Читать книгу Ein Engel ganz unten - Christine Engel - Страница 7

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Mitten in seinem Schlafzimmer materialisierte er sich mit ihr wieder. Wütend starrte er auf sie hinunter.

Linea erkannte, dass sie sich in einem Schlafzimmer befand. Ihre Angst steigerte sich zu Panik. Nein, das durfte ihr nicht schon wieder passieren. Sie suchte den Raum sofort nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Hier gab es ein riesiges Bett, zwei Schränke, ein Fenster und zwei Türen.

»Ehe du meine Fensterscheibe einschlägst. Das Fenster ist mit einem Zauber gesichert. Da kommst du nicht raus.« Raziel deutete auf die Ausgangstür. »Und davor steht immer eine Wache, also bitte versuche es nur.« Er grinste sie an.

Lineas Blick kehrte augenblicklich zu der zweiten Tür zurück.

»Dort geht es zum Badezimmer. Und Marbas hat recht: Du stinkst wirklich, Mädchen. Geh duschen.« Er ließ sie los und deutete auf die zweite Tür.

Linea taumelte rückwärts, als er sie so plötzlich losließ. Energisch verbiss sie sich einen Schmerzlaut, als sie unbewusst das verletzte Bein belastet hatte. Dann sah sie zu der Tür zum Badezimmer. Niemals wieder würde sie freiwillig das tun, was ein Dämon von ihr verlangte. Das kam überhaupt nicht infrage. Außerdem wusste sie nicht, was duschen war. Also blieb sie stur stehen und bewegte sich nicht. Bemühte sich aber die Verzweiflung, die sie spürte, zu unterdrücken.

»Nun mach schon«, forderte er sie auf und schubste sie leicht in Richtung Badezimmer.

Linea taumelte ein paar Schritte, blieb dann aber wieder stehen.

»Bist du taub?«, brüllte er sie nun an.

Erneut reagierte sie nicht so, wie er wünschte, sondern senkte nur den Kopf. Sie konnte fühlen, wie er immer wütender auf sie wurde. Ihre Mutter hätte ihn angelächelt und er wäre sofort ruhig geworden, aber sie konnte so etwas nicht.

»Wenn du es nicht tust, tue ich es«, drohte er und kam auf sie zu. »Und das würde dir sicherlich nicht gefallen!«

Aber erneut erhielt er keine äußerliche Reaktion. Innerlich jedoch bebte Linea vor Angst.

Zornig brüllte er auf, packte sie erneut an den Oberarmen und schob sie auf die Tür zu. Sie krachte dagegen, ehe er die Tür öffnen konnte und er sie in den Raum schob. Der Raum dahinter war weiß und kalt mit vielen gleich aussehenden glatten Steinen an den Wänden. Das war bestimmt seine Folterkammer. Durch die glatten Oberflächen war Blut leicht zu entfernen.

Ihr verletztes Bein stieß gegen die Türzarge und Linea konnte kaum noch den Schmerzensschrei unterdrücken. Ein leises Stöhnen entkam ihren Lippen und sofort verkrampfte sich der Dämon vor Lust bei diesem kleinen Geräusch.

Raziel verstand es nicht. So reagierte er normalerweise nicht. Klar gefielen ihm die Frauen, aber es hatte ihm nie gefallen, ihnen Schmerzen zuzufügen. Auch hatte er es niemals nötig gehabt, eine zu irgendetwas zu zwingen. Aber diese hier machte ihn rasend vor Zorn, oder war es noch etwas anderes? Nein, sicherlich würde er eine so dreckige Kreatur nicht begehren, er kannte sie ja nicht einmal. Er schob sie unter die Dusche und schaltete das Wasser an.

Es prasselte auf sie hinunter. Es war eine unerwartete Wohltat, wieder Wasser auf ihrem Körper zu spüren. Linea öffnete den Mund und fing die Tropfen mit dem Mund auf. Rasch hielt sie beide Hände aneinander und fing weiteres Wasser auf, was sie sich in den Mund schüttete.

