Читать книгу Das Geheimnis des Gutsherrn - Christina Tempest - Страница 4

1. Dezember

Оглавление

Eines war sicher. Jedes Mal, wenn sich Cecilie gerade damit versöhnt hatte, in der Stadt zu wohnen, wurde sie daran erinnert, wie sehr sie die offene, freie Natur vermisste. Die Schönheit der frostweißen Landschaft, als die Nachmittagssonne hervorbrach und auf die bleichen Felder schien, gab ihrem Herz einen wehmütigen Stich. Aber nicht einmal das Wiedersehen mit Nordjyllands grandioser Natur konnte Cecilies Gedanken an ihre Diskussion mit Karen gänzlich verscheuchen. Seit sie ein paar Stunden vorher Kopenhagen verlassen hatte, hatten sie die Worte der Freundin nicht losgelassen. Zur Ablenkung hatte sie das Radio angeschaltet, aber auch die klassischen Weihnachtshits, die das kleine Auto auf der Reise in Dauerschleife beschallten, konnten die Gedanken nicht vertreiben. Wenn Cecilie noch mehrere Stunden nach einem solchen Gespräch sauer war, war das leider in der Regel ein sicheres Zeichen, dass ihre äußerst ehrliche Freundin recht hatte. Verdammt. Auf der Schnellstraße steckte Cecilie eine ganze Weile hinter zwei Lkws fest, die ihre Zeit damit totschlugen, sich gegenseitig zu überholen. Cecilie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad. War sie wirklich zu langweilig, wie Karen behauptete? So lang war ihre letzte Beziehung nun wirklich nicht her. Sie schaltete den Blinker ein, fuhr von der Schnellstraße ab und zählte mit den Fingern nach, während ein Traktor vor ihr langsam die eisige Fahrbahn entlang schlidderte. Ja, okay, es war zweieinhalb Jahre her. Zweieinhalb Jahre? So lang kam es ihr gar nicht vor, was bestimmt auch daran lag, dass sie den Job bei der Ægidius-Stiftung bekommen hatte. Das Geld anderer Menschen an verschiedene umweltfördernde Projekte zu verteilen war ungefähr der beste Zeitvertreib, den Cecilie sich vorstellen konnte. Aber sie musste vielleicht nicht unbedingt all ihre Zeit dafür verwenden.

Bevor sie zu einem Schluss kommen konnte, ob Karen vielleicht recht damit hatte, dass es Zeit war, sich wieder in die Dating-Welt zu begeben, bog der Traktor auf einen Schotterweg ab und sie hatte freie Sicht. Es verschlug Cecilie fast den Atem, so schön war die Landschaft im Sonnenuntergang. Nordjyllands windgeplagten Weiten waren wirklich ein vergessener Juwel. Aber sie bezweifelte, dass es der richtige Ort war, um Karens Rat zu befolgen, sich einen Mann zu suchen. Nachdem Cecilie im Gasthof eingecheckt hatte, der einzigen Übernachtungsmöglichkeit in der winzigen Stadt, gab es keinen Zweifel mehr: Sie musste auf jeden Fall zurück nach Kopenhagen, um irgendeine Hoffnung haben zu können, einen Mann kennen zu lernen. Astrup war eine der kleinsten Städte, in der sie je gewesen war.

Sie stellte ihren Koffer in ihrem Zimmer ab, das immerhin herrlich warm war und eine fantastische Aussicht hatte. Sie freute sich schon jetzt darauf, morgen die Sonne durch das große Fenster scheinen zu sehen, und war dankbar, dass ihr Meeting auf dem örtlichen Gut spät genug beginnen würde, um im Gasthof bleiben zu können, bis die Sonne aufgegangen war. Ein Sonnenaufgang war ein Genuss, der in Kopenhagens eng stehenden Häusern äußerst wenigen vergönnt war, und auch wenn sie ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung im zentralen Altbauviertel Vesterbro vergötterte, packte sie manchmal die Sehnsucht nach dem Licht und der Weite, die an ihre Kindheit auf dem Land erinnerten. Sie ging hinunter und schaute sich in dem menschenleeren Foyer um.

„Womit kann ich helfen?“, fragte die freundliche Empfangsdame, eine rundliche Frau um die Fünfzig, die nicht zu verbergen versuchte, dass sie dasaß und Kreuzworträtsel löste.

„Wo kann ich etwas essen gehen?“

„Wir öffnen um 18 Uhr.“

Die grauhaarige Frau lächelte sie warm an und schien sich nicht bewusst zu sein, wie putzig es war, dass sie nicht einmal gefragt hatte, an was für Essen Cecilie interessiert war.

