgen, in Ordnung? Es wird schon dunkel, siehst du?“ Er zeigte Richtung Himmel und es dämmerte plötzlich äußerst schnell. „Nachts ist es nicht gerade ungefährlich in Emmerald...“

„Aber wo soll ich denn schlafen?“, entfuhr es mir unüberlegt. Darauf ergänzte ich rasch: „Ich bin von weit her gereist und sollte darum bei Astor übernachten.“ Von weit her gereist... was für eine blöde Ausrede! Für was gab es denn bitteschön Portale? Hoffentlich hatte ich mich nun nicht verraten...

Doch Luno ging nicht weiter darauf ein. „Du kannst bei mir schlafen. – Und jetzt müssen wir uns beeilen, bevor es dunkel wird!“, drängte Luno, fasste meine Hand und lief mit mir durch einige Bäume hindurch. Er war nervös geworden und ich spürte dass er leicht zitterte. Als wir in einer Art Dorf angekommen waren, machte er halt. Dort waren viele kleine Stohhäuschen zu sehen, weiter hinten auch Baumhäuser und sogar zwei große Häuser aus Stein. Eines davon, das größere, stand gleich in der Mitte des Dorfes bei einem großen, freien Platz. Das kleinere, aber trotzdem noch riesige, war nicht weit vom anderen Steinhaus entfernt, lag aber mehr am Rande des Dorfes auf einem Hügel. Es waren nur noch wenige Hortenser draußen. Viele von ihnen trugen solche matt-silbernen Metallanhänger mit grober, unebener Oberfläche in den verschiedensten Formen und immer mit anderen Mustern und Symbolen darin eingeritzt. Was diese wohl zu bedeuten hatten? Doch im Moment durfte ich solche Fragen nicht stellen, um mich nicht zu verraten. Luno trug keinen dieser Anhänger, wie mir aufgefallen war. Und auch Drako hatte keinen bei sich gehabt.

Die Hortenser, die mich erblickten, sahen mir komisch hinterher, als mich Luno in das kleinere Steinhaus führte.

„Hier wohne ich“, stellte er klar. „Gefällt es dir?“ Innen war es, zu meiner Überraschung, ziemlich leer.

„Klar!“, meinte ich, da ich ja nicht wusste, was bei Häusern von Hortensern so üblich war und ihn keinesfalls beleidigen wollte.

„...Dann sieh dir erst mal die Dachterrasse an!“, schlug er vor. „Wenn du das hier schon toll findest, dann wirst du von der Terrasse bestimmt begeistert sein!“

Luno schnappte sich zwei Stühle und wir stiegen eine steinerne Treppe hinauf, die auf das flache Dach führte. Dort stellte er die Stühle dann nebeneinander ab und bot mir zuvorkommend einen Platz darauf an. Anschließend setzte er sich auf den leeren Stuhl, rechts neben mich. Wir betrachteten den rasch ablaufenden, aber wunderschönen und faszinierenden Sonnenuntergang mit seinen prächtigen Rottönen und den violetten Schleiern und bald war es draußen stockfinster. Doch zwölf Monde, davon Vollmonde, zunehmende und abnehmende Halbmonde und Mondsicheln und außerdem tausende von Sternen schienen auf uns herab, so als wenn sie nur für uns leuchten würden und erhellten die Nacht. Ich war überwältigt, von diesem wunderschönen, einmaligen Anblick.

„Was für ein Mond gefällt dir am besten, Lilly?“, fragte er mich.

Ich zeigte in den Himmel. „Der Vollmond, dort, direkt vor uns.“

„Ach, was für ein Zufall... das ist der Mond der Lichtgestalten, also unser Mond, wenn man so will“, erklärte er. Ich sah ihn an und er leuchtete noch immer. Wohl typisch für seine Rasse... Nur komisch, dass ihm nicht auffiel, dass ich nicht leuchtete, wenn er mich für dieselbe Rasse hielt. Aber vielleicht leuchten ja nicht alle Lichtgestalten... Plötzlich kamen jede Menge Glühwürmchen dazu und umschwärmten uns. Es war ein traumhaft schöner Moment.

„Pass mal auf, Lilly. Sieh in den Himmel und lass deinen Lieblingsmond nicht aus den Augen“, lenkte Luno meine Aufmerksamkeit wieder auf das Sternenzelt. Plötzlich kam der Mond näher! Ich schielte zu Luno hinüber, der den Mond mit dem Zeigefinder zu sich winkte, bis er riesengroß vor uns am Himmel stand. So etwas Wunderschönes hatte ich noch nie gesehen! Anschließend tippte Luno mit dem Finger Richtung Himmel, wodurch jedes mal ein weiterer, hell leuchtender Stern auftauchte. Unglaublich! „Wie gefällt es dir, Lilly?“, fragte er mich nun.

„Es ist überwältigend schön!“, stieß ich aus.

Plötzlich fröstelte mich leicht. Luno hatte es bemerkt, legte seinen wärmenden Arm um mich und rieb mir mit der Hand sanft die Schulter. Ich musste gähnen, da mich die ganze heutige Aufregung müde gemacht hatte.

„Oh, ich sehe du bist müde... Wollen wir lieber wieder reingehen?“, ließ er mich entscheiden.

Ich nickte nur etwas verlegen. „Entschuldige, ich hätte mir den Himmel gern noch länger angesehen. Jetzt hast du dir die ganze Mühe umsonst gemacht...“

„Aber nicht doch, es war für mich gar nicht schwer und außerdem ist für dich nichts umsonst...“, meinte er darauf nur. „...Aber Moment, fast hätte ich’s vergessen, wir müssen vor dem Schlafen gehen ja noch die Monde anbeten!“, fiel ihm plötzlich wieder ein.