Mit einer Hand schlug er ihr die Hände auseinander. »Igitt! Lass das! Du bist so dreckig, dass ich gar nicht wissen will, was du jetzt alles schluckst. Los! Wasch dich endlich!«

Linea würde sich nicht reinigen. Die Dämonen fanden den Dreck abstoßend, das hieß, sie würden sie nicht anfassen, solange sie so stank.

»Also deine letzte Chance. Reinige dich selbst, oder ich werde es tun.«

Sie senkte den Kopf. Er sollte nicht sehen, dass sie vor Enttäuschung und Schmerz weinte. Das Bein tat schrecklich weh. Was ihr hier bevorstand, war beschämend und das, was mit Sicherheit darauf folgen würde, würde ihr auch nicht gefallen. Warum hatte sie mit dem Herausklettern nicht noch etwas gewartet? Sie war doch so dicht davor gewesen. Stockend holte sie Luft. Sie war so entsetzlich schwach.

Wütend, weil sie ihm nicht gehorchte, drehte er sie mit dem Rücken zu sich und schob sie weiter unter den Wasserstrahl. Dann begann er ihren Hintern abzuwaschen. Seine rauen Hände glitten dabei hart über ihre zarte Haut. Er wusch sie nicht sanft oder vorsichtig, sondern kräftig. Um sie zu bestrafen, ließ er seine Hand zwischen ihre Beine tauchen, um ihre intimste Stelle ebenfalls zu reinigen.

Sofort versuchte Linea ihre Beine zusammenzudrücken, aber er war einfach stärker als sie. Diese Hilflosigkeit machte sie wahnsinnig. Als er nach ein paar Augenblicken ihre fast weiße Haut unter dem Dreck auftauchen sah, war er überrascht. Das beruhigte ihn etwas, aber ihre Haut zu fühlen ließ ihn erneut vor Lust erbeben. Das war doch nicht normal! Was für einen Zauber legte sie hier über ihn. »Hör sofort auf damit«, brüllte er sie an. Dann drehte er ihr Gesicht zu sich herum und hob es an. Rasch versuchte sie ihm das Kinn zu entziehen, aber erhielt sie fest und hob es an. Ihre Tränen hatten weiße Bahnen in das dreckverschmierte Gesicht gewaschen. Daran erkannte er, wie sehr sie unter der Prozedur litt und das gefiel ihm nicht. Augenblicklich ließ seine Wut nach. »Das hier ist alles nicht nötig. Du kannst es selbst machen.«

Erneut drehte sie den Kopf zu Seite und machte einen Schritt rückwärts, wobei sie sich auf das verletzte Bein stellte. Schmerzhaft holte sie Luft, ehe sie den Mund schließen konnte.

»Verdammt Frau, was machst du denn nur! Warum machst du es dir denn so schwer?« Er beugte sich zu ihrem Bein hinunter und umfasste den Knochen an beiden Seiten des Bruches. Mit einem Ruck brachte er ihn wieder in die richtige Position.

Linea hatte damit nicht gerechnet und schrie schmerzhaft auf.

»So kann es wieder richtig zusammenheilen«, erklärte er sein Handeln, während er sich wieder aufrichtete. »Willst du dich nicht doch selbst waschen? Ich warte draußen und lass dich dabei allein.«

Kurz blitzte Hoffnung in ihren Augen auf, wurde aber sofort wieder verbannt. Das war nur ein Trick. Sie würde nie mehr auf ihre Tricks hereinfallen.