„Sie können sich schon reinsetzen.“

Das bedeutete offensichtlich, dass es in dieser Stadt nur einen Ort gab, wo man etwas essen konnte, und Cecilie war bereits dort.

„Wenn Sie keine Pizza möchten?“, fragte die Empfangsdame hilfsbereit.

„Nein, nein, dänische Küche ist in Ordnung.“

Es wäre eine Untertreibung, zu sagen, dass das Restaurant Astrup Gasthof nicht so gut besucht war. Es war völlig leer.

„Eine Person?“

Cecilie nickte schicksalsergeben. Nach so vielen Jahren in ihrem Job hatte sie sich daran gewöhnt, allein ins Restaurant zu gehen, aber es war etwas anderes, allein in ein vollkommen leeres Restaurant zu gehen. Fast leer. Als sie gerade angefangen hatte, die Speisekarte zu lesen, sah Cecilie einen groß gewachsenen Mann, der genau nach ihr hereingekommen sein musste. Er setzte sich an einen Tisch in der Ecke und bestellte in einem gedämpften Murmeln, ohne überhaupt in die Karte zu gucken. Offensichtlich ein Stammkunde. Er war schick auf diese gesunde, naturverbundene Weise. Helles, wogendes Haar, markante Kieferknochen und charakteristische Nase. Er sah auf und Cecilie senkte schnell den Blick, aber für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Er nickte ihr kurz zu und schaute weg. Sie spürte die Röte die Wangen steigen, obwohl er unmöglich wissen konnte, dass sie gerade eine SMS an Karen geschickt hatte: Ok, du hast recht. Ich muss den Hintern hochkriegen und einen Mann finden. Während sie auf ihr Essen wartete, vibrierte ihr Handy. Sie drehte es um und las die Nachricht: Wenn du nicht innerhalb einer Woche jemanden getroffen hast, arrangiere ich dir ein Blind Date! Okay? Sie lächelte und antwortete direkt: Eine Woche?! So schnell findet man keinen Freund. Die Antwort kam, bevor sie das Handy auch nur aus der Hand legen konnte: Wer redet von fester Beziehung? Willkommen in den 2000ern, Cille. Es ist erlaubt, sich an den Leckerbissen zu bedienen… Am Ende der Nachricht hatte sie einen Zwinkersmiley hinzugefügt, der die Zunge rausstreckte, und einen unmissverständlichen Auberginen-Emoji. Cecilie kicherte und steckte das Handy in die Tasche, ohne zu antworten. Als sie aufsah, traf sie wieder den Blick des Mannes. Er bohrte sich in ihren, bevor sie wegsehen konnte, und das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, war unmissverständlich. Als der Kellner genau in diesem Moment zwei Teller brachte und den einen auf ihrem und den anderen auf dem Tisch des fremden Mannes abstellte, fasste sie einen schnellen Beschluss. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, warf sie sich ihre Tasche über die Schulter, nahm Teller und Besteck in die eine und das Glas in die andere Hand und steuerte auf den Tisch des Fremden zu.

„Ja?“, sagte er und sah auf, als sie plötzlich vor ihm stand. Ihre spontane Initiative war ebenso kühn wie weit entfernt von ihrem gewöhnlichen Stil. Sie bereute es bereits, aber jetzt schien es kein Zurück mehr zu geben.

„Ich dachte nur…“

Die Energie hatte sie verlassen. Warum in aller Welt war sie zu einem wildfremden und sehr aparten Mann herübergegangen, der in Ruhe seine Mahlzeit im Restaurang Astrup Gasthof genießen wollte?

„…weil nur wir beide hier sind“, beendete sie lahm ihren Satz und wünschte, sich inklusive ihres Krabbensandwiches und ihres Mineralwassers in Luft aufzulösen. Einen Augenblick lang sah er ihr einfach nur gerade in die Augen, vielleicht suchte er nach einer Ausrede, um sie loszuwerden, vielleicht war er nur überrascht über ihre Kühnheit. Dann lächelte er warm.

„Eine glänzende Idee.“

Er nickte in Richtung der Mineralwasserflasche, die sie auf dem Tisch abstellte.

„Aber ich meine fast, dass die Gelegenheit etwas festlichere Getränkte fordert.“

Er zog fragend die Augenbrauen hoch und Cecilie nickte schnell.

„Gerne.“

Falls der Kellner überrascht war, als Cecilies neuer Tischherr nach ihm rief, um Wein zu bestellen, verbarg er dies geschickt.

„Weiß oder rot?“, fragte der schicke Fremde.

„Weiß?“, sagte Cecilie und schaute dann auf seinen Teller mit Wild.

„Oh, das passt vielleicht nicht dazu…?“

„Das passt ausgezeichnet“, sagte er und lächelte beruhigend.

