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2. Kapitel

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Melanie spürte zwar die Kopfschmerzen, doch während ihr kleiner Jonas im Kindergarten ist, kann sie sich ausruhen.

Ihre Arbeitssuche ist bisher ergebnislos verlaufen, also wartet kein Arbeitgeber auf sie.

Frau Selend, die sieht, dass es ihrer Nachbarin in diesen Tagen nicht sonderlich gut geht, kocht für Melanie und Jonas und nimmt Jonas auch nachmittags hin und wieder zu sich.

Langsam aber stetig bessert sich Melanies Zustand. Auch die Schrammen, die sie von dem Unfall davongetragen hat verheilen.

Die junge Frau macht sich wieder aktiv auf Arbeitssuche. Ein wirklich schwieriges Unterfangen für eine Frau mit einem kleinen Kind.

Immer wieder spricht sie bei Firmen und auch bei Geschäften vor. Melanie ist bereit jede Arbeit zu verrichten. Sie muss jetzt unbedingt Geld verdienen. Schließlich hat sie ihren Sohn zu ernähren. Er soll ein gesundes, kräftiges Kind werden. Dass sie selbst auch bei Kräften bleiben soll, schon des Kindes wegen lässt sie außer Betracht.

Bei einem dieser Gänge durch die Stadt begegnet sie dem Menschen, den sie am wenigstens sehen möchte.

„Hallo, Melanie“, hört sie eine bekannte Stimme hinter sich. „Das ist ja eine nette Überraschung. Wie geht es dir?“

Erschrocken fährt Melanie herum und starrt in das Gesicht des Mannes, den sie einmal zu lieben glaubte. „Hallo, Herbert.“

„Freust du dich nicht, mich zu sehen?“, fragt dieser lächelnd.

Melanie gibt darauf keine Antwort. Also redet Herbert unbeirrt weiter. „Ich für meinen Teil freue mich. Seit du nicht mehr bei mir bist fehlt ein Teil von mir. Ich sehne mich immer noch nach dir.“

Die junge Frau schaut ihn ungläubig an, sagt aber weiterhin nichts.

Melanie hatte in Zenters Möbelhaus die Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert und war nach Beendigung der Ausbildung übernommen worden.

Dieses Entgegenkommen hatte seinen Preis. Schon bald wurde Melanie, im Alter von neunzehn Jahren, Zenters Geliebte. Er, ein Mann von vierzig, verheiratet, kinderlos.

Anfangs war es eine schöne Zeit. Der Nervenkitzel nicht mit einem verheirateten Mann, noch dazu ihrem Chef, erwischt zu werden reizte sie. Herbert hat ihr eine kleine Wohnung eingerichtet und sie auch sonst verwöhnt. Dann war es zu Beginn auch spannend während der Arbeit den anderen etwas vorzuspielen und Distanz zu wahren obwohl man vor Verlangen zum anderen fast verging. Immer wieder kam es zu einem schnellen, unbeobachteten Kuss oder zu einer kurzen Berührung.

Diese heimliche Beziehung hatte aber durchaus ihre Schattenseiten, die sich bis heute auswirken. Melanie hielt sich stets für Herbert bereit. Sie konnten nicht gemeinsam ausgehen, zumindest nicht in der Stadt. Ab und zu fuhren sie für ein Wochenende weg, wenn Frau Zenter mit ihren Damen aus dem Golfclub zu einem Turnier fuhr. Aber insgesamt gesehen, führte Melanie ein sehr einsames Leben in dem es keine Freunde mehr gab. Sie ging nicht in die Disco oder ins Kino. Es gab nur Herbert.

Irgendwann jedoch genügte Melanie dieses Dasein nicht mehr. Sie wollte mehr. Sie wünschte sich einen Mann, den sie heiraten konnte, mit dem sie eine Familie gründete.

Wenn sie Herbert Zenter darauf ansprach, rettete er sich aus der Diskussion, dass der Zeitpunkt einfach noch nicht gekommen war seiner Frau reinen Wein einzuschenken.

Melanie wusste freilich, dass Zenter das Möbelhaus nur vergrößern konnte und Filialen einrichten, weil seine Frau ihr Vermögen dazu beitrug. Eine Scheidung hätte also fürchterliche Folgen gehabt. Trotzdem wäre sie bereit gewesen mit Herbert anderswo nochmals neu anzufangen. Und eben diesen Neuanfang schob Herbert immer weiter raus.

Schließlich vor gut vier Jahren beendete Melanie ihre Beziehung mit Herbert. Er machte ihr fürchterliche Eifersuchtsszenen und wollte wissen welcher andere Mann dahinter steckte. Doch es gab keinen anderen Mann. Melanie wollte einfach nicht länger hingehalten werden. Das jedoch konnte und wollte Herbert nicht verstehen. Er glaubte nach wie vor, mit Geldgeschenken kann er Melanie weiterhin für sich begeistern. Ihr Wunsch nach Familie überwog das Verhältnis zu Zenter.

Schließlich kündigte die junge Frau ihre Stelle bei Zenter und arbeitete als Sekretärin in einer kleinen Dienstleistungsfirma.

Auch die Wohnung, die von Zenter finanziert war musste Melanie verlassen. Sie suchte sich eine billige Zwei-Zimmer-Wohnung unweit ihres Arbeitsplatzes.

Zwei Monate später erfuhr sie, dass sie schwanger war. Für sie kam es jedoch nicht infrage wieder zu Herbert zurückzugehen oder ihm von seiner bevorstehenden Vaterschaft zu berichten.