Seufzend drehte er sie wieder herum und wusch sie weiter. Aber er war nun deutlich vorsichtiger. Er öffnete die Flechten, schäumte ihre Haare er mit Haarshampoo ein und spülte es aus. Aber beim Ausspülen lief immer noch brauner Dreck heraus, also schäumte er sie noch zweimal ein und spülte sie aus. Die Haare wurden bei jedem Waschen heller und zum Schluss hatte sie blonde Haare. Plötzlich zog eine Stelle an ihrem Rücken sein Blick auf sich. Hier waren viele weiße Linien in ihrer Haut. Er starrte auf ihre Haut und erkannte viele weitere solcher Narben auf ihrem gesamten Körper. An der Schulter gab es eine Stelle, da sah es aus, als hätte man ihr das Fleisch vom Knochen gerissen. »Was ist das denn?«, fragte er, als er mit den Fingerspitzen die Narbe nachfuhr.

Linea wusste genau, was er meinte, antwortete aber nicht.

Er wusch ihren ganzen Körper und sie stand mit gesenktem Kopf vor ihm und ließ ihn gewähren. Was hätte sie auch sonst tun sollen?

An ihrer rechten Brust konnte er ebenfalls weiße, gezackte Linien erkennen, es sah aus, als hätte sie ein Tier gebissen. Zärtlich hob er ihr Gesicht an und strich mit seiner großen Hand über die Haut. »Was haben sie nur mit dir gemacht?«

Sofort senkte sie den Kopf wieder. Er sollte ihre Angst nicht sehen. Sie wollte ihm nicht die Genugtuung geben. Sie zog sich in ihren Körper zurück und schaltete die Empfindungen ab. Plötzlich war das warme Wasser weg. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er gegangen war, erst als das große Handtuch sie einhüllte, wurde ihr klar, dass er ein Handtuch geholt haben musste. Er wickelte sie darin ein und hob sie auf die Arme. Er trug sie aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer zurück und legte sie auf das Bett. Dort tupfte er die Tränen weg. »Willst du mir nicht deinen Namen sagen?«

Linea schwieg. Konnte aber nicht den Blick abwenden. Da war Wärme und vielleicht so etwas wie Mitgefühl in seinem Blick. Sie schluckte. Es war schon so lange her, dass jemand sie so angesehen hatte. Rasch zwang sie sich doch den Kopf wegzudrehen. Das war alles nur wieder ein Trick, um sie zu verletzen. Das war es, was sie alle wollten. Alle Dämonen wollten nur jemanden Schmerzen zufügen und sich daran ergötzen. Sie wollte nicht wieder die Quelle dieses Spiels werden.

Raziel hatte so eine Frau noch nie gesehen. Sie leuchtete förmlich. Nun, wo der Dreck ab war, war sie eindeutig eine Schönheit, trotz der Narben, mit denen ihr ganzer Körper übersät zu sein schien, war sie eine Schönheit. Ihr Körper war perfekt geformt und jetzt, wo ihre Haare zu trocken begannen, schienen sie wie flüssiges Gold zu glänzen. Ihre blauen Augen waren so voller Angst und Qual, dass er es kaum ertrug, sie anzusehen. Es fiel ihm immens schwer, seine Hände von ihr zu lassen. Aber er stand trotzdem auf. »Gib mir das Handtuch«, verlangte er. Es war nass und er wollte nicht, dass sie fror.

Zuerst zögerte sie. Es war lange her, seit sie Stoff auf ihrer Haut gefühlt hatte, aber wenn sie es nicht hergab, würde er es sich holen und sie konnte so gar nichts dagegen tun. Also stand sie humpelnd auf, wickelte sich aus dem Handtuch und reichte es ihm.

Er nahm es und legte es auf den Stuhl neben dem Bett ab, dann holte er ein Kleid aus dem Schrank. »Hier«, sagte er, »zieh das an.«

Überrascht schaute sie ihn an. Was war das wieder für ein Spiel? Aber es war ihr egal. Sie hatte so lange kein Kleid mehr getragen, dass sie es nur zu gerne überzog. Dann würde er es ihr nachher eben vom Körper reißen, war doch auch egal, aber sie hatte noch mal eins getragen.