„Den besten Sancerre für die Dame und ein großes Fassbier für mich, bitte.“

Der Kellner nickte und eilte in die Küche. Es folgte ein unbequemes Schweigen.

„Wie heißen Sie?“, fragte Cecilie und bereute es sofort. Hier wollte sie die Abenteuerlustige darstellen und dann stellte sie die aller naheliegendste und langweiligste Frage der Welt.

„Vergessen Sie es!“, unterbrach sie ihn, als er gerade antworten wollte. Er schaute sie leicht verwundert an.

„Kein Name?“

Sie lächelte und schüttelte über sich selbst den Kopf.

„Entschuldigung. Ich dachte nur… Vielleicht ist das hier so eine Begegnung, bei der man einfach die Person sein kann, die man sein will?“

So. Jetzt lagen die Karten auf dem Tisch. Sie hätte kaum deutlicher sagen können, dass das hier nur für heute Abend bestimmt war. Zum Glück kam der Kellner mit den Getränken zurück und unterbrach das Gespräch, bevor Cecilies fremdes Date antworten konnte. Dankbar nahm sie einen Schluck von dem Wein. Er nippte an seinem Bier, nickte anerkennend und nahm den Gesprächsfaden wieder auf.

„Würden Sie gern jemand anderes sein?“

„Manchmal.“

Sie widerstand dem Impuls, den Blick zu senken.

„Wollen Sie das nie?“

Statt einer Antwort hielt er sein Glas hoch und sie stießen an. Nach ein paar Schlucken in einem Schweigen, das Cecilie schwer deuten konnte, sagte er endlich etwas.

„Wer soll ich dann heute Abend sein?“, fragte er und schaute nachdenklich in die Gegend. „Sie sind offensichtlich eine Frau, die weiß, was sie will, und die keine Angst hat, dem zu folgen.“

Er machte eine ausschweifende Handbewegung, um auf die Situation hinzuweisen, die ja das Ergebnis ihrer Initiative war.

„Da kann etwas dran sein.“ Cecilie wollte, dass er weitermachte. Sie wollte seiner ruhigen, tiefen Stimme zuhören, die von der Frau erzählte, die sie gern sein wollte.

„Eine Frau aus der Großstadt“, sagte er. „Eine Frau, die gefährlich sein kann für einen armen Mann vom Land, wie mich.“

„Vielleicht“, sagte Cecilie und drehte das Weinglas zwischen den Händen.

„Aber Sie scheinen ein Mann zu sein, der wagt, Chancen zu ergreifen.“

Als er nicht antwortete, setzte sie fort: „Wer wollen Sie sein?“

„Helfen Sie mir.“

Die Antwort kam schnell.

„Hmmm. Sie sind so einer, der nicht zögert, einer Frau Wein zu bestellen“, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. „Also sind Sie selbstsicher.“

„Ja, vielleicht“, antwortete er. „Machen Sie weiter.“

„Sie sind höflich, aber man merkt, dass Sie daran gewöhnt sind, Ihren Willen durchzusetzen.“

Cecilie hatte natürlich schnell registriert, dass er keinen Ring trug, aber das würde sie lieber nicht kommentieren. Sie überlegte, zu sagen, dass er ein mittelgroßes Unternehmen führte, in einem Haus mit Aussicht aufs Meer wohnte und gerne jagen ging. Oh mein Gott, sogar ihre Phantasien waren langweilig. Stattdessen öffnete sie den Mund und sagte:

„Ich glaube, Sie sind Naturfotograf. Sie haben Bilder an einigen der gefährlichsten Orte der Welt gemacht, sind mit Haien geschwommen, auf eine Bergspitze geklettert, um die letzten wilden Adler zu fotografieren, haben tagelang reglos im Schnee gelegen, um das perfekte Bild von dem extrem scheuen Polarfuchs zu schießen. Sie sind kompromisslos, lieben die Natur und tun einfach alles für das perfekte Foto.“

Er riss überrascht die Augen auf und versuchte das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf seinen Lippen ausbreiten wollte.

„Was mache ich dann hier?“

Er sah sich in dem verlassenen Restaurant um. Cecilie zögerte nicht.

„Sie sind seit zehn Jahren nicht in Dänemark gewesen. Jetzt sind Sie zurück, um die dänischen Wölfe zu fotografieren. Bisher hat man nur verpixelte Bilder gesehen, die genauso gut einen sibirischen Husky darstellen könnten. Die Leute sind panisch, völlig ohne Grund, und jetzt ist es Ihre Aufgabe, zu zeigen, was für ein fantastisches Tier der Wolf ist, und wie glücklich wir uns schätzen können, den Wolf wieder in der dänischen Natur zu haben.“

„Und weiter?“, fragte der Mann und sah Cecilie fasziniert an.