„Äh... ach ja, stimmt, ich hab auch nicht mehr dran gedacht“, spielte ich mit.

„Na dann, worauf wartest du?“, fragte er erwartungsvoll. Plötzlich war ich nur noch halb so müde und hatte sogar die Kälte um mich rum komplett vergessen.

„Ich... äh... ich überlasse lieber dir den Vortritt“, wandte ich schnell ein.

„Aber so ist es doch nicht üblich. Der Gast betet immer vor“, klärte er mich auf.

„Ja, ich weiß...“, behauptete ich schnell. „Es ist nur... Ich wollte damit nur mal was Neues ausprobieren...“

„Also ich glaube nicht, dass das die Monde heiter stimmen würde, wenn auf einmal diese uralte Tradition gebrochen wird...“, überlegte er laut.

„Du hast wohl Recht...“, gab ich mich schließlich geschlagen und fragte mich noch im selben Moment, wovon ich eigentlich gerade redete. Jedoch wollte ich augenblicklich niemanden hier in dieser komischen Welt auf irgendeine Weise verärgern - noch nicht einmal einen Mond – solange ich über die Konsequenzen nicht Bescheid wusste. „Wir müssen die Tradition wahren. In Ordnung, ich bete vor. – Aber ich mache das auf meine eigene Art“, erklärte ich.

Luno war zufrieden und nickte mir zu. „Ich bitte darum.“

Also ließ ich mich auf der Dachterrasse auf die Knie fallen, streckte die Arme zum Himmel empor und richtete die Augen auf den Vollmond vor mir. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich wahrnehmen, dass Luno es mir nachmachte. ...Wie naiv er doch ist... Er hält das wirklich für eine Hortenser-Tradition und dabei ist er doch der Hortenser unter uns beiden...

Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach mit einer überraschend kräftigen und somit auch überzeugend klingenden Stimme: „Oh ihr großen, allmächtigen Monde, die ihr über Emmerald herrscht und waltet, geheiligt seid ihr!“ An dieser Stelle neigte ich mich dem Boden zu, so als ob ich es nicht würdig wäre, ihren Anblick zu bewundern. „Wir danken euch für eure reichen Gaben auf Wiesen und Felder und bitten um eure Gunst, auf das noch viele solcher warmen Sommer ins Land ziehen mögen.“ Ich unterbrach mich selbst, als Luno ein komisches Geräusch von sich gab. Es hörte sich fast so an, als müsse er sich krampfhaft das Lachen verkneifen. Zusätzlich grinste er übers ganze Gesicht.

„...Sag mal, machst du dich über mich lustig?“, wollte ich schließlich wissen.

Luno schluckte das Lachen so weit wie möglich runter. „Nein, nein! Mach nur weiter, du machst das großartig, richtig toll!“, entgegnete er äußerst friedfertig.

„Und warum lachst du dann?“, forderte ich ihn heraus.

„Lilly, ich lache dich doch nicht aus, ich lache aus Freude, weil deine Art zu beten mir so sehr imponiert. Ich finde sonst keine Worte, meine Begeisterung auszudrücken. Und wenn ich die Monde erneut anbete, werde ich dies nun immer auf deine wunderbare Art und Weise machen, versprochen.“ Noch immer grinste er so sehr. Also diese Hortenser waren schon komische Wesen...

„Danke“, sagte ich abschließend und lächelte zurück. Dann fuhr ich mit dem Gebet fort.

Inzwischen hatten wir zu Ende gebetet und waren wieder ins Haus gegangen. „Das ist dein Zimmer.“ Luno zeigte zu einem Durchgang, der in ein kleines Zimmer führte, wo ein gemachtes Bett stand. „Solltest du etwas brauchen, dann findest du mich dort.“ Er zeigte zu der Tür gegenüber. „Ich wünsche dir noch eine gute Nacht, Lilly.“

„Danke, ebenfalls“, ergänzte ich, ging in mein Zimmer, ließ mich, so wie ich war, ins Bett fallen und schlief auf der Stelle ein. Um mein Haus, wo noch immer die Terrassentür zum Garten offen stand, machte ich mir keine Sorgen mehr, da ich es immer noch für einen Traum hielt, hier zu sein.

Irgendwann, mitten in der Nacht, wurde ich dann plötzlich von Luno geweckt. „Lilly, willst du länger schön bleiben? – Denn diesen Zauber könnte ich jetzt, in diesem Moment nämlich auf dich anwenden! Das ist genau der richtige Zeitpunkt. Ich könnte deinen Alterungsprozess verlangsamen und gleichzeitig würdest du dadurch länger leben und somit auch länger jung aussehen“, redete er hastig los.

„Auch wenn ich nicht richtig wach bin?“, fragte ich schlaftrunken.

„Genau das ist ja in deinem Fall die nötige Voraussetzung dafür!“, machte er mir klar.

„Gut“, sagte ich nur im Halbschlaf, da ich zu faul war, noch mehr Worte von mir zu geben.

Ich bekam noch mit, wie Luno meine Hand nahm und etwas murmelte, bei dem ich nicht mehr genau zuhörte. Folgende Worte konnte ich noch vernehmen: „Mit der Einverständnis und Zustimmung von Lillian werde ihr Wunsch in meinem Namen erhört und die Zeremonie von mir vollzogen. ...nun ein Hortenser, von der Rasse eine Lichtgestalt, die die Gestalt eines Tieres... - eines Schmetterlings... eines Zitronenfalters annehmen kann und die Gabe des Mitgefühls hat. Im Namen von Emmerald verleihe ich der Volljährigen hiermit den Fluch der Wahrheit...“

Pinienträne

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