Er half ihr dabei, es zu schließen. »Du musst doch etwas anhaben, wenn wir zum Essen gehen. Und ich habe entsetzlichen Hunger.«

Sofort riss sie die Augen auf und senkte den Kopf. Wer sollte gegessen werden? Schoss es ihr entsetzt durch den Kopf.

Raziel aber reagierte nicht weiter darauf und nahm ihre Hand. »Komm!« Er zog sie hinter sich her aus dem Zimmer.

Vor dem Zimmer stand tatsächlich ein Wächter neben einer Fackel an der Wand. Der sah den roten Dämon überrascht an. »Du bist schon wieder hier? Ich dachte, ihr würdet noch die Nacht über weg sein und erst kommen, wenn ihr alle Informationen beisammen habt.«

»Ja, so war es geplant gewesen. Aber es kam etwas dazwischen. War hier soweit alles ruhig?«

Der Mann nickte Raziel zu, sah dann interessiert zu Linea. »Ist sie dir dazwischengekommen? Wer ist sie?«

Raziel spürte, wie die junge Frau zu zittern begann, daher zog er sie dichter zu sich. »Das weiß ich noch nicht. Aber ich denke, sie wird einige Zeit hier bei uns bleiben.«

Der Wächter trat ein Stück zur Seite, damit er sie besser sehen konnte. »Hat sie keinen Namen?«

Jetzt trat Raziel ein Stück vor und verbarg ihren Körper hinter seinem. »Argui, was bist du heute neugierig. Ich konnte ihren Namen noch nicht ermitteln.« Er hielt Linea dicht bei sich und sie gingen gemeinsam den Gang entlang. Der Gang war aus grobbehauenen Steinen gebaut. Fackeln erhellten ihn in regelmäßigen Abständen. Raziel zog die junge Frau mit sich und sie stolperte. Er seufzte und holte sie noch dichter neben sich, damit er sie besser stützten konnte. Das Bein machte ihr noch Schwierigkeiten.

Argui folgte ihnen zum Speisesaal.

Linea hörte Stimmen, die immer lauter wurden, je dichter sie kamen. Sie näherten sich scheinbar einem Ort, wo viele Dämonen beieinander waren. Je näher sie kamen, desto mehr zitterte sie. Er griff nach ihrem Ellenbogen und drückte sie beruhigend an sich. »Keine Angst«, flüsterte er. »Dir wird hier niemand etwas tun. Es sei denn, du trittst mich noch einmal.« Er lächelte sie scherzend an.

Linea konnte das Lächeln nicht erwidern, aber irgendwie war sie dankbar, dass er da war.

Als sie den Raum betraten, erkannte Linea, dass hier mindestens hundert Dämonen zusammensaßen und aßen. Panisch sah sie sich um. Fast alle Plätze waren bereits besetzt. Es waren acht Tischreihen im Raum und an der Stirnseite war eine erhobene Tafel. Dort war noch etwas frei. Das hieß wohl, der Herrscher dieser Höllenregion war noch nicht hier oder schon mit dem Essen fertig. Raziel ging mit Linea hinein und sofort richteten sich fast alle Augen auf sie. Raziel wurde von vielen freudig begrüßt. Er erwiderte lachend die Begrüßungen und beantwortete einige Fragen im Vorbeigehen, aber er setzte sich nicht zu ihnen an die Tische, sondern ging weiter durch den Raum. Ob hier jeder einen festen Platz hatte? Plötzlich hielt er an dem erhobenen Tisch an und zog sich einen Stuhl heraus.

Er war der Anführer in dieser Höllenregion, wurde ihr da erst klar.

Er zog auch ihr einen Stuhl vor. »Setz dich.«

Linea setzte sich leise auf den Stuhl und traute sich nur unter gesenkten Wimpern die Anwesenden anzusehen. Alle schienen sie anzustarren, während sie weiter aßen, lachten und sich lautstark unterhielten.