Es war ihr, als ob sie auf seinem bewundernden Blick schweben könnte. Warum hatte sie das hier nicht schon viel früher ausprobiert?

„Eine ganze Menge Frauen haben versucht, Sie zu zähmen, aber Sie fühlen sich mit einem solchen Alltag nicht wohl. In der Natur geht es Ihnen am besten, allein mit Ihrer Kamera und Ihrer Mission. Nur ab und zu verspüren Sie ein Bedürfnis nach dem Körper einer Frau und dann begeben Sie sich in die Stadt, wo eine glückliche Frau die Nacht ihres Lebens mit Ihnen verbringt, solang sie damit einverstanden ist, dass Sie am nächsten Morgen verschwunden sind.“

Bei diesen Worten hustete der Mann und verschluckte sich an seinem Bier.

„No pressure!“, lachte er.

Auch Cecilie grinste selbstzufrieden.

„Jetzt sind Sie dran“, sagte sie auffordernd und lehnte sich im Stuhl zurück, als ob sie sich auf eine lange Ausführung freute.

„Hmm.“

Der Mann betrachtete sie von oben bis unten, als ob er Inspiration suchte.

„Sie arbeiten mit Windkraft. Morgen wird eine ganze Reihe Ingenieure aus allen möglichen Ländern Vorschläge für die zukünftige Entwicklung eines der weltweit führenden Produzenten erneuerbarer Energie präsentieren, aber Sie wissen jetzt schon, dass Sie ausgewählt werden. Der Konzern glaubt, in Ihnen eine kompetente Führungskraft zu bekommen, aber er bekommt so viel mehr. Wenn es etwas gibt, das Sie haben wollen, dann bekommen Sie es. Egal, was der Arbeitgeber denkt, zu suchen, er weiß es eigentlich nicht, bevor er Sie getroffen hat. Die anderen Kandidaten haben nicht mal eine Chance, aber das wissen sie noch nicht. Sie wohnen alle zusammen im selben Hotel und sitzen da und zittern vor Angst, aber Sie haben sich dem entzogen, um vor dem entscheidenden Tag allein zu sein. Jetzt wollen Sie die Zeit so angenehm wie möglich verbringen. Und vielleicht ist es dem ein oder anderen glücklichen Mann erlaubt, heute Abend Ihre Gedanken zu zerstreuen.“

Cecilie nickte anerkennend und hob ihr Glas. Nachdem sie sich zugeprostet hatten, tauchte der Kellner auf und begann, die Teller abzuräumen. Hatte sie wirklich schon aufgegessen? Der Teller war leer, also musste sie es getan haben. Sie hatte es nicht einmal bemerkt.

„Möchten Sie einen Nachtisch?“

Cecilie und ihr Tischherr schauten sich an.

„Nein danke“, sagten sie im Chor.

Als Cecilie im oberen Stockwerk das Zimmer aufschloss, zitterten ihre Hände vor Spannung. Es hatte keinen Zweifel daran gegeben, dass sie gemeinsam in ihr Zimmer gehen würden, sie waren einfach wortlos aufgestanden und nach oben gegangen. Jetzt war sie nervös, ob sich die Magie bis ins Bett halten würde, das auf der anderen Seite der Tür wartete. In Filmen küssten sich die Paare immer so stürmisch, dass sie kaum durch die Tür kamen, und drückten einander hart gegen die Wand, bevor sie die Kleider von sich schmissen. Man sah nie richtig, wie sie es schafften, sich auf elegante Weise herunter zu beugen und die Hose über die Füße zu ziehen, oder wie sie widerspenstige BHs aufknöpften. Cecilie stieß die Tür auf und konnte ihren Tischherren dicht hinter sich spüren. Über sich selbst verärgert trat sie zur Seite, um ihn herein zu lassen. Warum konnte sie sich dem Begehren nicht einfach hingeben, warum musste sie unbedingt lauter Probleme vorhersehen? Sie begann wieder zu bereuen, dass sie überhaupt zu seinem Tisch herübergegangen war. Warum hatte sie geglaubt, dass sie das hier durchführen konnte?

„Du“, klang seine Stimme weich hinter ihr. Er legte von hinten seine Arme um sie, zog sie zu sich heran und legte seine Wange an ihre.