Bis zur Geburt von Jonas konnte sie noch im Dienstleistungsunternehmen arbeiten. Die Firma war sogar bereit sie halbtags einzustellen. Es stellte sich jedoch heraus, dass Jonas ein kränkliches Kind war. Melanie wurde gekündigt, weil sie zu oft am Arbeitsplatz fehlte.

Seither ist Melanie also arbeitslos und steht nun dem Mann gegenüber mit dem sie so viel und doch so gar nichts mehr verbindet.

„Komm lass uns einen Kaffee trinken.“ Schon ergreift er ihren Arm und zieht sie in das Café vor dessen Eingang sie standen.

Zielsicher führt Herbert sie an einen Tisch. Erst jetzt bemerkt Melanie, dass Herbert sie durch das Fenster des Cafés gesehen haben musste und sie deshalb auf der Straße angehalten hat. Auf dem Tisch stehen ein Kännchen Kaffee und ein Teller mit einem angebissenen Croissant.

„Ich möchte nicht behaupten, dass du gut aussiehst“, sagt Herbert nun wahrheitsgemäß, „dünn bist du geworden.“

„Mir geht es gut“, erwidert Melanie mechanisch. Sie erkundigt sich nicht nach Herberts Wohlergehen.

„Was möchtest du? Auch einen Kaffee und ein Croissant?“

„Ich habe keine Zeit“, Melanie erhebt sich und will gehen.

Sofort hält Zenter sie fest. „Jetzt sei doch nicht so. Komm setz dich. Fräulein“, ruft er und winkt mit der rechten Hand der Bedienung. Die eilt herbei. Melanie stellt fest, dass der Ehering an Herberts rechter Hand fehlt. Auch die Linke ist unberingt.

„Bitte noch eine Portion Kaffee und ein Croissant“, er hält kurz inne und wendet sich an Melanie, die er immer noch über den Tisch festhält. „Oder lieber einen Cappuccino?“

„Einen Milchkaffee, bitte“, sagt Melanie schließlich und ergibt sich der Situation.

„Gut, dann einen Milchkaffee und ein Croissant“, wendet sich Herbert wieder an die Kellnerin.

„Was machst du jetzt?“, will Herbert wissen. „Du warst wirklich wie vom Erdboden verschwunden.“

„Ich glaube nicht, dass dich das noch etwas angeht“, zischt Melanie.

„Es interessiert mich aber“, meint Herbert beharrlich.

„Das ist nicht mein Problem.“

„Arbeitest du nicht?“

Melanie schüttelt den Kopf. „Derzeit suche ich.“

„Du kannst jederzeit wieder bei mir anfangen“, schlägt ihr ehemaliger Chef vor.

„Nein danke.“

„Auch nicht vorübergehend?“

„Nein.“

Die Bedienung bringt Croissant und Milchkaffee und stellt beides vor Melanie auf den Tisch.

Für kurze Zeit tritt Schweigen ein. Das lässt ihr Zeit den ehemaligen Geliebten zu taxieren. Wie alt ist er jetzt? 48 oder 49? Zwanzig Jahre älter als sie selbst. Er sieht immer noch ganz ordentlich aus. Er verstand und versteht es sich elegant zu kleiden. Alles wie immer auserlesene Qualität. Aber diese Kleidung kann nicht verbergen, dass er zugenommen hat. Das graue, kurze Haar ist noch immer voll. Manch Jüngerer würde ihn darum beneiden. Melanie wendet den Blick von Herbert ab. Sie knabbert an ihrem Croissant und trinkt den Kaffee dazu.

„Melanie, ich bin seit vier Monaten geschieden.“

„Wie schön für dich.“

„Ich bin ein freier Mann.“

„Hast du es doch noch geschafft“, bemerkt sie zynisch.

Herbert lacht. „Nun ja, meine Frau hat mich vor fast zwei Jahren für einen Jüngeren verlassen.“

„Ach.“

„Ja, wir sind Freunde geblieben. Die Geschäfte führen wir nach wie vor gemeinsam. Es funktioniert ganz gut.“

„Aha.“

„Komm zu mir zurück“, Herbert blickt sein Gegenüber flehend an.

„Nein.“

„Wir hatten doch eine schöne Zeit.“

Melanie nickt zustimmend. „Ja, Herbert, die Betonung liegt aber auf ‚hatten’. Hatten ist in der Vergangenheit.“

„Wir können doch noch mal von vorne anfangen.“

„Herbert, meine Antwort ist nein.“

Herbert lässt nicht locker: „Auch nicht ab und zu mal ein Treffen?“

„Nein.“ Damit erhebt sich Melanie. Ein Blick auf die Uhr hat ihr gezeigt, dass sie schnellstens zum Kindergarten gehen muss um Jonas abzuholen. „Danke für den Kaffee, Wiedersehen.“

Melanie verlässt fluchtartig das Café. Erst als sie ein paar Schritte weg ist dreht sie sich um. Sie will sichergehen, dass Herbert ihr nicht folgt.

Auf dem Weg zum Kindergarten muss sie mit den Tränen kämpfen. Wie einfach wäre es jetzt gewesen Herbert Ja zu sagen. Aber er hat sie damals zu lange hingehalten, hatte nicht zu ihr gestanden. Jetzt wollte sie ihn nicht mehr haben.

Außerdem, Herbert war offiziell gar nicht Jonas Vater. Sie hatte angegeben „Vater unbekannt“. Sicher, eine DNA-Analyse hätte sofort Klarheit in dieses Dunkel gebracht, doch Melanie liegt nicht daran.

Als sie den Kindergarten betritt und ihren Sohn im Arm hält ist die Begegnung mit Herbert vorübergehend vergessen. In ihrem Leben zählt nur noch einer und das ist ihr liebes Söhnchen. Für ihn gibt sie alles nur Menschenmögliche.

Unfall ins Glueck

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