Raziel nahm sich etwas zum Essen und betrachtete Linea seinerseits. »Nimm dir etwas«, forderte er sie auf.

Sie drehte den Kopf zu ihm und sah ihn an, dann schaute sie auf das Essen vor ihr. Sollte das wieder ein Trick sein, oder meinte er es ernst? Es war schon lange her, dass sie Nahrung zu sich genommen hatte. Es sah köstlich aus. Ihr Magen zog sich in Erwartung auf Nahrung bereits zusammen. Es gab sogar Erdbeeren. Ihre Hand zuckte leicht in ihre Richtung, ehe sie sich aufhalten konnte. Sie traute sich einfach nicht, danach zu greifen und senkte rasch den Arm wieder. Schon einmal hatte sie geglaubt, dass einer der Dämonen sein Angebot ernst gemeint hätte, aber als sie dann die Hand nach dem Essen ausgestreckt hatte, hatte er gelacht und ihr die Hand abgeschlagen.

Raziel schenkte ihr aus einem Krug einen Becher voll und reichte ihn ihr. »Hier! Trink wenigstens etwas. Das ist besser als das Duschwasser.«

Zögernd nahm sie den Becher aus seiner Hand.

Er schenkte sich ebenfalls etwas ein, prostete ihr zu und trank.

Langsam setzte sie nun auch ihren Becher an ihre Lippen. Es war Wein, ein süßer, angenehm kühler Wein. Sie nahm einen Schluck. Dann sah sie, wie er sie beobachtete und stellte den Becher schnell wieder auf den Tisch.

»Ist hier nichts dabei, was du essen magst?«, fragte er nun. »Vielleicht eine Frucht?« Er deutete auf die Erdbeeren vor ihr auf dem Tisch.

Also war ihm ihre Reaktion eben nicht entgangen. Verdammt, sie musste vorsichtiger sein.

Als sie nicht reagierte, nahm er eine von den Erdbeeren und reichte sie ihr.

Zögernd streckte sie die Hand danach aus und nahm die rote Frucht mit den kleinen Kernen darauf entgegen. Sie konnte nicht anders. Sie musste sie nehmen. Linea hob die Erdbeere an ihre Nase. Sie roch köstlich. Ja, das war der Geruch von Erdbeeren, an den sie sich erinnerte. Vorsichtig öffnete sie die Lippen und knabberte an der köstlichen Frucht. Schon breitete sich ihr fabelhafter Geschmack von Erdbeeren in ihrem Mund aus. Ganz leise entfuhr Linea ein Seufzer und sie schloss genießerisch die Lippen um das saftige Fruchtfleisch.

Raziel konnte nicht den Blick von ihrem Gesicht abwenden. Er hatte gesehen, dass sie es ausschlagen wollte, wie alles andere auch, aber dann war sie der Versuchung erlegen. Er hatte etwas gefunden, dem sie nicht widerstehen konnte, er lächelte leicht, bis sie in die Frucht hineinbiss und ihre Empfindungen sich auf ihrem Gesicht abzeichneten. Da war er verloren gewesen. Oh, diesen Gesichtsausdruck wollte er noch länger bei ihr sehen und besonders bei einer anderen Begebenheit.

Rasch griff er sich eine weitere Erdbeere und reichte sie ihr, als sie die erste aufgegessen hatte.

Linea lächelte ihn unsicher an. Was sollte das? Warum tat er das? Aber es war nett. Vorsichtig nahm sie ihm die Frucht ab und verzehrte sie genüsslich.

Raziel merkte, dass es plötzlich ruhiger wurde im Raum. Die Anwesenden starrten zu ihr und beobachteten sie beim Essen, wie er selbst. Wütend sah er seine Männer so lange an, bis sie sich wieder um ihr Essen kümmerten.

Linea selbst hatte das nicht bemerkt. Sie griff sich erneut ihren Becher und trank ihn leer. Unsicher sah sie zu dem Krug hinüber.