„Gibt es etwas, dass ich wissen sollte über die ambitionierte Ingenieurin, die ich für einen Abend ausleihen darf?“

Seine Worte, so dicht an ihrem Ohr, schickten angenehme Schauer ihren Rücken herunter und sammelten sich als saugendes Gefühl zwischen ihren Beinen. Cecilie konnte ihr Beben nicht verbergen und drückte ihre Wange intuitiv fester an seine, um ihm näher zu kommen. Er drehte sie um, sodass sie sich direkt gegenüberstanden, und schaute ihr prüfend ins Gesicht. Cecilie spürte, wie das Begehren ihren Körper durchfuhr und wusste, dass sie heute Nacht nicht die schüchterne Cecilie sein wollte, die immer zu sehr an sich selbst zweifelte, um einem Mann wirklich nah kommen zu können. Heute Nacht war sie eine Ingenieurin, die wusste, was sie wollte, und die sich ablenken musste. Nichts anderes. Statt einer Antwort machte sie einen Schritt nach vorne, um die Lücke zwischen ihnen zu schließen, und hob ihren Kopf. Sie suchte gierig seine Lippen und als sie sie fand und sie sich im ersten Kuss trafen, wusste sie, dass es hier nichts von der Unbeholfenheit geben würde, an die sie gewohnt war. Nicht heute Nacht. Er legte einen Arm um ihre Taille und drückte sie fest an seinen Körper, während er sie küsste. Zuerst presste er nur seine Lippen an ihre, sodass sie seine Bartstoppeln an der sensiblen Haut im Gesicht spüren konnte. Dann öffnete er vorsichtig die Lippen und lies seine Zunge hervorgleiten.

Als Cecilie dies spürte, gab sie ein schwaches Stöhnen von sich. Okay, vielleicht hatte Karen doch recht damit, dass bald zu viel Zeit vergangen war. Ihr kleiner erwartungsvoller Laut hing in der Luft, überraschend für sie beide, aber dann hob Cecilie den Blick und sah dem fremden Mann in die Augen.

„Ja, eins gibt es, was du vielleicht über deine Ingenieurin wissen solltest“, sagte sie.

„Und das wäre?“, fragte er mit einem schmachtenden Blick.

„Sie braucht wirklich einen Mann.“

„Und eins gibt es, was du über deinen Naturfotografen wissen solltest“, sagte er.

Mit dem wachsenden Begehren bekam er eine tiefere, belegte Stimme.

„Und das wäre?“

„Er würde sehr gern dieser Mann sein.“

Ohne ein weiteres Wort fingen sie wieder an, sich zu küssen. Zuerst hatte er die Hände um ihre Taille gelegt und hielt sie fest an sich gedrückt, während ihre Zungen auf Entdeckungsreise gingen. Dann hob er seine Hände und legte sie um ihr Gesicht. Cecilie ließ ihre Hände über seine Oberarme gleiten und spürte die festen Muskeln unter seinem Hemd. Dann zog sie die Finger durch sein Haar, wie sie es seit dem ersten Moment tun wollte, in dem sie ihn gesehen hatte. Sie war völlig berauscht davon, dass dieses Prachtexemplar von Mann ihr für die ganze Nacht zur Verfügung stand. Nach einer kurzen, wunderbaren Ewigkeit aus tiefen Zungenküssen und Händen überall über der Kleidung zog Cecilie vorsichtig sein Hemd hinten aus der Hose und konnte endlich ihre Hand auf die warme Haut seines Rückens legen. Sie empfand puren Genuss. Aber es setzte auch Kräfte frei, die sie bisher zurückgehalten hatten. Plötzlich hatte sie in Nullkommanichts sein Hemd aufgeknöpft, um seinen kräftigen Brustkorb sehen zu können, mit dem dunklen Haar oben und einem schmalen Streifen dunklen Haares ganz unten. Sie sehnte sich danach, es an ihrem eigenen nackten Körper zu spüren, aber als sie sich gerade ihre Bluse über den Kopf ziehen wollte, fiel ihr ein, dass sie ihren uralten, zerschlissenen Sport-BH anhatte, weil sie keinen anderen sauberen BH gehabt hatte. Cecilie fluchte innerlich. Sie ertrug es nicht, jetzt die missglückte Cecilie zu sein, sie wollte die selbstsichere Ingenieurin sein, die die Lage im Griff hatte.