»Nimm dir ruhig, was du möchtest«, forderte Raziel sie auf.

Sie griff zum Krug, aber er war leer. Enttäuscht setzte sie den Krug wieder ab.

Da betrat Marbas den Raum und stellte sich auf die andere Seite von Raziel. Er beugte sich vor und sah zu Linea. »Ist das der Dreckspatz?«

»Allerdings.« Raziel grinste seinen Freund an. »Du bist früher hier, als ich erwartet hatte. Hast du Neuigkeiten für mich?«

Marbas setzte sich nun und sah Raziel an. »Aber natürlich. Du kennst mich doch. Behemoth hatte keine nennenswerten Verbündeten. Er war eher derjenige, der die anderen mit Speisen belieferte wie ein Krämer. Er wusste nicht wirklich etwas über Baals Pläne.«

»Das hatten wir ja schon vermutet.«

Marbas nickte und nahm sich etwas zum Essen. »Ich bin am Verhungern.«

»Hast du die Nahrungsmittel und den Wein mitbringen lassen?«

»Sicher, du hattest es ja angeordnet.«

Raziel nickte und sah zu der jungen Frau neben ihm. Sie saß wieder still auf ihrem Platz.

»Hier lief alles gut?«, fragte Marbas und deutete auf die Frau.

»Ich denke schon!«

Gerade stand sie zögerlich auf und humpelte zu dem Tisch, der an der Seite an der Wand stand. Darauf war ein Krug mit Wasser. Sie hatte ihren Becher in der Hand, was ihm zeigte, dass sie sich etwas zum Trinken holen wollte. Raziel ließ sie nicht aus den Augen.

»Weißt du ihren Namen? Dann könnte ich etwas über sie in Erfahrung bringen.«

»Nein, sie weigert sich zu tun, was ich verlange und sprechen will sie auch nicht.«

»Vielleicht ist sie stumm?«

Raziel schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe sie schon ein Wort sagen hören.«

»Okay, dann ist sie vielleicht nur dickköpfig und braucht die entsprechende Ermunterung«, Marbas grinste Raziel an.

»Ich glaube, die hatte sie zur Genüge. Ihr ganzer Körper ist mit Narben übersät.«

»Was?« Marbas sah von Lineas Rücken zurück zu seinem Freund.

Raziel sah ihn an und nickte. »Ja, ich war auch überrascht.« Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sich Adramelech ihr näherte. Raziel traute diesem pfauenköpfigen Dämon nicht und duldete ihn nur hier in seinem Reich, weil er ihm bisher keine Verbindung zu Baal nachweisen konnte. Kaum stand der Dämon jedoch neben Linea, erstarrte ihre Gestalt wieder völlig. Eben noch hatte sie ihren Becher auf den Tisch gestellt und hielt ihn fest, während sie die andere Hand nach einem Krug ausstreckte, aber jetzt verharrten ihre Finger am Griff des Kruges, ohne dass sie ihn anhob. Sie erstarrte einfach in der Bewegung und rührte sich nicht mehr.

Adramelech beugte sich dichter zu ihr und seine nasale Stimme drang von ganz nah in ihr Ohr, so dass nur Linea ihn verstand. »Hallo Linea! Als du eben mit Raziel hereingekommen bist, habe ich es nicht glauben können. Ich dachte, wir hätten dich damals getötet.« Er ergriff nun den Krug, den sie hatte nehmen wollen. Dabei streifte er absichtlich ihre Finger entlang.

Sofort zog sie die Hand vom Griff zurück und presste sie an ihren Körper. Die Finger ihrer anderen Hand verkrampften sich um den Becher.

»Vielleicht gelingt es mir ja jetzt, dich dann zum Sprechen bringen.« Er strich ihren anderen Arm mit seinen Fingern entlang. »Ich freue mich schon darauf, dass er deiner überdrüssig wird und an uns weiterreicht.«

Sofort ließ Linea Krug und Becher stehen, zog ihre Arme zu sich heran und drehte sich um, um zügig zu ihrem Stuhl zurückzukehren.