„Nur einen Augenblick“, flüsterte sie an seinem eifrigen Mund und verschwand eilig in das kleine Badezimmer. Jetzt, wo sie schon mal da war, konnte sie auch schnell pinkeln. Dann sah sie in den Spiegel. Was hätte die Ingenieurin getan? Sie zögerte nicht. Runter mit dem tristen Sport-BH und dem weißen Wollunterhemd. Im dänischen Winterwetter ordentlich angezogen zu sein war notwendig, aber nicht unbedingt sexy. Dann zog sie die Bluse wieder an, ohne etwas darunter. Als sie das Ergebnis im Spiegel betrachtete, riss sie die Augen auf. Der Anblick war besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Durch den halb durchsichtigen Stoff konnte man die Rundungen der Brüste und die zwei dunklen Brustwarzen erahnen. Schnell zog sie sich auch Strumpfhose und Unterhose aus. Wer brauchte sexy Unterwäsche, wenn man diese Aufgabe der Natur überlassen kann? Als sie den Rock zurechtzupfte, spürte sie ihr Handy in der Tasche. Bevor sie es weglegte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, eine SMS an Karen zu schicken: Mission accomplished. Mit einem Grinsen legte sie das Handy auf das Badezimmerregal. Dann betrachtete sie sich noch einmal von oben bis unten im Spiegel. Ja, sie war bereit.

Beim Anblick ihrer Brüste unter dem transparenten Stoff riss der Mann die Augen auf und Cecilie musste sich beherrschen, um nicht in ein triumphierendes Lächeln auszubrechen. So eine Macht. Warum hatte sie so etwas noch nie getan? Sein Hemd war immer noch aufgeknöpft und sie genoss den Anblick seines Oberkörpers. Ihr Herz schlug wild und zwischen ihren Beinen pulsierte es vor Erwartung. Sie hatte sich noch nie so lebendig gefühlt.

„Komm her.“

Sie streckte sich nach ihm aus und es war leicht, wieder in die Rolle der erfahrenen, routinierten Ingenieurin zu schlüpfen, die alles schon mal ausprobiert hatte. Er machte einen Schritt nach vorn und legte wieder die Arme um sie. Ihre Münder verschmolzen und Cecilie stieß noch einen kleinen, lustvollen Seufzer aus. Wie hatte sie so lang leben können, ohne die Arme eines Mannes um sich und seine gierigen Lippen an ihren? Er ließ die Hände unter ihre Bluse gleiten und strich über ihren nackten Rücken. Sie tat dasselbe und genoss das Gefühl von seinen starken Muskeln und seiner glatten Haut unter ihren Händen. Aber ihr kleines Umziehmanöver hatte die Ereignisse in Fahrt gebracht. Die Küsse wurden bald immer eifriger. Ein Schauder von Wollust durchfuhr Cecilie, als er sie fest an sich drückte und sie seinen Brustkorb an ihrem spürte, nur mit dem dünnen Stoff ihrer Bluse dazwischen. Aber sogar das war jetzt zu viel Abstand. Zum Glück befanden sie sich nur ein paar Schritte vom Bett entfernt und als sie sich erstmal darauf hatten fallen lassen, war kein Halten mehr. Cecilie lag zuoberst – wie war sie da gelandet? – und als sie sich ein wenig aufrichtete, um ihn anzusehen, ließ er endlich die Hände unter ihre Bluse gleiten und ergriff ihre Brüste, sodass sie seine Haut an ihren sensiblen Brustwarzen fühlte, ganz ohne etwas dazwischen. Noch einmal seufzte sie vor Wollust. Dann beugte sie sich herunter und begann, seinen Oberkörper zu küssen. Seine Atemzüge zeigten deutlich, dass ihm das gefiel. Sie machte mit seinem Bauch weiter und öffnete auch seinen Gürtel und seine Hose, aber dann bewegte sie sich wieder aufwärts. Nach einer gründlichen Behandlung seines gesamten, wunderbaren Oberkörpers zögerte sie einen Augenblick. War es zu früh, sich weiter nach unten zu wagen? Ja, dachte sie. Sie hatten genug Zeit. Stattdessen zog sie die Bluse über den Kopf und warf sie zur Seite, bevor sie sich über ihn beugte und sich so hinlegte, dass ihre Oberkörper sich endlich trafen, und dann küsste sie ihn an den Hals und stöhnte leicht in sein Ohr. Zum ersten Mal stieß auch er einen Laut aus, ein tiefes Stöhnen, das ihm gegen seinen Willen entwichen schien. Er hob die Arme, legte die Hände um ihr Gesicht und hielt es ruhig vor sich, als ob er etwas in ihrem Blick ablesen wollte. Sie lächelte vorsichtig, wie um ihm das Ja zu geben, nach dem er suchte. Er wirkte zufrieden und drehte sie beide um, sodass er nun halb auf ihr lag. Mit etwas hektischeren Bewegungen als vorher gelang es ihm, den Reißverschluss an der Seite ihres Rockes zu öffnen, und dann küsste er sich abwärts. Genau wie sie es getan hatte, platzierte er einen Kuss nach dem anderen auf ihrem Bauch. Noch ein unfreiwilliger Laut entschlüpfte ihm, als er den nun offenen Saum des Rockes erreichte und sah, dass sie nichts darunter trug. Cecilie konnte beinahe spüren, welche Kraftanstrengung es ihn kostete, sich wieder hoch zu küssen, aber dann erreichte er ihre Brüste. Zuerst küsste er vorsichtig, dann immer eifriger, und am Ende ließ er die Zunge mit der einen sensiblen Brustwarze spielen, während er die andere behutsam mit den Fingern drückte. Jetzt konnte Cecilie nicht mehr länger warten. Sie ergriff ihn und zog ihn auf sich, sodass sein Gesicht an ihrem Hals landete, wo die Bartstoppeln sie auf eine Weise kratzten, die sie beinahe vor Glück schreien ließ. Gleichzeitig versuchte sie fieberhaft, sowohl ihren eigenen Rock als auch seine Hose auszuziehen. Er zerrte sich schnell die Hose herunter und schüttelte sie auf den Boden, und ihr Rock glitt über ihre Hüften. Sie ließ eine Hand heruntergleiten und legte sie um seinen Penis, der sich in ihrer Hand warm, glatt und hart anfühlte. Gleichzeitig ließ er ebenfalls eine Hand heruntergleiten und es überraschte sie beide, als sie spürten, wie feucht sie war. Aber dann war es, als ob sie beide für eine kurze Sekunde sie selbst wurden.

„Ich habe kein… Hast du?“, flüsterte Cecilie heiser.

Etwas erlosch in seinem Gesicht, aber er fasste sich schnell wieder.

„Ich?“, sagte er überrascht. „Ich bin Naturfotograf.“

„Hey“, antwortete sie aufreizend und spielte das Spiel mit. „Ich habe morgen eine wichtige Präsentation. Ich kann ja wohl nicht an Dinge wie Verhütungsmittel denken.“

Bevor sie fragen konnte, wo man so etwas in dieser Stadt zu dieser Uhrzeit bekommen konnte, schüttelte er den Kopf.

„Wir sind in Astrup. Alles hat zu.“

Cecilie konnte die Enttäuschung in seiner Stimme hören, und das hielt sie nicht aus. Hielt nicht aus, die wunderbare Phantasie aufzugeben, die sie zusammen aufgebaut hatten und die eine Finale erforderte. Ihre Hand ruhte immer noch um seinen Penis, und nun begann sie, sie auf und ab zu bewegen.

„Dann müssen wir uns wohl etwas einfallen lassen“, sagte sie und lächelte ihn schief an.

Er lehnte den Kopf nach hinten und genoss, wie sie sich wieder über seinen Oberkörper herab küsste. Aber diesmal hörte sich nicht auf, als sie den unteren Teil des Bauches erreicht hatte. Sie küsste und streichelte sich herunter zum Schaft, und dann küsste sie sich hoch bis zur glatten, roten Spitze. Sie legte die Lippen um die glänzende Eichel und ließ ihren Mund langsam darüber sinken. Zuerst umschloss sie sie nur mit den Lippen, dann legte sie auch die Zunge an die Spitze. Ein tiefes Stöhnen entfleuchte ihm und sie wusste, dass sie auf dem richtigen Weg war. Während sie seinen Bauch und Brustkorb liebkoste und ab und zu die Hand nach unten gleiten ließ und seine Hoden betastete, bearbeitete sie eifrig mit der anderen Hand seinen Schaft und mit dem Mund seine Eichel, so tief, wie sie konnte. Es dauerte nicht lang, bis sein Atem flacher wurde und er immer mehr stöhnte. Sie verspürte eine fast euphorische Zufriedenheit, ihn in diesen Zustand zu versetzen. Da beugte er sich plötzlich vor und versuchte, sie fortzuschieben, aber sie machte hartnäckig weiter. Sie wusste, dass sie etwas tun würde, was sie noch nie getan hatte.

„Ich komme“, warnte er unnötiger Weise. „Pass auf.“

Aber Cecilie wollte nicht aufpassen. Sie wollte ihn in ihren Mund kommen fühlen, Dinge mit ihm erleben, die sie noch nie zuvor erlebt hatte. Plötzlich spannte sich sein ganzer Körper und er stieß ein Keuchen aus, dann spürte sie, wie eine warme Flüssigkeit ihren Mund füllte. Sie schluckte schnell und saugte zum Abschluss noch ein paarmal an seinem Penis. Dann ließ sie sich zur Seite fallen, lag auf dem Bett und sah ihn an, zufrieden mit ihrem Einsatz. Er legte den Kopf schief und sah sie an.