»Wenigstens reagiert sie auf andere genauso wenig wie auf dich«, Marbas kicherte, als er erkannte, wie verspannt Raziel plötzlich war, nur weil Adramelech sich dieser Frau genähert hatte. Gerade streckte der pfauenköpfige Dämon die Hand aus und strich ihren Arm entlang.

Erleichtert sah Raziel wie sie sich umdrehte und zu ihrem Platz zurückkehrte. Still setzte sie sich neben Raziel und bemühte sich, ein Zittern zu unterdrücken.

»Wolltest du dir nicht etwas zum Trinken holen?«, fragte Raziel, als er sah, dass sie ohne ihren Becher zurückgekehrt war.

Überrascht sah sie zu dem Tisch zurück. Da stand ihr Becher. Sie hatte ihn vergessen. Daraufhin schüttelte sie nur kurz den Kopf.

»Macht nichts. Hier nimm meinen.« Er reichte ihr seinen Becher.

Sie nahm ihn entgegen und trank einen Schluck von dem Wein, vielleicht beruhigte sie das ein wenig. Die Begegnung mit Adramelech hatte sie aufgewühlt. Er war einer der drei gewesen, die ihren Körper in Einzelteile gehackt hatten. Noch immer klang ihr sein Lachen dabei in den Ohren. Erneut nahm sie einen Schluck von dem Wein, so als wollte sie die Erinnerungen damit aus ihrem Gedächtnis spülen. Aber es misslang kläglich.

Raziel aber verfolgte Adramelech mit den Augen. Dieser Dämon hatte sie sichtlich noch mehr verstört, als sie ohnehin schon war. Er würde mit ihm reden müssen. Vielleicht kannte er sie und konnte ihm etwas über sie erzählen. Außerdem wollte er ihm deutlich machen, dass er sie nie wieder anfassen durfte.

Argui setze sich nun ebenfalls zum Essen an den Tisch. Er nahm den Platz neben Linea.

Sofort rutschte sie dichter zu Raziel heran.

Das gefiel Raziel. Sie suchte seine Nähe, wenn ihr jemand zu nahekam. Beruhigend legte er seine Hand auf ihren zitternden Arm.

Erschreckt sah Linea ihn an. Was tat sie denn hier? Er war ein Dämon wie die anderen.

Aber Raziel ließ seine Hand da und streichelte sie zärtlich.

Da entspannte sie sich wieder. Egal ob es richtig war oder nicht. Es tat gut, dass er so tat, als wäre er für sie da. Sie griff erneut nach seinem Becher und leerte ihn.

Aus den Augenwinkeln sah Raziel, wie Adramelech den Raum verließ. »Ich muss kurz mal weg«, sagte er zu Linea.

Sofort suchten ihre Augen seine und sie riss sie ängstlich auf.

»Ich komme aber gleich wieder zu dir zurück. Bleib hier sitzen. Marbas und Argui werden auf dich aufpassen.«

»Ach, werden wir das?«, fragte Marbas und sah von ihm zu ihr.

Linea schluckte. Am liebsten hätte sie ihn nun angefleht, nicht zu gehen, aber das wäre falsch. Ihre dumme Stimme würde nur seine Lust regen und die der anderen in diesem Raum auch. Also schwieg sie, aber ihre Blicke flehten ihn an zurückzukommen. Er war der Erste hier in der Hölle, der sie halbwegs anständig behandelt hatte, wenn man mal von der Zwangsdusche absah. Bisher hatte er sie noch nicht hintergangen oder ausgetrickst. Er hatte ihr noch nicht wehgetan, also nicht so sehr wie andere. Auch hatte er ihr Essen, Trinken und Kleidung gegeben.

Ein Engel ganz unten

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