„Wow“, sagte er nur. Dann streckte er sich nach ihr aus und zog sie zu sich in den Arm. Wie konnte es sich so natürlich und entspannt anfühlen, nackt in den Armen eines Mannes zu liegen, den sie noch nie zuvor getroffen hatte? Sie blieben jedoch nicht lange so regungslos. Während sie dalagen, begann er wieder, ihr über den Rücken zu streichen. Ihr Körper reagierte unmittelbar mit voller Aufmerksamkeit und schon war er mit der großen Behandlung im Gange. Er küsste sich wieder von ihrem Hals weiter nach unten. Cecilie spannte sich einen Augenblick an, wollte ihn aufhalten, nicht den perfekten Augenblick zerstören, indem er sie in Unendlichkeit leckte, bis er aufgeben musste. Sie kannte ihren Körper und wusste, dass sie mehr brauchte, um vollständige Befriedigung zu erreichen. Sie versuchte halbherzig, ihn zu stoppen, doch er ergriff behutsam, aber bestimmt ihre Hände und legte sie zur Seite auf das Laken.

„Ich koste nur ein bisschen“, flüsterte er auf ihren Bauch herunter und ein erwartungsfroher Schauer durchfuhr sie. Vielleicht sollte sie sich einfach nur entspannen. Wer weiß, was passieren würde? Und hinterher würden sie sich nie wiedersehen. Der letzte Gedanke gab ihr einen wehmütigen Stich, aber der wurde davon verdrängt, dass er ihren Venusberg erreichte und leidenschaftlich küsste. Anstatt direkt hinunter zur Scheide zu gehen, küsste er die Innenseiten ihrer Schenkel. Küsste, knabberte vorsichtig, biss beinahe und kitzelte sie mit seinen Bartstoppeln, bis ihr ganz schwindelig wurde. Jeder Gedanke daran, worauf dies hinauslaufen würde oder nicht, war völlig vergessen. Es gab nur die Lust und das völlig widersprüchliche Gefühl, dass sie einerseits nicht wollte, dass er jemals aufhören würde mit dem Küssen und Knabbern ihrer Schenkel und der sensiblen Haut der Schamlippen, und dass es sich andererseits anfühlte, als würde sie explodieren, wenn er den Mund nicht bald in die Mitte gleiten ließ. Und dann tat er genau das. Ein Stöhnen, beinahe ein Heulen, verließ ihre Lippen, aber in diesem Stadium war ihr kaum bewusst, was sie tat. Es kümmerte sie nicht, was er über sie dachte, solang er nur nicht aufhörte. Sie benutzte beide Hände, um sein Gesicht näher an ihre feuchte Vulva zu drücken, und als seine Zunge ein letztes Mal an Tempo zulegte, spürte sie eine Welle heranrollen von einem Platz, von dem sie nicht gewusst hatte, dass er existierte, und sie mit sich spülte. Danach lagen sie beide erschöpft auf dem Bett und sahen einander an. Cecilie war nicht sicher, ob sie jetzt sie selbst waren, oder ob sie immer noch ihr kleines Spiel spielten. An sich wollte sie gar nicht mehr über ihn wissen, wollte lieber das Erlebnis so behalten, wie es war – an diesem unmöglichen Platz zwischen Fantasie und Wirklichkeit, der unabhängig von dem Leben existieren durfte, das sie gelebt hatten, bevor sie einander begegnet waren, und dem Leben, zu dem sie danach zurückkehren würden.

„Ein akzeptabler Ersatz“, sagte sie und zuckte mit den Schultern.

Er brach in ein lautes Lachen aus und das aller wunderbarste Lächeln breitete sich über seinen Lippen aus. Das hatte er nicht erwartet.

„Wir Naturfotografen sind gut darin, damit zu arbeiten, was wir haben“, sagte er dann.

Sie blieben vielleicht noch eine Stunde so im Bett liegen. Quatschten über Nichts, streichelten den Körper des anderen. Dann stand er auf und fing an, sich die Hose anzuziehen.

„Ich muss los“, sagte er leise. „Nicht, weil jemand warten würde“, fügte er hinzu.

Cecilie lächelte ihn an und blieb nackt auf dem Bett liegen, endlich einmal ohne das Bedürfnis, sich zu bedecken, obwohl sie nicht mehr vom Begehren verschlungen war. Sie war froh, dass er das sagte. Nicht, weil sie diese Auskunft ausnutzen wollte, aber so wurde ihre kleine Phantasie nicht von dem Gedanken zerstört, vielleicht etwas Falsches getan zu haben.

„Danke für einen wunderbaren Abend“, sagte Cecilie und meinte es zutiefst ehrlich.

„Danke dir.“ Er küsste sie auf die Stirn und dann war er weg.

Das Geheimnis des Gutsherrn

Подняться наверх